"Organisation" von Rebellenarmeen\ Entstehung von Revolution
#1
Hallo,

Aufgrund der (nicht mehr ganz) zeitgenössischen Revolutionen in Nordafrika (Lybien, etc) und Aufständen (Syrien)... kann mir jemand "mehr" zur Organisation der "Aufständischen" sagen (gibt es "gleiches", sind "die"irgendwie organisiert, oder recht unkontrollierte Milizen?), und wie kam es zu den Aufständen...?? (die Frage ist sehr weit gefasst).

Sind die Aufstände ursprünglich "Bürgeraufstände"? (oder vermutlich eher von einer "aussenstehenden" Macht inszeniert?).

Ich habe Ché Guevaras "Guerilla Warfare" gelesen (der von einer "kleinen ideologischen Guerillatruppe" ausgeht, die vorerst vom schwer zugänglichen Gelände aus operiert, und dann, mit anwachsen der Widerstandstruppe, das Operationsgebiet erweitert und teilweise "konventionell" und nicht mehr aus dem Untergrund kämpft.

In "Wie man einen Militärputsch inszeniert" David Hebditch & Ken Connor), gehen die Autor "logischerweise "von einem Umsturz, einem "Initial" seitens höherer Militärs aus. (die "Bevölkerung" wird aussen vor gelassen).

In Berichten aus dem Bürgerkrieg? Austand in Lybien (onlineseiten von Stern, Spiegel, Focus..etc, sind mir die Bodentruppen als sehr unkoordiniert und "militärisch naiv" in Erinnerung. (wir fahren mit dem Toyota Pick up los... und ups... haben auf einmal einen feindlichen Schützenpanzer vor uns°
Waren diese "Truppen" irgendwie organisiert?, gibt es irgendeine Art der "Logistik? (oder sind es eher "lokale" Milizen?? ...

Gibt es hierzu "deutschsprachige" Lektüre??

Danke
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#2
Da gibt es meist zwei Standpunkte dazu und welche "dazwischen".
Die Aufstände in Tunesien und Ägypten wurden von Ausländischen NGOs "begleitet" und "Unterstützt".
Diese haben auch "Hilfe" geleistet in der Ukraine (Orangene Revolution), Iran (Grüne Revolution) aber auch beim Putsch in Venezuela (2002). Die Liste ist recht lang.
Die genannten haben mal mehr (Ukraine) und mal weniger (Iran, Venezuela) die Unterstützung der breiten Masse. Viele junge Leute können mal besser oder mal weniger gut auch zu Gewalt "angeleitet" werden.

Im Falle Libyens 2011 ist klar zu sagen das auch kampferprobte Terroristen aus dem Nachbarländern, meist Ägypten, eingeschleust wurden und diese durch Katar, USA, Saudis, GB und Frankreich auch mit Waffen, Geld, Autos, Schutzwesten ect. Ausgestattet wurden um eine "Revolution durchzuführen.
Natürlich ist dies stets vom Standpunkt her abhängig ob es als Fakt angenommen oder als Lüge zur Verschleierung abgestritten wird. Da mußt du dir selbst durch Recherche ein eigenes Bild von machen.

Wichtig ist jedoch, das ohne Ausländische Waffenhilfe Hilfe die "Rebellen" weder in Libyen "gewinnen" konnten noch diese auch nur einen Hauch einer Chance in Syrien hätten. Volksrevolutionen entstehen überall. Bedeutet, das auch in kleinen orten nach gewisser Zeit ziviler Ungehorsam, Abspaltung und die Übernahme durch Bürgerkomitees die Ordnung gesichert wird. Siehe Kuba oder auch DDR. Zu Teilen auch Tunesien oder Iran 1979.

Die "Rebellen" (eher Terroristen) welche mit Waffengewalt in Syrien handeln sind entweder marodierende Banden welche sich ein Gebiet zu eigen machen wollen diese jedoch zu meist nicht aus dem Gebiet stammen (siehe Kalifate in Aleppo und Umgebung) oder gesteuerte Gruppen entlang der Jordanischen Grenze welche gezielt SAM Stellungen und Infrastruktur als Ziel haben oder gleich ganz am Golan für Israel (siehe Behandlung durch Israelisches Sanitätspersonal auf Israelischem (besetztem) Boden) handeln. In groben werden jedoch alle diese Gruppen mehr oder minder vom Ausland direkt oder durch Umwege gesteuert. Ausgenommen die Opposition welche mit friedlichen mitteln im Inland für Reformen eintritt. Diese gab es schon vor 2011 und diese wurde erst durch Assad Junior bestärkt. aber auch hier spielen NGOs immer eine Nebenrolle. Solche NGOs darf es in den USA im übrigen nur ganz eingeschränkt geben... warum wohl?

Wir hatten hier schon die Diskussion wie hoch der Anteil an Syrien ist welche bei den "Rebellen" mitwirken. Eine Revolution hat erst einmal nur dann Aussicht auf Erfolg wenn diese weitgehendst friedlich ist und sich große Teile des Landes und der Bevölkerung anschließen. Das ist in Syrien nicht der Fall. Im Gegenteil. Der Rückzug, also der freiwillige durch Assad im Ausgangsort wo die Jugendlichen Graffiti an die Häuser schrieben und festgenommen wurden, führte dazu das Ausländische Kräfte mit Waffengewalt diese Zone ohne Militär (das zog sich ja in Abkommen mit den Einwohnern samt Polizei zurück, genau den Fehler meinte Moskau...) übernommen haben und von da aus Mord, Folter und Vertreibung gestartet haben und dies auch im Norden durch die Türkei und im Westen über den Libanon mit Libyen erfahrenen Kämpfern befeuert wurden. Denn, Syrien steht wie Libyen stand auf der Umgestaltungsagenda der USA & Co.

Schau dir die Greueltaten dieser "Befreier" an und die massenhaften Demonstrationen für ein Syrien unter Assad. Und dann werte selber ob es eine Revolution ist oder eine Intervention mit schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
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#3
Danke für Deine ausführlichen Ausführungen.

Gibt es (Deiner Meinung nach) Beispiele von Revolutionen, Aufständen, Bürgerkriegen die (zumindest am Anfang), die "Initial zündung" von Innen kam.

Mich interessiert vor allem
a) wie es dazu kam ("ein langsames "Hochschaukeln" der Unzufriedenheit der Bevölkerung) welches aufgrund eines Schlüsselerlebnis dann eskalierte und zum Aufstand führte

b) Organisiation, Struktur, (und die Evolution) der Aufständischen... (sprich, gibt es geschichtliche Beispiele, wie "Zivilisten", "Bürger" von sich aus gegen "die Staatsmacht" militarisch Widerstand leisteten?
Wie wurde dieser Widerstand organisiert (oder waren es kleinere Gruppen die unkoordiniert Sabotage verübten).
(und wie finanzieren sich diese Widerständler??? ... von südamerikanischen, afrikanischen "Guerillas" hört man gelegentlich von Entführungen und Lösegelforderungen, Drogenhandeln (südamerika) oder Bodenschätze ("Blutdiamanten" in Afrika) als Finanzierungsbasis....
Halten sich die "syrischen Rebellen" (nennen wir sie einfach mal so) nur durch finanzielle Unterstützung von aussen?
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#4
Zitat:a) wie es dazu kam ("ein langsames "Hochschaukeln" der Unzufriedenheit der Bevölkerung) welches aufgrund eines Schlüsselerlebnis dann eskalierte und zum Aufstand führte

b) Organisiation, Struktur, (und die Evolution) der Aufständischen... (sprich, gibt es geschichtliche Beispiele, wie "Zivilisten", "Bürger" von sich aus gegen "die Staatsmacht" militarisch Widerstand leisteten?
Wie wurde dieser Widerstand organisiert (oder waren es kleinere Gruppen die unkoordiniert Sabotage verübten).
(und wie finanzieren sich diese Widerständler??? ... von südamerikanischen, afrikanischen "Guerillas" hört man gelegentlich von Entführungen und Lösegelforderungen, Drogenhandeln (südamerika) oder Bodenschätze ("Blutdiamanten" in Afrika) als Finanzierungsbasis....
Halten sich die "syrischen Rebellen" (nennen wir sie einfach mal so) nur durch finanzielle Unterstützung von aussen?
Hallo,

derartige Rebellionen haben von Land zu Land andere Ursachen. Man muss bedenken, dass es, bezogen auf Nahost, dort keine richtigen zivilstaatlichen Strukturen gab. Viele der Regime dort, vor dem "arabischen Frühling", waren zudem eher säkular (Baath, Militärregierungen), der religiöse Aspekt, von vorgeschobenen Argumenten des jeweiligen Herrschers abgesehen, blieb unterdrückt. Während des Kalten Krieges haben sowohl der Westen als auch der Osten ihre eigenen "Verbündeten" hochgerüstet und unterstützt. Ägypten etwa wurde zunächst von den Sowjets, dann vom Westen unterstützt (weswegen auch die T-54 zu M-60 „wurden“). Syrien war seit jeher ein von Russland/der Sowjetunion unterstütztes Land. Der Iran wurde bis 1979 von den Amerikanern hofiert (der Schah), nach der Machtübernahme der Mullahs wurde er bekämpft und boykottiert. Noch wirrer war es im Irak. Nachdem sich in blutigen Machtkämpfen in den 1970ern der junge Saddam durchgesetzt hatte, erhielt er von den Sowjets, aber auch vom Westen Geld, Waffen und Informationen. Während des Iran-Irak-Krieges in den 1980ern füllten die Russen regelmäßig Saddams Waffenarsenal auf, während der Westen Logistik und Informationen lieferte, um den Iran klein zu halten. Gewissermaßen war es reines Kalkül. Die Liste der hofierten und unterstützten Diktatoren in Nahost ist arg lang, wobei sich weder Ost noch West besonders rühmlich verhalten haben...

Aber zu deinen Fragen:

Zu a.): Es ist i. d. T. so, dass es große Unzufriedenheiten in den Bevölkerungen gibt. Es greifen hier 1.) die Raffgierigkeit mancher Kleptokraten, 2.) die Perspektivlosigkeit und Armut großer Teile der Bevölkerungen dort und 3.) der Sachverhalt, dass es in Nahost um sehr „junge“ Bevölkerungen handelt (d. h. die Masse ist unter 30 Jahre alt) ineinander. Aus dieser Mischung entstehen dann die Rebellionen, wobei es zudem eine Hinwendung zum Religiösen gibt, bzw. dies zu beobachten ist. Was nun den Beginn der Revolten angeht: In Tunesien etwa begann der Umsturz nach der Selbstverbrennung eines Mannes, wobei dann die ganze Unzufriedenheit der Bevölkerung zum Ausbruch kam, in Ägypten war der Tod von Demonstranten die Initialzündung. In Syrien verliefen die Proteste zunächst friedlich, nachdem aber von Seiten des Regimes massive Gewalt ausgeübt wurde, wurde der Protest zum bewaffneten Aufstand.

Zu b.): Es kommt auf die jeweilige Rebellion an. Manche Länder, in denen es Umstürze gab oder gibt, sind wichtig bzw. gehören zur Einflusszone mancher Länder (oder werden also solche angesehen), manch andere wiederum nicht. In Libyen etwa gab es keine sonderlich großen Interessen (mehr), auch Russland hat Gaddafi mehr oder minder „fallen gelassen“, weswegen letztlich der Umsturz gelang, obgleich noch unklar sein wird, was folgen wird. Ähnlich war es in Tunesien, wobei sich dort eine islamistische Partei durchsetzen konnte (zumindest bislang). Auch in Ägypten lief es ähnlich.

In Syrien indessen sieht die Sache anders aus. Dort gibt es massive Interessen des Auslandes. Der Westen will Assad stürzen sehen, Saudi-Arabien und manche Golfemirate ihren/seinen wahhabitischen Einflussbereich ausbauen. Zugleich will der Iran seinen alawitischen Verbündeten Assad aber um jeden Preis halten. Die Russen wollen Assad ebenso weiterhin an der Macht sehen, einerseits weil er der letzte wichtige, strategische Verbündete Moskaus in der Region ist und andererseits weil er auch ein treuer Waffenabnehmer ist. Und diese Mischung hat dazu geführt, dass der Syrienkonflikt nun schon beinahe zwei Jahre dauert. Das Problem ist ferner, dass die eigentliche Revolte der Syrer gegen Assad, die zunächst friedlich verlief, nun zunehmend zu einer Art „Bürger-Stellvertreterkrieg“ der beteiligten Mächte wird, der alle Arten von ausländischen Söldnern und auch Fanatiker anzieht. Dabei wird auch in erheblichem Maße und zunehmend ein erbitterter Propagandakrieg von beiden Seiten aus geführt, wobei entweder die Regierung Assad dämonisiert wird oder die Rebellen alle als Terroristen bezeichnet werden. Da (vermutlich) keine von beiden Seiten zurückstecken wird, kann man davon ausgehen, dass sowohl der Westen und die Saudis als auch Iraner und Russen diesen "Bürgerkrieg" bis zum letzten Syrer führen werden - leider...

Schneemann.
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#5
... mich würde vor allem der Übergang von "Unzufriedenheit" zu (mehr oder weniger) offen und organisierten Widerstand interessieren.

Ich kenne die Details der von Seemann genannten Fälle zu wenig.
Es kommt zu einen "Zwischenfall" bei einer Demo, Versammlung oder ähnliches.... wie entstand aus der vermultich eher an sich grösstenteils unorganisierten Menschenmasse eine "Rebellenarmee"??
Die Demo etc wird von regimetreuen aufgelöst,... wie bildet sich eine "Untergrundarmee"?

Ich meine Aufbau einer Struktur ("Kommandostruktur", Kommunikations, Koordination?), Organisation von Ausrüstung, Rekrutierung der Willigen (muss die nicht "verdeckt" erfolgen, aufgrund von Gegenaktionen des Regimes?).

Kann hierzu jemand Literatur empfehlen?
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#6
Da du hier eingangs sehr viele, sehr verschiedene Fälle nennst, kann man deine Fragen nur sehr schwer beantworten. Im sogenannten "Arabischen Frühling" waren die Motive, die Abläufe, die Entstehung des Widerstandes, seine Struktur usw jeweils unterschiedlich. Keiner der Fälle ist mit dem anderen wirklich vergleichbar.

Daher will ich mich allgemeiner fassen, also nicht so sehr auf den Arabischen Frühling bezogen, aber auf die Jetzt-Zeit, da Erfahrungen der Vergangenheit aufgrund der heute veränderten Umstände oft nicht mehr gültig sind. Die Unterdrückungsmöglichkeiten, Überwachungsmöglichkeite und die potentielle Macht von Staaten ist heute zu groß geworden, als dass tradierte Muster heute noch gelten würden.

Damit kommen wir gleich mal zum ersten Punkt: Revolutionen/Volksaufstände finden heute primär dann statt, wenn die Macht eines Staates erodiert. Eine wesentliche Kenngröße hierzu ist die frage der Korruption und Misswirtschaft. Je korrupter ein Staat wird, desto wahrscheinlicher kommt es auf Dauer zu einem Aufstand, nicht wegen des Mißstandes an sich, sondern weil die Korruption den Staat und seine Handlungsmöglichkeiten schwächt. Dazu treten dann meist noch andere strukturelle Schwächen. Dazu erhöht sich dann zweitens die Wahrscheinlichkeit für einen Aufstand, wenn es dem Volk paralell dazu wirtschaftlich besser geht als vorher. Eine Lockerung der Staatsmacht, bei gleichzeitig ansteigendem Wohlstand, in Verbindung mit Korruption/Misswirtschaft des Staates, ist auch heute noch meistens die Grundlage für Aufstände.

Nun speziell zu deinem letzten Eintrag: es kommt also zu einem Aufstand, zu Demos, zu Versammlungen etc und der Staat hat aufgrund seiner Zersetzung nicht die Macht, diese sofort nachhaltig zu zerschlagen. Er zerschlägt sie zwar, aber dies eben nicht nachhaltig. Das ist nun der kritische Moment, wo die Untergrundarmee entstehen kann oder eben nicht. Hierzu gibt es drei Möglichkeiten:

1 Teile der eigenen staatlichen Sicherheitsorgane (Polizei, Geheimdienste, Militär) werden zu Feinden des Staates. Deserteuere dieser Organe bilden, organisieren und führen die Untergrundarmee.

2 Ausländische bewaffnete Kräfte dringen in das Land ein und bilden, organisieren und führen die Untergrundarmee.

Sehr oft kommt es auch zu einer Mischung aus 1 und 2

3 Sehr selten bildet sich eine solche Untergrundarmee nur aus Zivilisten heraus, ohne dass Militärs des Staates oder anderer Staaten vorhanden sind. Diese Option 3 kommt so gut wie nie vor, und wird sehr oft von Option 1/2 gefolgt, indem Militärs des eigenen Landes dann zu den Aufständischen übertreten oder diese vom Ausland aus unterstützt werden. Extrem selten gibt es demgegenüber Gesellschaften, die so extrem militarisiert sind, dass das Volk selbst den Aufstand führt, in solchen Gesellschaften existiert aber dann meist auch kein Staat gegen den sich der Aufstand richtet (Beispiel Afghanistan, Somalia), sondern diese Länder sind von Warlords beherrschte Gebiete zerfallen.

Wie man es dreht oder wendet: Ohne ausgebildete, bewaffnete Angehörige von Sicherheitskräften (Einheimischen wie Ausländischen) ist es de facto nicht möglich, dass sich eine Untergrundarmee bildet. Selbst wo eine solche nur aus Zivilisten heraus entsteht, wird sie binnem kurzen von Deserteuren aus Militär/Polizei oder ausländischen Kräften übernommen. Bei Option 3 also kommt es meist nach kurzer Zeit ebenfalls dazu, dass die Untergrundarmee im weiteren von Ausgebildeten und Bewaffneten Kräften weiter organisiert und geführt wird.

Eine besondere Rolle spielen in den heutigen Aufständen dabei Stammesstrukturen, und damit Stammesmilizen bzw das Übergreifen dieser Stammesstrukturen in das Militär/Polizei des Staates gegen den der Aufstand stattfindet.

Zitat:Die Demo etc wird von regimetreuen aufgelöst,... wie bildet sich eine "Untergrundarmee"?
Ich meine Aufbau einer Struktur ("Kommandostruktur", Kommunikations, Koordination?), Organisation von Ausrüstung, Rekrutierung der Willigen (muss die nicht "verdeckt" erfolgen, aufgrund von Gegenaktionen des Regimes?).

Sie bildet sich, wenn ausgebildete und bewaffnete Kräfte die Organisation und Führung übernehmen. Für den sehr seltenen Fall dass dies nicht sofort geschieht, wird eine anfangs rein zivile "Untergrundarmee" immer sehr schnell von solchen Kräften übernommen.

Diese Kräfte können aus den Sicherheitsorganen des eigenen Staates oder aus dem Ausland kommen. Oft kommt es auch zu einer Mischung.

Am verbreitetsten ist jedoch die Bildung, Organisation und Führung des Aufstandes durch Einheimische Sicherheitskräfte die zu Aufständischen werden. Auf Dauer hält sich aber auch ein solcher Aufstand meistens nur durch ausländische Unterstützung. Das heißt nicht, dass der Aufstand zwingend durch Ausländische Mächte gelenkt wird, aber sie unterstützen ihn logistisch. Auch ohne die Präsenz ausländischer bewaffneter Kräfte im Land ist die logistische Unterstützung des Aufstandes aus dem Ausland absolut wesentlich für das Gelingen. Die Präsenz ausländischer Kämpfer im Land ist demgegenüber meist ein Nachteil, sie erschwert das Gelingen. Die erfolgversprechendste Kombination ist ein Aufstand, organisiert und geführt von einheimischen ehemaligen Sicherheitskräften des Staates gegen den sich der Aufstand richtet mit ausländischer logistischer Unterstützung.

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#7
@Fabius

Was verstehst Du unter NACHHALTIG zerschlagen (der Demonstration)??
Vermute Festsetzen der Organisatoren der Demo (sind Demos obligatorisch "angemeldet"?)
Ich gehe von einer "unorgansierten" Menschenmenge aus (die sich "irgendwie" zu einer Untergrundbewegung organisiert... mich interessiert dabei gerade dieser Prozess).

Wenn (auch) Du meinst, ein Aufstand muss zwingend mit Unterstützung wenn nicht Leitung des Militärs und oder Polizei erfolgen:
Wie erfolgt der "Übergang" (in der Geschichte meist) - hielten die Einheiten (Mannschafften und Unteroffiziere) meist überwiegend loyal zu Ihrem Kommandeur (der die Entscheidung, "wir schliessen uns der Revolution an bzw wir bleiben dem alten Regime loyal) ...? oder waren es meist "individuelle" Entscheidungen (bzw "Desertationen" von Mannschaften zur "Rebellenarmee")?

Wie finanzieren sich die Rebellen unmittelbar (wenn wir annehmen, das zumindest am Anfang, keine ausländische Macht finanzielle Mittel zur Verfügung stellt)...?? Oder bekommen die "Revoluzzersoldaten" erstmal keinen Sold?? (was die Motivation deutlich reduzieren würde?).
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#8
In einer rein zufälligen, unorganisierten Menschenmenge, die sich einfach so ad hoc irgendwo bildet, finden sich immer informelle Führer.

Wenn nun diese Menschenmenge unter Druck gerät, organisieren diese informellen Führer in ihrem Einwirkungsbereich Gruppen. Solche Gruppen agieren dann zusammen, und es bilden sich Führungsstrukturen heraus, weil die Mehrheit der Menschen in dieser Stresssituation die Führung lieber einem anderen überlässt.

Wenn nun die Menschenmenge zerschlagen wird, also aufgelöst wird und einige der qualitativ überlegenen informellen Führer entkommen erfolgreich, dann bilden diese informellen Führer meist den ersten Kern für einen dann entstehenden Widerstand im Untergrund.

Dabei spielen die ursprünglichen Gruppen und Führungsstrukturen innerhalb der Menge keine Rolle mehr. Die meisten Angehörigen dieser Gruppen, wenn sie aufgelöst wurden und die Leute überlebten, finden sich nicht im Widerstand wieder. Insbesondere ist der Fall de facto nicht gegeben, dass eine solche Gruppe die sich in der Menschenmenge gebildet hat geschlossen in den Widerstand begibt so wie sie in der Menschenmenge Bestand hatte.

Ein wesentlicher Punkt ist oft, dass die Zerschlagung der Menschenmenge nicht dazu führt, dass sich diese ! Menschenmenge dann zu einem Widerstand organisiert, sondern dass sich andere Menschen zu einem Widerstand organisieren, aufgrund der Zerschlagung. Diesem Widerstand schließen sich dann informelle Führer aus der Menschenmenge eventuell an.

Insbesondere kommt es zur Bildung eines Widerstandes, wenn Angehörige der Sicherheitskräfte des Staates der die Menschenmenge zerschlägt wegen dieser Zerschlagung einen Widerstand bilden.

Bezüglich der Entscheidung der Sicherheitskräfte, ihrem Befehlshaber zu folgen oder entgegen dem Befehlshaber dem Widerstand zuzustoßen: beides kommt vor. Öfter jedoch handelt es sich nicht um individuelle Entscheidungen, sondern eine Gruppe entscheidet (der Konformitätsdruck ist absolut wesentlich dafür).

Da dieser Faktor unterdrückenden Regimen bekannt ist, werden insbesondere Offiziere oft sehr gut gestellt und stellen sich damit meistens anfangs nicht gegen das System. Daher desertieren nicht einzelne, aber eben Gruppen entgegen ihren Offizieren und gehen zum Widerstand über.

Eine Besonderheit haben hier wieder Stammesstrukturen zur Folge. Wenn ein Stamm durch die Zerschlagung der Menschenmenge sich angegriffen sieht und sich als Stamm zum Widerstand entschließt, dann werden die entsprechenden Teile des Stammes in den Sicherheitskräften zum Widerstand übergehen. Die Stammesinteressen überwiegen dann meistens. Ein Musterbeispiel hierfür war Libyen.

Widerständler bekommen in der Anfangsphase de facto nie Sold. Die Motivation kommt ja nicht aufgrund von Geldzahlungen, sondern aufgrund emotionaler Motive. Wenn der Widerstand sich hält, wird ebenfalls fast nie Sold gezahlt. Das Geld ist viel zu wertvoll, um Waffen und Munition zu beschaffen, feindliche Offiziere zu bestechen, Beamte des Regimes zu bestechen, die Bevölkerung für sich einzunehmen usw

Für die Frage der Finanzierung in der Anfangsphase gibt es viele Möglichkeiten. Das reicht von Banküberfällen hin zu Schutzgelderpressungen, aber auch zu legalen Tätigkeiten der Widerständler solange diese noch nicht entdeckt werden. So ist durchaus üblich, dass private Unternehmer die dem Widerstand angehören Geld geben, oder dass die Widerständler weiter ihrer Arbeit nachgehen und ihren privaten Lohn in den Widerstand investieren. usw usf, gerade anfangs ist der Anteil von Geldmitteln die von Symphatisanten und privaten wirtschaftsquellen stammen meist sehr hoch.

Gerade in der absoluten Anfangsphase sind zudem Raubüberfälle und Plünderungen oft der Anfang. Dabei wird versucht, zugleich dem System dass man bekämpft einen Schaden zuzufügen. Stalin fing beispielsweise wie die NSU als notorischer Bankräuber an. Umgekehrt kann eine Zunahme von Banküberfällen also die Existenz einer sich ausweitenden Widerstandsbewegung belegen.

Aber man darf den Anteil an Spenden, investierten Unternehmergewinnen und Löhnen der Mitglieder des Widerstandes nicht unterschätzen. Oft wird auch das Privatkapital verkauft und der Erlös gespendet. Es ist durchaus üblich, das Haus zu verkaufen, das Auto, einfach alles, und das Geld dann mit in den Widerstand zu nehmen.
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#9
@ CptDanjou

Ich empfehle, im übertragenen Sinne, Anthony Beevors "Der spanische Bürgerkrieg" (bei diversen Online-Versanden zu 15 bis 20 Euro zu haben). Er schildert eindrücklich, wie ein Bürgerkrieg (in Spanien von 1936 bis 1939) zu einem internationalen Machtkampf wurde. Waren anfänglich rechtsgerichtete Putschisten (Franco, Sanjurjo, Mola), Falangisten, Monarchisten und Karlisten auf der einen Seite sowie Anarchisten, Volksfrontler, Sozialisten auf der anderen Seite beteiligt, so eskalierte die Konfrontation mit dem Eingreifen Hitlerdeutschlands, Mussolini-Italiens und der Sowjetunion (bzw. Mexikos) und zudem hatte die Untätigkeit der damals "freien Welt in Europa" (GB und Frankreich) ihren Anteil...

Man erhält hierbei eine sehr guten Einblick in die Ursachen eines Bürgerkrieges, und auch, wie ausländische Mächte einen solchen für ihre eigenen Zwecke "benutzen" können...

Schneemann.
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#10
@Scheemann

Danke für den Buchtipp.
Mich interessieren jedoch "vorrangig" die Vorgänge von "der allgemeinen Unzufriedenheit" zum (mehr oder weniger) organisierten aktiven Widerstand, "Formierung bzw Strukturierung von unzufriedenen (Zivilisten?) zu eine "Untergrund oder Rebellenarmee"... weniger die "Internationalisierung" eines bereits bestehenden Aufruhrs\ Bürgerkriegs
Hast Du hierzu auch (mit Vorliebe deutschsprachige) Literaturempfehlungen?

(ich habe Antony Beevors "Der spanische Bürgerkrieg" begonnen... und erstmal zur Seite gelegt. Geht mir sehr in die Tiefe und ist derzeit eher verwirrend als aufklärend (werde es mir später nochmal vornehmen..)

@ Q.F.
Danke für Deinen umfangreichen Kommentar. Konnte ihn gestern nur kurz "überfliegen" und komme später dann hierauf zurück.
(Dass Stalin anfangs der "Finanzierer" Lenins war, und hierzu auf kriminelle Einsätze (Bank und Raubüberfälle) zurückgriff, war mir bekannt.
Zum "Rest" später.
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#11
Eine allgemeine Unzufriedenheit hat immer eine Art Opposition zur Folge. Sei es in Form von dann meist verbotenen Parteien, religiösen Gruppen (Muslimbrüder), Stammesverbänden usw usf

In jedem Staat gibt es eine Opposition. Ist nun die Unzufriedenheit allgemein, muß der Staat diese unterdrücken, um nicht seine Macht an die Oppositinsgruppe zu verlieren. Die Muslimbrüder sind ein perfektes Beispiel dafür.

Diese Opposition ist aber schon vor einem bewaffneten Widerstand immer organisiert, hat Strukturen, Finanzen, Führer, Verbindungen.

Eine "Untergrundarmee" entsteht nie von selbst einfach so aus dem Volk, aus den Zivilisten heraus. Sie wird organisiert. Beispielsweise von der Opposition oder radikalen Teilen davon.

Unzufriedene Zivilisten strukturieren sich nicht von selbst zu einem aktiven, organisierten Widerstand, sondern bestehende Organisationen bauen diesen auf und gliedern Zivilisten in diesen ein.

Ein Musterbeispiel für einen solchen Vorgang ist die Geschichte der IRA und ihrer Vorläufer-Organisationen.

<!-- m --><a class="postlink" href="http://de.wikipedia.org/wiki/Irish_Republican_Brotherhood">http://de.wikipedia.org/wiki/Irish_Repu ... rotherhood</a><!-- m -->

<!-- m --><a class="postlink" href="http://de.wikipedia.org/wiki/Fenian_Brotherhood">http://de.wikipedia.org/wiki/Fenian_Brotherhood</a><!-- m -->

<!-- m --><a class="postlink" href="http://de.wikipedia.org/wiki/Irish_Volunteers">http://de.wikipedia.org/wiki/Irish_Volunteers</a><!-- m -->

Zitat:Kurz nach der Formierung der Irish Volunteers verbot das britische Parlament die Einfuhr von Waffen nach Irland. Die Ulster Volunteers kamen dennoch mit dieser Situation klar und die Irish Volunteers erkannten, dass sie dies ebenso schaffen müssten, wenn sie eine ernste Streitmacht sein wollten. Viele Berichterstatter dieser Zeit fanden die Tatsache amüsant, dass sich die loyalen „Ulstermen“ bewaffneten und mit Gewalt der britischen Regierung trotzten. Pearse entgegnete daraufhin, dass „ein Oranier mit einer Waffe nicht so lächerlich sei, wie ein unbewaffneter Nationalist“. Daher arbeiteten O'Rahilly, Sir Roger Casement und Bulmer Hobson daran, einen Waffenschmuggel zum Hafen von Howth, nördlich von Dublin, zu organisieren. Der Plan war ein voller Erfolg und Robert Erskine Childers lieferte fast 1.000 Gewehre und verteilte diese ohne Störungen an die wartenden Irish Volunteers.

Patrick Pearse ordnete für drei Tage Paraden und Manöver an - ein schlecht getarnter Befehl für einen geplanten Aufstand. MacNeill erkannte schnell den wirklichen Sinn hinter diesen Befehlen und versuchte, sämtliche Aktionen der Volunteers zu stoppen. Doch er konnte den Aufstand nur um einen Tag aufschieben und die Zahl der Beteiligten auf ungefähr 1.000 drücken - nahezu alle in Dublin. Die ebenfalls beteiligte Irish Citizen Army unterstützte den Aufstand mit nahezu allen ihren Männern - allerdings waren dies gerade einmal um die 250. Der Aufstand war ein militärischer Fehlschlag und eine große Anzahl an Irish Volunteers wurde verhaftet - auch diese, die nicht an dem Aufstand beteiligt waren.

1919 gingen Irish Volunteers und Irish Citizen Army in der Irish Republican Army auf.

Andere interessante Fälle sind die Wehrsportgruppe Hoffman in der Bundesrepublik, die aufzeigt, wie eine Privatperson auch ohne allgemeine Unzufriedenheit bzw trotz vorhandener Ablehnung durch die Gesellschaft eine paramilitärische Organisation aufbauen und bewaffnen kann. Hier stellt sich die Frage nach den Hintermännern (Gladio). Hätte es in der Bundesrepublik aus irgendwelchen gründen dnan eine allgemeine Unzufriedenheit gegeben, wäre diese Wehrsportgruppe ein Musterbeispiel für eine Keimzelle eines bewaffneten Widerstandes gewesen, der sich dann rasch viele Zivilisten hätten anschließen können.

Und beispielsweise die ETA, deren bewaffnete Anfänge im spanischen Bürgerkrieg lagen und die ihre Organisation und Bewaffnung zum Ende des spanischen Bürgerkrieges begann, mit Waffen und Kampferfahrung die aus diesem Krieg stammten.

Wie man also sieht, organsiert sich so ein Widerstand nicht von selbst aus Zivilisten heraus. Er entsteht nicht einfach. Er benutzt vorhandene Strukturen und die Frage der Bewaffnung ist immer schwierig. Es bedarf eines Zugangs zu Waffen, der Zivilisten in der Mehrheit immer versperrt ist.

Ein Volksaufstand setzt immer organisierte Gruppen voraus, die bereits vor dem Aufstand aktiv waren. Diese Gruppen instrumentalisieren dann die Unzufriedenheit des Volkes, integrieren Zivilisten in den Aufstand und organisieren und bewaffnen ihn.
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