(Luft) Tornado-Nachfolge
(17.01.2022, 22:30)Quintus Fabius schrieb: Und mich anhalten näher an der Realität zu bleiben und deshalb im Wunschkonzert fortzufahren Wink

Ich habe immerhin gleich angemerkt, dass das eine unrealistische Variante ist Wink

Zitat:Aber mal ernsthaft: Die F-35B kann die taktischen Nuklearwaffen nicht intern mitführen und sie braucht dann bei einer so schweren externen Zuladung durchaus eine entsprechende Piste die auch nicht zu kurz sein darf. Die kann dann auch nicht senkrecht abheben, allenfalls nach dem Abwurf der Bombe woanders senkrecht landen. Und die F-35B hat keineswegs so geringe Infrastrukturanforderungen wie das hier impliziert wird. Die vergleichsweise aufwendige Infrastruktur für den Betrieb aller F-35 Varianten und der Betriebsaufwand sind ja schon seit Jahren ein Thema.

Die B61-12 ist weder besonders groß noch besonders schwer, auch wenn es natürlich keine offizielle Bestätigung gibt (weil die F-35B nicht für Dual Use vorgesehen ist), die Dimensionen passen durchaus zum internen Waffenschaft der B-Version, sowohl hinsichtlich der Abmessungen, als auch bezüglich des Gewichts. Grundsätzlich wäre die Maschine auch Senkrechtstartfähig, selbst mit einer Zuladung von zwei B61 und zwei AAM, allerdings auf Kosten des Treibstoffvorrats, der schnellstens aufgefüllt werden müsste. Das Problem wäre eher, dass der Untergrund die Temperaturen für einen solchen Senkrechtstart aushalten muss. Bei einer einmaligen Aktion (wir sprechen hier immerhin über den realen Einsatz von Atomwaffen (!)) sehe ich aber auch da wenig Probleme. Grundsätzlich aber wäre die Senkrechtstartfähigkeit gar nicht notwendig, es gibt genug Flächen, die sich prinzipiell für kurze Starts eignen.

Ich impliziere hier nicht geringe Infrastrukturanforderungen im regulären Betrieb eines solchen Musters, sondern die Möglichkeit, im Ernstfall auf die großflächigen Flughafeninfrastrukturen, die jedes andere Muster braucht, zu verzichten. Früher waren solche Überlegungen normal, Verlegung von Militärflugzeugen auf Autobahnabschnitte, manchenorts ist das heute noch so, die USAF hat tatsächlich erst vor einiger Zeit wieder Studien in diese Richtung beauftragt und inzwischen erste Tests durchgeführt.
Ganz unabhängig von der F-35B (die wie gesagt sowieso unrealistisch ist, ich will auf meine Spinnerei da auch nicht weiter rumreiten Wink ) sollten solche Überlegungen gerade aufgrund unserer geographischen Lage eine wesentlich höhere Rolle spielen. Wir brauchen entsprechende Flächen, Plätze, mobile Unterstützungseinheiten, usw..

Zitat:Aber nur bei einer externen Waffenlast, also wenn beide Flugzeuge extern Waffen dran hängen haben.

Nein, eine F-35A mit einer typischen internen Zuladung hat in etwa die gleiche Reichweite wie die F/A-18F mit der gleichen Zuladung (da natürlich extern) und konformen Zusatztanks. Um das genau zu vergleichen müsste man natürlich die genaue Zuladung kennen, aber auf die letzte Meile kommt es ja eh nicht an. Der Hintergrund ist da einfach der grundsätzliche andere Design- und damit auch Flugleistungsansatz zwischen den Legacy- und den Stealthmodellen, wobei die Super Hornet tatsächlich als ein solches Umdenken einleitete (und man bei ihr deutlich mehr Wert auf Reichweite als auf Flugleistungen legte). Der Vorteil der F-35 in diesem Vergleich wendet sich zum Nachteil, wenn externe Lasten ins Spiel kommen. Die Reichweite bricht dramatisch ein, es werden auch bei dem Modell (wie bei den Legacy-Kampfflugzeugen) externe Tanks notwendig, usw.

Zitat:Und wie du schon richtig geschrieben hast, wären solche Conformal Tanks auch für den Eurofighter verfügbar und wären ohnehin für die ganze EF Flotte eine der meiner Meinung nach wesentlichsten Kampfwertsteigerungen die unbedingt mit Hochdruck verfolgt werden müsste. Zudem wird es schon bald neue Triebwerke für die F-35 geben (wie es hier ja auch schon erwähnt wurde), welche die Reichweite erneut steigern und auch die F-35 kann zusätzliche Tanks verwenden.

Das mit der Verfügbarkeit für den Eurofighter war vielleicht etwas optimistisch, augenscheinlich gibt es ja durchaus strukturelle Einschränkungen bei der Verwendung und wenig Interesse durch die Kunden, auch weil Airbus günstigere Alternativen (neue, größere Unterflügeltanks) ins Spiel gebracht hat (die strukturelle Vorteile bieten). Was die Triebwerke für die F-35 angeht, abwarten wie sich das entwickelt und welche realen Leistungen dann möglich werden.

Zitat:Und die interne Waffenlast der F-35A ist gelinde gesagt beeindruckend.

Findest du? Sehe ich nicht so. 1,8 Tonnen an zwei Pylonen plus zwei AAM sind jetzt nicht gerade eine Offenbarung, wenn es über Präzisionseinsätze gegen Punktziele hinaus geht. Für NT wäre das natürlich völlig ausreichend, und wie gesagt könnte man damit interessante Konzepte hinsichtlich Tiefenangriffe verfolgen, aber als "beeindruckend" würde ich das nicht bezeichnen.

(17.01.2022, 22:32)Nelson schrieb: Zudem beherrscht die F35B Supercruise (hoffe ich doch), mithin können die Waffen wenigstens so rasch wie möglich ins Ziel gebracht werden. Ich hbe ehrlich keine Ahnung, wie weit der EF im Überschall kommt, aber von Büchel bis Tallin wird es wohl nicht sein.

Die F-35 kann kein Supercruise, und sie ist strukturell nicht einmal für Überschallgeschwindigkeit besonders geeignet. Beim Eurofighter ist das genaue Gegenteil der Fall, der wurde für regelmäßige Überschalleinsätze ausgelegt und beherrscht auch Supercruise, selbst mit externen Zuladungen über die reine Luft-Luft-Rolle hinaus (aber natürlich nicht mit allen Konfigurationen). Solche Reichweiten sind allerdings mit Überschall unrealistisch, im optimalen Flugleistungsbereich wäre es hingegen für beide Muster schon möglich, allerdings verbaut man sich damit jegliche Entscheidungsfreiheit. Die Möglichkeit zur Luftbetankung ist ein nicht unwichtiges Kriterium, meiner Ansicht nach.

Zitat:Wir kaufen von den Amis 100 bodengestützte, nuklearfähige Marschflugkörper.

Nukleare Mittelstreckenraketen in Europa, dass da sonst noch keiner drauf gekommen ist! Oder, hmm, war da nicht mal was? Pör-Sching, da fällt es mir wieder ein Wink Ganz ehrlich, das ist politisch völlig ausgeschlossen, und selbst wenn es das nicht wöre, würdest du damit eine Büchse der Pandora öffnen und Deutschland innerhalb Europas isolieren. Da wäre es noch realistischer, den US-Amerikanern ein weiteres SSBN zu finanzieren. Wink
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Der INF Vertrag ist nicht mehr, sowohl die USA wie auch die Russen halten solche Systeme vor und die Abschreckung wäre damit wesentlich glaubhafter als mit einer Freifallbombe, ebenso wäre der tatsächliche Einsatz wesentlich erfolgversprechender.

Die Pershing sollte nun im weiteren auch keine taktischen Nuklearwaffen transportieren, sondern Sprengköpfe mit einem vielfachen der Hiroshima Bombe. Das wäre nicht vergleichbar. Eine Pershing mit 460 Kilotonnen oder eine moderne Tarnkappen-Marschflugkörper mit einer deutlich kleineren taktischen Nuklearwaffe. Natürlich gab es auch für die Pershing kleinere Sprengköpfe und gibt es einen gewissen Übergangsbereich in dem die kleinsten strategischen Sprengköpfer weniger leistungsfähig sind als die stärksten taktischen Sprengköpfe aber dessen ungeachtet:

Russland hat hier und heute immer noch an die 2000 taktischen Nuklearsprengköpfe und jede Menge solche Mittelstreckenraketen. Es wäre für eine ernsthafte Abschreckung zwingend erforderlich ebenfalls solche Waffen vorzuhalten, Freifallbomben sind hier ein mehr als unzureichender Ersatz im Vergleich.

Gleichzeitig würde man so die Frage der Dislozierung der Verbände, der Reichweite, des Einsatz in einem umkämpften oder feindlichen Luftraum und die Frage der notwendigen Infrastruktur gleich alle ebenso auf einen Schlag lösen. Entsprechende Marschflugkörper können sehr leicht verborgen werden und noch leichter in größtmöglicher Verteilung in den Wäldern Osteuropas verborgen dennoch alle zusammen eingesetzt werden, was bei der Verwendung von Kampfflugzeugen mit Freifallbomben deutlich schwieriger wäre.

Zitat:Ganz ehrlich, das ist politisch völlig ausgeschlossen, und selbst wenn es das nicht wöre, würdest du damit eine Büchse der Pandora öffnen und Deutschland innerhalb Europas isolieren.

Politisch ausgeschlossen kann ich dir zustimmen, aufgrund unserer aktuellen sozialkulturellen Grundströmung, aber warum würde das die Büchse der Pandora öffnen und Deutschland in Europa isolieren?

Es kann nur im Interesse anderer europäischer Staaten liegen wenn wir über eine glaubhafte Abschreckung durch solche Waffen verfügen. Noch darüber hinaus kann man solche Marschflugkörper auch sonst sehr gut nutzen und rein konventionell einsetzen. Gerade gegen Kaliningrad und die baltische Flotte sowie russische Luftwaffeninfrastruktur wäre das ein Mittel erster Wahl.

Allgemein:

Die Frage der Luftwaffeninfrastruktur welche für den Betrieb der Geschwader notwendig ist und was für Problemstellungen sich daraus ergeben wurde hier ja schon angesprochen. Nelons hat nun dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass die Frage der Reichweiten der Flugzeuge in Osteuropa elementar wichtig ist und ich möchte dies noch ergänzen um die Fragestellung, wie es den mit der Luftwaffeninfrastruktur in Osteuropa aussieht ? - dahingehend, wo dort unsere Luftwaffe überhaupt agieren soll, und was für Kapazitäten man beispielsweise in Polen für den Betrieb unserer Lufteinheiten überhaupt zur Verfügung hat? Zudem werden die Russen die entsprechenden Werte dort so weitgehend wie möglich angreifen (hier sind viele verschiedene Methoden denkbar) was ihre Nutzung noch weiter einschränken wird.

Wie soll der Tornado-Ersatz überhaupt in Osteuropa kämpfen, wenn es dort gar nicht die Grundlagen dafür gibt ihn in ausreichender Stückzahl einzusetzen?

Marschflugkörper für die NT würden demgegenüber nicht nur EF für andere Aufgaben frei machen - beispielsweise mehr EF ECR ermöglichen, sie würden auch die begrenzte Luftwaffeninfrastruktur in Osteuropa entlasten.
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(18.01.2022, 12:56)Quintus Fabius schrieb: Die Pershing sollte nun im weiteren auch keine taktischen Nuklearwaffen transportieren, sondern Sprengköpfe mit einem vielfachen der Hiroshima Bombe. Das wäre nicht vergleichbar.

Man hat ja gerade wegen dem strategischen Charakter der Pershing I die Pershing II entwickelt, den Sprengkopf übrigens aus der B61, und nach der Abrüstung wurden diese auch wieder in B61 eingesetzt. Insofern doch, das ist schon sehr gut vergleichbar. Aber unabhängig davon, glaubst du, das würde einen gesellschaftlichen Unterschied machen? Oder einen politischen?

Zitat:Politisch ausgeschlossen kann ich dir zustimmen

Damit ist das Thema doch letztlich durch. Welchen sinnvollen Nutzen dies hätte, da haben wir vermutlich keinen Dissenz.

Eher wäre es überlegenswert, wenn man gänzlich andere Wege gehen möchte, einen neuen Dialog mit Frankreich zu suchen und eine europäische nukleare Teilhabe zu schaffen. Dafür würde sich kurzfristig schon eine Möglichkeit finden lassen, sinnvoll zu partizipieren, während langfristig dann auch das NGF und FCAS als ganzes auf einem solideren Fundament stünde. Aber auch der Gedanke passt vermutlich besser ins Thema zur Nuklearen Teilhabe, als hier hin, denn für realistisch halte ich das zumindest kurzfristig eh nicht.

Zitat:aber warum würde das die Büchse der Pandora öffnen und Deutschland in Europa isolieren?

Ohne das jetzt hier zu weit zu führen, aber mein Eindruck, auch basierend auf dem, was rund um die Aufkündigung des INF-Vertrags passierte, ist eine klare europäische Ablehnung solcher Waffen, sowohl in Europa, aber auch weltweit. Wenn nun ein europäischer Staat entsprechende Waffen offiziell einführt, dann untergräbt das nicht nur die entsprechenden Abrüstungsbemühungen (und erlaubt alle möglichen Legitimationen), sondern würde auch zu einem Riss in der europäischen Sicherheitspolitik führen.

Zitat:Wie soll der Tornado-Ersatz überhaupt in Osteuropa kämpfen, wenn es dort gar nicht die Grundlagen dafür gibt ihn in ausreichender Stückzahl einzusetzen?

Wenn es dir um die grundsätzlichen infrastrukturellen Voraussetzungen (also Flugplätze) geht, da habe ich ja schon angesprochen, dass dieses Thema viel stärker in den Fokus rücken sollte. Die generellen Möglichkeiten sind ja durchaus vorhanden, wie andere Nationen zeigen, man muss halt nur wieder den Willen zu einer echten Bündnisverteidigung zeigen, und sich nicht auf Lippenbekenntnisse und Technologie verlassen.
Was die speziellen Anforderungen der einzelnen Typen angeht, wieso sollten diese in Osteuropa nicht vorhanden sein? Und typabhängig ist die Frage nicht, es gibt nur verschiedene Ebenen des Aufwands je nach der Einsatzdauer, das gilt aber für alle Muster. Bei dem Aufschrei hinsichtlich der besonderen Anforderungen der F-35 wurde vielfach vergessen, dass es nicht um generell deutlich höhere, sondern in erster Linie andere Anforderungen geht, was bei einem solchen Wechsel keine Überraschung darstellt. Das wird beim NGF beispielsweise auch nicht groß anders sein, schon der Eurofighter brauchte entsprechende Anpassungen an der dauerhaften Flughafeninfrastruktur (und Neubeschaffungen zum Einsatz abseits dieser Infrastruktur).

Unsere Luftwaffe ist inzwischen regelmäßig im Baltikum im Einsatz, dieses Jahr hat der Beitrag in Rumänien begonnen, die Tornados standen lange Zeit in der Türkei, Jordanien oder Italien. Die Zahl der Verlegeübungen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, man ist inzwischen häufiger und weiter unterwegs, auch abseits bekannte, jahrzehntelanger Strukturen (bspw. Übungen in den USA), in denen man beispielsweise auf bereits vorhandenem aufbauen konnte. Im September geht es für die Luftwaffe nach Australien (geplant mit sechs Eurofightern, drei A330 MRTT und drei A400M), zukünftig soll es regelmäßige Verlegungen zu Übungen in den Pazifikraum gehen. Grundsätzlich sehe ich kein Problem darin, in einem Konflikt auch größere Einheiten nach Osteuropa zu verlegen. Die Infrastrukturprobleme, und da wiederhole ich mich, werden eher grundsätzlicher Natur sein. Das ist aber Missionsunabhängig ein Problem.

Mit einer Tankstelle im gesicherten Luftraum können unsere Maschinen weit nach Osteuropa hinein operieren, in jeder Rolle, also auch für die NT. Eine F-35, die über Westpolen betankt wird, könnte dir theoretisch (also im optimalen Profil) die Bombe bis nach Moskau schmeißen. Deshalb bewerte ich die Luftbetankungsfähigkeit ja so hoch, sie erst ermöglicht den Einsatz unserer Luftstreitkräfte aus maximaler Frontferne. So war übrigens auch der heiße Einsatz der von dir geschätzten Mirage IV geplant, nach dem Start in Frankreich per Luftbetankung, auch im Buddy-Buddy-Verfahren, bis tief hinter den Eisernen Vorhang. Das Prinzip hat sich heute nur bedingt verändert.

Um aber mal wieder maximal-realistisch zu werden, ich bin sehr gespannt, was bei der nun angestrebten Prüfung heraus kommt. Auch wenn hier ja schon der Champagner für die F-35 geöffnet wird, mir scheint, es geht nur darum eine vollständige Ersatzlösung durch Eurofighter zu prüfen. Wie die Situation aussieht, und dass ich da durchaus meine Zweifel habe, habe ich ja dargelegt. Es wird trotzdem interessant sein, wie das mit deutlich mehr internas bewertet wird. Ich hoffe, dass sich eine Möglichkeit ergibt, es wäre aber wirklich ein sarkastisches Ende, wenn am Ende dann doch die Super Hornet bestellt werden würde. Mit oder ohne Growler. Wink
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@ Helios
Zitat: Die F-35 kann kein Supercruise, und sie ist strukturell nicht einmal für Überschallgeschwindigkeit besonders geeignet. Beim Eurofighter ist das genaue Gegenteil der Fall, der wurde für regelmäßige Überschalleinsätze ausgelegt und beherrscht auch Supercruise, selbst mit externen Zuladungen über die reine Luft-Luft-Rolle hinaus (aber natürlich nicht mit allen Konfigurationen). Solche Reichweiten sind allerdings mit Überschall unrealistisch, im optimalen Flugleistungsbereich wäre es hingegen für beide Muster schon möglich, allerdings verbaut man sich damit jegliche Entscheidungsfreiheit.

Ah, beim Super Cruise muss ich wohl die F-22 und die F-35 verwechselt haben. Das der EF das kann wusste ich tatsächlich nicht.

Zitat: Die Möglichkeit zur Luftbetankung ist ein nicht unwichtiges Kriterium, meiner Ansicht nach.

Für einen Jagdbomber ist diese Fähigkeit wirklich wichtig, da hast du Recht. Speziell bei der Nuklearen Teilhabe stellt sich aber doch die Frage: Wer soll diese Luftbetankung denn im Ernstfall noch leisten, wenn man bereits so weit ist, dass nukleare Freifallbomben in der Gegend herumfliegen? Die Wahrscheinlichkeit, dass Büchel zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch existiert, ist verschwindend gering.

In Sachen NT-Marschflugkörper:

Ich halte das gar nicht einmal für so ausgeschlossen. Wer jetzt gegen Atombomben ist, der wird gegen jede Verbringungsform sein, ganz egal, ob die jetzt per Jabo, per Marschflugkörper oder als Landmine eingesetzt werden sollen. Wer hingegen die grundsätzliche Logik der nuklearen Abschreckung akzeptiert (und von den russischen Mittelstreckenraketen in Kaliningrad weiß), der dürfte nichts gegen Marschflugkörper haben, im Gegenteil: Wie Quintus schreibt, ist die Abschreckungswirkung der Marschflugkörper deutlich höher, was wiederum die Einsatzwahrscheinlichkeit drastisch absenkt.


@ Quintus
Zitat: Wie soll der Tornado-Ersatz überhaupt in Osteuropa kämpfen, wenn es dort gar nicht die Grundlagen dafür gibt ihn in ausreichender Stückzahl einzusetzen?

Meiner Ansicht nach fällt der größte Teil des Baltikums als Stationierungsort aus - entweder, die entsprechenden Horste sind viel zu erstschlaggefährdet (quasi ganz Litauen ist innerhalb der Reichweite russischer Raketenartillerie) oder sie wären bei derzeitiger Lage der Bodentruppen im Baltikum das erste Ziel der freundlichen Männer in Grün (Was, nein, Herr Major, ich bedrohe sie nicht, ich und meine Freunde führen nur unsere Sturmgewehre gassi. Der Panzerauf der Startbahn da? Ach, der muss wohl grad ne Panne haben)

Wenn Finnland und Schweden neutral bleiben (für mich immer zweifelhafter, aber wer weiß) bleibt nur noch Polen - und für Estland könnte man versuchen, Ösel zu einer Art Reduit National auszubauen, mit entsprechenden Fliegerhorsten, Vorräten und Flugabwehrsystemen - quasi eine Art Area Denial, NATO-Style.
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Das ist es ja was ich meine, es wird eine Art Verengung geben - und es werden ja nicht nur unsere Lufteinheiten dort agieren sondern auch die anderer verbündeter Länder. Wenn man nun noch abzieht was aufgrund der bereits genannten Gründe gar nicht benutzbar sein wird, und vom verbliebenen Rest einen gewissen Anteil abzieht weil dieser durch feindliche Einwirkung ausgeschaltet sein wird (das reicht von Boden-Boden Raketen bis zu Speznaz et al), dann erzeugt diese Verengung der Infrastruktur für den Einsatz im weitesten Sinne meiner Meinung nach das Problem, dass wir Schwierigkeiten haben werden die Lufteinheiten überhaupt in größerer Zahl einzusetzen bzw. diese zu koordinieren.

Vor allem auch die Frage der Koordinierung mit den Verbündeten sehe ich als sehr großes Problem, werden diese in ihrem Land doch entweder ihre eigenen Einheiten bevorzugen (Heimvorteil) oder ihre Einheiten über allem priorisieren (USA). Das verschärft noch die Verengung der real verfügbaren Struktur für uns.

Zitat:So war übrigens auch der heiße Einsatz der von dir geschätzten Mirage IV geplant

Ich habe ja früher aus solchen Gründen heraus immer für eine FB-22 argumentiert und halte leichte Bomber aus solchen Faktoren heraus ja auch als eine Zukunft im Luftkrieg - auch für ein FCAS als bemannte Komponente im Vergleich zu dem jetzt vermutlich geplanten Mehrzweckkampfflugzeug.

Ein solcher echter leichter Bomber steht aber als Ersatz für den Tornado ja leider nicht zur Verfügung.

Die zwingende Schlußfolgerung daraus ist natürlich, und da gehe ich völlig konform mit allen hier, dass die Luftbetankung von immenser Wichtigkeit wird. Man müsste also im Zuge der Tornado-Nachfolge vor allem auch über mehr Tanker-Module für den A400M sprechen um diese Ersatzbeschaffung überhaupt sinnvoll zu machen. Aber auch die Tanker werden meiner Meinung nach hochgradig gefährdet sein und keineswegs so frei über Westpolen oder der westlichen Ostsee agieren können wie das vielleicht notwendig wäre. Marschflugkörper und weitreichende Raketenartillerie hingegen würden eine deutliche Reduzierung der für Luft-Boden Einsätze gedachten Flugzeuge ermöglichen, bzw. dass man die Flugzeuge in einem Schwerpukt vor allem dafür verwenden kann, die Lufthoheit zu erringen und den Luftraum zu sichern.

Daher wäre die Umsetzung der NT mit einem landgestützten System (Marschflugkörper) und eine Beschaffung weitreichender Raketenartillerie eine entsprechende Entlastung der quantiativ für einen ernsthaften Krieg in Osteuropa unzureichenden Luftwaffe.

Zitat:Wenn nun ein europäischer Staat entsprechende Waffen offiziell einführt, dann untergräbt das nicht nur die entsprechenden Abrüstungsbemühungen (und erlaubt alle möglichen Legitimationen)

Diese Abrüstungsbemühungen sind tot und angesichts der aktuellen Zahlenverhältnisse von wenigen hundert solcher taktischer Nuklearwaffen auf Seiten der NATO und zweitausend solcher Nuklearwaffen auf Seiten Russlands verhält es sich eher so, dass wir es sind die hier jede nur denkbare Legitimation hätten.

Zitat:sondern würde auch zu einem Riss in der europäischen Sicherheitspolitik führen.

Viel fataler als ein solcher hypothetischer Riss ist es, wie schwach die europäische Sicherheitspolitik ist, wie sehr es ihr an Strategie mangelt, wie Planlos sie agiert. Natürlich gäbe es zunächst allerlei Genörgel der üblichen Verdächtigen, aber man würde sich dann einfach damit abfinden und insgeheim heimlich einfach nur froh darüber sein.

Zitat:Aber unabhängig davon, glaubst du, das würde einen gesellschaftlichen Unterschied machen? Oder einen politischen?

Kommt darauf an ob die Bevölkerung überhaupt versteht was man da tut und ob, wie und vor allem wann es kommuniziert wird. Die Pandemie wäre beispielsweise eine gute Gelegenheit für so etwas. Das wichtigste ist im heutigen Neusprech ja die korrekte Bezeichnung. Beispielsweise könnte man sowohl Drohnen wie auch Marschflugkörper beschaffen, man dürfte sie so nur nicht nennen und man müsste wie bei vielem natürlich auch andere Gründe vorschieben: Schutz der Soldaten, und ähnlichen Unfug. Beispielsweise kann man Drohnen als zielsuchende Präzisionsmunition bezeichnen welche nur und ausschließlich deshalb beschafft wird um zivile Verluste zu verhindern und Menschenleben zu retten.

Das ist in der heutigen Zeit vor allem eine Frage des Marketing und der Ablenkung und ich wäre daher in diesem Aspekt nicht per se pessimistisch. Dass die Politik natürlich genau so von der aktuellen sozialkulturellen Grundströmung in dieser Bundesrepublik durchdrungen ist wie die Bevölkerung, stellt hier das wahre Problem dar.
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(18.01.2022, 15:57)Nelson schrieb: Ah, beim Super Cruise muss ich wohl die F-22 und die F-35 verwechselt haben.

Das wäre plausibel, hinsichtlich des Flugbereichs sind das tatsächlich zwei grundverschiedene Flugzeuge.

Zitat:Speziell bei der Nuklearen Teilhabe stellt sich aber doch die Frage: Wer soll diese Luftbetankung denn im Ernstfall noch leisten, wenn man bereits so weit ist, dass nukleare Freifallbomben in der Gegend herumfliegen? Die Wahrscheinlichkeit, dass Büchel zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch existiert, ist verschwindend gering.

Das Ziel der Waffen ist es ja zu verhindern, dass genau solch eine Situation entsteht. Und dementsprechend müsste man sie einsetzen wollen, bevor es soweit kommt, was so oder so nur abseits eines Pearl-Harbour-Moments passieren kann. Wenn die Infrastruktur nicht mehr existiert, dann wäre das der Anfang vom Ende, den nächsten Schritt kann sich jeder ausmalen

Zitat:Ich halte das gar nicht einmal für so ausgeschlossen. Wer jetzt gegen Atombomben ist, der wird gegen jede Verbringungsform sein, ganz egal, ob die jetzt per Jabo, per Marschflugkörper oder als Landmine eingesetzt werden sollen. Wer hingegen die grundsätzliche Logik der nuklearen Abschreckung akzeptiert (und von den russischen Mittelstreckenraketen in Kaliningrad weiß), der dürfte nichts gegen Marschflugkörper haben, im Gegenteil: Wie Quintus schreibt, ist die Abschreckungswirkung der Marschflugkörper deutlich höher, was wiederum die Einsatzwahrscheinlichkeit drastisch absenkt.

Wie bereits dargestellt, die Logik dahinter ist ja klar, aber die politische und gesellschaftliche Agenda ist eine andere. Die Rechtfertigung für den Status Quo ist, selbst wenn es prinzipiell um das gleiche geht, wesentlich einfacher. Ich sehe da wirklich keinen Spielraum für bodengestartete Marschflugkörper, und bei luftgestarteten hätte man letztlich die gleichen Probleme wie jetzt bei der Freifallbombe auch: sie müssen für den Einsatz zertifiziert sein. Das wiederum ist so oder so kein technisches Problem.

@Quintus: Es mag sein, dass man einen Großteil der Bevölkerung zeitweise darüber hinweg täuschen könnte. Aber die Menschen sind nicht dumm, und geheim halten kann man sowas sowieso nicht. Zumal es nicht nur um das Volk, sondern auch die Regierung geht - oder traust du das Rot-Gelb-Grün wirklich zu? Was in der Beziehung alles denkbar oder sinnvoll wäre, das steht auf einem ganz anderen Blatt, es ändert nichts daran, dass es nicht realistisch ist. Es wird nicht passieren, ob uns das nun gefällt oder nicht.
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(18.01.2022, 15:09)Helios schrieb: Eher wäre es überlegenswert, wenn man gänzlich andere Wege gehen möchte, einen neuen Dialog mit Frankreich zu suchen und eine europäische nukleare Teilhabe zu schaffen. Dafür würde sich kurzfristig schon eine Möglichkeit finden lassen, sinnvoll zu partizipieren, während langfristig dann auch das NGF und FCAS als ganzes auf einem solideren Fundament stünde.

Eigentlich sollte genau dieses Thema asap mit Frankreich angegangen und als Teil des FCAS festgelegt werden. Und zwar deswegen:

(18.01.2022, 16:50)Helios schrieb: Ich sehe da wirklich keinen Spielraum für bodengestartete Marschflugkörper, und bei luftgestarteten hätte man letztlich die gleichen Probleme wie jetzt bei der Freifallbombe auch: sie müssen für den Einsatz zertifiziert sein.

Im Rahmen von FCAS wäre es politisch wohl kein großes Problem, den Wechsel von der ungelenkten US-Freifallbombe auf einen ASMP-Nachfolger als Modernisierung zum Schutz der eigenen Kräfte durch höheren Abstand und Schutz von Zivilbevölkerung durch erhöhte Präzision zu verkaufen. Zumal dieser dann noch Teil einer gemeinsamen europäischen Entwicklung ist und Frankreich bei Otto-Normal-Atomwaffengegner auch weniger kritisch gesehen wird als "der Ami".
Und weil dadurch die aktuelle Nachfolgebeschaffung nT auch gegenüber Frankreich als reine Übergangslösung glaubhaft verkauft werden kann. Sofern diese dann überhaupt noch nötig werden sollte. Wenn man sich hier einig werden würde, könnte man ja eventuell auch relativ kurzfristig die ASMP-A in den EF integrieren.
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Zitat:könnte man ja eventuell auch relativ kurzfristig die ASMP-A in den EF integrieren.

Das (die Integration einer französischen Lenkwaffe mit französichen taktischen Nuklearwaffen in deutsche EF) stelle ich mir noch schwieriger und zeitaufwendiger vor als den EF für die nukleare Teilhabe zu zertifizieren.

Zitat:Im Rahmen von FCAS wäre es politisch wohl kein großes Problem, den Wechsel von der ungelenkten US-Freifallbombe auf einen ASMP-Nachfolger als Modernisierung zum Schutz der eigenen Kräfte durch höheren Abstand und Schutz von Zivilbevölkerung durch erhöhte Präzision zu verkaufen.

Das ist ja ohnehin auch noch eine interessante Frage wenn wir hier konkreter über einen Tornado-Nachfolger sprechen:

Wie wird dann dieser wiederum ersetzt? Wird das NGF dann der Nachfolger des Tornado-Nachfolgers sein? Wird das NGF überhaupt dazu befähigt sein taktische Nuklearwaffen einzusetzen? Womit ersetzen wir den Nachfolger?

Wenn man jetzt schon normale Marschflugkörper als Problem sieht, dann wäre eine optional atomare Bewaffnung des FCAS eventuell genau so schwierig.

Gab oder gibt es denn überhaupt irgendwelche Informationen darüber, wie die Nukleare Teilhabe dann mit dem FCAS fortgeführt werden soll ??
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Wenn wir mal davon ausgehen das amerikanische F18/F35 nicht in FCAS integriert werden und wir beim Eurofighter schon keine Zertifizierung für die NT wollen, dann wird das auch nichts beim NGF. Wir wären langfristig an amerikanische Flugzeuge gebunden und müssten immer eine kleine Teilflotte für die NT außerhalb des FCAS betreiben. Auf lange Sicht für mich vollkommen idiotisch.
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Ein jetzt zu beschaffendes Muster wird doch bis weit in die 2050er, vielleicht sogar 2060er Jahre aktiv genutzt werden. Egal für welchen Weg man sich entscheidet, niemand weiß, wie sich die Gesamtsituation bis dahin entwickelt. Ich halte es für absurd, sich darüber jetzt Gedanken zu machen, es sei denn, man würde offiziell proklamieren, dass es sich beim Tornado-Nachfolger nur um ein Übergangsmuster handeln soll.

Und in gewisser Hinsicht wird auch ein US-Amerikanischer Tornado-Nachfolger ins FCAS integriert werden, die Frage ist da nur, auf welchen Ebenen und wie tief. Die USA selbst haben mehrfach betont, dass sie im Informationsbereich eine Netzwerkstruktur auch über die Landesgrenzen hinaus wünschen, weil nur so weltweiten Bedrohungen zu begegnen ist. Diese Schnittstellen gibt es ja grundsätzlich schon, und es werden weitere hinzu kommen. Der Unterschied wird aber definitiv sein, dass man nicht vollen Zugriff darauf hat, nicht frei bestimmen kann, nicht frei verändern oder weiterentwickeln kann.

Eine Integration der ASMP-A in den Eurofighter würde ich nicht grundsätzlich ausschließen, genauso wenig wie ich eine zeitlich passende Realisierungsmöglichkeit für die Integration der B61-12 in den Eurofighter grundsätzlich ausschließen würde. Der ursprüngliche Vorschlag ging aber in eine andere Richtung. Wie bereits gesagt sollten wir diese Diskussion um die Nukleare Teilhabe als solche vielleicht besser hier weiterführen, ich habe da etwas ausführlicher zu geschrieben:
https://www.forum-sicherheitspolitik.org...pid=193597
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Zitat:Eine Integration der ASMP-A in den Eurofighter würde ich nicht grundsätzlich ausschließen, genauso wenig wie ich eine zeitlich passende Realisierungsmöglichkeit für die Integration der B61-12 in den Eurofighter grundsätzlich ausschließen würde
Mehr Infos zur ASMP-A
Und es gibt einige spezielle Bauteile in den Rafales der Forces Aerien Strategiques
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@Helios

Die Integration der FR NT- Waffe ist sicherlich technisch möglich, wie generell die Integration einer NT- Waffe jetzt sowieso nicht Rocket Ccience im Vergleich zu anderen Waffen darstellt.

Das Problem würde sicher die von FR- Seite dann geforderte Offenlegung der EF- Systeme sein. Man sollte nicht vergessen, dass EF und Rafale noch lange Zeit harte Konkurrenten auf dem Weltmarkt sein werden. Aus meiner Sicht völlig ausgeschlossen, dass die EF- Partnerländer da zustimmen würden.
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Das mit der "Offenlegung der Systeme" ist doch schon bei der Frage einer US-Integration in der Form ein Mythos, es wird kein Komplettzugriff gebraucht, und auch kein Zugriff auf irgendwelche besonders sensiblen Teile der Infrastruktur. Es geht da nur um die Sicherstellung der korrekten Abläufe beim Waffeneinsatz selbst, das unterscheidet sich lediglich in Form der zusätzlichen Sicherheitsprotokolle (dafür bräuchte es vermutlich die Zustimmung der anderen Partner) von den sonst für die Waffenintegration benötigten Informationen. Zusätzlich könnte eine Blackbox notwendig werden (das müsste man klären, wäre aber nicht ungewöhnlich), das würde aber die anderen Nationen nicht betreffen, sofern keine Änderungen an den Schnittstellen oder der Datenübertragung notwendig werden würde. Und wenn doch, müsste man das eben diskutieren.
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(20.01.2022, 09:08)Fox1 schrieb: Das Problem würde sicher die von FR- Seite dann geforderte Offenlegung der EF- Systeme sein.
Wir sprechen hier doch auch darüber, dass der EF selbst Teil des FCAS werden wird.
Wenn Frankreich bereit sein sollte, uns Einblick in ihre Atomwaffen-Technologie zu gewähren, wird die Geheimhaltung der erforderlichen EF-Technologie dem Ganzen wohl eher weniger entgegenstehen.
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@Broensen

Nur ist das keine rein deutschen Entscheidung, sondern da reden dann auch UK, IT, SP mit.

@Helios

Technisch hast Du sicher recht. Man kann davon ausgehen, dass das ein isoliertes Subsystem darstellt.
Offensichtlich ist es aber so, dass kompletter Einblick verlangt wird.
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