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Das würde hier bzgl. des Strangthemas etwas den Rahmen sprengen, aber der Vergleich zum Krimkrieg in den 1850ern ist tatsächlich nicht ganz von der Hand zu weisen. Zwar fehlte damals der heutige "Einkreisungsvorwurf" Moskaus gegenüber dem Westen weitgehend, aber auch damals ging es in der Fernwirkung um eine Erweiterung des russischen Machtbereichs, ja um imperiales Denken, vorzugsweise hinsichtlich der Dardanellen. (Fairerweise muss gesagt werden, dass imperiales Handeln und Denken damals auch in anderen Ländern weit verbreitet war, es war also damals kein russlandtypisches Gebaren.) Allerdings gab es damals die Meinung innerhalb der zaristischen Führung, dass man das, "was die westlichen Staaten machen [dürften]" (also ihre Kolonialreiche in Übersee aufbauen), "in Europa auch machen können dürfte" - zumal gegenüber den bereits geschwächten Osmanen. Die Unterschiede zwischen Kolonien in Übersee und der viel komplexeren Lage in Europa hat man dabei, gelinde gesagt, einfach ignoriert.
Und den Krieg seinerzeit hat Russland verloren, weil es innerlich in der Erstarrung des frühneuzeitlichen (besser: mittelalterlichen) Feudalsystems verblieben und wichtige Modernisierungen im Rahmen der Industrialisierung sowie auch innergesellschaftlich nicht vorgenommen hatte. In gewisser Weise ist das auch eine Parallele zu heute - erstarrtes, kleptokratisch-autokratisches System, vergammelte und durch die Unfähigkeit und Korruption zersetzte Streitkräfte, ein (heutiges) Schwelgen in Rohstoffgewinnen, ohne die Wirtschaft damit zu modernisieren und wichtige Technologien zu entwickeln...
Schneemann
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(31.08.2023, 09:40)Schneemann schrieb: ... - zumal gegenüber den bereits geschwächten Osmanen. Die Unterschiede zwischen Kolonien in Übersee und der viel komplexeren Lage in Europa hat man dabei, gelinde gesagt, einfach ignoriert.
Im vergleich zu Russland schwächere Osmanen, da hab ich ein Deja-vu bei der schwachen Ukraine. Die Lage hat man dabei sicher weniger ignoriert wohl eher Europa auf die gleiche Bedeutungsstufe gestellt wie andere Länder in der Welt auch (die damalige europäische Überheblichkeit erinnert frappierend an "die westlichen Werte" von heute).
Und damit kann man sich nach Herzenslust bei den Schwachen bedienen (egal ob Osmanisches Reich, Inka, Azteken, Kongo, Algerien, Niger, Indien, Polen,...) solange die keine starken Alliierten an ihrer Seite haben wird mit Ihnen der Boden geputzt.
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(31.08.2023, 10:19)Schaddedanz schrieb: Im vergleich zu Russland schwächere Osmanen, da hab ich ein Deja-vu bei der schwachen Ukraine. Die Lage hat man dabei sicher weniger ignoriert wohl eher Europa auf die gleiche Bedeutungsstufe gestellt wie andere Länder in der Welt auch (die damalige europäische Überheblichkeit erinnert frappierend an "die westlichen Werte" von heute).
Und damit kann man sich nach Herzenslust bei den Schwachen bedienen (egal ob Osmanisches Reich, Inka, Azteken, Kongo, Algerien, Niger, Indien, Polen,...) solange die keine starken Alliierten an ihrer Seite haben wird mit Ihnen der Boden geputzt.
Genau dort lag der Fehler, auch wenn die Türken nie als Gleichwertig angesehen wurden, sind sie neben Japan das einzige Reich außerhalb der Europäischen Großmächte, das nie Kolonie der erstgenannten war. Ganz im Gegenteil, mit dem Osmanischen Reich taten sie genau das selbe wie wir, bloß im nahen Osten statt in Südamerika oder Asien. Sie erweiterten ihre Kolonien sogar in ehemalige westliche Länder.
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(02.09.2023, 10:06)Falli75 schrieb: ... sogar in ehemalige westliche Länder.
Und was hat das jetzt mit westlich oder östlich zu tun, wen Russland sich die Ukraine als Orthodoxes Land einverleibt ist das schlecht und verstößt gegen das "Völkerrecht" und wen die Morgen in Korea einmarschiert ist es ok "herzlichen Glückwunsch zur neuen Provinz" oder wie?
Nur weil Europa die letzte lange Zeit der Hochkulturen beschienen war ist das kein in Stein gemeißeltes "untouchable" Label.
Ägypten (Pharaonische Reich) durch Rom, Rom durch Goten, Goten durch Hunnen, ...
Die Starken herrschen über die Schwachen, und ob du Schwach bist weil eben nicht mehr geht oder weil du dich in der Dekadenz der Gendertoiletten sonnst macht überhaupt keinen Unterschied.
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(31.08.2023, 09:40)Schneemann schrieb: Das würde hier bzgl. des Strangthemas etwas den Rahmen sprengen, aber der Vergleich zum Krimkrieg ...
Was hat der Krimkrieg jetzt mit Indiens Vorstellung von kulturell beeinflusster Demokratie im Vergleich mit Amerikas Demokratie Vorstellungen zu tun (siehe Seite 1)?
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Die Hintergründe sind natürlich entsprechend eines geographischen Raumes oder hinsichtlich einer anderen Epoche verschieden, aber das Kernproblem ist das gleiche: Es prallen verschiedene Kulturkreise und/oder politische und kulturelle Determinismen (oder Machtansprüche) aufeinander, die dann ggf. in einen Konflikt münden können. Das ist beim Krimkrieg so gewesen, ist heute so in der Ukraine und kann auch auf Indien bzw. die damaligen Konflikte dort angewendet werden.
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Werter Nightwatch:
Zitat:Die weltpolitische Lage nähert sich immer mehr dem Punkt an an dem sich der Westen zwischen seinen Werten und Überleben wird entscheiden müssen.
Man müsste bei diesem Satz fragen, was für Werte das den sein sollen? Die westlichen Werte waren nicht das was heute von irgendwelchen Linksradikalen diesbezüglich behauptet wird.
Im weiteren ist die Frage, ob die eigentlichen westlichen Werte nicht ein erheblicher Vorteil in Bezug auf das Überleben des Westens TM als Entinität sind ?! Statt eines Nachteiles wie du es hier implizierst?
Und schließlich müsste man fragen, ob man nicht gegen bestimmte Gruppen, gegen bestimmte Ideologien und gegen bestimmte Gegner gerade eben wegen dieser Werte massiv vorgehen sollte?!
Die scheinbare Unvereinbarkeit dieser Werte und des Überlebens resultiert ja nur daraus, dass wir gerade eben nicht aktiv für diese Werte eintreten und kämpfen! Der Überlebenskampf unserer Kultur scheitert allein darin, dass wir diesen Kampf gar nicht erst aufnehmen und diese Werte nicht durchsetzen und zwar mit Gewalt.
Und Pazifismus ist kein westlicher Wert und ist es nie gewesen.
Wenn man also davon schreibt, dass angeblich eine Entscheidung zwischen Werten und Überleben notwendig wird, sollte man sich fragen, warum diese Werte es nicht wert sind, für sie zu Gewalt zu greifen? Und warum man diese Werte nicht mit Gewalt durchsetzen kann?
Ich schrieb ja beispielsweise (nur ein Fall von endlos vielen), dass man die Hamas Anhänger in Deutschland ohne Ausnahme auf der Stelle verhaften sollte - was rechtlich möglich ist. Im weiteren könnte man denjenigen unter ihnen welche deutsche Staatsangehörige sind die Staatsangehörigkeit entziehen (auch das ist rechtlich möglich). Im weiteren weist man sie ohne Ausnahme allesamt aus und auch das wäre rechtlich möglich.
Und weil es nicht so viele sind, gerade mal um die 500 herum, wäre es sogar praktisch möglich dies zu tun. Es ginge dabei nicht nur um eine Erhöhung der Sicherheit, es wäre vor allem auch ein Signal, ein Zeichen, ein Eintreten für gerade eben diese Werte.
Stattdessen wird sofort entgegen gehalten, dies ginge nicht aus diesem oder jenen Grund und sei überhaupt gar nicht verhältnismässig, nicht praktisch möglich, nicht notwendig, es gäbe andere Baustellen, es sei angeblich mit den westlichen Werten nicht vereinbar usw usf, tausend Relativierungen, tausend Ausflüchte, tausendfacher Verrat an den westlichen Werten.
Den nicht diese Werte sind das Problem, sondern dass wir selbst in Wahrheit hinter all der Heuchelei und Bigotterie nicht wirklich an sie glauben und nicht bereit sind für diese Werte auch nur irgend etwas zu opfern oder für sie zu kämpfen.
Niemand ist mehr bereit etwas zu opfern und zu kämpfen für das was uns eigentlich ausmacht. Was bedeutet, dass nicht die Werte selbst das Problem sind, sondern dass wir selbst sie längst aufgegeben haben. Im Postliberalismus der Gegenwart werden diese ach so hochgehaltenen Werte nach Belieben von uns selbst verraten und aufgegeben wenn dies auch nur im geringsten einem persönlich nützt und der Rest ist Feigheit und Schwäche.
Feigheit und Schwäche sind aber keine Werte, und insbesondere nicht westliche Werte. Und nein, und nochmals nein: das Ausleben von Perversionen und ein entarteter Sozialstaat sind eben nicht westliche Werte, sind nicht der Kern der westlichen Kultur und sind eben nicht das wofür wir einstehen sollten.
Der Grund warum es scheinbar zu einer Entscheidung zwischen den westlichen Werten und dem Überleben der hiesigen Gesellschaften kommen muss, liegt darin, dass diese Werte in zu vielen hierzulande längst gestorben sind. Im alles relativierenden Postliberalismus, im Zeitalter der Beliebigkeit und des von Hybris zerfressenen Hyperindividualismus sind wir es gewesen, welche diese Werte längst verraten und aufgegeben haben.
Nicht dieser lächerliche Feind ist stark, wir sind es, weil wir den Glauben verloren haben, nicht nur den Glauben an uns selbst, sondern zuvorderst den Glauben an genau die Werte, welche den Westen einst über alle anderen erhoben haben.
Ist eine Wiedererstehung des Westens möglich? Meiner Überzeugung nach ja, und zwar gerade eben in dem wir uns für UNSERE Werte entscheiden und die Feinde diese Werte als solche erkennen und entschieden bekämpfen.
Wir müssen den Postliberalismus überwinden, und dies geht nur, indem wir den Kampf aufnehmen, statt ihn weiter zu verweigern.
Und das geht nur, indem wir aktiv für gerade eben diese westlichen Werte kämpfen, und nur so wird der Westen überleben. Indem er die Feinde dieser Werte zunächst einmal aus den westlichen Gesellschaften entfernt, indem er sie in seinen eigenen Ländern in keinster Weise mehr toleriert, und dem folgend indem er den Krieg gegen sie annimmt, den diese Feinde längst gegen uns eröffnet haben.
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PS: Verhaftet alle Hamas Anhänger auf der Stelle und sperrt sie in Einzelhaft. In Bayern genügt es sich für gerade mal 20 Minuten auf eine Straße zu kleben und die bloße Mutmaßung, dass man dies wieder tun könnte und man landet 30 Tage in Einzelhaft mit Totalisolierung (kein Scherz, Totalisolierung in einer Art dass man sie als menschenrechtswidrige Folter bezeichnen müsste), aber Angehörige einer bestialischen Terrorgruppe kann man nicht einsperren weil .... ?
Weil?
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Nur kurz: Ich bezog mich auf die Werte, die der politmediale Komplex wie eine Monstranz vor sich herträgt – gerne jetzt auch in Form der neuen moralbasierten Weltordnung - nicht auf die Werte aus denen heraus die Westliche Welt gebaut wurde. Von diesen hat man sich schließlich in weiten Teilen deutlich entfernt.
Statt von Werten zu sprechen hätte ich auch schlagwortartig Aspekte wie Hypermoralisierung, Überhöhter Humanismus, Gerechtigkeitsfanatismus, politische Korrektheit, egozentrischen Pazifismus, kulturellen Alturismus usw. bemühen können.
Hätten wir heute noch die notwendige interne Verfasstheit wäre es selbstverständlich möglich nach innen und außen so zu handeln wie angesichts der Lage gehandelt werden müsste – ohne dabei die Grundwerte westlicher Zivilisation aufgeben zu müssen.
Insofern Zustimmung zu deinem Post.
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Die Frage ist allerdings, ob unsere interne Verfassung wirklich so ist, wie sie teils dargestellt wird. Dass es teilweise einseitige Wahrnehmungen in Politik und Medienlandschaft gibt, sei damit unbestritten. Allerdings gab es solche Schwankungen immer schon. Was ich aber skeptisch sehe, ist die These, dass nur deswegen, weil es eben gewisse Strömungen gibt, die man relativ verallgemeinernd mit breitgefächerten Worthülsen wie Hypermoralisierung, überhöhter Humanismus oder Gerechtigkeitsfanatismus bedachen kann, es keine gefestigten Werte geben würde oder diese gefährdet wären.
Weiterhin bewegen sich die genannten Schlagworte auf schmalem Grat - sie können so gedeutet werden, wie wenn sie nach beiden Seiten abkippen können. Kippen sie nach der Seite des kritisierten Bereiches ab, so stehen durchaus Risiken im Raum - die dann auch in falsch verstandener Toleranz, egozentrischem Pazifismus, kulturellem Altruismus et. al. enden können (was genügend andere Probleme erzeugt). Kippen sie aber nach der anderen Seite ab, kann man sie so deuten, wie wenn sie generell den westlichen Werten abträglich sein könnten und man sie insgesamt in Frage zu stellen hätte. Und das wiederum ist ebenso problematisch, weil wenn wir nur darauf es herunterbrechen, könnte man auch grundlegende Aspekte des westlichen Wertemodells bis hin zur Habeas Corpus-Akte damit aushebeln. Und das darf keinesfalls geschehen.
Insofern: Nur weil wir uns aktuell über manche hypertrophe Reaktion kopfschüttelnd auslassen, sollten wir eben präzise und zielgerichtet diese dann auch kritisieren, aber nicht mit breit aufgestellten Schlagworten gleich die Systemfrage stellen.
Schneemann
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Wenn man nicht eigenen eigenen Afrika-Thread aufmachen will, dann passt das hier am besten:
Zitat: Werden die machtpolitischen Karten in Afrika neu gemischt?
Im Juni hat in Brüssel ein viel beachtetes Afrika-Seminar stattgefunden, das von mehreren Forschungsinstituten – darunter zwei aus dem Geschäftsbereich des belgischen Verteidigungsministeriums – veranstaltet wurde. Der Titel der Tagung lautete: „Die Kontinente einander annähern, Allianzen schmieden: die militärische Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den afrikanischen Staaten vor dem Hintergrund weltweiter Konkurrenz stärken.“ Als Konkurrenten der EU wurden dabei insbesondere Russland, die Volksrepublik (VR) China und auch die Türkei genannt. Verwiesen wurde dabei beispielsweise auf Westafrika, wo innerhalb der vergangenen vier Jahre mehrere Staatsstreiche stattgefunden hatten, die zu einem Abrücken von westlichen Staaten führten. Man denke hier an Burkina Faso, Mali, Niger und den Tschad.
Afrika ist mit etwa einem Fünftel der gesamten Landfläche der Erde und mit einer Bevölkerung von rund 1,5 Milliarden Menschen nach Ausdehnung und Einwohnern der zweitgrößte Erdteil nach Asien. Als Nachbarkontinent Europas ist der Erdteil von besonderer geopolitischer und ökonomischer Bedeutung für die westliche Staatenwelt. Rund 30 Prozent der von Europa importierten Rohstoffe kommen aus Afrika.
...
( Zitat von hier)
Ich denke, das "freischwimmen" regionaler Kräfte aus der Bipolarität des "Kalten Krieges" lässt sich an Afrika besonders gut beobachten. Schließlich waren die meisten afrikanischen Staaten noch im letzten Jahrhundert sogar europäische Kolonien - und damit in einem so engen Abhängigkeitsverhältnis, wie es kaum enger gehen dürfte.
Mit dem Machtverlust der Kolonialmächte geht gleichzeitig ein Machtvakuum einher. Regionale Kräfte genauso wie Dritte (in dem Zitat werden "insbesondere Russland, die Volksrepublik (VR) China und auch die Türkei genannt" versuchen, dieses Vakuum zu füllen.
Dabei bilden sich auch lokale Allianzen und Verbindungen, die zunächst auf ethnischen bzw. kulturellen Gemeinsamkeiten beruhen. Die Mitgliedschaft in der "Arabischen Liga" sei für die nördlichen Staaten des Kontinents von Marokko bis Somalia als Beispiel genannt.
Verbindend - aber auch konfliktträchtig - ist, dass die "mit dem Lineal gezogenen" (nach-)kolonialen Grenzen die Siedlungsgebiete der afrikanischen Völker durchschneiden. Vor allem Westafrika ist dafür ein Beispiel.
[Bild: https://de.wikipedia.org/wiki/Bantusprac...guages.svg] https://de.wikipedia.org/wiki/Bantusprac...guages.svg
Wer sich primär als Mitglied seines Volkes versteht, für den ist die staatliche Zugehörigkeit eher sekundär. Daher finden Rebellenbewegungen leicht grenzüberschreitende Unterstützung.
Wenn man die Sprachenkarte anschaut, dann findet man - grob gerechnet ab dem Äquator südlich - aber eine Sprachfamilie, bestehend aus über 500 Dialekten oder Sprachen, die fast dem afroasiatischen Sprachen zwischen Marokko und Somalia entspricht.
[Bild: https://de.wikipedia.org/wiki/Bantusprac...ies_de.svg] https://upload.wikimedia.org/wikipedia/c...de.svg.png
Die Niger-Kongo-B oder Bantu-Sprachfamilie zählt zu den am weitesten verbreiteten Sprachgruppen der Erde, 542 Dialekte gibt es in Afrika. Heute sprechen mehr als 240 Millionen Menschen eine der Bantu-Sprachen (nach [Bild: https://www.herder.de/wbg-magazine/aktue...-sprachen/]). Die Sprachgruppe hat sich seit etwa 3.000 (bis maximal 5.000) Jahren in Afrika in zwei "Stoßrichtungen" verbreitet.
[Bild: https://www.mpg.de/19012627/original-166...688f472f41]
Dabei wurde aber das vorherige Siedlungsgebiet nicht aufgegeben, es hat sich lediglich ausgedehnt. Das führt dazu, dass die Verständigung zwischen benachbarten Dialekten relativ problemlos möglich ist.
Es wird spannend zu beobachten sein, ob sich diese Sprachfamilie zu einem gemeinsam agierenden Block zusammen schließt.
Diese Staatengemeinschaft wäre durch eine gemeinsame Kultur geprägt - und könnte "auf Augenhöhe" mit externen Regionalmächten, aber auch mit den ehemaligen Kolonialstaaten der EU, agieren.
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Eine Gemeinschaft innerhalb der Sprachfamilie halte ich für schwierig. Sie kann höchstens teilweise als integrierender Faktor gesehen werden. Aber gerade in Tansania und Kenia gibt es auch noch andere Sprachfamilien, das Beispiel aus dem Westen wäre Nigeria. Sowohl in Kenia als auch in Nigeria gibt es Auseinandersetzungen entlang tribaler Grenzen und diese beinhalten in einigen Fällen auch Grenzen zwischen zwei Sprachfamilien, z.B. in Kenya Oromo vs. Kikuyu (=Bantusprache). Ein weiteres, grosses Problem ist die Religion. Es gibt eher eine Spaltung zwischen Islam und Christentum im betroffenen Gebiet, als ein friedliches Zusammenleben.
Ich denke, Integration folgt eher über gemeinsame Wirtschaftsräume, falls diese Erfolg haben. Organisationen wie die EAC (East African Community) zum Beispiel. Das ist dann aber ein Verbund von Nationalstaaten, die sprachlich und kulturell das Heu nicht auf derselben Bühne haben.
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Zitat:Es wird spannend zu beobachten sein, ob sich diese Sprachfamilie zu einem gemeinsam agierenden Block zusammen schließt.
Das ist eine wirklich hochinteressante Idee, über die ich noch einiges nachdenken muss. Aus dem Bauch heraus würde ich es verneinen, weil die jeweiligen Interessen zu unterschiedlich und die Sprachfamilie als einigendes Band hier demgegenüber zu schwach erscheint.
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es gibt viele Möglichkeiten von Menschen, sich als "gemeinsam" zu definieren. Religion (wie die islamische Umma) oder Sprache und gemeinsame Abstammung sind da Beispiele. Gemeinsame Wirtschaftsräume (EU siehe unten) können nur insoweit als "einigende Klammer" dienen, als auch ein gemeinsamer wirtschaftlicher Standard erreicht ist und gehalten wird. So gesehen ist "der Westen" mit Nordamerika und (West-)Europa durchaus eine Basis. Aber - Wirtschaft entwickelt sich. Sie kann sich auch "auseinander entwickeln".
Langfristig denke ich, dass die Sprache das nachhaltigste Mittel ist, Gemeinsamkeit zwischen "wir" und den "anderen / Fremden" zu erzeugen. Der Mensch kommuniziert in Sprache, er denkt in Sprache - und daher werden Gedanken und Ideen und auch kulturelle Gemeinsamkeiten und Identitäten sowie Entwicklungen über die Sprache ausgetauscht.
Religion (nimm etwa das Christentum oder speziell die größte christliche Kirche, die Katholiken) tritt gegenüber sprachlichen Identitäten zurück. Noch im WK II. haben katholische Priester auf jeder Seite der Front die jeweiligen Waffen gesegnet, ohne dass ein religiöse Gemeinsamkeit zwischen den Katholiken beider Seiten bestanden hätte. Wenn etwa katholische Kriegsgefangene aus Polen oder Frankreich, die in den niederbayrischen Dörfern zum landwirtschaftlichen Frondienst eingesetzt waren, gemeinsam mit den katholischen Bauern Weihnachten gefeiert haben - dann war das schon eine sehr kritische Ausnahme, die bereits bei den katholischen Nachbarn nicht publik werden durfte.
Sogar in der jüdischen Diaspora war hebräisch (bzw. in Osteuropa auch jiddisch) eine Grundlage für die gemeinsame Identität.
Die heute prägende Idee vom "Nationalstaat" und dem "Selbstbestimmungsrecht der Völker" beruht auch auf der Sprachengemeinschaft der Nation oder des jeweiligen Volkes. Dementsprechend sind auch die Autonomiebewegungen von sprachlichen Minderheiten (Basken, Bretonen, Katalanen, Schotten, Südtiroler ...) eine Ausprägung dieser "gemeinsamen Identität gegenüber den Anderen" unter negativem (Trennungs-)Vorzeichen,
Die EU ist - nach dem Vorbild der Schweiz - dagegen ein übernationales Experiment, das trotz aller kulturellen und wirtschaftlichen Gemeinsamkeiten enorme Probleme hat, nationale Befindlichkeiten (und damit letztendlich auf einer sprachlichen Abgrenzung beruhende Trennungen) zu überwinden.
(03.10.2024, 21:12)hunter1 schrieb: ...
Ich denke, Integration folgt eher über gemeinsame Wirtschaftsräume, falls diese Erfolg haben. ... auch in dieser Richtung entwickelt sich Afrika. Der halbe Kontinent träumt von einer nuklearen Zukunft:
Afrikas zweifelhafter Atomkraft-Boom berichtet die Süddeutsche Zeitung: Zitat: Bislang gibt es auf dem Kontinent genau ein Kernkraftwerk (Anm.; das Atomkraftwerk Koeberg, 30 Kilometer nördlich von Kapstadt in Südafrika). Jetzt aber träumt der halbe Kontinent von einer nuklearen Zukunft – ermutigt vor allem von Russland. Doch wie realistisch sind die Pläne? ....
mit "Atomkraftwerk" hätte ich zuerst an arabische Länder, z.B. an Ägypten, gedacht. Tatsächlich folgt bei der Süddeutschen Zeitung als erstes Beispiel Kenia.
Inzwischen wird auch die Infrastruktur im südlichen Afrika ausgebaut. Vom Atlantik (Lobito in Angola) über die DR Kongo und Sambia bis zum Indischen Ozean (Dar es Salaam in Tansania) führt inzwischen eine durchgehende (im Wesentlichen von China gebaute) Bahnlinie, die nicht nur dem Gütertransport dienst sondern sogar von Luxuszügen befahren wird. Bahnverbindungen gehen über Sambia bis Südafrika und von Tansania bis Kenia und in die zentralafrikanischen Staaten am Rift-Valley (oder sind zumindest geplant). Der so erschlossene Wirtschaftsraum wächst zusammen - auch, weil die Kommunikation und Verständigung der breiten Bevölkerung über die Staatsgrenzen hinaus möglich ist (die kolonialen Amtssprachen von portugiesisch über französisch bis englisch) tragen dazu eher nicht bei. Aber die Bantu-Dialekte Swaheli [Bild: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/c...wahili.png]https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ae/Maeneo_penye_wasemaji_wa_Kiswahili.png, Bemba und Kimbundu tragen zu dieser Verständigung auch der Landbevölkerung bei.
Und damit wird eines klar:
die integrative Entwicklung der Staaten südlich des Äquators schreitet voran.
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(05.05.2004, 21:27)Erich schrieb: Ich fang ansonsten mal mit einer eigenen Stellungnahme an:
_________________________________________________________
...
Tatsache ist doch, dass jeder - und auch jede Kultur - die eigene Einstellung für richtig und die beste Alternative hält; das ist der Grund für religiöse Überzeugung und den Missionseifer, den etwa christliche Missionare genauso wie der Islam entwickelt haben, und um ein anderes Beispiel zu nehmen:
früher gabs das "am deutschen Wesen soll die Welt genesen" und genau dieselbe Einstellung findet sich ganz natürlich auch heute im Westen.
Die USA sind da ein geradezu klassisches Beispiel. Die `Fehleinschätzung, man müsse nur Saddam stürzen, und im Irak würden jubelnd Demokratie und Menschenrechte einziehen resultiert aus dieser Grundüberzeugung. Dabei wird völlig übersehen, daß diese Errungenschaften der westlichen Kultur auch den entsprechenden kulturellen Background voraussetzen.
Der ist in anderen Kulturen aber so nicht vorhanden, unabhängig ob wir zum völlig anderen Staatsideal aus dem Islam (insbesondere dem Zweig der Schia) sehen oder zum konfuzeanischen Staatsideal.
Formate wie "G-7" sind doch ein Versuch, die unterschiedlichen kulturellen Prägungen und Differenzen zu überbrücken und mit den (wirtschaftlich) potentesten Staaten zu gemeinsamen Lösungen globaler Probleme zu finden.
Man mag darüber streiten, ob das erfolgreiche Versuche sind. Aber es sind wenigstens Versuche. Und unter diesen Vorzeichen ist es bedenkenswert, dass Indien jetzt zum G-7 Gipfel in Kanada nicht eingeladen wurde:
Zitat:Indien und Kanada: „Ein großer diplomatischer Fehler“
Indiens Premierminister Narendra Modi ist dieses Jahr offenbar nicht als Gast zum G-7-Treffen eingeladen. Es gibt Spannungen mit Kanada. Ottawa wirft Delhi vor, Morde im Ausland zu sanktionieren.
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Und sollte Modi darüber hinaus nicht zum G-7-Treffen eingeladen sein, während die Staatsoberhäupter Brasiliens, Mexikos, Südafrikas, Australiens und der Ukraine anreisen, wäre das nicht das Bild, das Modi von sich und Indien als neuer Weltmacht abgeben möchte.
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