Geschichte der Juden
#16
Teil 3 Die Diaspora

Die jüdische Diaspora begann nicht in der römischen Zeit und war nicht die Folge der Zerstörung des Tempels bzw der Vertreibung von Juden aus Jerusalem.

Bisher habe ich ja die jüdische Geschichte primär bezogen auf das jüdische Königreich bzw die Siedlungsgebiete der Juden im Gebiet des heutigen Israel dargestellt.

Schon sehr viel früher aber siedelten Juden ganz massiv in anderen Ländern. Diese jüdische Diaspora begann mit den Persern (und vereinzelt sogar schon davor!). Schon zur Zeit des Großkönigs Kurus dienten viele Juden den Persern als Söldner. Und erhielten für ihre Söldnerdienste aufgrund von Finanziellen Problemen der Perser anstelle von Geld auch Land zugewiesen. Die ersten ausländischen jüdischen Gemeinden entstanden in dieser Zeit in Ägypten, wo die Juden einen erheblichen Teil der persischen Besatzungstruppen bildeten. Aber auch davor schon hatten Juden beispielsweise in Ägypten gelebt, wo sie eine kleine Kolonie hatten.

Wie ich aber in Teil 2 ja ausgeführt habe, sind Juden zu dieser Zeit weder sprachlich noch von der Abstammung her ein Volk, sondern es handelte sich um ein Volk das sich selbst rein theologisch definierte (was bis heute in der Doppelstellung von Religion und Volk nachschwingt). Diese Juden die in anderen Ländern siedelten stammten daher aus verschiedenen Völkern, hatten verschiedene Sprachen, und eine gemeinsame Monotheistische Religion.

Das Judentum war in der Antike zudem eine Missionierende Religion, das heißt das die Juden zu dieser Zeit noch aktiv versuchten andere Menschen zum Judentum zu bekehren. Die Missionsarbeit der Juden wuchs dann in der Zeit des Hellenismus noch an und war während der Herrschaft der Diadochenreiche sogar recht erfolgreich. Dies läßt sich auch eindeutig durch die Demographie belegen. Allein in Ägpyten lebten zu dieser Zeit über 1 Millionen Juden. Nur durch die Auswanderung allein läßt sich diese Zahl aber nun nicht erklären. Selbst bei einer sehr hohen Reproduktionsrate wäre es den wenigen jüdischen Auswanderern nicht möglich gewesen, in so kurzer Zeit eine solch hohe Anzahl zu erreichen.

Die zum Judentum bekehrten, Proselyten genannt machten binnen kurzer Zeit einen bedeutenden Anteil und in manchen Gegenden sogar die Mehrheit der Juden in der Diaspora aus. Das hatte wiederum auch wirtschafltiche Hintergründe. Denn die Juden waren zur Zeit der Diadochenreiche wirtschaftlich priveligiert. Diese Besserstellung der Juden in etlichen Fragen war ein Versuch der Diadochen, die Juden für sich zu gewinnen und den erheblichen militärischen Widerstand den die Juden leisteten zu brechen. Die Folge war jedoch lediglich ein rasches Anwachsen der ausländischen jüdischen Gemeinden durch Bekehrungen.

Mit dem extremen Anwachsen des Handels im Mittelmeerraum zur Zeit der Diadochenreiche breiteten sich dann diese Ausländischen jüdischen Gemeinden die oft weitgehend in den Handel involviert waren im ganzen Mittelmeerraum aus. So gab es beispielsweise bereits 200 v Chr bedeutende jüdische Gemeinden in Italien. Und auch in der anderen Richtung, insbesondere im Zweitstromland breitete sich die jüdische Religion aus, hier jedoch schon früher, vor den Diadochenreichen, also zur Zeit der Perserherrschaft.

Als die Makabäer dann die Hellenen aus den jüdischen Gebieten militärisch vertrieben hatten und das Königreich der Hasmonäer seine Herrschaft mit extremer Gewalt ausdehnte, führte dies in den angrenzenden Ländern zu einer zunehmenden Judenfeindschaft. Diese Judenfeindschaft, am besten belegt für Ägypten führte dann wiederum zu einem Zusammenschluß der dortigen Gemeinden, die ja ursprünglich aus ganz vielen verschiedenen Quellen und Völkern stammten. Erst die Verfolgung brachte dann diese bis dahin (bis auf die Religion) grundverschiedenen Gruppen zusammen.

Lange vor der Zerstörung des Tempels (und der angeblichen ! Vertreibung der Juden aus dem Gebiet des heutigen Israel) lebten auf diese Weise mehr Juden im Ausland in der Diaspora als in Judäa.

Es gab damals im Königreich der Hasmonäer gerade mal um die 1 Milionen Juden. Im Mittelmeerraum aber lebten zu dieser Zeit bereits um die 4 Millionen Juden und im Zweistromland und in Persien eine weitere Millionen.

Und eine Mehrheit davon waren Konvertiten, also keine gebürtigen Juden, sondern Bekehrte, da gerade zur Zeit der Hasmonäer das Judentum eine sehr stark missionierende Religion war. Ein großer Teil dieser Juden in der Diaspora war Griechischer Sprache ! Das ganze führte schließlich so weit, daß diese Griechischen Juden versuchten, religiöse Texte bzw die Thora ins Griechische zu übersetzen. Es entstanden dann in dieser Zeit ganz wiedersprüchliche Zweige der jüdischen Religion, mit den beiden Hauptzweigen der radikal fundamentalistischen Gruppen in Judäa selbst die ihre Wurzeln betonten und dem Hellenistischen Judentum das die ins Griechische übersetzte Thora verwendete.

Die erste Form dieser griechischen Thora wurde übrigens schon im 3 Jahrhundert vor Christus erstellt.

Während die jüdische Theologie und das jüdische Geistesleben unter dem Primitivismus der fundamentalisten in Judäa abstarben, entwickelte sich die jüdische Religon getrennt vom ursprünglichen jüdischen Volk vor allem in der Diaspora weiter. Auch das zeigen die heutigen jüdischen Schriften noch ganz klar, beispielsweise hat der Babylonische Talmud ! auch heute noch Vorrang.


Was ist aus diesen Fakten zu folgern? Schon vor der (angeblichen ! dazu später mehr) Vertreibung der Juden durch die Römer, lebte der größte Teil der Juden außerhalb Judäas und war weder sprachlich noch von seiner Abstammung her jüdisch. Er war noch nicht einmal Semitischer Abstammung und konnte dies auch gar nicht sein. Obwohl die jüdische Religion so ausschließlich war, führte die Abstammung der vielen Konvertiten zu einem Hellenistischen Judentum und dann sogar zur Übersetzung der Thora ins Griechische.

Wer will nun behaupten, daß die Juden allesamt Semitische Gene haben die noch heute nachweisbar sind?! Wenn der allergrößte Teil der Juden schon in der Antike keine Semitische Abstammung mehr hatte....

Und wer wollte behaupten, daß die heutigen Juden von den Juden abstammen, die von den Römern aus Judäa vertrieben wurden, wenn schon lange vor der Zerstörung des Tempels mindestens 5 Millionen Juden in der Diaspora lebten, aber gerade mal 1 Millionen in Judäa?!

Wie aber verhält es sich mit der Vertreibung der Juden durch die Römer und der Zerstörung des Tempels? Dazu mehr im nächsten Teil, der Zerstörung des Tempels und den Juden in der Spätantike.
Zitieren
#17
@Quintus Fabius
Zitat:Dieser herrschte dann über die Juden als römischer Vasallenkönig, nachdem die Römer das Königreich der Hasmonäer erobert hatten.
Mir war zwar bekannt das Judea ein Klientelstaat des römischen Reiches war - aber wann haben denn die Römer Judea erobert?

Zitat:Der jüdische König Herodes war also ein Araber und beherrschte im Auftrag der Römer die Juden.
Wieviel tatsächliche Macht hatte eigentlich Herodes?
Wir wissen z.B. das der im neuen Testament erwähnte Kindermord zu Bethlehem nicht historisch ist. Tatsächlich ist er sogar aus älteren mesopotamischen Sagen, wie z.B. jener um Sargon von Akkad, abgeschrieben. Diese Geschichte um den Kindermord war ein beliebtes und altbewährtes Mittel um die Auserwähltheit des Helden der Geschichte darzustellen.
Rom hätte wohl Herodes ein derartiges Massaker nicht durchgehen lassen. Sein Nachfolger wurde von Rom sogar wegen weit geringerer Verfehlungen abgesetzt.
Zitieren
#18
Zitat:Mir war zwar bekannt das Judea ein Klientelstaat des römischen Reiches war - aber wann haben denn die Römer Judea erobert?

Das Königreich der Hasmonäer wurde im Jahr 63 v Chr durch die Römer unter dem Befehl von Pompeius Magnus erobert. Pompeius verzichtete jedoch nach der militärischen Eroberung von Palästina darauf, dieses Gebiet zu einer römischen Provinz zu machen, dazu hätte er Besatzungstruppen dort belassen müssen und seine Soldaten brauchte er woanders. In der Folge dessen errichtete Pompeius das Klientelkönigreich. Die Hasmonäer hatten übrigens auch nach ihrer Niederlage gegen die Römer immer noch das Amt des Hohepriesters inne was Pompeius gerade recht war, weil so zwei sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen in Judäa entstanden (die alten und die neuen Machthaber) was die römische Oberhoheit stabiliserte (Teile und Herrsche).

Die Familie des Herodes kam dann über ihre Dienste für die Hasmonäischen Hohepriester an die Macht. Der Vater von Herodes dem Großen war ein Berater des Hohepriesters Johannes Hyrkanos. Die Römer versuchten ihn aufgrund seiner Machtstellung auf ihre Seite zu ziehen, indem sie ihn zum römischen Statthalter in Judäa ernannten. Die Familie des Herodes wurden aufgrund dessen Klienten des Pompeius und waren damit in das römische Klientelwesen eingebunden. Im römischen Bürgerkrieg wechselte die Familie jedoch mehrfach die Seiten ohne das dies Nachteile für sie gebracht hätte. Am Ende waren sie Klienten Caesars.

Herodes der Große selbst begann seine Karriere auf die gleiche Weise. Er wurde von seinem Vater den Römern als Staathalter von Judäa vorgeschlagen und erhielt diesen Posten. Um weiter aufzusteigen nahm er eine Hasmonäerin zur Frau um eine zukünftige Herrschaft über die Juden zu legitimieren.

40 v Chr fielen jedoch die Parther in das Klientelkönigreich ein und so kam dort kurzfristig ein anderer Zweig der Hasmonäer an die Macht (wenn auch von Gnaden der Parther). Herodes der Große floh darauf hin nach Rom selbst und mobilisierte römische Hilfe. Unter dem Oberbefehl von Marcus Antonius wurden die Aufständischen vernichtend geschlagen und die Herrschaft Roms über Palästina bis zum Jahr 37 v Chr wieder hergestellt. Herodes gelang es dann als römischer Statthalter seinen Schwager zum Hohepriester zu machen und die Priesterschaft des Tempels durch Bestechungen und allerlei Versprechen auf seine Seite zu ziehen.

Zitat:Wieviel tatsächliche Macht hatte eigentlich Herodes?

Während der Kämpfe zwischen Marcus Antonius und Octavian verriet nun Herodes seinen Patron Antonius und ging zu Octavian über. Dafür verlangte und erhielt er von Octavian die Königskrone und Zugeständnisse bei der Machtausübung die ihm im Vergleich mit anderen Klientelkönigen deutlich mehr Freiheiten ließen. Horodes erwies sich nach einigen Anfangsschwierigkeiten als ein eigentlich sehr guter König. Er verwaltete das Klientelkönigreich sehr geschickt und erlangte aufgrund seiner klugen Machtpolitik immer größere Freiheiten. Trotz seiner hervorragenden Verwaltung und insbesondere seiner sehr klugen Wirtschaftspolitik geriet das Land aus religiöser Hysterie immer mehr in Aufruhr. Trotzdem gelang es Herodes wegen seiner bis zu seinem Tode eine de facto Unabhängigkeit seines Königreiches zu erlangen. In den letzten Lebensjahren des Herodes konnte er de facto völlig unabhängig agieren.

Nach seinem Tod aber ließ der Imperator Augustus sein Königreich wegen eines angeblichen Aufstandes der Juden (eher wohl eine durch Hunger und Versorgungsprobleme bedingte Unruhe in einigen Teilen des Landes) in drei Teile spalten und verteilte diese an die drei Söhne des Herodes. Höchstwahrscheinlich war dem Imperator das Königreich viel zu unabhängig geworden.

Bis 41 n Chr war dann das Königreich in drei Teile gespalten, die Schritt für Schritt unter totale römische Kontrolle gerieten. Einer der Nachkommen des Herodes, der Herodes Agrippa hieß, war in dieser Zeit in Rom aufgewachsen und erzogen worden. Er hatte dort die Freundschaft einiger Personen am Kaiserhof erlangt und insbesondere das fragwürdige Vertrauen des Caligula errungen. Dieser setzte seinen „Freund“ dann 37 n Chr als König von Judäa ein. Von dem Imperator Claudius erhielt er dann weitere jüdische Gebiete in der Region zur Herrschaft. Trotzdem wurde die wirkliche Macht inzwischen fast völlig von den römischen Staathaltern ausgeübt. Mit seinem Tod im Jahr 44 n Chr verwandelten die Römer dann das Königreich Judäa in eine reguläre römische Provinz. Interessant in diesem Kontext ist es vielleicht noch, daß eine der beiden Töchter dieses Herodes die Geliebte des römischen Imperators war, die andere die Ehefrau des römischen Provinzgouverneurs der dann die Macht nach Herodes Agrippa direkt ausübte.

Beschließend ist noch anzumerken, daß aufgrund der grassierenden religiösen Hysterie der Juden inPalästina in dieser Zeit schon Herodes seine Herrschaft trotz aller Exzellenz seiner Regierung nur mit Gewalt und Unterdrückung aufrecht erhalten konnte. Seine Söhne und Nachfolger aber herrschten nicht nur als Gewaltherrscher, sie waren darüber hinaus auch unfähig und korrupt.



Nachtrag zur Diaspora:

Warum eigentlich breitete sich das Judentum als Religion in der Zeit des Hellenismus im ganzen Mittelmeerraum so stark aus? Die Antwort ist, daß es in dieser Zeit im ganzen Hellenistischen Gebiet und angrenzenden Ländern zu einer sehr starken religiösen Desorientierung kam. Die Alten Kulte und Götter überzeugten nicht mehr, die abgeklärten und/oder extrem anspruchsvollen griechischen Philosophien überforderten die Antiken Menschen.

Auf der Suche nach echten Religionen wandte man sich daher im ganzen Mittelmeerraum in dieser Zeit verstärkt Orientalischen Kulten zu. Das Judentum war da nur einer dieser Kulte. Selbst so exotische und bizarre Kulte wie der der Isis oder der Kybele verbreiteten sich so in dieser Zeit bis nach Rom. Diese orientalischen Kulte boten mit ihrer logischeren Konstruktion, ihrer extremen Frömmigkeit und ihrem Fanatismus den zweifelnden Menschen echte Religion, was die althergebrachten und erstarrten alten Kulte und Götter oft nicht mehr bieten konnten.

Im Endeffekt ist also die Griechische "Aufklärung", dieser Höhepunkt der griechischen Philosophie zur Zeit des Hellenismus daran "schuld", daß sich die überforderten antiken Menschen echten Religionen, also den Orientalischen Kulten zuwandten.

Besonders auffällig ist dies beispielsweise in Alexandrien, wo eine sehr große jüdische Gemeinde entstand. Während zugleich in Alexandrien griechische Philosophen den Erdumfang richtig und mit erstaunlicher Genauigkeit berechneten, erste Versuche mit Dampfmaschinen machten, und über Atome diskutierten, wandte sich das Volk mehrheitlich von diesen Philosophen ab und vielen verschiedenen orientalischen und ägyptischen Geheim- und Mysterienreligionen zu.

Das Judentum war hier aber besonders erfolgreich aus folgendem Grund: Die Jüdische Religion war nicht obskurantistisch, sondern im Gegenteil besonders kompatibel mit dem logischen Denken der Griechen. Sie war eben keine Mysterienreligion sondern bei aller Frommheit und extremen Religiösität eine in sich logische Religion. Sie war im Gegensatz zu anderen orientalischen Kulten die sich ausbreiteten schriflich eindeutig cofiziert und von besonderer Klarheit. Der Monotheismus war dann genau das religiöse Plus gegenüber den althergebrachten Göttern, bot ein Religiöse Gefühle ohne sich wirren Mysterien ausliefern zu müssen.

Selbst in den römischen Gebieten gab es daher schon im Jahr 200 v Chr eine rasch zunehmende Anzahl von Juden.
Zitieren
#19
Teil 4 Die Zerstörung des Tempels und die Juden in der Spätantike

A Die Zerstörung des Tempels und die „Vertreibung“

Ich fasse noch mal kurz zusammen was wissenschaftliche Fakten sind, die durch Archäologische Funde bewiesen sind:

1 Das Judentum ist viel jünger als es in der jüdischen Geschichtsschreibung behauptet wird

2 Die Juden sind in der Antike als Volk nicht greifbar denn:

3 Es gab Zwangskonvertierungen anderer Völker zum Judentum und

4 die Diaspora entstand VOR den Römern und lange vor der Zerstörung des Tempels überwiegend durch Missionierung

5 die Zahl der Juden in der Diaspora war VOR den Römern bereits 5 mal so groß wie die Zahl der Juden in Palästina


Nun zur Zerstörung des Tempels und der angeblichen Vertreibung der Juden aus Palästina:

Dazu schreibe ich mal einen Text aus einem offiziellen deutschen Geschichtsbuch ab, wie Geschichte in deutschen und jüdischen Schulen offenbar gelehrt wird: Zitat:

„Nach dem gescheiterten Aufstand und der Zerstörung des Tempels ist den Juden das Betreten Jerusalems bei Todesstrafe verboten. Der jüdische Nationalstaat endet mit der Vertreibung der Juden aus Israel und mit dem Verlust des Tempels als politischem und kulturellem Mittelpunkt. Für die Juden beginnt das Leben in der Diaspora, deren geistiger Mittelpunkt die Synagoge wird.“

Wie aber sieht der archäologische Befund aus und was steht tatsächlich in den historischen Texten:

Genau genommen wird Juden das Betreten Jerusalems erst nach dem Aufstand des Bar Kochba verboten. Dieser Aufstand findet 132 n Chr bis 135 n Chr statt. Der Tempel wurde aber schon 70 n Chr durch die Römer zerstört. Hier haben wir schon mal eine Differenz von immerhin 65 Jahren.

Dann haben wir ja schon festgestellt, daß bereits vor den Römern 5 mal mehr Juden in der Diaspora lebten als in Palästina. Das Leben in der Diaspora begann also eben nicht 70 n Chr oder 135 n Chr, sondern diese bestand schon.

Und archäologisch ist keine Vertreibung der Juden feststellbar, sondern ein durch die Kriege der Römer dort bedingter massiver Bevölkerungsrückgang. Nur Teile der jüdischen Eliten wanderten in der Folge dieser Kriege aus, nicht aber die Juden als Volk. Es gab ja nicht einen Aufstand der Juden an dessen Ende die Zerstörung des Tempels stand, sondern mehrere nacheinander. Bei der Niederschlagung dieser Aufstände löschten nun die Römer einen Grosteil der Juden in Palästina aus, ganze Städte und Gegenden wurden vernichtet und die Zivilbevölkerung ausgelöscht und ihre Reste versklavt.

Was man findet ist keine Auswanderung, sondern schlicht und einfach eine Auslöschung. Nur Teilen der Eliten gelingt (teilweise durch Kollaboration – siehe Flavius Josephus – De Bello Judicae) die Auswanderung bzw Flucht. Diese Eliten lassen sich dann in der Diaspora bei den dort schon bestehenden starken jüdischen Gemeinden nieder und erlangen dort in der Spätantike an vielen Stellen die Macht bzw die Deutungshoheit über die Religion.


Die Juden in der Spätantike:

In der Spätantike gibt es drei entscheidende Faktoren die das Judentum geprägt haben:

1 der Kampf zwischen den Ausgewanderten Eliten aus Palästina und den Eliten der Diaspora um die Führung und die Religiöse Hoheit, insbesondere zwischen den Ausgewanderten Priestern des Tempels und den Juden in der Diaspora die dem Hellenistischen Judentum anhängen (wo die Thora in griechischer Sprache verbreitet wird!)

2 Der Einfluss der Juden die im Partherreich und dann im Reich der Sassaniden siedeln (beispielsweise erhält der Babylonische Talmud dort um das Jahr 500 n Chr herum seine endgültige Form)

3 Der Aufstieg des Christentums, daß als jüdische Sekte begann, dann aber zunehmend in Konkurrenz zu den Juden getreten ist


Durch den Aufstieg des Christentums (dem sich übrigens auch sehr viele hellenistische Juden zuwandten!) gerieten die Christen in einen zunehmenden Gegensatz mit der in der Spätantike noch weit verbreiteten jüdischen Religion. Denn wenn die Christen recht hatten und der Messias in der Gestalt von Jesus schon auf der Erde gewesen war, dann musste die jüdische Religion falsch sein und umgekehrt. Da sich die beiden Religionen widersprachen, aber im Endeffekt Äste desselben religiösen Baumes waren, kam es schon sehr früh zu Auseinandersetzungen beider Gruppen und dann zu zunehmender Gewalt.

Zeitgleich fand im Judentum selbst ein innerer Machtkampf statt. Es standen sich zwei Gruppierungen feindlich gegenüber, zum einen die der Priester des Tempels und der ausgewanderten Eliten. Diese wandten sich gegen weitere Missionierung (und zwar aus dem Grund, weil dies ihre Macht untergraben hätte). Diese Gruppe definierte die Juden erstmals ethnisch, nicht zuletzt um durch diesen Exklusivitätsanspruch ihre eigenen Machtansprüche und ihren Herrschaftsanspruch über die Juden erhalten zu können.

Auf der anderen Seite stand das Hellenistische Judentum das sich selbst weiter primär Religiös definierte, für Missionierung und Anpassung der jüdischen Religion an die Hellenistisch-Römische Kultur stand. Aus diesem Inneren Machtkampf gingen die Ausgewanderten Eliten und Priester als Sieger hervor, sie erlangten die Deutungshoheit und religiöse Herrschaft.

In der Folge dessen traten sehr viele hellenistische Juden zum Christentum über und förderten dadurch die Verbreitung dieser Religion erheblich.

Unter dem Kaiser Caracalla erhielten dann alle Juden im Reich das römische Bürgerrecht, wie alle anderen Einwohner innerhalb der Grenzen auch. Mit dem Aufstieg des Christentums zur wichtigsten Religion im römischen Reich begann jedoch der Kampf der Christen gegen die Juden. Wie schon erläutert aus dem religiösen Widerspruch, da ja die Christen schlicht und einfach falsch liegen mussten, wenn die Juden recht hatten und umgekehrt.

In manchen Gegenden waren es auch die Juden selbst die dort zuerst auf die Christen losgingen, aus dem gleichen Mechanismus heraus. Insbesondere in Ägypten wo es eine sehr starke jüdische Bevölkerung gab, ging sehr viel Gewalt von den Juden gegen andere religiöse Gruppen aus.

Nach dem Ende der letzten Christenverfolgungen durch den römischen Kaiser Diokletian (während dieser Zeit erreichten die Juden ihren Höhepunkt an Zahl und Einfluss da sie im Gegensatz zu den Christen eben nicht verfolgt wurden), erlangte das Christentum dann aufgrund seiner Verbreitung und politischen Bedeutung unter dem Kaiser Konstantin den Status einer Staatsreligion.

Die Christen änderten unter Konstantin ihre Politik grundliegend. Sie unterwarfen sich im völligen Gegensatz zu ihrem vorherigen Verhalten bedingungslos dem Kaiser und unterstützten Konstantin wo es nur ging. Auf der Gegenseite erhob der Kaiser das Christentum zur Staatsreligion und förderte seine Ausbreitung in großem Maße.

Und der Kaiser ging auf Geheiß der Christen nun mit den Mitteln des Staates gegen die Feinde der Christen vor, und das hieß insbesondere gegen die Juden. In der Folge dessen wurden die Bürgerrechte der Juden durch Konstantin eingeschränkt. Den Judengesetzen des Konstantin folgten weitere solche Gesetze und immer weiter zunehmende Einschränkungen und Beschränkungen durch Theodosius und viele andere der römischen Kaiser.

Durch die zunehmenden Wirren innerhalb des Reiches, die beginnende Völkerwanderung, die zunehmende Gewalt und Rechtlosigkeit und den immer schärfer werdenden Kampf des Christentums gegen die Juden nimmt deren Zahl dann am Ende der Antike erheblich ab. Es gibt Zwangstaufen, ganze jüdische Gemeinden gehen in den Wirren der Bürgerkriege und der Völkerwanderung unter. Am Ende der Antike hatte sich im gesamten Mittelmeerraum ein erheblicher Judenhaß ausgebreitet, und die jüdische Diaspora in Europa wurde durch den Untergang des römischen Reiches und die Völkerwanderung dramatisch reduziert.

Die Juden waren bis zu dieser Zeit im römischen Reich überwiegend Stadtbewohner gewesen. Mit dem Untergang der Städte, dem religiösen Fanatismus der Christen, dem Zusammenbruch des Handels und der Zivilisation und dem Umstand das die Landbevölkerung massiv Christlich geprägt war, konnten sich die Juden nicht mehr halten.

Juden die vor der Zerstörung der Städte durch Barbarische Heere oder römische Armeen aufs Land flohen durften dort aufgrund des Drucks der Christen auf dem Land nicht siedeln. Der wirtschaftliche Niedergang, die Verelendung und die immer schwierigere Versorgungslage ließen aber selbst dort wo es nicht zu Kriegshandlungen kam ein Weiterleben in den Städten nicht zu.

Viele Juden wandten sich in dieser Zeit dann ebenfalls dem römischen Christentum zu, daß in dem Untergang des römischen Reiches das nahe Weltende sah und jährlich die Widerkehr von Jesus erwartete.

Dem stand dann mit der Missionierung der Germanischen Stämme dem apokalyptischen römischen Christentum das unbedarfte germanische Christentum gegenüber, das insbesondere in seiner frühen Form des Arianismus keine Vorbehalte gegen die Juden hatte.

Die Machtübernahme durch Germanische Stämme im westlichen Teil des Reiches rettete dort dann zumindest die Reste der jüdischen Diaspora dort. Nach germanischem Recht das bei christlichen germanischen Stämmen stärker galt als Christliche religiöse Vorbehalte gegen die jüdische Religion galten Juden als schutzlose Fremde und damit als Mündel des Königs. Die Zwangstaufe der Juden wurde von den Germanischen Herrschern abgelehnt. Es wurde den Juden jedoch verboten Waffen zu tragen, womit Juden auch unter germanischer Herrschaft als Unfreie galten.
Zitieren
#20
Ich hatte im Grunde die Idee, einen eigenen Thread hierzu zu eröffnen (s. Israel-Strang). Beim Durchforsten fand ich nun Quintus Strang und dachte, ich hole ihn mal kurzerhand aus der "Versenkung". Wenn wir also nun uns in Zukunft ob der Herkunft der Juden, ob Volk oder Religionsgemeinschaft, streiten wollen, dann bitte hier... :wink:

Schneemann.
Zitieren
#21
Ich halte das nach wie vor für eine Debatte die man aus völkerrechtlichen Gründen nicht führen muss und auch nicht führen sollte, da sie eindeutig volksverhetzende Züge trägt
Zitieren
#22
Vielleicht nur noch einmal kurz zur besseren Erklärung: Mir ging es eher darum, dass der Israel-Strang nicht allzu sehr überladen bzw. "entführt" wird mit Diskussionsansätzen, egal ob nun fundiert oder unfundiert, über die Geschichte des Judentums. Das sind im Grunde alles philosophisch-religiöse und vor allem historische Sachverhalte. Und diese sind hier und in diesem Strang besser aufgehoben als im Israel-Strang.

Schneemann.
Zitieren


Gehe zu: