(Allgemein) Vergleich des United States Marine Corps (USMC) mit der Bundeswehr
#6
Das Grundkonzept des USMC basiert auf dem Gedanken, der Infanterie im Kern alle unmittelbaren Kampfunterstützungseinheiten organisatorisch zuzuordnen und so das Gefecht im Verbund und in der Kräfteprojektion zu perfektionieren, weil sich durch diese Integration und dem geringen Gewicht ein hoher Grad an Flexibilität, Spontanität und Mobilität ergibt. Das wird aber nur erreicht, weil explizit alle mittelbaren Unterstützungseinheiten nicht dieser Struktur zugeordnet sind und daher fehlen. Dies ist der elementaren Unterschied zwischen dem USMC und einer eigenständigen und daher in der Regel vollumfänglichen Armee.

Dieser Aspekt wird auch bei den strategischen Fähigkeiten deutlich, das USMC ist besser als vermutlich jede andere Streitkräft dafür geeignet, strategisch eingesetzt zu werden, soll und kann sich aber nicht selbst strategisch einsetzen. Es besitzt keinerlei über den unmittelbaren taktischen Ansatz hinausgehenden Fähigkeiten etwa im Bereich der Aufklärung, Verlegung und Versorgung, aber auch Verteidigung. Das heißt, es gibt keine Aufklärungs- oder Patrouillenflugzeuge, keine strategischen Transport- oder Unterstützungsflugzeuge (Tanker), keine maritimen Kampf- oder Unterstützungseinheiten, keine strategischen Luftverteidigungssysteme, usw.. Die expliziten Fähigkeiten und Vorteile des USMC kommen nur durch die Unterstützung der anderen Teilstreitkräfte, insbesondere der Navy, zum tragen.

Mein Hinweis auf teilstreitkräfteübergreifenden Programmen bezog sich gar nicht primär auf Beschaffungsprogramme, sondern vielmehr auf die enge Kooperation etwa auch im Bereich der Ausbildung. Das USMC besitzt etwa für die fliegerische Ausbildung keine eigenen Einheiten oder Systeme, vielmehr findet diese primär bei der Navy auf Flugzeugen der Navy statt. Zwar gibt es in den entsprechenden Einheiten auch Ausbilder des USMC, allerdings hauptsächlich im Bereich der Schulung taktischer Fähigkeiten um dem unterschiedlichen Auftrag gerecht zu werden. Denn selbst die Ausbildungsinhalte mit der Fokussierung auf die unmittelbare Kampfunterstützung machen das aus einer globaleren Sicht eingeschränkte Fähigkeitsspektrum im Vergleich zu einer vollumfänglichen Armee deutlich.

Was dein Hinweis hinsichtlich der Beschaffung angeht, auch wenn ich darauf wie gesagt gar nicht hinaus wollte, so gibt es natürlich auch hier einen vor allem wirtschaftlichen und damit politischen Unterschied. Natürlich könnten Kostenreduktionen bei Beschaffungen auch von anderen Armeen durch Einkauf bei größeren Verbündeten erreicht werden, damit würde sich aber auch eine entsprechende Abhängigkeit von diesen Verbündeten und damit ein Verlust von Souveränität ergeben. Kurzfristig mag das militärisch sinnvoll sein, perspektivisch kann das anders aussehen (das lässt sich natürlich nicht verallgemeinern oder allgemein beantworten). Darüber hinaus gibt es auch über sicherheitspolitische Aspekte hinausgehende Argumente, etwa die Frage (was sich auch nur im Einzelfall beantworten lässt), ob das nominell teurere Produkt insgesamt betrachtet tatsächlich teurer ist, oder ob es bei einer heimischen Produktion durch entsprechende Steuern und die generierte Kaufkraft nicht insgesamt betrachtet besser ist, mehr Geld im Land als weniger Geld im Ausland auszugeben. Dies findet ja bei Kostenvergleichen fast nie eine Berücksichtigung.
So oder so, vor einem solchen Dilemma steht das USMC gar nicht erst, weil der "größere Verbündete" die eigene Nation ist. Und das ist natürlich ein Argument, dass in der Realität eine durchaus gewichtige Rolle spielt.

Langer Rede kurzer Sinn: siehe meinen vorherigen Beitrag. Der Vergleich von Bundeswehr und USMC ist in Form einer einfachen Gegenüberstellung oder einer einfachen Kostenrechnung schlicht nicht sinnvoll. Das beinhaltet im übrigen keinerlei Wertung.
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RE: United States Marine Corps (USMC) - von Helios - 04.11.2021, 09:04

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