EU und Mittelmeeranrainer - Mittelmeerunion
#1
die Mittelmeerunion steht ja nun "in den Startlöchern" - und ich denke, es ist Zeit, für dieses französiche Wunschprojekt einen eigenen Thread zu eröffnen.
Als Eingangsposting mal die FAZ:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.faz.net/s/Rub99C3EECA60D84C08AD6B3E60C4EA807F/Doc~EEC90DFE51CE44BD49250794F6645EBB8~ATpl~Ecommon~Scontent.html">http://www.faz.net/s/Rub99C3EECA60D84C0 ... ntent.html</a><!-- m -->
Zitat:Das französische Projekt
Neue Partnerschaft am Mittelmeer

Von Nikolas Busse und Michaela Wiegel, Brüssel/Paris

12. Juli 2008 Am Sonntag wird in Paris feierlich die Mittelmeerunion gegründet, eine Partnerschaft der EU-Staaten mit den Anrainern des Mittelmeeres. Die neue Union soll 44 Mitglieder haben, außer dem libyschen Revolutionsführer Gaddafi haben sämtliche Staats- und Regierungschefs ihr Kommen zugesagt. Diplomaten verhandelten am Freitag noch über Einzelheiten des neuen Zusammenschlusses. Strittig waren unter anderem eine Passage des Abschlussdokuments zum Nahost-Konflikt, weil sich hier die üblichen Meinungsunterschiede zwischen Europäern, Israelis und Arabern auftaten, sowie der künftige Sitz eines Sekretariats, um den sich mehrere Länder beworben hatten.
...

Mitglieder der neuen Mittelmeerunion sind neben den 27 EU-Staaten sämtliche bisherigen Mitglieder und Beobachter des Barcelona-Prozesses (Siehe auch: Mögliche Mitglieder und Partner der EU in der Mittelmeerunion) sowie alle weiteren Mittelmeeranrainer (Kroatien, Bosnien, Montenegro und Monaco).

Die größte Neuerung besteht in der politischen Aufwertung der Zusammenarbeit. So wird es künftig einen gemeinsamen Vorsitz geben und alle zwei Jahre ein Gipfeltreffen. Ansonsten ist vor allem geplant, mehr konkrete Projekte aufzulegen, damit das Leben der Bürger in der Region verbessert wird. Die Europäische Kommission hat unter anderem vorgeschlagen, die Verkehrswege im Maghreb auszubauen.
...
ich möchte mal ein paar Gedanken einfügen:

Mittelmeerunion?
Ist das ein Versuch, das Mittelmeer wieder (wie zu Zeiten der Römer) als "Europäisches Meer" zu definieren? Alle Anrainerstaaten unter der Oberfuchtel von Paris - statt Rom?

Warum sind Dänemark oder Lettland (als EU-Mitglieder) an der Mittelmeerunion beteiligt, während Saudi-Arabien oder der Jemen fehlen (die Arabische Liga würde auch diese Staaten einschließen)?
Sollten nicht entweder nur die Mittelmeeranrainer (schon ohne z.B. Östereich und Deutschland) oder - wenn - dann alle Staaten der EU und der Arabischen Liga zu Mitgliern werden?

Ist das der "verkappte Versuch", die arabischen Staaten auseinander zu dividieren in eine europäische Einflusssphäre (die Mittelmeeranrainer) und eine amerikanische Einflusssphäre (die Staaten der arabischen Halbinsel, die am indischen Ozean und seinen Seitenarmen liegen)?

Ist die Mittelmeerunion der letzte Baustein, um der Türkei eine priveligierte Partnerschaft mit der EU ohne Beitritt zu bieten?

Kann die Mittelmeerunion einen Dialograum zwischen gegnerischen Staaten wie Libanon, Syrien und Israel bilden?



Bin mal auf Eure Gedanken gespannt ....
Zitieren
#2
Erich schrieb:Ist das ein Versuch, das Mittelmeer wieder (wie zu Zeiten der Römer) als "Europäisches Meer" zu definieren? Alle Anrainerstaaten unter der Oberfuchtel von Paris - statt Rom?

Das war auch mein erster Gedanke. Doch bei weitergehenden Nachdenken hab ich die Idee wieder verworfen. Erstmal sind ja alle EU-Staaten beteiligt, daher wohl eher ein Mittelmeer unter der Fuchtel von Brüssel.
Zitieren
#3
auf jeden Fall wird mit der Gründung der Union schon mal Syrien aus der Ecke raus geholt:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://de.rian.ru/analysis/20080711/113799376.html">http://de.rian.ru/analysis/20080711/113799376.html</a><!-- m -->
Zitat:Arabische Komponente bei Mittelmeer-Gipfel
19:36 | 11/ 07/ 2008

MOSKAU, 11. Juli (Maria Appakowa, RIA Novosti). Der EU-Mittelmeer-Gipfel vom 13. bis 14. Juli in Paris gilt als Lieblingsprojekt des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy.

... scheint es, dass der syrische Präsident Bashar Assad zum Haupthelden des Treffens wird. Seine Teilnahme am Gipfel sowie der Umstand, dass er mit Israels Ministerpräsident Ehud Olmert an einem Tisch sitzen wird, erwecken bereits viel größeres Interesse der Medien als die eigentliche Veranstaltung, wie beeindruckend sie auch wirken mag.
....

Zwar werden zwischen ihnen keine Verhandlungen vermutet, aber schon der Fakt der Anwesenheit von Assad und Olmert bei derselben Veranstaltung ist eine kleine Sensation.

Syrien demonstriert der Welt sein neues politisches Antlitz, die Bereitschaft zum Dialog und Offenheit. Assads Besuch in Paris ist ein Durchbruch bei der Überwindung der diplomatischen Isolation Syriens, die mehrere Jahre gedauert hat.
...

Er gibt Syrien die Chance, seine Beziehungen nicht nur zu Frankreich, sondern auch zu anderen europäischen Ländern auf ein neues Niveau zu bringen. Übrigens auch zu den arabischen Staaten, die Damaskus die viel zu engen Bindungen mit Teheran nicht verzeihen können.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~EB6C9DB13C24E428C91E01DDBD01E4A3B~ATpl~Ecommon~Scontent.html">http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437 ... ntent.html</a><!-- m -->
Zitat:Syrien und Libanon nähern sich an
Sarkozys „historischer“ Kraftakt
13. Juli 2008 Mit der Ankündigung Libanons und Syriens, diplomatische Verhandlungen aufzunehmen ist Syriens Präsident Baschar al Assad am Samstag nach jahrelanger Ächtung auf die internationale Bühne zurückgekehrt. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte den syrischen Herrscher mit einer Ehrenformation in Paris empfangen - und angekündigt, er selbst werde noch in diesem Sommer nach Syrien reisen.
...

Mit seiner neuen Linie setzt der französische Staatschef sich klar von der amerikanischen Politik ab, die Syrien weiterhin auf der Liste der Staaten führt, die den Terrorismus unterstützen.
....
wobei nicht uninteressant ist, dass es inzwischen schon die ersten Machtgerangel um die Leitung der Mittelmeerunion innerhalb der EU gab:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.ftd.de/politik/europa/:Barroso%20Sarkozys%20Prestigeprojekt/357188.html">http://www.ftd.de/politik/europa/:Barro ... 57188.html</a><!-- m -->
Zitat:Barroso zerlegt Sarkozys Prestigeprojekt
von Wolfgang Proissl (Brüssel)
EU-Kommissionschef José Manuel Barroso riskiert Streit mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Es geht um die Frage, wer die künftige Mittelmeerunion politisch kontrollieren soll.

Die Brüsseler Behörde fordert, dass die höchsten Vertreter der EU-Institutionen die Co-Präsidentschaft gemeinsam mit einem Vertreter der Mittelmeeranrainer aus Nordafrika und Nahost ausüben. Das geht aus einem Strategiepapier hervor, das Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner am Dienstag vorstellt.

Der Vorschlag ist ein Affront für Sarkozy, der in der Gründung der Mittelmeerunion das Prestigeprojekt des französischen EU-Ratsvorsitzes im zweiten Halbjahr sieht. Der Staatschef möchte gemeinsam mit Ägyptens Präsidenten Hosni Mubarak für zwei Jahre Gründungspräsident der neuen Organisation sein und der Mittelmeerunion so seinen Stempel aufdrücken.
...
Aus der FTD vom 19.05.2008
(wie war das? "Der Erfolg hat viele Väter ...")
nun ja: der Streit ist (vorerst?) gelöst:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/ausland/mittelmeerunion112.html">http://www.tagesschau.de/ausland/mittel ... on112.html</a><!-- m -->
Zitat:Mittelmeerunion vor der Gründung
Traum von der mediterranen Schicksalsgemeinschaft

44 Staaten mit 780 Millionen Einwohnern auf drei Kontinenten schmieden eine Union. Frankreichs Präsident Sarkozy will seine Lieblingsidee der Mittelmeerunion nach vielen Widerständen heute verwirklichen. Der Streit um die Führung der Union scheint bereits gelöst: Frankreich und Ägypten werden sie zunächst gemeinsam leiten, wie Frankreichs Außenminister Kouchner mitteilte.
wobei auch die Tagesschau Themen anspricht, die wir auch schon angesprochen haben:
Zitat:...
Sarkozys Pläne wecken Misstrauen im Norden. Denn die EU hat bereits eine eigene Mittelmeerpolitik. Der sogenannte Barcelona-Prozess dümpelt zwar vor sich hin. Aber vor allem Deutschland will sich von Sarkozy nicht beiseite drängen lassen. Angela Merkel macht klar: Beim neuen Bündnis Mittelmeerunion Zuschauer zu sein - nur weil Deutschland keine Mittelmeerküste hat - das reicht der Kanzlerin nicht. ...

Wenig Euphorie bei den Anrainern

...Das Projekt sorgt dazu für wenig Begeisterung im Süden. Sarkozys Diplomaten müssen mehrfach nach Algerien, Ägypten, in die Türkei reisen, um schließlich die Staatschefs der meisten Mittelmeeranrainer beim Gründungsgipfel in Paris zu wissen. ...
.. Der große Abwesende wird Libyens Revolutionsführer Muammar al Gaddafi sein. Obwohl im vergangenen Herbst gerade erst mit Zelt und allen Ehren in Paris empfangen, zeigt er Sarkozy die kalte Schulter und stänkert gegen die künftige Union.

Grenzen sind zu

Die Pariser Politikwissenschaftlerin Sylvie Goulard kritisiert das Konzept von Sarkozys Mittelmeerbündnis scharf. Es sei von oben verordnet und zu wenig im Dienste der Menschen. "Das Hauptproblem ist, dass sie nicht miteinander reden. Dass die Grenzen zu sind: zwischen Marokko und Algerien, zwischen Algerien und Tunesien. Das heißt, man ist sehr weit entfernt von der Stimmung der 50er Jahre in Europa, wo Menschen gemeinsame Werte hatten, trotz des Krieges." Es sei eine Illusion, dass die Zusammenarbeit mit Regierungen reicht, um Gesellschaften in die Modernität zu bringen. "Wir müssen viel mehr mit der Zivilgesellschaft arbeiten, mit ein paar Bedingungen anfangen und unsere Prinzipien wiederholen", fordert Goulard.
...
Stand: 13.07.2008 00:30 Uhr
- und für die Russen-Basher unter uns: ich finde es schon interessant, wie unsere Nachbarn im Osten (die immerhin in der Vergangenheit sehr viel Einfluss hatten und die Region kennen) das Ganze beurteilen:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://de.rian.ru/analysis/20080711/113799376.html">http://de.rian.ru/analysis/20080711/113799376.html</a><!-- m -->
Zitat: ....

Die Union, von deren Bildung der französische Präsident träumt, droht, zu einer schwerfälligen bürokratischen Struktur auszuarten. Dem Gedanken nach wiederholt die neue Organisation den "Barcelona-Prozess", wie der Dialog Europa - Mittelmeer genannt wird. 1992 initiiert, wird er drei Jahre später er in der Deklaration von Barcelona fixiert.

Teilnehmer des Barcelona-Prozesses sind alle EU-Länder und ihre Mittelmeer-Anrainer. Praktisch ist es das einzige Bündnis, an der sich sowohl Israel als auch die arabischen Länder beteiligen. Ihre Ziele sind: Zusammenarbeit der Mittelmeerländer beim Kampf gegen den Terrorismus, Förderung der Wirtschaftskooperation sowie Zusammenarbeit gegen die illegale Einwanderung, ferner Umweltschutz und Dialog der Kulturen.

Die gleichen Ziele visiert auch die Mittelmeer-Union an. Bis heute ist nur ein einziger Unterschied offenkundig: das Vorhandensein von zwei Kovorsitzenden in der neuen Organisation (einer von der EU und einer von den nicht europäischen Teilnehmern). Lohnt es sich aber, um solcher Änderungen willen eine so groß angelegte politische Show aufzuziehen?
....
Zitieren
#4
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/ausland/mittelmeerunion128.html">http://www.tagesschau.de/ausland/mittel ... on128.html</a><!-- m -->
Zitat:Mittelmeerunion in Paris gegründet
"Ein guter Start"

"Es war ein sehr guter Start". Mit diesen Worten kommentierte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Gründung der Mittelmeerunion. In Paris kamen insgesamt 43 Staats- und Regierungschef aus Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten zusammen.

...
Zitat:Die Ziele der Mittelmeerunion:

Die EU und ihre Nachbarstaaten in Nordafrika und Nahost wollen ihre Kooperationen aller Mittelmeer-Anrainer vertieft werden. Der Gipfel beschloss dazu eine Reihe konkreter Projekte:

Entgiftung des Mittelmeers: Bis 2020 soll das stark verschmutzte Mittelmeer gereinigt werden. Notwendig seien vor allem Verbesserungen bei der Aufbereitung von Abwässern und der Müllentsorgung.

Ausbau von Verkehrsverbindungen: Die Verbindungen zwischen den Häfen und die Straßen entlang der Küsten sollen verbessert, die Bahnstrecken ausgebaut werden.

Verstärkte Nutzung von Sonnenenergie: Angesichts der günstigen Wetterverhältnisse rund um das Mittelmeer soll die Aufstellung eines gemeinsamen Solarenergie-Plans geprüft werden.

Bildung und Forschung: Die kürzlich in Slowenien gegründete euro-mediterrane Universität soll zusammen mit Partnerhochschulen aus der ganzen Region Forschungsprogramme entwickeln. Ziel ist der Aufbau eines "euro-mediterranen Raums für Forschung und Hochschulausbildung".
...
Stand: 13.07.2008 21:01 Uhr
Zitieren
#5
Erich schrieb:......

Sollten nicht entweder nur die Mittelmeeranrainer (schon ohne z.B. Östereich und Deutschland) oder - wenn - dann alle Staaten der EU und der Arabischen Liga zu Mitgliern werden?

Ist das der "verkappte Versuch", die arabischen Staaten auseinander zu dividieren in eine europäische Einflusssphäre (die Mittelmeeranrainer) und eine amerikanische Einflusssphäre (die Staaten der arabischen Halbinsel, die am indischen Ozean und seinen Seitenarmen liegen)?
....

dazu <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/172/185587/">http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/172/185587/</a><!-- m -->
Zitat:14.07.2008 6:36 Uhr

Mittelmeer-Konferenz in Paris
Europas große Verantwortung

Die Annäherung zwischen Syrien und Libanon ist ein Hoffnungsschimmer für Frieden in Nahost. Diese Hoffnung ist erstmals mit der EU verknüpft, die sich nun bewähren muss. Der Wunsch nach einer stärkeren Rolle Europas wuchs in dem Maße, in dem sich die Amerikaner im Irak selbst entzauberten.

Ein Kommentar von Martin Winter
.....
Zitieren


Gehe zu: