Iran vs. Israel
Frank353:

Nachhaltige Stabilität benötigt sehr viel mehr als einen bloßen Sturz des Regimes.

Benenn mal in Bezug auf den Iran konkret ein REALISTISCHES Übergangsszenario welches in dieser Region zumindest längerfristig für mehr Stabilität sorgen würde ?

Meiner Meinung nach überschätzt man sich im Westen TM immens und ist westliche Hybris eines der primären Probleme.
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Nur weil man es gebetsmühlenartig wiederholt, wird es nicht glaubhafter. Die bekannten Fakten sprechen einfach dagegen. Alleine schon die Tatsache, dass der Iran seit ungefähr 30 Jahren angeblich nur noch Wochen von der Bombe entfernt ist, belegt, dass Netanjahu von Anfang an falsch lag.

Die bekannten Fakten sprechen dagegen:
1. Der US-Geheimdienst hat noch im März gegenüber dem Kongress bestätigt, „dass #Iran keine Atomwaffe baut“.
2. Die IAEA hat bis zum Juni des Jahres die Atomvorräte des Iran kontrolliert, regelmäßig Bericht erstattet und erstmals im Mai d.J. leichte Bedenken erhoben.

Danach ist wegen der Kriegshandlungen keine Inspektion mehr möglich gewesen. Natürlich könnte der Iran den Inspektoren der IAEA eine Reihe an Grabinstrumenten wie Pickel und Schaufel für Fordo zur Verfügung stellen, aber ob das was zu einer Kontrolle nützt?

Lassen wir die Diskussionen bzw. Spekulationen zu atomar bewaffneten Raketen des Iran, zumal diese sehr schnell in Glaubenssätze (Theologie) oder "ins politische" abgleiten dürften.

Es ist allerdings fraglich, wie der Iran nun auf die Angriffe und Zerstörungen reagieren wird.

Wenn er seine zivile Atomnutzung behalten will (die ihm aufgrund der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages zusteht) müsste er zum Schutz vor weiteren Angriffen diese Anlagen gegen Luft- und Satellitenüberwachung "verbergen" - falls das überhaupt möglich ist.

Sobald die IAEA aber eine Kontrolle vornimmt ist das ganze Versteck wieder enttarnt.

D.h., wenn der Iran sein ziviles Atomprogramm weiterführen will, dann muss er zumindest die Luftüberwachung und die Luftabwehr über dem eigenen Land auf 100 % bringen. Und mit den eigenen F-4 (und verbliebenen Tomcat?) ist wohl kein Staat mehr zu machen:

Iranische Kampfjets nach dem Angriff: Was ist noch übrig von den F-4 Phantoms

Damit bleiben nur noch chinesische oder russische Lieferungen zur Aufrüstung - Russland braucht sein Zeug selbst, zumal sich die russische Luftwaffe gegenüber der Ukraine nicht zwingend mit Lob bekleckert. Bleibt China, dessen Flugzeuge sich jüngst in Pakistan durchaus bewährt haben. Und für die Chinesen könnte es durchaus reizvoll sein, ihre Radar- und Sensor-Technik gegen modernste US-Technologie zu testen.
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Quintus

Ich stimme dir zu: Ein bloßer Regimewechsel bringt noch keine stabile Ordnung – das zeigen genug Beispiele. Aber daraus zu schließen, dass man lieber gar keinen Wandel unterstützen sollte, halte ich für genauso gefährlich. Gerade im Iran gibt es über Jahrzehnte gewachsene Strukturen – von Reformkräften im Inneren über Teile der Diaspora bis hin zu zivilgesellschaftlichen Netzwerken – die sehr wohl Teil eines realistischen Übergangsszenarios sein könnten. Es muss kein westlich gesteuertes Modell sein, aber es kann ein Prozess sein, der Wandel ermöglicht, ohne ins Chaos zu kippen.

Und was die "westliche Hybris" betrifft: Ich sehe sie auch kritisch und man sie mir bestimmt nicht anlasten, aber gefährlich ist es auch, wenn wir aus Angst vor Fehlern jede Verantwortung für politische Gestaltung aufgeben. Das hilft am Ende nur den Kräften, die Veränderung grundsätzlich blockieren wollen.
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Zitat:Ein bloßer Regimewechsel bringt noch keine stabile Ordnung...
Die Frage wäre auch, wenn es denn so etwas wie einen Regimewechsel gibt, was denn dann für ein Regime entstehen könnte? Dass der Nachfahre XYZ vom alten Shah die Monarchie wieder errichtet, denke ich nicht.

Aber es gibt z. B. Gedankenspiele, dass die Mullahs - wir wissen auch nicht, wie lange Chamenei noch durchhält, der Mann ist Mitte 80 - durch einen Militärputsch des IRGC beseitigt werden und dass es danach eine Junta unter einem IRGC-General geben könnte. Da es innerhalb der regulären Streitkräfte allerdings gewisse Animositäten ggü. dem ebenso machtbesessenen wie hochkorrupten IRGC gibt, könnte es im schlimmsten Fall sogar zu einem Machtkampf zwischen den Fraktionen kommen.

Schneemann
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Frank353:

Zitat:Gerade im Iran gibt es über Jahrzehnte gewachsene Strukturen – von Reformkräften im Inneren über Teile der Diaspora bis hin zu zivilgesellschaftlichen Netzwerken

Aber auch das "Regime" ist über Jahrzehnte hinweg gewachsen und hat über Jahrzehnte aufgebaute organisch gewachsene Strukturen welche es mobilisieren kann.

Es ist zudem immens viel schwerer etwas aus Zerstörung und Chaos heraus aufzubauen, als bestehendes zu erhalten und zu verbessern. Oder zumindest das bestehende weitgehend für die Übergangssituation aufzugreifen.

Es kann beispielsweise sehr viel besser sein, die Strukturen und Angehörigen des vormaligen Regimes weiter an der Macht zu lassen (nur in neuen andersartigen Strukturen und mit anderen Zielen) als diese vollständig zu stürzen. Das bedingt aber natürlich, dass man die von dir genannten Akteure eben nicht nach dem "Regimewechsel" an die Macht kommen lässt.

Politische Gestaltung kann im weiteren alles mögliche sein. Auch das bestehend nicht oder nur minimalinvasiv und sehr vorsichtig zu verändern, ist ganz genau so politische Gestaltung. Die Frage ist, was im jeweiligen Einzelfall besser wäre (mehr oder weniger handeln) und dass lässt sich niemals pauschal beantworten, es gibt da auch keine Axiome oder Regeln.

Beispielsweise schlug ich vor vielen Jahren vor, Mali aufzuspalten, Azawad anzuerkennen und damit alle Karten dort neu zu mischen. Politische Gestaltung durch radikale Umwälzung. Es ist also keineswegs so, dass ich in jedem Fall zu struktukonservativ wäre und nichts ändern will, ganz im Gegenteil. Aber es gibt hier nunmal eben keine Axiome und damit gibt es keine allgemeine Aussage was richtig oder falsch ist.

Spezifisch und allein auf den Iran bezogen würde ein Sturz des Regimes dort bürgerkriegsartige Zustände bzw. etwaig auch einen Bürgerkrieg und einen Abfall der Peripherie mit sich bringen. Dazu die negativen Einflüsse auf die Weltwirtschaft (Öl, Hormuz usw) und schließlich Massen von Flüchtlingen und die erneute Erpressbarkeit der EU gegenüber den Türken etc. etc.

Für die EU macht daher ein Regimewechsel im Iran politisch-strategisch überhaupt keinen Sinn. Für Israel natürlich schon weil die negativen Folgen Israel nicht betreffen und dieser für Israel daher in der Gesamtrechnung positiv ausfällt. Für die EU aber würde er in der Gesamtrechnung negativ ausfallen.

Entsprechend ist die Frage ob ein Regimewechsel überhaupt sinnvoll ist auch noch von der Frage der jeweiligen Warte und der unterschiedlichen politischen Zielsetzungen abhängig.

Die politischen Ziele der EU und Israels klaffen an etlichen Stellen auseinander. Sie sind eben nicht deckungsgleich.
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Zitat:Spezifisch und allein auf den Iran bezogen würde ein Sturz des Regimes dort bürgerkriegsartige Zustände bzw. etwaig auch einen Bürgerkrieg und einen Abfall der Peripherie mit sich bringen. Dazu die negativen Einflüsse auf die Weltwirtschaft (Öl, Hormuz usw) und schließlich Massen von Flüchtlingen und die erneute Erpressbarkeit der EU gegenüber den Türken etc. etc.

Der Ansatz erscheint mir sowieso angebracht, sich der Afghanen westwärts zu entledigen. Eigentlich egal wer das veranlasst. Das Problem müssen nicht die Iraner finanzieren.
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