Russland vs. Ukraine
@Nightwatch

Bis zu einem gewissen Grad halte ich das Problem definitiv mit der Person Oleksandr Syrskyjs verbunden. Wenn ein Generalstabschef bei einer Lagebesprechung den Kommandeur der Brigade ignoriert, die in Pokrowsk steht (bzw. vor dem 27.10. stand), geht das zuallererst auf sein Konto.

Wenn man der 'Ukrajinska Prawda' glauben darf, dann haben die Kommandeure vor Ort die Situation kommen sehen, drangen aber mit ihrer Kritik nicht mehr durch. Es kann natürlich auch sein, dass für eine umfassende Verteidigung des Sektors einfach nicht mehr genügend Kräfte zur Verfügung standen.

Es fällt aber noch etwas anderes auf, was seine "Ja-Sager" anlangt (Wortwahl der 'UP'). Es handelt sich vor allem um Quereinsteiger wie Browdi und junge Aufsteiger, Offiziere der Jahrgänge 1985-1995, die durch Feldbeförderungen und aufgrund ihrer außerordentlichen Beliebtheit in der Truppe sehr schnell aufgestiegen sind. Mangels Stabs- oder Generalstabsausbildung haben sie sich nicht immer als für operative Kommandos geeignet erwiesen, und in jedem Fall zumindest oft angeeckt.

Ich könnte mir vorstellen, dass Syrskyj sich ganz bewusst mit diesen Offizieren mit untypischem Hintergrund umgibt, deren Perspektive deswegen Übergewicht bekommt. Vielleicht will er sich eine Hausmacht gegen das Armee-Establishment schaffen. Vielleicht ist er einer jener militärischen Führer, die sich in eine neue Technologie oder Doktrin verlieben und alles andere ignorieren.

Vielleicht weiß er auch, wie unbeliebt er in der Truppe ist, und hofft, dass der Ruf von Leuten wie Browdi auf ihn abfärbt. Was es auch ist, die ukrainischen Medien üben immer schärfer Kritik an ihm und beleuchten auch persönliches Führungsversagen wie Nepotismus.
(Gestern, 01:13)muck schrieb: Der Hals des Kessels misst nun weniger als zwei Kilometer. Pokrowsk dürfte mehrheitlich in russischer Hand sein. Fällt Pokrowsk, ist auch das östlich gelegene Myrnohrad nicht mehr zu halten. Und de Lage scheint strukturell ernster zu sein als bisher bekannt.
Prorussischen Quellen zufolge haben die beiden russischen Zangen bei Riwne (hier) gegen 18:00 Uhr unserer Zeit Kontakt hergestellt und den Kessel geschlossen. (Quelle) Falls dies zutrifft, sind die ukrainischen Kräfte in Myrnohrad eingeschlossen.
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Kann alles sein. Mir fehlen jenseits der grundsätzlichen Kritik an der strategischen Ausrichtung die notwendigen Informationen um Syrskyjs Operationsführung vor Pokrowsk kompetent beurteilen zu können.
Das Frontkommandeure die Lage in ihrem Abschnitt anders bewerten als sie es von höherer Stelle wahrzunehmen meinen ist nicht notwendigerweise ein Indiz dafür, dass dem Oberkommandierende die Lage vor Ort nicht kennt. Und das Brigadekommandeure keinen Anspruch darauf haben, sich beim militärischen Oberbefehlshaber auszuheulen ist auch nicht grundsätzlich schlecht.

Wir können hier wenig mehr tun als angebliche Frontverschiebungen garniert mit Bruchstückhaften Meldungen aus den Propagandaabteilungen beider Seiten nachzuverfolgen.
Jeder mit zwei Gehirnzellen konnte dabei nachvollziehen, dass die Russen erneut versuchen eine Stadt einzunehmen, indem sie an den Flanken und horrenden Verlusten vorrücken. Auch dem ukrainischen Generalstab wird das klar gewesen sein.

Warum es erneut nicht gelang den russischen Vormarsch frühzeitiger abzuriegeln ist dabei dann die eigentlich relevante Frage, die operative Führung vor der unmittelbaren Schließung des Kessels (glaubt man jedenfalls den bunten X und Telegram Karten) dagegen nachrangig. Ja, Pokrowsk hätte *vor zwei Wochen* zurückgenommen werden sollen. Einerseits. Andererseits wissen wir auch nicht was da überhaupt noch steht und es nicht mehr lebendig rausschaffen wird und was dem Russen die letzten *zwei Wochen* gekostet haben.

Aber es wäre in meinen Augen verfehlt Syrskyjs Perfomance hinsichtlich Pokorowsk danach zu beurteilen wie es jetzt zu Ende geht (zumindest wenn es nicht noch zu katastrophalen Verläufen kommt, was möglich ist, ich aber so nicht sehe). Die monatelange Verteidigung von Pokrowsk war in operativer Hinsicht ein großer Erfolg, der russische Erfolg ist gemessen an benötigter Zeit und den horrenden Verlusten ein operativer Phyrussieg und eine strategische Niederlage. Problematisch halt für die Ukraine, dass sie daraus keinen strategischen Erfolg ziehen kann nachdem ihr Strategischer Outlook ähnlich wie der russische perspektivlos ist.
Aber das ist eben primär ein politisches Problem und weniger etwas was Syrskyj lösen kann.

Er hat jedenfalls, trotz aller Kritik, hinsichtlich Pokorowsk das erreicht was er hat erreichen sollen und wollen. Auch wenn er am Ende eine Stadt verliert und (der eigentlich Punkt) das Ende mal wieder sehr unschön aussieht bzw. auch tatsächlich ist. Solange da keine Brigade festsitzt und untergeht ändert das an der Gesamtbetrachtung in meinen Augen nichts.

Hätte Syrskyj noch mehr rausholen rausholen, den Fall der Stadt wesentlich verzögern oder gar verhindern können? Weiß ich nicht. Offensichtlich hat man zu spät Reserven herangeführt um den Fall der Stadt zu verhindern. Das impliziert aber halt nicht, dass man die Reserven im Form des 7. Korps auch wesentlich früher hätte heranführen können. Oder hätte sollen. Der militärische Oberbefehlshaber muss zwangsläufig die gesamt Front im Blick haben und das kann auch heißen, dass man einzelne Brigadekommandeure in deren Augen hängen lässt und nicht auf sie hört. Obwohl sie in ihrem beschränkten Verantwortungsbereich vllt auch völlig recht haben mit dem was sie sagen.
Ich kann dann dazu kein abschließendes Urteil fällen.
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