Weltweites Bevölkerungswachstum / Flüchtlingsströme / Folgen
(22.05.2022, 19:44)Broensen schrieb: Aber es wird ein bestimmtes Integrations-Hindernis einer einzelnen Zuwanderungsgruppe herausgegriffen und als Argument dafür verwendet, das Konzept einer multikulturellen Einwanderungsgesellschaft insgesamt zu diskreditieren.

Wird aber schwierig, Beispiele aus der Praxis gibts genug:

"Bis weit in die 1970er Jahre galten viele muslimische Malaien als liberal (ähnlich den Abangan im heutigen Indonesien). Mit der Dakwah, einer islamischen Erweckungsbewegung, setzte jedoch eine Islamisierungswelle ein (ausgelöst durch verschiedene ethnische und soziale Konflikte, siehe unter anderem Parti Islam Se-Malaysia und Al-Arqam), so dass Malaysia heute orthodox-islamisch ist." (https://de.wikipedia.org/wiki/Malaysia)

Tja, die liberalen sind heute Fundamentalisten und einen Rechtssatat in Malaysia gibts seitdem nicht mehr. Es gibt sogar Umerziehungs-Lager für Religions-Abtrünnige.

So ist das eben, wenn im Zweifelsfall die Loyalität eben der Religion gilt und nicht dem säkulären Staat. Und da das Millionen Menschen betreffen kann, die so ticken, wie genau sortierst du die nun aus, hm?

(22.05.2022, 19:44)Broensen schrieb: Das würde bedeuten, dass du eigentlich niemanden aus dem demokratischen Spektrum unserer Parteienlandschaft ernst nimmst.

Ich nehme gar niemand unserer politischen Figuren ernst. Nicht vom Mainstream, aber auch nicht von AFD, NPD, Linke und wie sie alle heissen.

(22.05.2022, 19:44)Broensen schrieb: Aktuell ist das nicht immer der Fall.

Es wird auch in Zukunft nicht der Fall sein. Weil das politische Personal, welches wir (und befreundete Staaten haben) haben es eben einfach nicht kann. Eine multi-ethnische multikulturelle Einwanderungsgesellschaft zu organisieren, das erfordert einen IQ 200 (dann kann das wirklich klappen, davon bin ich überzeugt. Denn solch eine Gesellschaft packt auf die gerade so bewältigbaren Probleme unserer Gesellschaft nochmal 20 Stufen drauf) - davon sind wir aber weit entfernt.
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Ohne das jetzt mit ausreichender Tiefe in der Darstellung vertiefen zu wollen (dafür fehlt mir gerade leider die Zeit), möchte ich doch einwerfen, dass die Lage wesentlich komplexer ist als es hier von manchen dargestellt wird.

Vor allem ist der Determinismus zurück zu weisen, Muslime würden sich wie von selbst immer in Richtung Islamismus entwickeln. Denn das beantwortet in Wahrheit nicht die Frage, warum die Modernisierung und Weiterentwicklung des traditionellen Islam weltweit immer mehr diese Form angenommen hat.

Schlußendlich ist die Idee einer modernen Einwanderungsgesellschaft wie Broensen sie propagiert die, weltweit die klügsten und fähigsten abzugreifen, diesen Ländern zu entziehen und sie bei uns zu integrieren um dadurch für uns selbst erhebliche Vorteile zu erlangen. Es heißt ja nicht umsonst auf Neudeutsch Braindrain. Solche klügsten / fähigsten gibt es auch massenweise unter Muslimen und es sind gerade diese, eher einer säkularen Gesellschaft zugeneigten Muslime, welche hierher nach Europa auswandern, gerade eben weil (!) in ihren Herkunftsländern sich alles immer mehr verschlechtert und gerade eben weil sich dort der Islamismus ausbreitet.

Der Grund dafür ist recht einfach: zum einen wurde dort von den entsprechenden Regierungen jede andere politische Entwicklung, gleich ob demokratisch oder sozialistisch oder kommunistisch oder nationalistisch radikal und erfolgreich unterdrückt, oft auch mit massiver Hilfe des Westens, während zugleich die unterdrückten Gesellschaften sich rasant extrem vermehrten und die wirtschaftliche und sonstige Lage immer dramatischer und instabiler wurde. Und heute herrscht so eine Instabilität und Labilität in diesen heillos überbevölkerten Ländern, derartige wirtschaftliche Not, Ungerechtigkeit, Korruption, organisierte Kriminalität und Unterdrückung durch den Staat, dass sich die Menschen dort nur noch in die Religion flüchten können, sonst ist ihnen ja (wortwörtlich wie übertragen) nichts geblieben. Das Islamismus-Problem ist daher ein Symptom, nicht die Ursache. Dessen ungeachtet ist der Zug in vielen der betroffenen Länder natürlich trotzdem seit Jahren abgefahren, beispielsweise in Afghanistan.

Hier wurde ja korrekt genannt, dass in Afghanistan über 90% der Bevölkerung für die Scharia sind. Aber: unter den afghanischen illegalen Einwanderern die hierher kommen sieht das genau anders herum aus. Viele von ihnen fliehen nicht zuletzt deshalb, weil sie gerade eben nicht unter der Scharia leben wollen. Was hier also mit der Aussage, dass dort alle die Scharia wollen indirekt impliziert wird, nämlich dass dies bei muslimischen illegalen Einwanderern ganz genau so wäre, stimmt so eben nicht.

Das Problem sehe ich eher darin, dass sich diese Einwanderer es nicht schaffen sich hier zu integrieren bzw. umgekehrt hier integriert zu werden. Auch hier wird der Islam als Faktor überschätzt, und entsteht dieses Scheitern der Integration aus einem ganzen Faktorenbündel heraus und dann besteht natürlich die Gefahr, bzw. das hohe Risiko, dass diese Gruppen hier ein Eigenleben entwickeln welches schließlich also nicht in einer Einwanderungs-Gesellschaft endet, sondern in einer Nicht-Gesellschaft.

Nicht die Einwanderungs-Gesellschaft ist daher problematisch, sondern die Nicht-Gesellschaft, welche aus der aktuellen unkontrollierten und sinnbefreiten illegalen Masseneinwanderung entsteht. Dies ist völlig unabhängig vom Islam als Religion bzw. als Sozialkulturelles Element zu betrachten. Beispielsweise gilt dies ganz genau so für Nicht-Muslimische Schwarzafrikaner, Mittelamerikaner, Vietnamesen und viele andere Gruppen.

Beschließend sollte ich noch betonen, dass mir gewiss niemand vorwerfen kann, ich stünde auch nur irgendwie ansatzweise dem Islam in jeder seiner Formen positiv, oder auch nur neutral gegenüber. Ebenso lehne ich die Idee ab, dass Einwanderung notwendig ist um Wohlstand zu generieren, wie ich ja auch das Ziel des Wohlstands an sich ablehne. Wohlstand ist nur leider deshalb erforderlich, um dadurch eine stärkere kriegsfähige Armee unterhalten zu können, abgesehen von diesem Sachzwang (und ich wünschte es gäbe diesen Zwang nicht) hat er keinerlei Sinn. Schlußendlich muss man sich aber auch fragen, wie es sein kann, dass wir so viele junge Menschen in Europa haben die Arbeitslos sind, obwohl sie studiert haben, obwohl sie hervorragend ausgebildet sind und obwohl sie uns kulturell näher stehen, und trotzdem es für diese jungen Europäer (!) schwieriger ist in Deutschland zu leben als für illegale Einwanderer aus Afghanistan, der zentralafrikanischen Republik oder aus Eritrea.

Wie kann es sein, dass wir das brachliegende Potential Europas nicht gezielt und intelligent nutzen? Sondern dieses an die Amis vergeuden, die Weiß Gott keine Freunde eines starken Europas sind? Wie kann es sein dass wir es zulassen dass ein junger spanischer Arzt in die USA auswandert, statt in Deutschland zu arbeiten? Dass wir junge ethnische Rumänen nicht hier fördern mit Sprache und Studium, dass wir junge Portugiesen und Griechen verschwenden die nach dem Studium arbeitslos herumgammeln und uns zugleich wesentlich schlechter ausgebildete, wesentlich weniger befähigte und kulturell wie sozialkulturell wesentlich fremdere illegale Einwanderer ins Land holen nur damit diese in die Sozialversicherungssysteme einwandern, sie selbst und all ihre Kinder und Kindeskinder?!

Eine Einwanderungs-Gesellschaft könnte auch dadurch entstehen, dass junge Europäer hierher einwandern, und dass in Europa junge Menschen als allen Ländern der Europäischen Union in anderen Staaten der EU leben, arbeiten, dort Familien gründen usw.

Dieser Inner-Europäische Ausgleich würde zugleich ein geeintes Europa mehr als alles andere befördern, und hierfür sollten wir viel Geld in die Hand nehmen, statt dieses für irgendwelche Analphabeten vom Hindukusch zu vergeuden, die außer Kiffen und die Hand aufhalten wenig beherrschen.

Wir benötigen eine Einwanderungs-Gesellschaft. Diese ließe sich vollständig EU Intern bewerkstelligen.
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(22.05.2022, 21:00)Quintus Fabius schrieb: Das Problem sehe ich eher darin, dass sich diese Einwanderer es nicht schaffen sich hier zu integrieren bzw. umgekehrt hier integriert zu werden. Auch hier wird der Islam als Faktor überschätzt, und entsteht dieses Scheitern der Integration aus einem ganzen Faktorenbündel heraus und dann besteht natürlich die Gefahr, bzw. das hohe Risiko, dass diese Gruppen hier ein Eigenleben entwickeln welches schließlich also nicht in einer Einwanderungs-Gesellschaft endet, sondern in einer Nicht-Gesellschaft.

Nur ist das ja nicht nur in Deutschland so. Auch in anderen Ländern trennt sich die Gesellschaft durchaus genau so wie wir es hier mit den Parallel-Gesellschaften haben.

In Mombasa/Kenia leben in Old-Town z.B. fast ausschließlich Muslime und man fühlt sich (verglichen mit den anderen überwiegend christlich besiedelten Stadt-Teilen) fast wie in einer anderen (eben eher arabischen) Welt.

Insofern...wird der Faktor wirklich überschätzt? Ich bezweifle das. Denn: Es mag zwar eine fiktive Ideal-Gesellschaft geben, wo es anders kommen kann. Bloß - wo und wie lange hat es sowas und kann man darauf sicher bauen? Nunja....
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Der Aufwand für die Integration ist je nach Herkunft und Kultur der Einwandernden unterschiedlich groß. Ich vermute stark dass du auf diesen Fakt hinaus willst.

Nicht zuletzt deshalb plädiere ich für eine EU Interne Einwanderungs-Gesellschaft, in welcher die Einwanderung aus anderen europäischen Ländern forciert wird. Einfach weil dies Effizienter ist ! und Einwanderung primär ein Vorteil für die Nation sein sollte und ihr nicht zum Nachteil gereichen darf.

Dessen ungeachtet wäre es durchaus möglich hier lebende Muslime zu integrieren. Das dies scheitert liegt nicht am Islam allein, und aus eigener direkter und unmittelbarer Anschauung würde ich sagen, dass die Religionsfrage hier sogar gar nicht so relevant ist. Zudem darf man die jeweilige Länderkultur auch nicht einfach immer eins zu eins mit "dem Islam" gleichsetzen, auch wenn dieser in der Kultur dieser Herkunftsländer natürlich einen großen Einfluss insgesamt auf die sozialkulturelle Grundströmung hat. Dennoch ist die Lage halt insgesamt komplexer, ich will dir mal ein praktisches Beispiel geben:

Die überproportional häufigen Übergriffe auf deutsche Frauen durch illegale Einwanderer resultieren beispielsweise eben nicht aus dem Islam als Religion, wie dies so oft verfälschend behauptet wird, sondern haben primär andere Ursachen. Und tatsächlich gilt: dass ein Übergriff umso unwahrscheinlicher ist, je gläubiger / fanatischer ein Muslim ist. Islamisten begehen solche Übergriffe im Vergleich unterproportional, sie begehen sie also pro Kopf gerechnet weniger als ethnische Deutsche. Das gleiche gilt für etliche solche Bereiche von Drogen über (nichtpolitische) Gewaltkriminalität bis hin zur organisierten Kriminalität.

Je mehr Islamisten irgendwo herum springen oder sich breit machen, desto weniger geschehen diese Taten welche hier immer so in den Vordergrund gestellt und unzulässigerweise mit "dem Islam" verknüpft werden.

Das soll jetzt auf keinen Fall heißen, dass ich die unkontrolliere islamische Masseneinwanderung nach Europa gut heißen würde, ganz im Gegenteil, sondern nur, dass alles insgesamt wesentlich komplexer ist als es den Anschein hat. Beispielsweise würde eine direkte Fortführung des Status Quo nicht dazu führen, dass Europa muslimisch wird, sondern es würde Schwarz und Evangelikal Christlich werden, dass mal nur so am Rande.

Weitsichtigere Islamisten sprechen deshalb heute schon davon, dass man Europa als zukünftiges islamisches Gebiet vor weiterer schwarzer Einwanderung abschotten muss und es am besten wäre die Schwarzen zu ermorden und zu versklaven (kein Scherz!). Natürlich wird der Status Quo so wie er jetzt ist niemals auf Dauer einfach weiter geführt werden, aber auch dieses Beispiel, wohin Demographie und Einwanderung uns führen werden zeigt erneut auf, dass die Situation viel komplexer ist.

Um dieser Komplexität durch funktionierende (!) Pläne zu begegnen, wäre es erforderlich radikale Maßnahmen zu ergreifen. Zum einen müsste jede Einwanderung von außerhalb der EU und einer klar definierten Liste sonstiger Länder (westlicher Länder sowie ausgewählter Länder Asiens) vollständig gestoppt werden. Mit Ausname noch ganz bestimmter Qualifikationen bei Vorliegen bestimmter Umstände. Zum anderen müsste man die EU Interne Umverteilung von Europäern gezielt forcieren. Damit würde man sowohl die demographischen Probleme lösen, als auch die Integration zum Gelingen bringen können. Auch derjenigen Gruppen welche schwieriger integrierbar sind.

Solange wir dazu nicht bereit sind, werden wir uns und die Einwanderer beide zugleich weiter überfordern, mit dem Ergebnis einer Nicht-Gesellschaft. Das ist völlig unabhängig von der Frage ob die illegalen Einwanderer Muslime sind oder nicht.
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(22.05.2022, 21:00)Quintus Fabius schrieb: Vor allem ist der Determinismus zurück zu weisen, Muslime würden sich wie von selbst immer in Richtung Islamismus entwickeln.

Das glaube ich selbst auch gar nicht. Mir geht es auch gar nicht nur um Islamismus - es kann auch jede andere Ideologie, jeder Glaube oder jede Verwurzelung sein. Von mir aus sogar "Putinismus".

Das Problem ist nämlich das, dass in schwierigen Zeiten die Menschen, die eine solche "Verwurzelung" haben, oft genug auf diese "zurückfallen". Das sieht man ja eben auch an dem Beispiel von Malaysia, wo der Islamismus sich dann Bahn bricht, als das Land in eine Krise fällt.

Folgendes simplifizierte Beispiel, warum das so problematisch ist:
Nehmen wir an, es bricht eine schwere Wirtschaftskrise aus, die alles dagewesene in den Schatten stellt. Während nun der einheimische Durchschnittsbürger ohne tief verwurzelte Ideologie/Religion etc. einfach in eine leichte Depression verfällt und wartet, bis die Zeiten besser werden, haben die Bürger mit Ideologie hier eine Abhilfe: Anstattt depressiv in der Ecke zu sitzen und auf bessere Zeiten zu warten, steigern sie sich in ihre Ideologie/Verwurzelung herein, das erspart ihnen nämlich die Depression und verspricht zu dem einfache Lösungen und eine Besserung der Lage. In der Fremde fern der Heimat kann sich das nochmal massiv verstärken, weil man sich ja noch hilfloser fühlt.

Und genau darum muss man darauf achten, nur Menschen einwandern zu lassen, die recht frei von aller Art Ideologien sind. Wo man sich sicher sein kann, dass die Person in der Krise weder zum Islamist wird, noch 'Befehle' von Putin empfängt weil der als großer Retter erscheint oder was auch immer, sondern genau wie alle anderen Deutschen depressiv in der Ecke sitzt und ganz säkular versucht, die Probleme zu lösen.

Ansonsten holt man sich massive Instabilitäten ins Haus, die man zunächst gar nicht bemerkt, die im Krisenfall dann aber leicht kippen können.
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Der Islamismus ist eben keine Zurückwendung in die Vergangenheit, er ist also keine Wurzel, und greift daher nicht die Verwurzelung der Muslime in ihrer traditionellen islamischen Kultur ab, sondern er ist eine mögliche Form der Modernisierung des Islam, also dessen Fortentwicklung.

Von daher ist der Islamismus nicht die Wurzel - sondern eine mögliche Blüte und Frucht welche aus der Pflanze des Islam hervor gebracht wurde. Er begründet damit schlußendlich etwas völlig neues, vom bisherigen abgetrenntes und eigenes.

Dieser wesentliche Fakt wird gerade im Westen von den allermeisten nicht verstanden, deshalb stehen sich auch Islamismus und traditioneller Islam in Wahrheit diametral gegenüber und gerade eben deshalb breitet sich der Islamismus dort aus, wo die Verwurzelung in der traditionellen überkommenen Kultur fehlt !

Wenn du also Einwanderer ohne feste Ideologische und Sozialkulturelle Auffassung ins Land holst, ist es gerade eben diese Gruppe welche eher dem Islamismus anheim fallen wird, als traditionelle konservative Muslime. Das gleiche gilt für Konvertiten auf welche der Islamismus mehr als jede andere Strömung des Islam abstellt und hinaus will. Wird nun im weiteren hier eine kritische Masse erreicht, wirst man dann erstaunt feststellen, dass es dann gerade die säkularen, ideologiefreien, depressiven Geister sein werden, welche sich ebenfalls dem Islamismus anschließen werden.

Es ist daher genau grundfalsch sich möglichst säkulare und "ideologiefreie" Einwanderer zu holen, ebenso wie es grundfalsch ist überhaupt eine muslimische Einwanderung zuzulassen. Und im weiteren sollte es gerade eben das Ziel sein nicht säkular und depressiv in der Ecke zu sitzen, auch wenn ich dieses abstruse Bild als sehr passend für die gegenwertige verzagte und wurzellose Nicht-Gesellschaft finde. Stattdessen ist das einzige Heil dass man dem was du hier anreißt entgegen stellen kann gerade eben selbst zu seinen Wurzeln zurück zu finden, eben diesen Mechanismus aufzugreifen und gezielt zu explorieren den du hier beschreibst, den eine eigene neue Form unserer Selbst (wie der Islamismus für die Muslime) ist aktuell nicht verfügbar, so verbleibt also genau genommen nur die Rückwendung, oder die Assimilierung in die Kultur der Einwanderer welche sich im Kampf der verschiedenen Kulturen welche hier eindringen durchsetzen wird. Das wird bei linearere Fortschreibung des Status Quo übrigens nicht der Islam, sondern ironischerweise das evangelikale Christentum das bei den Schwarzafrikanern vorherrschend ist. Aber der Status Quo wird ja niemals linear dauerhaft fortgeschrieben werden, da die Muslime diese Problematik längst erkannt haben und entsprechend mit Gewalt dagegen vorgehen werden bevor es so weit ist.
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Zitat:Wenn du also Einwanderer ohne feste Ideologische und Sozialkulturelle Auffassung ins Land holst, ist es gerade eben diese Gruppe welche eher dem Islamismus anheim fallen wird, als traditionelle konservative Muslime.

Wenn das wahrscheinlich wäre, dann müssten sich ja auch die ganzen deutschen Christen, die nur zu Weihnachten einmal in die Kirche gehen, sich im Krisenfall zu christlichen Fundamentalisten verwandeln.

Du glaubst also allen ernstes, dass ein Berliner Hipster, der mit seiner Oma alle 6 Monate mal in die Kirche geht, in der nächsten Krise zu einem chritlichen Fundamentalisten wird und das nächste Mittelalter in Deutschland mit heraufbeschwören wird? Würdest du da ernsthaft auch nur 3 Cent drauf wetten?

Also so einfach ist das nicht Wink Ich weiss natürlich was du meinst, denn auch die 9/11 Attentäter waren ja auf dem Papier säkular, tranken Alkohol etc. Und dennoch wette ich, jeder Psychologe hätte festgestellt, dass die Religion in ihrem Unterbewußtsein dann eben doch ein sehr entscheidener Faktor war, sie nie WIRKLICH säkular waren und sich insgeheim schämten etc.

Da wir aber nicht jeden psychologisch begutachten können, würde ich deinem Standpunkt allerdings nicht widersprechen, uns möglichst auf Einwanderer aus unserem eigenen Kulturkreis zu konzentrieren.

(26.05.2022, 15:36)Quintus Fabius schrieb: Das wird bei linearere Fortschreibung des Status Quo übrigens nicht der Islam, sondern ironischerweise das evangelikale Christentum das bei den Schwarzafrikanern vorherrschend ist.

Das macht mir wenig Angst. Weil ich sehe, wie die jungen Leute das dort lebt. Es sind dort zwar 98% ernsthaft gläubig, gehen sogar regelmässig in die Kirche usw. (auch die Jugend). Und dennoch sind die Leute 10x lockerer und entspannter (sprich: sie "sündigen" mehr) drauf als die Atheisten hier.
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Warum immer so ausschließlich? Entweder alle oder keiner ?!

Zitat:Wenn das wahrscheinlich wäre, dann müssten sich ja auch die ganzen deutschen Christen, die nur zu Weihnachten einmal in die Kirche gehen, sich im Krisenfall zu christlichen Fundamentalisten verwandeln.

Selbstverständlich nicht, aber in einer ernsthaften Krise würden sich auch aus diesen Kreisen viele wieder auf irgendeine Form von Fundamentalismus besinnen und ihre bisherige Einstellung ändern. Das muss keineswegs christlicher Fundamentalismus sein, dass kann auch rechtsextremistisches Gedankengut sein, linksextremistisches Gedankengut, irgendwelche Sekten, es spielt für das zugrunde liegende Prinzip gar keine Rolle.

Und traditionelle konservative Christen werden hier - im Fall einer ernsthaften Krise - viel eher davor gefeit sein, sich aufgrund der Krise irgendwelchen radikalen Strömungen anzuschließen. Wenn eine solche Krise kommt, dann findet sie ihren ersten Nährboden und ihre ersten Anhänger eher bei den entwurzelten, und eben nicht bei denen, die fest in einer bestimmten Traditiion stehen.

Christliche Fundamentalisten oder sonstige Extremisten jeder Art entstehen weniger in tiefgläubigen traditionellen christlichen Gruppen, sondern sie entstehen dort wo diese Wurzel beschädigt oder gekappt wurde. Entsprechend findet man beispielsweise radikale Evangelikale Christen eher aus Kreisen rekrutiert, deren Christentum vorher nicht mehr oder kaum mehr vorhanden war und nicht bei tiefgläubiger katholischer bayerischer Landbevölkerung.

Und so verhält es sich beim Islamismus noch umso mehr: da dieser eine Modernisierung des Islam ist, wird er gerade eben für die interessant, welche die aktuelle Verfasstheit des Islam ablehnen und insbesondere für diejenigen welche nicht mehr im traditionellen konserativen Islam verwurzelt sind.

Zitat:Das macht mir wenig Angst. Weil ich sehe, wie die jungen Leute das dort lebt. Es sind dort zwar 98% ernsthaft gläubig, gehen sogar regelmässig in die Kirche usw. (auch die Jugend). Und dennoch sind die Leute 10x lockerer und entspannter (sprich: sie "sündigen" mehr) drauf als die Atheisten hier.

Darum geht es ja nicht. Wenn Europa schwarz, afrikanisch locker und entspannt und evangelikal christlich wird, dann ist dies trotzdem eine völlige Veränderung der bisher hier lebenden Kulturen und genau genommen deren Ende. Denn dann wird die Deutsche Nation damit ebenso zugleich absterben. Aber um dir deine Angst wieder aufzurichten: die Muslime werden verhindern dass es so weit kommt. Als ich mal einer Gruppe junger Muslime dass demographisch so vorgerechnet habe, dass die gleichen Faktoren aufgrund derer sie unmittelbar davor mir erklärt haben, dass ihnen die Zukunft, das ganze Land und alles was wir haben gehören wird, waren sie zunächst verblüfft, dann wütend, und erklärten dem folgend, man werde die ganzen Schwarzen ermorden, versklaven und/oder aus Europa vertreiben. Soviel zu "unserer" Zukunft. Man könnte glatt einen Science Fiction Roman darüber schreiben, wie dann am Ende dieses Jahrhunderts hier ein Bürgerkrieg zwischen Schwarzen und Muslimen ausbricht, wäre mal neu und doch realistischer als dass wir dann alle in einer einzigen veganen LGPTQ+HTESMSSQTB*+ Gesellschaft davon leben, dass wir uns gegenseitig klimaneutrales Biogemüse verkaufen.
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(26.05.2022, 21:24)Quintus Fabius schrieb: Und so verhält es sich beim Islamismus noch umso mehr: da dieser eine Modernisierung des Islam ist, wird er gerade eben für die interessant, welche die aktuelle Verfasstheit des Islam ablehnen und insbesondere für diejenigen welche nicht mehr im traditionellen konserativen Islam verwurzelt sind.

Vielleicht haben wir einfach unterschiedliche Definitionen...für mich ist z.B. der Wahhabismus der Saudis nicht weniger problematisch als der moderne Islamismus.

Mag sein, dass der konservative Wahhabist oder ein ähnlich konservativ Religiöser nicht oder nur selten zum Extremist wird, wie auch immer man das nun definiert, bloß steht er troztdem in krassem Gegensatz zu unserer modernen freien Lebenweise. Insofern ist da nichts "gewonnen".

Was mir aber eine ganz gute Art Lebensstütze zu sein scheint für die, die sie brauchen und wollen, ist die Art wie man die Religion z.B. in vielen Ecken Italiens oder eben in Teilen Schwarzafrikas lebt: Man ist ernsthaft gläubig, geht regelmässig in die Kirche etc, aber das beeinflusst eben in keinerlei Weise den Alltag. Und so ist es in Teilen Italiens kein Widerspruch, dass der hochsündige Mafiosi Abends im Bett sein Kreuz küsst und ganz ernst gemeint betet.....Ich bin zwar normalerweise Atheist und streite auch gerne mit religiösen Menschen - treffe ich allerdings auf Menschen, die ihre Religion in dieser Weise leben, unterlasse ich das, verschweige sogar dass ich Atheist bin und lasse mich sogar zu einem "Möge Gott uns Glück spenden" hinreissen, wenn es motiviert.

Zitat:Selbstverständlich nicht, aber in einer ernsthaften Krise würden sich auch aus diesen Kreisen viele wieder auf irgendeine Form von Fundamentalismus besinnen und ihre bisherige Einstellung ändern. Das muss keineswegs christlicher Fundamentalismus sein, dass kann auch rechtsextremistisches Gedankengut sein, linksextremistisches Gedankengut, irgendwelche Sekten, es spielt für das zugrunde liegende Prinzip gar keine Rolle.

Gegen so etwas sind und waren moderne Gesellschaften ja auch nie ganz gefeit. Da hatten wir ja auch unsere Phasen.
Bloß sind wir unsere Extremismen halt immer wieder losgeworden und es gab auch nie eine große Symphatie für einzelne Spinnereien innerhalb unserer westlichen Staatengemeinschaft (darum blieben entsprechende Staaten dann auch isoliert). Die Staaten allerdings, die von einer Islamisierung oder Islamismus betroffen waren, die sind bis heute nicht wieder so frei, wie sie einst waren.
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Das Wahabitentum ist in Wahrheit der Anfang des modernen Islamismus, es gehört also zu diesem, bzw. es hat diesen hervorgebracht. Entsprechend bezeichnen sich die Wahhabiten selbst ja auch nicht als solche, sondern als Salafi.

Mit traditionellem Islam meine ich daher etwas völlig anderes und gerade die Wahhabiten lehnen den traditionellen Islam mit all seinen Formen entschieden ab. Und es ist ja beispielsweise bezeichnend, dass sich die Wahhabiten gerade eben nicht nur gegen alle früheren Formen des Islam wenden und deren Kulturgüter zerstört haben bzw. zerstören, tatsächlich hat damit das Wahhabitentum mal ursprünglich angefangen (Zerstörung der heiligen Stätten und Gräber in Medina).

Zitat:Bloß sind wir unsere Extremismen halt immer wieder losgeworden

Durch massivste militärische Gewalt von außen im Fall des Nationalsozialismus / Faschismus.

Zitat:und es gab auch nie eine große Symphatie für einzelne Spinnereien innerhalb unserer westlichen Staatengemeinschaft (darum blieben entsprechende Staaten dann auch isoliert).

Der Nationalsozialismus / Faschismus hatte große Sympathien in weiten Teilen der westlichen Staatengemeinschaft. Der primäre Unterschied zum heutigen Islamismus war meiner Meinung nach, dass man zu schnell, zu aggressiv, zu offen und direkt mittels Krieg versuchte seine Ziele sofort umzusetzen.

Demgegenüber breitet sich der Islamismus schleichend wie ein Krebsgeschwür ganz langsam und stückchenweise aus, ohne offenen Krieg und abgetarnt durch Lügen und Täuschung.

Zitat:Die Staaten allerdings, die von einer Islamisierung oder Islamismus betroffen waren, die sind bis heute nicht wieder so frei, wie sie einst waren.

Ein Musterbeispiel hierfür ist Afghanistan. Der traditionelle Islam in Afghanistan war völlig anders als das was da heute jetzt ist, völlig anders als die eigentlich un-afghanische Lehre der Taliban und schließlich war Afghanistan wesentlich freier als es heute ist.

Durch die Invasion der Sowjetunion, die gezielte Förderung von Islamisten durch die USA, Pakistan und die Ölaraber und schließlich die Entwurzelung der Menschen in Afghanistan durch den endlosen Krieg dort und all seine negativen Auswirkungen konnte sich der moderne Islamismus dort etablieren und nun hat sich der Islam in Afghanistan modernisiert und hat seine früheren Formen dort verdrängt, und entsprechend wird er dauerhaft dort bleiben, weil dies die neue sozialreligiöse Kultur der absoluten Mehrheit der Bevölkerung dort geworden ist.

Deshalb kann es auch keine Abschaffung des Islamismus von Innen / von selbst in Afghanistan mehr geben, deshalb war auch der Sieg der Taliban unvermeidlich, da wir nicht die Methoden angewendet haben die notwendig gewesen wären um dort die Kultur der absoluten Mehrheit von außen mit Gewalt zu brechen und neu aufzubauen, zumal diese Methoden in der modernen globalisierten Gesellschaft durch uns auch nicht mehr anwendbar sind (aus einer Vielzahl von Gründen).

Zitat:Mag sein, dass .......ein konservativ Religiöser nicht oder nur selten zum Extremist wird, wie auch immer man das nun definiert, bloß steht er troztdem in krassem Gegensatz zu unserer modernen freien Lebenweise. Insofern ist da nichts "gewonnen".

Ein konservativer Aleviler, ein Ismailit, ein Anhänger des Sufismus, ein Anhänger der hanafitischen Sunna, usw usf werden eben keine Extremisten und werden sich eben nicht dem Salafismus anschließen. Und ihre Ansichten stehen teilweise nicht einmal im krassen Gegensatz zur "modernen" "freien" Lebensweise, du wärst vermutlich überrascht. Viele der Werte dieser Gruppen sind sogar ganz im Gegenteil gesellschaftlich höchst nützlich und es wäre daher rein theoretisch ein Gewinn Personen mit solchen Werten in der Gesellschaft zu haben.

Das Problem ist nur, dass diese traditionellen Lehren und Lebensweisen erodieren, wenn sie mit der "modernen" "freien" Gesellschaft wie wir sie zur Zeit so definieren konfrontiert werden. Es ist diese Erosion (meist generationenübergreifend), welche dann zum Problem wird. Konservative traditionelle Türken wanderten hier beispielsweise in Deutschland ein, niemand von ihnen war ein Islamist und wurde zum Islamisten. Sie hatten dann hier in dieser Bundesrepublik Kinder, diese gingen hier zur Schule, wuchsen hier auf, und die traditionellen Werte und Normen erodierten. Und schließlich breiten sich nun unter den Nachkommen (!) dieser Einwanderer die Islamisten aus, weil die Erosion des traditionellen Islam in diesen Familien dazu führt, dass sich im Fall einer Krise dann die Jungen (teilweise bereits die 3 Generation) dem Islamismus zuwenden.

Darin liegt das Problem islamischer Einwanderung. Dass die traditionelle islamische Kultur in der direkten unmittelbaren Konfrontation mit unserer Gesellschaft eben nicht aufrecht erhalten werden kann und die kulturelle Erosion dann dazu führt, dass das Risiko für eine Übernahme des Islamismus stark zunimmt. Gerade deshalb ist die Einwanderung von Muslimen problematisch, nicht wegen dem was die Einwanderer hier und heute sind, sondern wegen dem was ihre Nachkommen in der Zukunft sein werden.

Man sieht diese Mechansimen welche da wirken beispielsweise auch sehr schön beim IS. Es zogen Unmengen von jungen Islamisten aus Europa in den IS Staat, so dass dann dort mehr Europäer (!) den IS prägten als einheimische Islamisten. In manchen Regionen / Bereichen überwogen Islamisten aus Europa die einheimischen Islamisten im Irak. Die daraus entstehenden Spannungen und die Ablehung dieser aus Europa stammenden Islamisten durch die Einheimischen war dann ironischerweise auch ein Faktor (neben vielen anderen) der dann zum Niedergang des IS Staates führte.

Das gleiche in Afghanistan: die Kämpfer des IS dort stammen mehrheitlich nicht aus Afghanistan, sondern aus Großstädten in Pakistan, und sind nicht einmal ethnische Afghanen. Gerade deshalb werden die Taliban zur Zeit mit ihnen fertig, weil sie ein von außen kommender Fremdkörper sind, während die Taliban parallel dazu dass sie moderne Islamisten sind (also eine modernisierte Form des Islam anstreben) auch den afghanischen Nationalismus hochhalten und benutzen.

Beschließend muss man in diesem Kontext noch verstehen, dass das Wort Modern eben nicht bedeutet, dass etwas so ist wie wir es anstreben oder wie wir es gutfinden, sondern völlig unabhängig davon nur, dass es eben neu ist und das alte ablöst. Der Islamismus ist also die Moderne Form des Islam, auch wenn er behauptet zu den Ursprüngen zurück zu kehren (Salafiyah), aber exakt das ist nicht der Fall. Diese Behauptung man kehre zum Urislam zurück ist einfach nur Propaganda, denn der Urislam unterschied sich erheblich von dem was hier heute von diesen Gruppen behauptet wird.
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(27.05.2022, 09:26)Quintus Fabius schrieb: Das Wahabitentum ist in Wahrheit der Anfang des modernen Islamismus, es gehört also zu diesem, bzw. es hat diesen hervorgebracht. Entsprechend bezeichnen sich die Wahhabiten selbst ja auch nicht als solche, sondern als Salafi.

Mit traditionellem Islam meine ich daher etwas völlig anderes

Bloß ist das historisch so nicht haltbar. Man kann sich nicht irgendeine tolerante historische Epoche herauspicken (Ägypten unter Nasser, Afgahnistan als Königreich oder so etwas) und dann sagen "Das ist nun der traditionelle Islam". (genauso wenig wie die 1950er Jahre "traditionelles Christentum" sind) Die Saudis orientieren sich durchaus am Koran und an den historischen islamischen Reichen. Und wenn ich mir so anschaue, wie man z.B. während der islamischen Expansion gelebt hat und wie man mit den Sklaven, Fremden, Feinden, andersfarbigen etc. umgegangen ist, dann muss man sagen, verglichen dazu leben die Saudis einen durchaus moderaten Islam.

Ich empfehle hier Egon Flaigs "Weltgeschichte der Sklaverei":
https://www.amazon.de/Weltgeschichte-Skl...406719198/

(27.05.2022, 09:26)Quintus Fabius schrieb: Der Nationalsozialismus / Faschismus hatte große Sympathien in weiten Teilen der westlichen Staatengemeinschaft. Der primäre Unterschied zum heutigen Islamismus war meiner Meinung nach, dass man zu schnell, zu aggressiv, zu offen und direkt mittels Krieg versuchte seine Ziele sofort umzusetzen.

Das ist überzogen und daher Geschichts-Relativierung. Damit faschistische Bewegungen derartigen Erfolg haben können, müssen sie schon auf eine gewisse Mentalität treffen. Deutschland war nicht aus purem Zufall das Land, welches des Faschismus am deutlichsten geliebt und bis in die allerletzte Perversion ausgelebt hat. Und es ist auch bis heute kein Zufall, dass die Franzosen bei Corona-Ausbruch Wein und Kondome horteten und die Deutschen Klopapier.

Faschistische Bewegungen gab es überall (und es gibt sie ja bis heute), auch in den USA. Nur hatte der "amerikanische Bund" (das NSDAP-Pendant sozusagen) überhaupt keinen Einfluss und gerade mal mehrere Tausend Mitglieder auf dem Höhepunkt. Und die Amerikaner waren mit der "großen Depression" in einer der übelsten Krisen ihrer Geschichte mit Rekord-Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichem Verfall. Und trotz allem blieben sie relativ gelassen.

Die westliche Welt wurde immer mal von "Extremismen" befallen (wie wärs mit Kommunismus?), bloß eben nie ganz und nie vollständig.

Denn der Westen hatte etwas, was viele für eine Schwäche halten, was aber auch eine Stärke ist: Er hat immer kritische "zersetzende" Stimmen. Es gibt immer irgendwo mächtigen Dissens.

Und das scheint mir eben das Problem der arabischen Welt zu sein: Ich würde mal behaupten, derart (öffentlich) kritischen Dissens wie hier, wo man Heiligtümer von Staat, Gesellschaft und Religion ganz offen in Frage stellen kann, den gab es dort faktisch nirgends in dieser Dominanz und Form. Und genau das ist eben der Unterschied zwischen westlicher und arabischer Welt. Wo es lauten Dissens und skandalöse Tabu-Brüche nicht gibt, kann jemand - um dich zu zitieren - wie ein "Krebsgeschwür" - früher oder später den gesamten Laden übernehmen. Er muss dazu nur ein paar neue Tabus und vermeintliche Heiligtümer schaffen.

(27.05.2022, 09:26)Quintus Fabius schrieb: Das Problem ist nur, dass diese traditionellen Lehren und Lebensweisen erodieren, wenn sie mit der "modernen" "freien" Gesellschaft wie wir sie zur Zeit so definieren konfrontiert werden. Es ist diese Erosion (meist generationenübergreifend), welche dann zum Problem wird. Konservative traditionelle Türken wanderten hier beispielsweise in Deutschland ein, niemand von ihnen war ein Islamist und wurde zum Islamisten. Sie hatten dann hier in dieser Bundesrepublik Kinder, diese gingen hier zur Schule, wuchsen hier auf, und die traditionellen Werte und Normen erodierten. Und schließlich breiten sich nun unter den Nachkommen (!) dieser Einwanderer die Islamisten aus, weil die Erosion des traditionellen Islam in diesen Familien dazu führt, dass sich im Fall einer Krise dann die Jungen (teilweise bereits die 3 Generation) dem Islamismus zuwenden.

Darin liegt das Problem islamischer Einwanderung. Dass die traditionelle islamische Kultur in der direkten unmittelbaren Konfrontation mit unserer Gesellschaft eben nicht aufrecht erhalten werden kann und die kulturelle Erosion dann dazu führt, dass das Risiko für eine Übernahme des Islamismus stark zunimmt. Gerade deshalb ist die Einwanderung von Muslimen problematisch, nicht wegen dem was die Einwanderer hier und heute sind, sondern wegen dem was ihre Nachkommen in der Zukunft sein werden.

Da will ich dir gar nicht widersprechen. Nur sehe ich die Dinge generell etwas anders als du und würde die Lage - bei einer Masseneinwanderung (als Minderheiten-Phänomen allerdings vollkommen unproblematisch) - auch dann nicht weniger problematisch sehen, wäre es möglich, wenn die traditionelle Lebensweise erhalten blieben könne. Denn eine gänzlich "andere Welt" repräsentiert auch diese traditonelle Einwanderer-Kultur ja schon. Und ich würde unsere westliche Welt ungern dagegen tauschen.

(27.05.2022, 09:26)Quintus Fabius schrieb: Man sieht diese Mechansimen welche da wirken

Allgemein ist es aber ja nichts neues, dass die Welt sich weiterdreht. Ein kulturelles, religiöses und gesellschaftliches System muss sich dem anpassen, will es irgendwie bestehen.

Und "der Westen" hat dies geschafft: Die Menschen leben heute in einer extrem schnellebigen Zeit ohne tradtionelle Bindungen - allerdings ohne dass es hier ein ernsthaftes Extremismus-Problem gäbe oder wir eine Millitärdiktatur bräuchten, um einigermaßen Ruhe zu haben.
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Zitat:historisch so nicht haltbar. Man kann sich nicht irgendeine tolerante historische Epoche herauspicken (Ägypten unter Nasser, Afgahnistan als Königreich oder so etwas) und dann sagen "Das ist nun der traditionelle Islam"

Nur ganz kurz (leider keine Zeit): keineswegs ist der traditionelle Islam tolerant gewesen, mehrheitlich war er dies nie. Im übrigen sehe ich den Islam in all seinen Formen ganz insgesamt äußerst kritisch und ich habe mich wirklich lange sehr viel damit beschäftigt. Beispielsweise waren selbst die heute stets als Musterbeispiele hervor gekramten islamischen Staaten auf der iberischen Halbinsel keineswegs tolerante Gesellschaften, sondern gegenüber Christen und Juden genau so unterdrückerisch und negativ wie dies dann die christlichen Staaten dort später umgekehrt ebenso waren.

Traditionell bedeutet also keineswegs tolerant und bezieht sich daher nicht auf historische Epochen die solches aufweisen würden.

Zitat:das scheint mir eben das Problem der arabischen Welt zu sein: Ich würde mal behaupten, derart (öffentlich) kritischen Dissens wie hier, wo man Heiligtümer von Staat, Gesellschaft und Religion ganz offen in Frage stellen kann, den gab es dort faktisch nirgends in dieser Dominanz und Form. Und genau das ist eben der Unterschied zwischen westlicher und arabischer Welt.

Es gibt noch viele weitere bedeutende Unterschiede die sich hier negativ auswirken, beispielsweise die Abwesenheit einer organisierten Kirche (mit Ausnahme der 12er Schiiten), der sehr viel höhere und negative Einfluss des Staates auf die jeweiligen Islamischen Geistlichen - welche explizit von den Eliten dieser Länder dazu benutzt werden die Bevölkerung ruhig zu halten, die nie stattgefundene Säkularisation bzw. nie stattgefundene Aufklärung in den Ländern dieses Kulturraumes, die völlig anderen sonstigen sozialkulturellen Strukturen (Clan-Kultur et al) und damit einhergehend auch die ganze sonstige nicht-islamische Sozialkultur in diesen Räumen - welche teilweise ja ebenfalls von den Islamisten massiv angegangen wird.

Beispielsweise wirken sich hier die Stammes- und vor allem die Clanstrukturen und die damit einher gehenden Einflüsse genau so negativ aus wie die jeweilige Ausprägung des Islam. Und diese Ausprägungen sind meiner rein persönlichen Meinung nach immer negativ, völlig gleich ob sie traditionell sind oder modern-islamistisch.

Bei vielen hat eine solche "Islamophobie" aber in Wahrheit hinter allen berechtigten Vorwürfen vor allem rassistische Motive, die man mit seiner Islamkritik in Wahrheit lediglich verbrämt. Deshalb habe ich mich selbst dahin gehend oft kritisch hinterfragt, aber bei mir ist die ganze Motivationslage und der Ursprung meiner Auffassungen ein völlig anderer (und vermutlich sehr stark von der Mehrheit abweichender).

Zitat:eine gänzlich "andere Welt" repräsentiert auch diese traditonelle Einwanderer-Kultur ja schon. Und ich würde unsere westliche Welt ungern dagegen tauschen.

Das gilt aber auch für viele andere Einwanderer-Kulturen. Beispielsweise gibt es auch und gerade in Afrika viele Kulturelemente die diametral allem entgegen gesetzt sind was du hier als westliche Welt definierst. Entsprechend müsstest du daher die Einwanderung von Schwarzafrikanern ebenso höchst kritisch sehen (Stammes- und Clanstrukturen, rigide Ablehnung von Homosexualität, völlig andere Einstellung zu Staat und Gesellschaft etc etc)

Beschließend sollte ich noch betonen: dass alle meine Ausführungen keinerlei ethisch-moralische Elemente enthalten, dies sei mir fern! Ich lehne also beispielsweise keineswegs "den Islam" aus ethisch-moralischen Gründen ab, ganz im Gegenteil hat er da in vielem meiner Ansicht nach eher Vorzüge im Vergleich zu dem was hierzulande heute als "westliche" Kultur verstanden wird. Und das was man da heute in dieser Bundesrepublik als westlich bezeichnet ist über den Gros unserer Geschichte auch niemals das gewesen was Westliche Kultur und Westliche Werte ausgemacht hat. Eher ist es im Gegenteil die Degenerierung der Westlichen Kultur zur Zeit, welche überhaupt diese Missstände mit verursacht.

Die unbedingte Überlegenheit, die Gewissheit dieser Überlegenheit und damit auch die Strahlkraft des Westlichen (Europäischen!) schwinden oder sind dahin. Gerade deshalb gelingt es immer weniger und weniger Einwanderer aus nicht-europäischen Kulturen zu integrieren, und sinkt mit dem Absinken der Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaften auch zunehmend die Wahrscheinlichkeit überhaupt noch hier zu einem guten Ende zu kommen.
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@Facilier
Zitat:Das ist überzogen und daher Geschichts-Relativierung. Damit faschistische Bewegungen derartigen Erfolg haben können, müssen sie schon auf eine gewisse Mentalität treffen. Deutschland war nicht aus purem Zufall das Land, welches des Faschismus am deutlichsten geliebt und bis in die allerletzte Perversion ausgelebt hat. Und es ist auch bis heute kein Zufall, dass die Franzosen bei Corona-Ausbruch Wein und Kondome horteten und die Deutschen Klopapier.

Faschistische Bewegungen gab es überall (und es gibt sie ja bis heute), auch in den USA. Nur hatte der "amerikanische Bund" (das NSDAP-Pendant sozusagen) überhaupt keinen Einfluss und gerade mal mehrere Tausend Mitglieder auf dem Höhepunkt. Und die Amerikaner waren mit der "großen Depression" in einer der übelsten Krisen ihrer Geschichte mit Rekord-Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichem Verfall. Und trotz allem blieben sie relativ gelassen.
Das ist mir nun alles ein wenig zu vereinfachend. Ohne es allzu sehr auszuwalzen hier, muss darauf hingewiesen werden, dass das Abkippen einer Gesellschaft hin zu einem Extremismus bzw. die Ursache nicht einfach nur auf ein, zwei Punkte heruntergebrochen oder mit diesen erklärt werden kann.

Was Deutschland angeht, so haben sich seit den 1970ern die Historiker darüber heftigst gefetzt, was nun genau ursächlich war für den Aufstieg Hitlers, zu einem finalen Abschluss kamen sie bislang nicht wirklich. Ich bin mir auch nicht sicher, wie sich andere Staaten verhalten und entwickelt hätten, mit anderen Staaten beziehe ich mich auf die Entente-Mächte bzw. die westlichen Demokratien aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, wenn sie den Krieg verloren hätten, wenn sie durch Inflation, massive innere Unruhen bis hin zu offenen Putschversuchen, Reparationen etc. gegangen wären und wenn hochgradig reaktionäre Kräfte in Militär, Wirtschaft und Politik gezielt an den wackeligen Säulen einer neu entstandenen Demokratie gesägt hätten und wenn dann plötzlich der starke Mann erschienen wäre, der einen Wiederaufstieg wie der Phönix aus der Asche versprochen hätte?

Die USA etwa haben beileibe nicht nur die eine oder andere nazifreundliche Partei oder Gruppierung besessen, man denke alleine nur an die Geschichte des Ku Klux Klan, der sich im Süden auch aus einer Niederlage (und wirtschaftlicher Not und Reparationen) heraus formte und der das Land lange Jahre mit Terror in ländlichen Gebieten überzog. Die Nordstaaten konnten das letztlich auffangen, aber auch nur, weil sie gewonnen hatten. Auch in Frankreich gab es nach dem Ersten Weltkrieg äußerst kritische politische Phasen - aber man konnte sich noch damit trösten, dass man den grande guerre gewonnen hatte. Was im Falle einer Niederlage oder deutschen Reparationsforderungen und beim Auftreten eines starken Erretters aus der Misere geschehen wäre, muss Spekulation bleiben. Man könnte übrigens auch nach Spanien oder Italien oder Polen schauen...

Das würde aber den Rahmen hier sprengen. Generell wollte ich aber damit sagen, dass man sich mit einseitigen und raschen Urteilen manchmal etwas zurückhalten sollte, selbst die erfahrensten Historiker bemerken immer wieder, dass sie Dinge übersehen haben.

Schneemann
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(28.05.2022, 11:13)Schneemann schrieb: wenn sie durch Inflation, massive innere Unruhen bis hin zu offenen Putschversuchen, Reparationen etc. gegangen wären und wenn hochgradig reaktionäre Kräfte in Militär, Wirtschaft und Politik gezielt an den wackeligen Säulen einer neu entstandenen Demokratie gesägt hätten und wenn dann plötzlich der starke Mann erschienen wäre, der einen Wiederaufstieg wie der Phönix aus der Asche versprochen hätte?

Bloß war es ja nicht nur der "starke Mann" und nicht mal nur die Diktatur (das hatte Spanien auch). Es war die Einrichtung von Konzentrations- und Vernichtungslagern, die fabrikmässige Tötung von Millionen von Menschen und die Entfesselung von Angriffskriegen, die dann ebenfalls widerrum das Ziel hatten, in der Sowjetunion eine zweistellige Millionenzahl von Menschen zu liquidieren und/oder verhungern zu lassen, um dort Platz für Siedler zu schaffen.

All diese Dinge waren auch keine wirklichen Geheimnisse. Hier nur mal ein Beispiel aus dem Tagebuch von Friedrich Kellner, der als normaler Bürger Tagebuch geführt hat und erstaunliche Einblicke in die Zeit und die Seele der "gewöhnlichen Deutschen" um ihn herum gibt: (https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Kellner)

Zitat:Die »Heil- und Pflegeanstalten« sind zu Mordzentralen geworden. Wie ich erfahre, hatte eine Familie ihren geistig erkrankten Sohn aus einer derartigen Anstalt in ihr Haus zurückgeholt. Nach einiger Zeit erhielt diese Familie 〈von der Anstalt〉 eine Nachricht des Inhalts, daß ihr Sohn verstorben 〈sei〉 und die Asche ihnen zugestellt werde! Das Büro hatte vergessen, den Namen auf der Todesliste zu streichen. Auf diese Weise ist die beabsichtigte vorsätzliche Tötung ans Tageslicht gekommen.

Zitat:Ein in Urlaub befindlicher Soldat berichtet als Augenzeuge fürchterliche Grausamkeitenb in dem besetzten Gebiet in Polen. Er hat gesehen, wie nackte Juden u. Jüdinnen, die vor einem langen, tiefen Graben aufgestellt wurden, auf Befehl der SS von Ukrainern in den Hinterkopf geschossen wurden u. in den Graben fielen. Der Graben wurde dann zugeschaufelt. Aus den Gräben drangen oft noch Schreie!!
Kellner, Friedrich. "Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne": Tagebücher 1939-1945 (German Edition) (p. 176). Wallstein Verlag. Kindle Edition.

1941 und Anfang 1942 sagt er prophetisch für die Nachkriegszeit:
Zitat:Diese grausame, niederträchtige, sadistische, über Jahre dauernde Unterdrückung mit dem Endziel Ausrottung ist der größte Schandfleck auf der Ehre Deutschlands. Diese Schandtaten werden niemals wieder ausgelöscht werden können.

[...] Dann hat selbstverständlich jeder Spießbürger gewusst, daß der Nationalsozialismus auf diese Weise enden würde, und keiner war Nationalsozialist gewesen. In Wirklichkeit gab es höchstens 1 v. hundert überzeugte Gegner des Hitlerismus. Die übrigen 99 v. h. haben sich entweder sehr aktiv beteiligt oder doch wenigstens durch schlappe Haltung, lammfromm und ergeben, sich unter das Joch der NSDAP. gebeugt. [...] Dem deutschen Volke muß es für ewige Zeiten unmöglich gemacht werden, Völker wie die Juden u. Polen, in sadistischer Weise zu behandeln und deren systematische Ausrottung zu bewerkstelligen.
Kellner, Friedrich. "Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne": Tagebücher 1939-1945 (German Edition) (p. 264). Wallstein Verlag. Kindle Edition.

Aber auch rechtskonservative, die Anfangs noch für Hitler gefiebert haben, haben schnell erkannt, wohin die Reise geht, wie z.B. Friedrich Reck-Malleczewen in "Tagebuch eines Verzweifelten":
Zitat:Ich träume Hass, um mit Hass zu erwachen: ich ersticke in der Erkenntnis, der Gefangene einer Horde böser Affen zu sein. Zu rechten habe ich mit der Dummheit eines ganzen Volkes, das sich dieses Sammelsurium von Unzulänglichkeiten und nutznießender Falloten hat gefallen lassen.

Quintus sagt es ja auch immer ganz richtig: Eine Führung kann nicht viel machen, wenn das Volk nicht dahinter steht. Es ist ja sogar so, dass die Führung aus einem Volk erwächst. Die Dinge fallen nicht vom Himmel.

Ein verlorener Krieg und harte Zeiten in der Zwischenkriegszeit können so etwas wie die NS-Zeit auch nicht rechtfertigen oder beschönigen. Das hat nämlich immer starke Parallelen zu dem, was man auch vor Gericht oft beobachten kann, wenn jemand Amok gelaufen ist, nachdem er z.B. Job, Geld und Frau verloren hat. Bloß: Millionen anderer Menschen haben auch solche Schicksale oder noch härtere erlitten - und haben eben nicht so reagiert!

(28.05.2022, 11:13)Schneemann schrieb: Ku Klux Klan, der sich im Süden

Das ist aber nichts, was verwundert, denn die Südstaaten und das damalige Deutschland hatten ja in Sachen Mentalität viel gemeinsam:
https://de.wikipedia.org/wiki/Autorit%C3...sz%C3%BCge

Redneck ist nicht umsonst bis heute ein Schimpfwort für Menschen mit einer ganz bestimmten (für aufgeklärte Menschen kaum erträglich anmutenden) Mentalität und Weltanschauung - schon in Friedenszeiten. Das solche Menschen dann in "harten Zeiten" zu sonstwas fähig sind ...puh..wen verwundert das?

Und nun, Heinrich Mann sagte in "Der Untertan" schon 1914 vor Beginn des Krieges mit Bezug auf die deutsche Mentalität:
Zitat:Der Untertan persifliert die wilhelminische Epoche und analysiert die Situation der damaligen Zeit. [...]

"Wenn die Katastrophe, der sie auszuweichen denken, vorüber sein wird, sei gewiss, die Menschheit wird das, worauf die erste Revolution folgte, nicht scham- und vernunftloser nennen, als die Zustände, die die unseren waren."

Der Roman ist deshalb auch so interessant, weil er in der Kindheit anfängt und recht treffsicher beschreibt, wie damals die deutschen Eierköppe herangezüchtet wurden.
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Der Nationalsozialismus ist eine Form/Möglichkeit der Modernisierung der Deutschen Kultur gewesen (so wie der moderne Islamismus in Bezug auf den Islam). Er resultiert daher eben nicht aus der deutschen Mentalität des Kaiserreiches welche das Buch der Untertan zu beschreiben versucht, oder genauer gesagt persifiliert.

Und tatsächlich ist den wenigsten Deutschen heute klar, welch immensen Schaden der Nationalisozialismus in Bezug auf sehr viele traditionelle althergebrachte Elemente der Deutschen Kultur verursacht hat. Das reicht hin bis zur Schrift oder den Essgewohnheiten. Tatsächlich gibt es mit und durch den Nationalsozialismus einen massiven, deutlichen und nachhaltigen Bruch mit der Vergangenheit, resultierend daraus, dass sich diese durch die Niederlage im 1WK und die sich daraus ergebende nationale Katastrophe selbst überlebt und überkommen gemacht hatte.

Entsprechend gingen die National-Sozialisten auch gegen viele althergebrachte deutsche Kulturwerte vor und versuchten diese durch eigene neue Formen zu ersetzen. Deshalb ist die Mentalität und Kultur der Kaiserzeit eben nicht geeignet als Erklärung für das Geschehen im Nationalsozialismus, ganz im Gegenteil steht dieser in einem krassen Kontrast und Widerspruch zu dem was Deutsche Kultur vor 1914 ausmachte.

Um das Buch der Untertan mal in einem interessanten Nebenaspekt aufzugreifen: die Hauptfigur ist ja Mitglied in einer schlagenden Verbindung, welche in der Kaiserzeit eine heute kaum mehr begriffene Bedeutung hatten (es gab auch schlagende Schülerverbindungen usw). Gerade die Nationalsozialisten bekämpften die schlagenden Verbindungen oder verboten sie rundweg.

Deshalb ist es eben falsch anzunehmen, dass der Nationalsozialismus die evolutionäre Fortentwicklung der deutschen Kultur gewesen wäre, sondern wie beim Islamismus auch handelte es sich um einen Bruch, und den Versuch das überkommene abzuwerfen durch eine Modernisierung. Auch das man scheinbar auf die Vergangenheit Bezug nahm ist vergleichbar (Rückkehr zum vermeintlichen Urislam, Rückkehr zu den Germanen / Ariern) in seinem Mechanismus.

Entsprechend wollte der Nationalsozialismus in Wahrheit auch kein Deutsches Volk mehr, kein Deutschland, dass wurde nur benutzt als Begriff um die Menge zu mobilisieren und für die eigenen Zwecke einzuspannen. Dahinter stand die Idee, den bisherigen Begriff der Nation durch den Rassebegriff abzulösen, entsprechend war ein "höherrassiger" Norweger, Däne, Engländer etc für die Nationalsozialisten wertvoller und höherwertiger als ein "niederrassiger" Deutscher.

Schlussendlich war der Nationalsozialismus damit auch Anti-Etatisch, und wollte den Staat durch die Partei und schließlich durch eine Staatenüberspannende Rassegemeinschaft ersetzen. Dieser Anti-Etatismus ist ebenfalls ein immenser Bruch mit der Obrigkeits- und Staatshörigkeit welche gerade eben das Kaiserreich auszeichnete. Das diese im Volk in Teilen noch vorhanden war und von den National-Sozialisten bewusst und gezielt ausgenützt wurde spielt dafür keine Rolle. So wie auch traditionelle Muslime von Islamisten ausgenutzt werden.

Zitat:Ein verlorener Krieg und harte Zeiten in der Zwischenkriegszeit können so etwas wie die NS-Zeit auch nicht rechtfertigen oder beschönigen.

Um das gesondert nochmal zu betonen: so was muss man völlig frei von Moral und Ethik betrachten, sonst werden die Zusammenhänge nicht klar. Es geht nicht um Rechtfertigung oder Beschönigung, sondern schlicht und einfach darum, dass die schon vor 1914 im Vergleich mit anderen europäischen Ländern de facto ältere (veraltete) deutsche Kultur in wesentlichen Teilen überkommen war (beispielsweise Junkertum, beispielsweise mittelalterliche Denkreste, beispielsweise de facto Leibeigenschaft / Unfreiheit länger als selbst in Russland usw) und der Erste Weltkrieg dieser im Verhältnis veralteten und rückwärts gewandten Kultur einen Schaden zufügte, der eine Modernisierung dieser Kultur anstieß.

Und diese Modernisierung resultierte nun aus der Katastrophe des Krieges und der Zwischenkriegszeit. Das hat nichts mit Rechtfertigung zu tun, sondern es geht nur um den Funktionsmechanismus. Eine überkommene Kultur neigt dazu sich in irgendeiner Weise zu modernsieren, wenn sie in eine existenzielle Krise gerät, in dieser aber nicht vernichtet wird.

So entstand der Islamismus gerade eben durch die massive Krise der islamischen Welt (die bis heute anhält), dem Vordringen der Europäer in islamisches Gebiet (was mit der traditionellen islamischen Kultur unvereinbar ist) und gerade deshalb bildeten sich die Wahhabiten, die Muslimbrüder u.a.

Und da andere Wege der Modernisierung aus einer Vielzahl von Faktoren heraus verunmöglicht wurden, auch und nicht zuletzt durch vielfältige westliche Eingriffe in die islamische Welt, setzt sich dann eben diese Form der Modernisierung durch. Ebenso wie in der Zwischenkriegszeit andere mögliche Formen der Modernisierung der deutschen Kultur aus einer Vielzahl von Umständen scheiterten.
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