06.03.2022, 09:24
(06.03.2022, 07:30)Schneemann schrieb: 1.) Eine durch uns selbst - d. h. die Schlagkraft der russischen Luftwaffe wurde unsererseits deutlich überbewertet, was dazu führt, dass wir uns nun etwas wundern, warum sie in der Ukraine so "wenig" aktiv ist.
Zähle mich da nicht dazu, weder habe ich die russische Luftwaffe überbewertet, noch überrascht mich nun die geringe Aktivität (die sich im übrigen durchaus noch steigern könnte, es gibt durchaus noch schlummernde Potenziale). Wenn man sich etwa die Berichte aus Syrien anschaut, und dann mal vergleicht was währenddessen von russischen Spottern an Flugbewegungen in Russland gemeldet wurde, konnte man schon erahnen, dass die häufig kolportierten Zahlen an einsatzfähigem Gerät deutlich übertrieben waren. Von offizieller Seite wurde das noch bestätigt, Russland suggerierte ein Bild größerer Stärke, die wiederum im Westen gern aufgegriffen wurde. Dabei gab es hinreichende Gegenmeldungen, nicht nur über OSINT, beispielsweise wenn über die Lieferungen von modernisierten Maschinen berichtet wurde, oder die Flugstundenzahlen der Piloten, oder auch von dritter Hand über die Ersatzteilsituation, die Verarbeitungsqualität, usw..
Viele Vorstellungen lösen sich aktuell in Luft auf, und das aber birgt eine ganz andere, viel größere Gefahr: dass die russischen Luftstreitkräfte in Zukunft unterschätzt werden. In diese Falle sollten wir definitiv nicht tappen, aber ein realistischerer Umgang mit den russischen Streitkräften wäre schon nicht verkehrt, ist sogar dringend notwendig. Das betrifft übrigens nicht nur die Luftwaffe, auch bei der Marine gibt es so manches verqueres Bild. Keine Ahnung wie es bei den Landstreitkräften ist, aber ich gehe nicht davon aus, dass die von den Problemen verschont blieben.
Zitat:2.) Eine durch die Russen selbst - weil man angenommen hat, dass das, was in Syrien klappt(e), eben auch in der Ukraine klappen wird und übertragbar wäre.
Das wiederum finde ich überraschend, weil gerade zu den jetzigen Problemfeldern in den letzten Jahrzehnten sehr viel publiziert und öffentlich diskutiert wurde - im Westen. Das sollte Russland aber nicht entgangen sein, und ich hätte hier erwartet, dass Lehren aus den Fehlern anderer gezogen werden. Offensichtlich ist die Hybris aber auch auf der anderen Seite der Mauer und gerade im dortigen Militär recht ausgeprägt, anders ist die jetzige Vorgehensweise nicht zu erklären. Man muss sich das nur mal vorstellen, für die aktuellen russischen Taktiken wäre der Tornado eigentlich noch das beste Einsatzmuster (von allen noch in Dienst stehenden Maschinen).
Ich sammle aktuell schon fleißig Daten über die verschiedenen in der Ukraine genutzten Systeme und deren Einsätze, und bin gespannt, was da noch an Informationen kommt. Auch bezüglich der russischen Flugabwehr, die ja in der Vergangenheit ähnliche Überleistungen gezeigt haben soll wie die russische Luftwaffe, und für die es vielleicht ebenso eine Neubewertung geben muss. Auf jeden Fall ist es wichtig, die richtige Lehren aus dem Verhalten und der Situation zu ziehen - es wäre fatal, wenn wir den gleichen Fehler in Zukunft machen, den Russland gerade jetzt macht.