Frank353:
Zitat:Gerade im Iran gibt es über Jahrzehnte gewachsene Strukturen – von Reformkräften im Inneren über Teile der Diaspora bis hin zu zivilgesellschaftlichen Netzwerken
Aber auch das "Regime" ist über Jahrzehnte hinweg gewachsen und hat über Jahrzehnte aufgebaute organisch gewachsene Strukturen welche es mobilisieren kann.
Es ist zudem immens viel schwerer etwas aus Zerstörung und Chaos heraus aufzubauen, als bestehendes zu erhalten und zu verbessern. Oder zumindest das bestehende weitgehend für die Übergangssituation aufzugreifen.
Es kann beispielsweise sehr viel besser sein, die Strukturen und Angehörigen des vormaligen Regimes weiter an der Macht zu lassen (nur in neuen andersartigen Strukturen und mit anderen Zielen) als diese vollständig zu stürzen. Das bedingt aber natürlich, dass man die von dir genannten Akteure eben nicht nach dem "Regimewechsel" an die Macht kommen lässt.
Politische Gestaltung kann im weiteren alles mögliche sein. Auch das bestehend nicht oder nur minimalinvasiv und sehr vorsichtig zu verändern, ist ganz genau so politische Gestaltung. Die Frage ist, was im jeweiligen Einzelfall besser wäre (mehr oder weniger handeln) und dass lässt sich niemals pauschal beantworten, es gibt da auch keine Axiome oder Regeln.
Beispielsweise schlug ich vor vielen Jahren vor, Mali aufzuspalten, Azawad anzuerkennen und damit alle Karten dort neu zu mischen. Politische Gestaltung durch radikale Umwälzung. Es ist also keineswegs so, dass ich in jedem Fall zu struktukonservativ wäre und nichts ändern will, ganz im Gegenteil. Aber es gibt hier nunmal eben keine Axiome und damit gibt es keine allgemeine Aussage was richtig oder falsch ist.
Spezifisch und allein auf den Iran bezogen würde ein Sturz des Regimes dort bürgerkriegsartige Zustände bzw. etwaig auch einen Bürgerkrieg und einen Abfall der Peripherie mit sich bringen. Dazu die negativen Einflüsse auf die Weltwirtschaft (Öl, Hormuz usw) und schließlich Massen von Flüchtlingen und die erneute Erpressbarkeit der EU gegenüber den Türken etc. etc.
Für die EU macht daher ein Regimewechsel im Iran politisch-strategisch überhaupt keinen Sinn. Für Israel natürlich schon weil die negativen Folgen Israel nicht betreffen und dieser für Israel daher in der Gesamtrechnung positiv ausfällt. Für die EU aber würde er in der Gesamtrechnung negativ ausfallen.
Entsprechend ist die Frage ob ein Regimewechsel überhaupt sinnvoll ist auch noch von der Frage der jeweiligen Warte und der unterschiedlichen politischen Zielsetzungen abhängig.
Die politischen Ziele der EU und Israels klaffen an etlichen Stellen auseinander. Sie sind eben nicht deckungsgleich.