Grundsatzdiskussion zur Ausrichtung von Beschaffungsprogrammen
#36
Broensen:

Zitat:Off-Topic: Dieser Kreis von Staaten wäre für mich übrigens auch eine sinnvollere Allianz als es die NATO mittlerweile darstellt. Es gibt eine Grenze hinsichtlich der gesellschaftlichen Kompatibilität, die man nicht überschreiten sollte, wenn es um die eigene Sicherheit geht.

Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen und ich sehe den Kreis der Staaten auf welchen man Rüstungsexporte beschränken muss hier gar nicht unähnlich. Aufgrund der Unmöglichkeit einer eigenen Machtstellung unseres Landes in dieser Gegenwart muß zudem zweifelsohne innerhalb der EU weiter ein rüstungstechnischer Austausch stattfinden und auch die Beschaffungen zwischen den EU Ländern abgestimmt werden. Das findet sogar noch viel zu wenig statt und schränkt damit unsere Kriegsfähigkeit ein.

- Verbesserung also der Abstimmung von Rüstungsvorhaben innerhalb der EU mit maximalem politischen Druck auf die entsprechenden Entscheidungs- und Handlungsprozesse. Dabei darf man nicht einseitig unsere Rüstungsindustrie und deren wirtschaftliche Interessen verfolgen, sondern dem Leitbegriff der Rüstung folgend muss allein die Kriegsfähigkeit im Zentrum stehen. Die Bevorzugung "deutscher" Rüstungsunternehmen ist daher in bestimmten Fällen ein Fehler. Hier und heute aber werden "nationale" Rüstungsunternehmen drastisch und einseitig bevorzugt und dies auch dann, wenn ihre Angebote schlechter sind und die Kriegsfähigkeit darunter leidet.

Zitat:Interessant wäre es in dem Zusammenhang, wie man den Bedarf tatsächlich feststellen kann hinsichtlich neuer Systeme. Also ob man sehr abstrakte Forderung stellt, die nur grobe Ziele umreißen (zB. "Potential zur Zerstörung von gepanzerten Fahrzeugen"), oder ob man konkrete Systeme bestellt (z.B: "1000 Kampfpanzer").

Tatsächlich würde ich wo es geht konkrete Begriffe vermeiden, weil damit ja ganz bestimmte konkrete Bilder verbunden sind, sondern eher militärische Aufgaben benennen. Das geht also tatsächlich in die Richtung: Zerstörung feindlicher gepanzerter Fahrzeuge, aber etwas genauer ist es natürlich dann schon. Es wird halt einfach ein grundlegender Rahmen festgesteckt, ein paar vergleichbare Systeme genannt und dann freie Hand gelassen.

- Relevant ist dann, dass man konsequent evolutionäre Ansätze verfolgt, und revolutionäre Ansätze wo möglich vermeidet. Der Grund dafür ist einfach die größere Geschwindigkeit und die geringeren Kosten eines evolutionären Konzeptes in diesem Bereich. Das kann zwar Probleme hervorrufen, beispielsweise eine zu starke Strukturextrapolierung, aber gerade dem beugt man vor, indem man sich eben nicht genau spezifisch festlegt sondern unabhängig von spezifischen Begriffen und den mit ihnen einher gehenden Bildern einfach bestimmte Handlungsbereiche umreißt. Evolution vor Revolution. Das heißt aber auch, dass man durchaus für Systeme neue Rollen, neue Aufgaben usw finden sollte und finden muss. Ein Musterbeispiel wäre der Kampfpanzer, den man weder aufgeben, noch weiter als Hauptwaffensystem verstehen sollte, sondern der natürlich evolutionär ausläuft während zugleich seine Aufgaben verschoben werden.

Das löst man also so weitgehend wie möglich durch Doktrin, Struktur und neue Konzepte der Verwendung, nicht durch revolutionäre Neubeschaffungen.

Zitat:Wie würdest du es in dem Zusammenhang bewerten, Entwicklungs- und Produktionsaufträge von einander zu trennen? Ein reines Planungsbüro entwickelt ein Produkt zur Serienreife und der Staat kauft das Wissen und Recht, dieses Produkt bauen zu lassen. Für den Bauauftrag können sich dann wiederum andere bewerben. In einer isolierten Industrie sollte das doch machbar sein. Schwachpunkt wäre vielleicht, dass die Planungsbüros zu wenig auf die Schwierigkeiten des Produktionsprozesses achten würden, aber das ließe sich wohl lösen.


Tatsächlich ist das eine Idee die ich schon länger dazu habe, die ich aber bisher nicht genannt habe, weil ich aktuell wieder davon weggekommen bin. Das war aber mal genau so meine Auffassung dazu vor ungefähr 5 Jahren schon. Meiner Meinung nach ist eine solche Lösung möglich, aber sie senkt meiner aktuellen Ansicht nach die Geschwindigkeit des Beschaffungsprozesses. Wenn alles aus einer Hand kommt, geht es schneller, und dass ist für mich immer ein Wert für sich. Zudem zeigen diverse Rüstungsprojekte der letzten Jahre, nehmen wir beispielsweise Saab und seine Gripen NG, dass solche Frankensteinprodukte wenn sie zu sehr aus Komponenten anderer Firmen zusammen gestellt werden erhebliche Probleme und Verzögerungen in der Fertigstellung haben können. Innerhalb des EU Raumes könnte man natürlich ein solches Prozedere als gesamteuropäisches durchaus durchführen, aber auch bei jedem multi-nationalen Projekt sinkt immer die Geschwindigkeit. Es wird sich natürlich aufgrund des immensen Verlustes an nationalen Fähigkeiten und Unternehmen in vielen Bereichen gar nicht anders machen lassen, aber gerade deshalb sollte man so viel Geld in die Wehrforschung investieren. Um diese Fähigkeiten wieder aufzubauen.

Israel zeigt dass sich das auf lange Sicht auch wirtschaftlich auszahlt. Wir sollten hier dem israelischen Beispiel folgen, massiv in Forschung und Entwicklung investieren und langfristig wäre dies sehr vorteilhaft für die gesamte Gesellschaft und alle möglichen anderen Bereiche und natürlich für unsere Kriegsfähigkeit.

Zitat:Da meine Grundannahme in der Fragestellung ja war, dass nicht mehr Geld zur Verfügung steht, geh ich jetzt einfach mal davon aus, dass du diese Steigerung allein auf die Effizienz der geänderten Beschaffungsprozesse zurückführst.

Auf deine Grundannahme hin hatte ich ja explizit erwiedert, dass man mehr Geld einsetzen muss. Es geht nicht anders, selbst wenn alle Prozesse deutlich effizienter wären. Oder man muss auf bestimmte Fähigkeiten verzichten. Rein theoretisch: Nehmen wir einmal an wir würden weitgehend auf die Marine verzichten, so würde das in erheblichem Maße Geld frei machen (das ist jetzt nur eine theoretische Aussage).

Aber wie man es dreht und wendet, wir müssen aufgrund der Unterfinanzierung der letzten Dekaden hier und heute massiv Geld in die Hand nehmen, oder man kann diese Bundeswehr gleich ganz auflösen.

Zitat:Und daher dürfte es nicht so leicht sein, das ganze System so umzukrempeln, dass die geeigneten Charaktere auch an die entsprechenden Posten gelangen. Weder in der Industrie, noch bei Militär oder gar Politik.

Und schon gar nicht in der Politik, gar keine Frage. Das derzeitige System auch nur in Teilbereichen in der von mir skizzierten Art umzukrempeln ist schlicht und einfach unmöglich. Dazu haben viel zu viele Personen mit realer Macht völlig andere Interessen und Zielsetzungen. Aber unabhängig von dieser Realität: die Führungsaufgabe schlechthin ist es, geeignete Personen ausfindig zu machen, diesen einen Auftrag zu erteilen und ihnen dann die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen damit sie diesen Auftrag so weitgehend wie möglich selbst erfüllen können.

- Was ich schlußendlich also hier anstreben würde wäre eine Übertragung dieses Kerns der Auftragstaktik auf die Beschaffungsprozesse.

- Diesbezüglich wäre es meine nächste Forderung das Beschaffungsamt komplett aufzulösen. Ersatzlos.

- Beschaffungsanregungen (ich nenne es einmal so) kommen stattdessen direkt aus der Führung der Kampftruppe. Die Führung der Kampftruppe selbst trifft sich entsprechend, tauscht sich aus und erarbeitet notwendige Fähigkeiten, Zeiträume und Stückzahlen. Das Verteidigungsministerium übernimmt diese Vorschläge dann einfach und setzt de facto eine Art Prokonsul, welcher mit der Ausführung beauftrag wird. Ich verwende hier mal bewusst und konkret den Begriff Prokonsul. Dieser kann aus den Reihen der Führung der Kampftruppe kommen, oder auch aus der Rüstungsindustrie oder woher auch immer. Die vornehmste und wesentlichste Aufgabe des Verteidigungsministeriums wäre es dann für den entsprechenden Beschaffungsprozess einen dafür geeigneten Prokonsul zu finden und ihm dann die dafür notwendigen Mittel, dass heißt auch die dafür notwendige Macht zu übertragen.

Eine Person muss hier absolut das sagen haben. Ihre Macht beschränkt sich allerdings auf das Projekt und ist zeitlich terminiert (zeitgleich zur vorher festgelegten Dauer des Prozesses).

- Im Weiteren muss das dabei dann heraus kommende Ergebnis auch so akzeptiert werden. Nachbesserungen und Änderungen fallen damit weg. Das System kommt so wie es ist, und scheitert es, so tragen die dafür Verantwortlichen die Schuld und haften uneingeschränkt. Umgekehrt sollte eine solche erfolgreiche Tätigkeit als Prokonsul der zwingend notwendige Schritt für den Aufstieg in die höchsten Führungsämter sein. Auch und gerade ein Verteidigungsminister sollte eine solche Aufgabe bereits erfolgreich wahrgenommen haben.

(weiteres folgt, wie üblich geht mir die Zeit aus)
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RE: Grundsatzdiskussion zur Ausrichtung von Beschaffungsprogrammen - von Quintus Fabius - 12.05.2021, 20:27
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