Deutschlands außenpolitische Zukunft
Wir haben hier in letzter Zeit vor allem über Deutschlands außenpolitischen Kurs gegenüber Russland geschrieben.
Meine Frage: Wie sollte sich Deutschland eurer Meinung nach hinsichtlich China und Indien verhalten?
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Deutschlands Industrie lebt vom Export. China und Indien sind kommende Wirtschaftsmächte. Daher liegt es nahe, zu Staaten - mit denen es keine oder allenfalls minimale Interessenskonflikte gibt - gute Beziehungen zu pflegen.
Allerdings warne ich davor, sich von China abhängig zu machen. Da sieht man jetzt aktuell an der Autoindustrie, dass die Stimmung leicht kippen kann. Und rechtsstaatliche Sicherheit würde ich in China eher nicht erwarten.
Indien hat das Problem einer überbordenden Bürokratie. Andererseits bestehen da sehr gute Möglichkeiten, sowohl was Infrastruktur als auch Energieerzeugung betrifft. Gerade Deutschland ist mit seinem Vorsprung in dezentraler ökologischer Stromerzeugung hier gut aufgestellt.

Und wenn es gelingt, diese außenpolitischen Interessen mit der EU abzustimmen, sollte guten bis sehr guten Beziehungen nichts entgegen stehen.
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Warum nicht...
...aufgrund des aggressiven und expansionistischen außenpolitischen Kurses der "VR China" die Beziehungen zu ihr abbrechen, und uns wieder Taiwan aka der Republik China zuwenden?
Wir könnten uns ebenso auch als Antwort der indisch-vietnamesischen Achse anschließen.
Deutschland könnte sogar von sich allein aus China treffen. Eine Idee wäre, den chinesischen Premier und andere chinesische Politiker (und die südkoreanische Präsidentin) zu "unerwünschten Personen" zu erklären. Erinnert sich noch jemand, was der chinesische Premier mit dem Holocaust-Mahnmal in Berlin vorhatte?
Eine andere Maßnahme wäre, das Deutschland seine Ansprüche auf Kiautschou erneuert. Wir wissen ja, Kiautschou hat schon immer zu Deutschland gehört... :twisted:
Vor allem können wir China in seinem Status treffen. Für asiatische Gesellschaften mit ihren ausgeprägteren Hierarchien sicher schmerzhaft.

@Erich
Zitat:Deutschlands Industrie lebt vom Export. China und Indien sind kommende Wirtschaftsmächte.
Ich weiß nicht, wie es sich bei Indien verhält, aber China und andere ostasiatische Staaten sind auf die europäischen Märkte angewiesen.
Ich würde China auch nicht als kommende Wirtschaftsmacht ansehen, sondern eher als Riese auf tönernen Füßen. So hat China etwa eine große Immobilienblase.

Zitat: Daher liegt es nahe, zu Staaten - mit denen es keine oder allenfalls minimale Interessenskonflikte gibt - gute Beziehungen zu pflegen.
Zu Indien hat Deutschland gute Beziehungen. Bei China ist es dagegen so, das es eine ganze Reihe von mit Deutschland befreundeten Staaten - etwa die Philippinen - bedroht, sogar mit militärischer Gewalt. Man soll sich da von der "special relationship", die China sich mit Deutschland wünscht klar distanzieren, es ist das gleiche wie wenn ein Schläger einer Frau einen Heiratsantrag macht und gleichzeitig ihre Freunde bedroht!
Wir haben also sehr wohl Interessenkonflikte mit China.
Bei Indien ist es hingegen so, das es außenpolitisch kaum aggressiv auftritt, und auch keine mit Deutschland befreundeten Staaten bedroht.

Zitat:Und wenn es gelingt, diese außenpolitischen Interessen mit der EU abzustimmen
Warum sich nicht stattdessen als Pionier betätigen und voranschreiten, etwa hinsichtlich einer Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu Taiwan?
Wir brauchen nicht auf andere zu warten.
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Ein solcher Sonderweg Deutschland würde erhebliche Spannungen in Ostasien erzeugen bzw solche fördern. Er würde die politische Situation zwischen der VR China und Taiwan destabilisieren weshalb Taiwan zur Zeit ja sogar die inoffiziellen Beziehungen mit der BRD selbst bevorzugt, um seine erheblichen Investitionen in der VR China zu schützen. Deshalb ist Taiwan selbst ein Befürworter seiner inoffiziellen Botschaft in Berlin.

Es könnte natürlich in deutschem Interesse sein, solche Spannungen in Asien zu schüren.

Zitat:Eine Idee wäre, den chinesischen Premier und andere chinesische Politiker (und die südkoreanische Präsidentin) zu "unerwünschten Personen" zu erklären

Wenn du ernsthaft dich gegen die VR China positionieren willst, führt an einem Bündnis mit Südkorea hier kein Weg vorbei. Es wäre in Bezug auf deine Zielsetzung extrem kontraproduktiv, ausgerechnet die chinafeindliche derzeitige südkoreanische Führung aufs Korn zu nehmen.

Zitat:Erinnert sich noch jemand, was der chinesische Premier mit dem Holocaust-Mahnmal in Berlin vorhatte?

Er wollte dort an japanische Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg erinnern, oh weh oh ach. Das ist ja furchtbar, wollte dort gar nicht schlecht über Deutschland, sondern nur ein wenig schlechtes über Japan sprechen. Wirklich Grund genug für Deutschland, Milliardenbeträge in einem Wirtschaftskrieg zu opfern.....

Anbei: gibt es irgendwo in Japan ein Denkmal für die Millionen und Abermillionen von den Japanern ermordeten chinesischen Zivilisten ?!

Aber sehen wir das ganze mal nüchtern:

Japan ist ein niedergehendes Land, hat mit der Atomkatastrophe, einer überalternden Bevölkerung zunehmender Konkurrenz zu kämpfen, kurz und einfach: Japan ist auf dem absteigenden Ast. Es wäre daher für Deutschland recht sinnfrei, sich mit Japan zusammen gegen die VR China zu positionieren.

Ein enges Verhältnis mit Südkorea, Taiwan, Singapur und Indien wäre hingegen durchaus sinnvoll und könnte in mehr Richtungen verwendet werden (sowohl um Spannungen bei Bedarf zu schüren als auch um solche abzudämpfen sollte dies erforderlich sein).
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Deutschland wird eines Tgaes vorbedachte Sellung als Agrarstaat einnehmen.
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Tiger schrieb:....@Erich
Zitat:Deutschlands Industrie lebt vom Export. China und Indien sind kommende Wirtschaftsmächte.
Ich weiß nicht, wie es sich bei Indien verhält, aber China und andere ostasiatische Staaten sind auf die europäischen Märkte angewiesen.
...
mit zunehmender Entwicklung wächst der beiderseitige Wirtschaftsaustausch - das ist keine Einbahnstraße.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/laenderinformationen,did=316542.html">http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirt ... 16542.html</a><!-- m -->
Zitat:...
Deutschland ist mit Abstand Chinas größter europäischer Handelspartner und China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner in der Region Asien/Pazifik und inzwischen drittgrößter deutscher Handelspartner weltweit. Im Jahr 2013 belief sich das bilaterale Handelsvolumen auf insgesamt knapp 140 Mrd. Euro. Auf die deutschen Exporte nach China entfielen 67,0 Mrd. Euro und auf die deutschen Importe aus China 73,4 Mrd. Euro. Beide Länder haben sich zum Ziel gesetzt, das Handelsvolumen bis zum Jahr 2015 auf 200 Mrd. Euro zu steigern.
...
vgl. <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.dgwz.de/themen/handel/china">http://www.dgwz.de/themen/handel/china</a><!-- m --> und <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.auwi-bayern.de/Asien/China/Export-Import-Statistik-China.jsp">http://www.auwi-bayern.de/Asien/China/E ... -China.jsp</a><!-- m -->
So ist zwischen 2004 und 2008 der Export von 20,9 Mrd. auf 34,0 Mrd. € gestiegen, der Import im gleichen Zeitraum von 32,4 Mrd. auf 59,3 Mrd. € (Handel China - Deutschland).

Allerdings ist gerade ein Kriterium der "BRICs-Staaten", dass sie sich wirtschaftlich ergänzen. Die Volkswirtschaften der BRICs-Staaten könnten also unabhängig von der Entwicklung in den westlichen Ländern prosperieren.
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Wer hätte gedacht je das folgende ausgerechnet von der ZEIT lesen zu dürfen ?!

Zitat:Während #Putin in den letzten Jahren aufrüstete, kümmerten wir uns in #Deutschland um den Ausbau von Kindertagesstätten und um mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung. Waren wir naiv?

Selbst dem linksliberalsten Pazifistengutmenschenblättchen dämmert nun wohl langsam, dass die Welt nicht so ist wie das wohlgestalte Professorenwohnviertel in dem man abends bei einem 50 Euro Bordeaux über die Menschenrechte schwadroniert.

https://twitter.com/zeitonline/status/15...7934578688

https://www.zeit.de/2022/10/russland-ukr...ettansicht
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Die ZEIT ist nicht die TAZ.
Die haben immer wieder mal Beiträge, in denen links-grüne Gewissheiten hinterfragt und mit der Realität konfrontiert werden.
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Man sollte es sich nicht so einfach machen. Zeit und TAZ haben sich auch sehr kritisch über die Abhängigkeit von Gas aus Russland geäußert während die CDU geführte Regierung es nicht für nötig hielt eine unabhängige Energieversorgung zu etablieren.
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Ich denke, dieser Artikel passt hier recht gut hinein.
Zitat:UKRAINEKRIEG VERÄNDERT WELTORDNUNG

Die erste Schlacht der neuen Zeit

Wir leben jetzt in einer mutipolaren Welt. Putin versucht, die Spielregeln mit Gewalt zu ändern. Höchste Zeit für Deutschland und Europa, sich um neue Verbündete zu kümmern. [...]

Es ist noch gar nicht so lange her, etwa zwanzig Jahre, dass sich viele deutsche, vor allem linke Politiker eine multipolare Welt wünschten. In der leben wir jetzt. Man wird nicht sagen können, dass es ein besseres Leben ist als in der Welt, in der die Vereinigten Staaten (und der Westen insgesamt) die Vorherrschaft hatten. Das gilt zumindest für Europa. [...] Die Stabilität, die Europa in den vergangenen Jahrzehnten auszeichnete, ist insgesamt gefährdet, eine alte Geißel des Kontinents kehrt zurück: die Machtpolitik. [...]

Russland mag heute stärker sein als zu Amtsantritt des Präsidenten. Eine Armee allein reicht aber nicht zur Großmacht. Russland hat die Volkswirtschaft eines Schwellenlandes. Ökonomisch gesehen, legt sich gerade ein Land von der Stärke Brasiliens oder Südkoreas mit dem gesammelten Westen an. Der ist ihm vielfach überlegen. [...] Dass Putin diese Kraftprobe sucht, hat trotzdem mit der Machtverschiebung zu tun, die von der Globalisierung hervorgerufen wurde. Die Gruppe der G7, die bei den Russlandsanktionen den Takt vorgibt, steht aktuell für etwa 43 Prozent der Weltwirtschaft. Das ist eine beeindruckende Zahl für nur sieben Länder. Aber vor drei Jahrzehnten waren es fast noch siebzig Prozent.

Der schleichende Machtverlust des Westens macht sich längst auch politisch bemerkbar. Viele westliche Ziele lassen sich heute nicht mehr gegen Schwellen- und Entwicklungsländer durchsetzen, das war schon vor dem Ukrainekrieg so. Die gescheiterten Interventionen im Irak, in Afghanistan, in Libyen oder in Mali sind Belege für eine massive Überdehnung Amerikas und Europas, auch für Selbstüberschätzung. Die daraus resultierenden innenpolitischen Konflikte haben das westliche Lager weiter geschwächt. [...]

Sein Vorgehen in der Ukraine ist von einiger Improvisation geprägt, mit den westlichen Sanktionen hat er in diesem Ausmaß erkennbar nicht gerechnet. Aber in einem hat er sich nicht vertan: Seine Allianz mit China hält, und die Mittelposition von Ländern wie Indien kommt ihm ebenfalls zugute, sogar materiell. Wenn man so will, ist der Ukrainekrieg tatsächlich die erste Schlacht des multipolaren Zeitalters. Ein (Wieder-)Aufsteiger will die herrschende Ordnung mit Gewalt aushebeln. Dass andere aufstrebende Mächte dabei zusehen, sogar begrenzt Hilfe leisten, ist schon ein Erfolg für Putin. Ein militärischer Konflikt wird noch lange nicht zum „Weltkrieg“, nur weil er in Europa ausgetragen wird. [...]

Nach der klassischen Außenpolitik, einer in Deutschland heute weitgehend unbekannten Lehre, muss der Westen nun versuchen, Putins Verbündete auf seine Seite zu ziehen. Im Kalten Krieg hat das vor allem mit China geklappt, Amerika konnte die Volksrepublik von der Sowjetunion loseisen. Gerade für die Europäer, die von der russischen Expansion direkt bedroht sind, böte sich diese Strategie an. Putin kann sich das Ausgreifen in Richtung Westen nur leisten, weil er Ruhe im Osten hat.

Zwei Faktoren stehen dem entgegen. Der eine ist die amerikanische Sicht, dass China das eigentliche Problem sei. Da Europa sich nicht selbst gegen Russland verteidigen kann, wird es keine Chinapolitik verfolgen können, die der Grundlinie in Washington zuwiderläuft. Europa ist von Amerika heute wieder so abhängig wie vor dem Fall der Mauer. Für das militärisch schwache Deutschland gilt das in besonderem Maße.
https://www.faz.net/aktuell/politik/welc...70813.html

Wobei ich nicht nur alleine die Lehre sehen will, dass wir uns neue Verbündete suchen müssten (da gibt man ja die Verantwortung schon wieder etwas ab), sondern es dürfte schlicht darum gehen, dass wir wieder selbst für uns Verantwortung übernehmen.

Europa und speziell auch die Deutschen haben sich nach 1949 eben auf den Schutzschirm der mächtigen Schwingen der US Air Force verlassen - fairerweise gilt es dazu zu sagen, dass gerade die Bonner Republik vor 1990 einerseits politisch und andererseits auch angesichts sowjetischer Panzerspitzen in Thüringen keine großen Optionen hatte -, aber man hat diesen Sachverhalt dann nach 1990 kurzerhand selbstverliebt-nonchalant und im typischen deutschen Wohlfühl-Isolationismus (und auch mit einer gewissen Arroganz) weiterhin als gegeben angesehen und gemeint, Uncle Sams Unterstützung würde ein quasi ewiger Zustand sein. Und es haben danach sowohl Unions- wie auch SPD-geführte Regierungen die Bundeswehr als ein nettes Beiwerk angesehen - das man zwar irgendwie hat, aber im Grunde nur zum Brunnenbohren noch braucht (und auch heranziehen kann, um Einsparungen vorzunehmen).

Dabei hätte schon die noch recht diplomatisch-sanfte Kritik der USA am deutschen Verteidigungshaushalt unter Obama (und auch teils davor schon) uns langsam zum Umdenken gereichen müssen - zumal es auch unter Obama immer klarer wurde, dass die USA sich verstärkt nach dem Pazifik hin ausrichten werden. Geschehen ist aber deutscherseits erst mal nichts. Splendid Isolation. Dann kam der nationalistisch-irrlichternde König Donald I. und plötzlich gab es erste Risse in der aufgesetzten deutschen Fassade der Selbstgefälligkeit - indessen gab es noch keine Eigenkritik, vielmehr wurde nun den USA vorgeworfen "egoistisch" zu handeln (!). Ohne Donald I. in Schutz nehmen zu wollen, war das deutsche Herumlavieren und empörte Heben der Augenbrauen bei den G7-Treffen fast noch peinlicher...

Vielleicht hat also der Ukrainekrieg insofern etwas "positives" - bitte dies nun nicht falsch verstehen -, als dass Herr Putin mit seinem Wahnwitz die Deutschen ein wenig hinter dem Ofen hervorgeholt hat, gezwungenermaßen. Und wer weiß, die Zeichen deuten ja in die richtige Richtung (subjektiv meine Meinung), vielleicht sehen wir wirklich den Anbeginn einer neuen europäischen Ära, in der Europa (und auch Deutschland) nicht nur wirtschaftlich, sondern militärisch endlich wieder eine ernst zu nehmende und verantwortungstragende Rolle einnimmt.

Schneemann
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Ich überspitze nun durchaus sehr arg; aber was wird aus dem leidlichen, es "jederman recht machen wollenden", moralisierenden und zugleich fiskalisch ziemlich egoistisch handelnden Deutschland? Was wird aus Deutschland, wenn in Polen und Ungarn rechte Regime an die Macht kommen (Ansätze sind ja da)? Was wird aus Deutschland, wenn Herr Putin Erfolg hat, auch nur ansatzweise? Was, wenn Frankreich abkippt zu Le Pen und Konsorten? Was, wenn die USA in einem internen Konflikt versinken?

Anbei:
Zitat:Interview mit Historiker Berg

USA befinden sich in "bürgerkriegsähnlicher Situation" [...]

Herr Berg, die USA durchlaufen spätestens seit der Wahl von Donald Trump 2016 eine gesellschaftliche Zerreißprobe, die kein Ende zu nehmen scheint. Was hat er mit der Demokratie gemacht?

Manfred Berg: Das Schlimmste war, dass er die grundlegende Norm des friedlichen demokratischen Machtwechsels erfolgreich untergraben hat: Dass der Verlierer einer Wahl das Ergebnis akzeptiert. Politologen in den USA nennen das den loser's consent. Nach wie vor glaubt eine deutliche Mehrheit der republikanischen Anhänger an die Lüge von der gestohlenen Wahl. Ein bedeutender Teil sieht selbst den Sturm aufs Kapitol vom 6. Januar 2021 als legitime Form des Protests an. [...]

In den USA heißt es sehr häufig, die Stärke des demokratischen Systems sei, dass es sich selbst erneuern könne, hin zu einer more perfect union. Gab es nach dem Sezessionskrieg noch einmal eine vergleichbare Situation, aus der es dann einen Ausweg gab? Oder befinden sich die Vereinigten Staaten in einer historisch einmaligen Lage? [...]

Zumindest würde ich argumentieren, dass eine so gefährliche, zugespitzte, polarisierte und gewaltträchtige Situation seit dem Sezessionskrieg nicht mehr existiert hat. Es gab immer wieder politische Gewalt auf Einzelstaatsebene. Aber eine derartig zugespitzte Polarisierung zwischen zwei identitätsbasierten politischen Lagern, die sich gegenseitig als tödliche Bedrohung ihrer Kernwerte und Lebensvorstellungen betrachten, das würde ich sagen, hat es seit dem amerikanischen Bürgerkrieg so nicht gegeben. [...]

Das hat mit der demografisch-ethnischen Polarisierung zu tun, die zentral für das Verständnis der amerikanischen Politik ist. Etwa 90 Prozent der Anhängerschaft der Republikaner sind Weiße. Bei den Demokraten sind sie nur noch eine Minderheit. Wir haben eine - das zeigen alle Studien, alle Umfragen - klare Polarisierung des Parteiensystems dahingehend, dass die Republikaner die Partei der weißen, konservativen, traditionellen, religiösen, ländlichen Milieus sind und die Demokraten eine sehr breite Koalition bilden aus gesellschaftlichen und ethnischen Minderheiten und den liberalen, relativ gut situierten Weißen auf der anderen Seite. Das spiegelt sich in sozial räumlicher Separation. Es gibt den berühmten Gegensatz zwischen den Küsten und flyover country, aber vor allem enorme Konflikte zwischen Stadt und Land. Für die Republikaner war und ist die demografische Entwicklung ein riesiges Problem. [...]

Die amerikanische Verfassung ist wegen ihrer berühmten checks and balances immer auch als eine sehr stabilisierende Kraft angesehen worden. Stabilität setztbasiert jedoch Kooperationsbereitschaft und Überparteilichkeit voraus. Wenn sie wegfallen, wird dieses System, das enorm viele Möglichkeiten zur Blockade bietet, dysfunktional. Unter anderem, weil die ländlichen Bundesstaaten im Kongress deutlich überrepräsentiert sind. Hinzu kommen seit etwa zehn, fünfzehn Jahren offensichtliche Versuche, durch manipulative und diskriminierende Wahlgesetze den Minderheiten in den Einzelstaaten gezielt die Ausübung ihres Wahlrechts zumindest zu erschweren.
https://www.n-tv.de/politik/USA-befinden...68271.html

Das Interview an sich ist frustrierend genug. Lassen wir dies besser. Abgesehen davon: Wenn alles "kippt" (woran ich aber eigentlich nicht glauben will), damit meine ich die EU und die USA, und wenn die Kräfte der Finsternis das Szepter aufheben, wer verteidigt dann Deutschland?

Kann es sein, dass wir uns vielleicht - ich wünsche es mir nicht - irgendwann in zehn oder zwölf oder 15 Jahren wiederfinden in einer Situation, in der Deutschland die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa verteidigen wird müssen - nach allen Seiten hin? Dass also das Land, das sich durch die rassistischen Schrecken und nationalistischen Irrungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hinsichtlich rechtsstaatlicher Demokratie fürchterlich verrannt hatte - und darüber hinaus bzw. nach dem Zusammenbruch 1945 in teils ("teils" bewusst unterstrichen) fehlinduzierten Selbstzweifeln ob der eigenen Psyche versank -, in der kommenden Zukunft die Flagge der Freiheit in Europa wird hochhalten und verteidigen wird müssen? Trauen wir uns dies zu? Könnten wir dies überhaupt? Hier an dieser Stelle könnte es sein, dass uns grausame Verantwortungen entgegen blicken, die unseren bisherigen "Schönwetter"-Ereignishorizont, die naiv-genussvolle Bereicherung an der Globalisierung und die arrogant-irritierende Moralisierung, sprengen und massiv erschüttern würden.

Ohne die Büchse der Pandora bemühen zu wollen, verschieben sich m. M. n. gerade die Parameter. Die Frage ist, welchen Weg wir gehen wollen?

Schneemann
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Weder haben wir das dafür notwendige Selbstvertrauen, noch können wir es, noch werden wir es können.

Was man zudem zur Zeit als einen Aufstieg der Rechten bezeichnet ist nichts anderes als hausgemacht und die Folge, dass man in bizarren neo-sozialistischen und postliberalen Traumtänzereien einseitig den Gesellschaftsvertrag erodiert hat. Und zwar in so einer eklatanten Weise, dass dies naturgemäß eine Gegenreaktion zur Folge haben muss.

Im weiteren würde ich die Entwicklung in Polen und Ungarn auch nicht überbewerten. Gerade in Polen ist nicht im Ansatz absehbar dass dort ein "Regime" entstehen könnte. Und selbst eine Regierung LePen wäre kein Regime. Und wenn eine Mehrheit der Bevölkerung bei Wahlen eine nationalistische und damit nach dem Zeitgeist dieser Bundesrepublik "rechte" Politik will, dann ist das einzige reale Problem welches daraus erwächst, dass sich diese Politik aufgrund ihrer National-Orientierung gegen die EU richtet und damit die EU erheblich geschwächt wird. Nur darin liegt hier das eigentliche politische Problem. Nicht ein vermeintlicher Verlust von Freiheit, sondern die daraus entstehende Schwächung der EU ist hier die politische Problematik.

Wenn man nun den Bogen zu den USA spannen möchte, dann werden diese sich zunehmend selbst ausschalten wenn es dort so weiter geht. Die Gesellschaft dort klafft zur Zeit dort derart auseinander, dass schon wieder ganz offen in etlichen Staaten ernsthaft über Sezession gesprochen wird und seitens der Neo-Sozialisten welche dort die Demokratische Partei für ihre Agenda gekappert haben wird im Prinzip alles getan um die Menschen noch weiter zu spalten und zu radikalisieren indem man überspitzte extremistische linke Positionen mit aller Gewalt der Mehrheit aufoktroyieren will. Dies ist eigentlich für die EU eine Chance, noch spezifischer wäre es für uns eine Chance. Jeder Schaden für die USA könnte ein Vorteil für Europa sein, würde man ihn den richtig nutzen und entsprechend jeden Raum den die USA in allen Bereichen dadurch verlieren einnehmen. Dazu bedürfte es aber natürlich einer völlig anderen Politik als sie diese der Realität entfremdeten Traumtänzer in der Regierung der Bundesrepublik gerade so betreiben.

Und da kommen wir zur Verbindung von beidem: eine Schwächung der EU durch eine Stärkung nationalistischer Strömungen stellt vor allem deshalb ein Problem dar, weil die USA parallel auch geschwächt werden, die EU aber dann aufgrund der beschriebenen Entwicklung eben nicht in der Lage sein wird diese Schwächung der USA zu nutzen, sondern ganz im Gegenteil dadurch ihren Rückhalt und Schutz verliert. Entsprechend wir eine schwache und dysfunktionale EU den globalen Herausforderungen gegenüber stehen, und die USA werden eben nicht mehr hinter ihr stehen.

Wenn nun Deutschland versuchen sollte entgegen der sich abzeichnenden Strömung in Polen et al "für die Freiheit" anzukämpfen, dann verschlimmert dies das Problem noch, und die EU wird noch viel weitgehender geschwächt. Wir sollten daher aufhören anderen Völkern vorschreiben zu wollen, was diese zu wollen haben, und man wird gewissse kulturelle Unterschiede in der EU akzeptieren und politisch abbilden können müssen, oder die EU wird aufhören zu existieren. Dann werden halt in Polen irgendwelche Sodomiter diskriminiert, dies ist in Wahrheit völlig irrelevant. Dann gibt es halt in Ungarn keine Justiz in unserem Sinne, ebenfalls irrelevant. Viel relevanter ist die Frage, wie wir als Europäer mit den immensen sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen und umweltpolitischen Herausforderungen umgehen wollen, die jetzt in den nächsten Dekaden massivst auf uns einwirken werden.

Das Problem ist meiner Meinung nach, dass die EU vor allem in dieser Bundesrepublik als eine Werte- und Kulturgemeinschaft verstanden wird, deren vorderstes Anliegen vor allem anderen es sei, für ganz bestimmte sozialkulturelle Werte und Normen einzutreten. Und das dies wichtiger sei als alles andere. Statt die EU als ein Machtinstrument zu begreifen, dass primär dazu dient die sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Fragestellungen zu lösen. Die Übermoralisierung der EU - welche spezifisch von dieser Bundesrepublik voran getrieben wird - die wird das Ende der EU herbei führen. Was nicht praktisch nützt, wird auf Dauer keinen Bestand haben und unsere überkandidelten und bizarren Vorstellungen von Werten und Normen nützen praktisch nicht genug um die zunehmenden politischen Zentrifugalkräfte ausreichend einzudämmen.

Die moralinsaure politische Arroganz und Hybris der Bundesrepublik schädigt die EU mehr als jede Fehlentwicklung in Polen es je würde.
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Alexander Graf Lambsdorff soll deutscher Botschafter in Moskau werden (Zeit online)

Zitat:Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff soll Medienberichten zufolge im kommenden Sommer neuer deutscher Botschafter in Moskau werden. Das berichtet der Spiegel unter Berufung auf Koalitionskreise. Zuvor hatte das Medienportal The Pioneer über die Personalie berichtet.

Lambsdorff ist ausgebildeter Diplomat und gehörte 1997/1998 zum Planungsstab des Auswärtigen Amts. In den Folgejahren arbeitete er unter anderem als Pressereferent in der deutschen Botschaft in Washington, D. C. und war in der politischen Abteilung des Auswärtigen Amts Länderreferent für Russland.

Von 2004 bis 2017 war Lambsdorff Mitglied des Europäischen Parlaments und von 2014 bis 2017 dessen Vizepräsident. Seit 2017 gehört er dem Deutschen Bundestag an und ist stellvertretender Vorsitzender seiner Fraktion.

Den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bezeichnete Lambsdorff in einem Interview mit DER ZEIT als "genozidal geführten Krieg". Er kritisierte in diesem Jahr auch die Teilnahme an Friedensmärschen zu Ostern: "Wenn Ostermarschierer jetzt Abrüstung fordern und in Interviews vorschlagen, die Ukraine 'gewaltfrei zu unterstützen', spucken sie den Verteidigern Kiews und Charkiws ins Gesicht."
Derzeit ist Géza Andreas von Geyr Botschafter in Moskau, er hat den Posten seit September 2019 inne.

Eine Personalie, die man noch am ehesten dahingehend kritisieren kann, dass es wichtigere Posten gäbe, für die der Mann besonders geeignet sein dürfte.
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(27.12.2022, 17:37)Broensen schrieb: Alexander Graf Lambsdorff soll deutscher Botschafter in Moskau werden (Zeit online)


Eine Personalie, die man noch am ehesten dahingehend kritisieren kann, dass es wichtigere Posten gäbe, für die der Mann besonders geeignet sein dürfte.

Zumindest mittelfristig gesehen ein völlig belangloser Posten. Was soll man sich da in den nächsten Jahren schon groß zu sagen haben? Lambsdorff dort einzusetzen ist klare Verschwendung, außer man rechnet damit dass man sich in Zukunft an Rußland wieder anbiedern will.
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https://www.welt.de/politik/deutschland/...tegie.html

Zitat:Kanzleramt stoppt Baerbocks Nationale Sicherheitsstrategie

Die Nationale Sicherheitsstrategie von Außenministerin Annalena Baerbock sei mehr „Ideensammlung“ als Strategie – heißt es im Haus von Finanzminister Christian Lindner. 30 offene Punkte im Strategieentwurf sorgten dafür, dass das Kanzleramt den Prozess vorerst stoppte.

Die Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung wird möglicherweise nicht wie geplant bis zur Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2023 fertig. In zentralen Fragen liegen die Vorstellungen von Kanzleramt und Bundesfinanzministerium einerseits und Auswärtigem Amt andererseits noch weit auseinander, erfuhr der „Spiegel“ aus Regierungskreisen.

Demnach stoppten am 19. Dezember Spitzenbeamte von Kanzleramt und Finanzministerium vorerst den Prozess und verhinderten so, dass der unter Federführung des Auswärtigen Amts verfasste Entwurf über die Weihnachtspause in die Ressortabstimmung geht.

Dissens herrscht etwa zu der Frage, ob ein Nationaler Sicherheitsrat eingerichtet werden soll und, wenn ja, wo ein solches neues Gremium zur Koordinierung der Außen- und Sicherheitspolitik angesiedelt sein soll – im Kanzleramt oder im Außenressort. Auch die Passagen zum Umgang mit China fallen aus Sicht des Kanzleramts zu scharf im Ton und zu detailliert in den Ausführungen aus. Das Finanzministerium beklagt wiederum fehlende Akzente zum Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung.

In diesem Kontext:

https://www.spiegel.de/politik/deutschla...448cde0bf3

https://www.spiegel.de/politik/deutschla...text=issue
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