Nationbuilding und die Alternativen
#2
Broensen:

Zitat:Die Erkenntnis ist zwar richtig, führt nur halt zu nichts.

Doch, absolut. Sie führt zum Krieg. Der Krieg ist daher unvermeidbar.

Zitat:Aber in dieser kleineren Welt treffen die unterschiedlichen Gesellschaften zwangsläufig aufeinander und es muss daher Ziel internationaler Politik sein, Lösungen zu entwickeln, wie westliche Nationalstaaten und traditionelle Stammesgesellschaften koexistieren können, da man eine gegenseitige Beeinflussung nicht mehr vermeiden können wird.

Da es keine internationale Politik als eine auf ein Ziel hin gemeinsam handelnde Entinität gibt, kann "die internationale Politik" auch keine Lösung entwickeln, wobei sogar zu bezweifeln ist ob es eine solche überhaupt geben kann selbst wenn es eine internationale Politik gäbe. Und da die Globalisierung nun mal hier zusammen mischt was nicht zusammen gehört und getrennt bleiben sollte ist das Ergebnis ein nicht vermeidbarer Konflikt. Der Krieg ist daher unvermeidbar.

Zitat:Es soll auch nur dienen als Beispiel dafür, dass es prinzipiell möglich ist, traditionelle Herrschaften in einer islamischen Gesellschaft derart zusammen zu bringen, dass diese nach außen als ein Staatsgebilde auftreten können, ohne einen demokratischen Nationalstaat zu bilden.

Der (salafistisch/wahabitische) Islamismus ist meinem Verständnis nach eine Modernisierung des Islam, er ist gerade eben keine traditionelle Herrschaft oder Form. Da wir in diesen Gesellschaften in Konkurrenz zu genau dieser Modernisierung dieser Gesellschaften stehen, führt ein Streben von uns dort traditionelle Herrschaftsformen aufrecht zu erhalten zwingend zum Konflikt gegen die Modernisierung dieser Gesellschaften. Es ist daher höchst fraglich, ob von uns etablierte traditionelle Herrschaftsformen dort überhaupt längerfristig werden bestehen können. Zu viele Menschen dort wollen ja gerade eben keine traditionellen Herrschaftsformen mehr. Die Ölaraber sind hier nun deshalb ein schlechtes Beispiel, weil sie in einem Rentensystem immense Sondergewinne einfahren und sich den sozialen Frieden damit einfach durch Bestechung erkaufen können. Das ist kein Modell das auf andere Gegenden auch nur ansatzweise übertragen werden kann. Dafür fehlen dort die speziellen Umstände welche in den VAE vorliegen. Aber diese sind wenn man etwas weiter in die Geschichte zurück geht doch ein interessantes Fallbeispiel: Das ganze Gebiet war de facto das was wir heute einen Failed State nennen würden (Piratenküste). Durch Strafexpeditionen und militärische Gewalt des britischen Empire und weil zugleich die Perlenfischerei nun Einkünfte bescherte wurde das Gebiet friedlicher und schließlich befriedet. Dann kam es aber zum Niedergang der Perlenfischerei und zum vorübergehenden ökonomischen Kollaps und sofort brachen heftige kriegerische Auseinandersetzungen der Stämme dort aus. Dann kam das Öl und die entsprechenden Einnahmen und die VAE entstanden und ertranken in Reichtum, Frieden und Stabilität.

Solche Sondereinnahmen für die Bevölkerung sind durch von außen betriebenes Nation-Building nicht erreichbar und in den meisten Regionen weltweit fehlt dafür auch jede Grundlage. Nun könnte man argumentieren, dass es in Afghanistan ja jede Menge Bodenschätze gibt. Die liegen aber nicht unmittelbar am Meer und die für den Abbau notwendige Infrastruktur und die notwendigen Strukturen fehlen und auch die reale militärische Macht europäischer Armeen um diesen Abbau abzusichern. Und da sind wir bei einem der wesentlichsten Punkte:

Die Voraussetzung für funktionierendes Nation Building ist militärischer Erfolg. Für den fehlt uns die dafür notwendige militärische Befähigung.

Zitat:Und das Problem ist nun mal eins, das globale Konsequenzen birgt. Also muss sich "die Weltgemeinschaft" oder "der Westen" damit beschäftigen.

Die Weltgemeinschaft gibt es nicht und "der Westen" ist militärisch nicht in der Lage ausreichend Macht auszuüben. Den das ist mal zunächst vor allem anderen der Anfang: dass man selbst real Macht ausübt. Diese Macht muss zunächst militärisch gewonnen werden, man muss den anderen seinen Willen aufzwingen. Dazu sind wir weder in der Lage noch Willens. Damit hat sich eigentlich jeder Versuch von Nation Building durch uns erledigt.

Um tatsächlich funktionierende sich selbst tragende einheimische Strukturen aufzubauen wäre es notwendig, wesentlich mehr Macht direkt selbst auszuüben. Dann muss man als zweites akzeptieren dass dies den Widerstand zunächst vergrößert. Dann muss allein dem Gebot der Notwendigkeit und der Zweckmässigkeit folgend dieser Widerstand vernichtet werden, wozu wir schon gleich dreimal nicht in der Lage sind. Parallel muss man die Nation aufbauen was nur dann gelingt wenn wir selbst dort real die Macht ausüben. Und beschließend sollte man anmerken, dass dies Unsummen von Geld und/oder Blut kostet. Und für was? Damit es dann einem anderen Volk nachhaltig besser geht ?!

Ohne reale Macht kann man nichts bestimmen. Wenn man nichts bestimmen kann, kann man nichts richtig aufbauen (da die Einheimischen Eliten unfähig/korrupt/verkommen sind). Man benötigt also auch neue Eliten und dass ist auch wieder so ein Punkt: Gesellschaften geraten gerade eben in solche Probleme wenn sie sich modernisieren wollen, in der islamischen Welt in vielen Fällen in Form des Islamismus. Wenn wir nun dort genau die korrupten degenerierten Kleptokratien welche die Gesellschaften dort loswerden wollen stützen und diese als Lösung präsentieren, kann das nur dann funktionieren, wenn wir die Modernisierung dieser Gesellschaft vernichten. Wozu extremste Maßnahmen erforderlich sind. Ganz allgemein: je ehrgeiziger das Ziel ist, je abweichender es ist von der natürlichen Entwicklung in diesem Land, desto extremere Maßnahmen und desto extremere Gewalt muss man einsetzen. Afghanistan beispielsweise entwickelt sich natürlich in eine bestimmte Richtung. Diese abzuändern, die Strömung sozusagen umzuleiten kann niemals so minimalintensiv funktionieren wie das hier versucht wurde. Eine maximalintensive Intervention aber gerät schnell in Neo-Kolonialismus und erzeugt extreme Kosten. Sind wir bereit diese zu tragen und noch viel wesentlicher: wären wir fähig das zu tun was dafür notwendig ist? Und wozu überhaupt? Mit welchem Ziel und welchem Nutzen für uns sollten wir für andere Völker Nation Building betreiben?

Zitat:Zaun drum klappt nicht so gut. Vor allem nicht, wenn die pakistanischen Raketen innerhalb des Zaunes liegen.

Es gibt für viele Probleme gar keine Lösung und es gibt ganz viele Prozesse welche in jedem Fall übel enden werden. Es ist dieser Positivismus, diese Yes We Can Schwachsinns Attitüde die uns da reingeritten hat. Es ist die westliche Hybris zu glauben wir könnten ohne extreme Gewalt Einfluss nehmen und Dinge zum Guten hin entwickeln weil doch alle das Gute wollen. Wir sind darüber hinaus trotz aller Hybris einfach nur Schwächlinge denen absolut jede Befähigung dazu fehlt tatsächliche Herrschaft auszuüben und genau diese ist die Grundlage dafür abweichende Strömungen in eine andere Richtung zu lenken. Meiner Meinung nach wird dieser Positivismus aus dem dekadenten Luxus geboren in welchem wir selbst leben. Da es bei uns so vortrefflich läuft und wir wie die Maden im Speck in Luxus ertrinken, sehen wir die Welt positiv und glauben man könne doch mit Vernunft und Logik, Freundschaft und Menschenrechten andere Völker ebenfalls zu einem guten/besseren Leben verhelfen. Das verkennt die Grundlagen auf denen sich Gesellschaften tatsächlich entwickeln, es verkennt die Notwendigkeiten, und es verkennt dass unsere degenerierte Lebensweise für einen Gros der Menschheit gar nicht das Ziel ist.
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RE: Nationbuilding und die Alternativen - von Quintus Fabius - 09.09.2021, 09:05

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