17.05.2007, 14:00
Thomas Wach schrieb:Und überhaupt: Wir Europäer haben doch selbst keine einheitliche Linie. Wir haben doch bisher gar nicht unseren Interessen so festlegen können.Dazu hatte ich mich bereits geäußert, denn heute haben wir keine einheitliche Linie nach außen. Diese zu erreichen ist eines der großen Ziele der EU Politik dieses Jahrhunderts. Ich denke hier nicht in kurzfristigen Zeitspannen oder nehme das hier und heute. Es geht um Dekaden.
Ansätze sind bereits erkennbar GASP, ESVP, Zusammenarbeit in Justiz und inneren Angelegenheiten, gemeinsamer Markt, gemeinsame Währung. Diese gilt es weiter auszubauen und die neuen Mitglieder in Ost- und Südosteuropa zu integrieren. Dann einen interessen Abgleich herzustellen, der nach außen vertreten wird. Wenn es notwendig ist auch militärisch - allerdings als letztes Mittel.
Thomas Wach schrieb:Aber unsere Einstellungen, unseren Werte, unsere genrellen Wahrnehmungen stimmen eben sehr viel fundamentaler mit unseren europäischen Nachbarn und den Amerikanern überein als mit den Russen.Wo ist das Problem? Habe ich irgendwo geschrieben, dass ich Russland in die EU holen will oder das wir uns verbünden sollen? Nein! Alles was ich sage ist, dass Russland ein Machtfaktor auf dem europäischen Kontinent ist, mit dem wir uns daher zwangsläufig auseinandersetzen müssen. Daher ist es besser Russland als Partner zu gewinnen als zu einem langfristigen Gegner aufzubauen, wie es hier einige mit alten Feindbildern versuchen.
Thomas Wach schrieb:Du denkst da sehr kurzfristig und in rein machtpolitischen Dimensionen. Nur damit wirst du internationale Probleme nicht bewältigen können.Ich sehe da keinen Fehler im Denkansatz, im Gegenteil, ich gebe den Vorwurf an dich zurück. Um internationale Problematiken effektiv lösen zu können, ist es entscheidend mit einer Stimme zu sprechen. Daher wird der Grundkonsens benötigt. Dieser wird auf europäischer Ebene durch die Landesregierungen festgelegt, durch, wie ich hoffe, demokratische Mehrheitsentscheidungen, die dann von allen mitgetragen werden. Dadurch lässt sich die Lösung von Problemen beschleunigen, da die EU-Staaten auf dem internationalen Parkett mit einer Stimme sprechen und der Grundkonsens eingestellt wurde, bevor es zu internationalen Verhandlungen geht. Was die Machtpolitik oder Realpolitk angeht, so sage ich, dass du die Welt zu blauäugig siehst. Die mächtigen Staaten der Erde setzen ihre Interessen meist knadenlos durch. Eine EU mit Grundkonsens sollte und wird dies voraussichtlich ebenfalls machen.
Wir werden keinen monolithischen europäischen Block bekommen, das ist dein erster Denkfehler.
Thomas Wach schrieb:Wir brauchen auch keine ad-hoc-Koalitionen mit Diktaturen, um unsere kurzfristigen Interesssen durchzusetzen, das ist dein zweiter Fehler.Auch wenn es schwer zu akzeptieren sein mag, die meisten Staaten der Erde sind keine Demokratien. Sollen wir also keine Verträge mit diesen schließen? Denn etwas ausgebaut, läuft deine Argumentation auf genau das hinaus. Soviel zur Lösung der Probleme der Welt, wenn du die meisten Staaten wegen undemokratischer Regierungsformen isolieren willst. Wer sagt, dass dies ad-hoc Allianzen sein müssen? Mit außenpolitischen Grundkonsens kann man sich seine Alliierten langfristig aussuchen, mit ihnen in einen Dialog eintreten und sie einbinden. Das schließt aber nicht aus, dass ad-hoc Allianzen nicht notwendig sind in Zukunft. Will man ein bestimmtes, akutes Problem lösen, hat man in der Regel nur die Wahl zwischen 2 Übeln, also wählt man das momentan kleinere. Hier werfe ich dir Wunschvorstellungen in internationaler Politik und zwischenstaatlichen Beziehungen vor, die an der Realität vorbeigehen.
Thomas Wach schrieb:Wir brauchen dagegen eine neu belebte amerikanisch-europäische Allianz, durchaus zu erweitern mit Staaten wie Japan, Australien, Neuseeland etc. um die globalen Herausforderungen anzunehmen. Wir brauchen transstaatliche gesellschaftliche Debatten, Meinungsaustausch, Zirkulation von Informationen etc.- Aber kein Denken des 19. oder 20. Jahrhunderts, mit dem ein machtpolitisches Europa konstituiert werden soll, was es so nicht gibt.
Falsch, denn das ist zu kurz geworfen, wir müssen soviele Staaten wie möglich bei der Lösung der Probleme mit einbeziehen und nicht nur die demokratischen Staaten der Erde. Hmm, es ist jedenfalls interessant zu beobachten, dass mir hier immer alle mit dem quasi Abbruch von Beziehungen, Dialogen und Verbindungen kommen, wenn ich ein stärkeres und vereinheitlichtes Auftreten der EU für die Zukunft vorschlage. Einen solchen Abbruch wird es nicht geben, denn der ist in der sich immer stärker globalisierenden Weltumgebung schlicht illusorisch. Mir scheint, dass ich an diesem Punkt ununterbrochen missverstanden werde. Das zukünftige Europa muss sich finden und es wird sicher keines sein, das im 19. oder 20. Jahrhundert verwurzelt ist. Trotzdem wird eine europäisierte Grundlinie Interessen definieren, welche die EU durchzusetzen versuchen wird. Wenn das Machtpolitik ist, so wird sie auch in Zukunft existieren, denn eine interessenlose EU ist mehr als unwahrscheinlich.
Thomas Wach schrieb:In dieser erneuerten Partnerschaft muss Europa natürlich mehr Fähigkeiten haben, natürlich mehr Gewicht haben, natürlich stärker vorsprechen. Nur dies erreichen wir nicht, indem wir mit Diktaturen koalieren oder uns einreden, wir hätten europäische Interessen, die gleichsam naturgegeben uns abgrenzen von den USA.Ein Grundkosens innerhalb er EU wird massive Auswirkungen auf die transatlantischen Beziehungen haben und es wird ohne Zweifel außer Übereinstimmungen auch Friktionspunkte geben. Hier heißt es sowohl für Europa also auch die USA umdenken. Aber das ist wie gesagt ein langfristiger Entwicklungsprozess und wir stehen immer noch am Anfang. Ich verweise hier auf den groben Grundfahrplan, den ich in der vorhergehenden Diskussion für die EU aufgestellt habe. Das ist ein Programm, welches gut und gerne weitere 40-50 Jahre benötigen könnte. In einer zukünftigen transatlantischen Beziehung wird und sollte die EU den Status eines Partners anstreben. In meinen Augen hat sie diesen im Moment nicht. Dazu sind allerdings auch Invesitionen in unterschiedlichste Projekte und Programme notwendig.
Thomas Wach schrieb:Es geht viel eher darum, einerseits die Diskurse stärker zu beleben, um zu besseren, einheitlicheren Positionen zu gelangen (in Europa wie transatlantisch) und darum mehr Willen in Europa zu generieren, auch weltpolitische Verantwortung zu übernehmen. Dies bedeutet aber mehr Kosten, mehr Ausgaben und auch mehr Verluste. Erst dann können wir auch die Gewichte in der transatlantischen Partnerschaft neu verteilen. Einfach nur irgendwelche Interessen stark zu machen und uns abzugrenzen, reicht absolut nicht. Vorallem, da dies dann bestenfalls die Meinungen und Interessen einer politischen Richtung oder einer oder mehrerer Statusgruppen sind.Nun da sind wir einer Meinung, wobei ich den stärksten Diskursbedarf im Moment in Europa sehe.