Krieg im 21. Jahrhundert
#85
Allgemein:

Noch ein Stichwort zum Für und Wieder: Ultraleichte Kräfte verschieben vor allem auch das Verhältnis von Unterstützern zu eigentlicher Kampftruppe. Um es mal überspitzt auszudrücken: in der aktuellen konventionellen Struktur liegt das Verhältnis teilweise bei 1 : 9 - von 10 Angehörigen der Bundeswehr (insgesamt) kämpft nur einer 1, der Rest dient diesem 1. Dieses Verhältnis ist aufgrund der begrenzten Personaldecke extrem problematisch.

Wir benötigen mehr Kampftruppe, können diese aber aus Personalmangel nicht aufstellen. Ultraleichte Truppen sind eine Lösung für dieses Problem, sie setzen Personal frei aus den Unterstützungsverbänden und dieses kann daher entweder auch zu Kampftruppe werden oder für andere Aufgaben verwendet werden. Und diese anderen Bereiche wären es dann, welche einer solchen Armee auch eine erhebliche Offensivkraft verleihen würden:

Zu Recht wurde ja von Helios die Frage aufgeworfen, wie solche ultraleichten Kräfte offensiv wirken können und wie man am Boden gegen feindliche defensive Schwerpunkte vorgegangen werden soll. Es ist in der bisherigen Diskussion ja leider etwas untergegangen, dass die von mir beschriebenen ultraleichten Streitkräfte des Heeres nur ein Teil des großen Ganzen wären.

Man benötigt in jedem Fall weitere Einheiten, welche folgende Eigenschaften aufweisen müssen: Sie müssen überproportional zu ihrer Anzahl Kampfkraft entwickeln, sie müssen schnell sein mit großer Reichweite, im Idealfall uneingeschränkt querfeldeinbeweglich und sie müssen zugleich dem Transport von ultraleichten Einheiten dienen. Mit einem Wort: Drehflügler.

Eine Reduktion der Bodentruppen auf ultraleichte Verbände, Panzerjäger (welche selbst nicht zwingend gepanzert sein müssen) und (kurzstrecken- wie weitreichende) Raketenartillerie setzt so viel Personal frei, dass dadurch wesentlich stärkere Hubschrauberverbände möglich wären. Dazu benötigt man noch eine möglichst mobile unabhängige Infrastruktur für diese, welche es ermöglicht ständig wechselnde „Feldflugplätze“ für die Helis zu betreiben. Diese müssen auch vom Netz der Bodentruppen aus zumindest teilweise versorgbar sein.

In der Defensive können diese nun von „weiter hinten“ aus und über eigenen Kräften agierend gegen feindliche offensive Schwerpunkte vorgehen, beispielsweise wo diese durch künstlich geschaffene und frei gekämpfte Korridore vordringen. In der Offensive ermöglichen sie es nicht nur selbst in das feindliche Hinterland vorzudringen (sobald die Voraussetzungen dafür hergestellt wurden), sondern vor allem können sie die ultraleichten Bodeneinheiten tief ins feindliche Hinterland transportieren wo diese dann die gleiche Art von weiterentwickelten Jagdkampf auch in der Offensive betreiben können.

Aufgrund der Labilität heutiger Gesellschaften, selbst solcher wie der russischen welche robuster aufgestellt ist, sollten solche offensiven Handlungen nicht als primär gegen militärische Ziele gerichtet betrachtet werden. Stattdessen soll eine solche Armee vor allem auf der Strategischen Ebene wirken und gezielt auch am Boden die zivile Infrastruktur des Gegners angreifen, ohne die der Krieg nach kurzer Zeit gesellschaftlich heute gar nicht mehr getragen werden kann oder auf ein Niveau zurück fällt, welches deutlich unter dem ist was heute für den konventionellen Krieg angedacht wird und gerade auf diesem Niveau wird eine größere Zahl ultraleichter Kräfte wiederum vorteilhaft sein.

Um die Armee also mal insgesamt und ganzheitlicher zu skizzieren:

Marine massiv zurück fahren um Mittel frei zu machen (ja ich weiß!) - sehr starke Luftwaffe - ultraleichte Bodeneinheiten - starke EloKa, Jäger, Panzerjäger, Raketenartillerie - sehr starke Hubschrauberverbände:

Wie aber müssten diese Hubschrauberverbände beschaffen sein. Dazu hatten Helios und meine Wenigkeit ja schon eine recht ausführliche Diskussion im Strang Luftmechanisierung. Um meine Position daraus hier nochmal kurz darzustellen: meiner Meinung nach benötigen wir primär mittlere Mehrzweck-Hubschrauber (im Idealfall eines Basistyps) während auf dezidierte Kampfhubschrauber und insbesondere auf schwere Transporthaubschrauber verzichtet werden kann. Helios ist hier einmal mehr völlig anderer Ansicht - aber meine Ideen dazu resultieren auch aus einem spezifischen Kriegsraum in dem beispielsweise High/Hot Umgebungen keine Rolle spielen - oder aus einer gewissen Tendenz der Geringschätzung von MedEvac etc

Zudem gibt es meiner Ansicht nach gewisse Grenzen der Spezialisierung, und darf diese nicht zu weit getrieben werden. Nur in bestimmten Rahmen und nur bis zu einer gewissen Grenze steigert die Spezialisierung die Gesamtkampfkraft, über dieser Grenze wird sie durch noch darüber hinaus gehende Spezialisierung jedoch wieder gesenkt. Zudem muss eine ausreichende Quantität erzielt werden. Die schweren Transporthubschrauber sind aktuell zum Beispiel so ein Beispiel dafür, dass die Quantität unter kritische Grenzen fällt, womit sie als Fähigkeit insgesamt fragwürdig werden. Gerade deshalb meine Forderung nach mittleren Mehrzweck-Hubschraubern.

Beschließend bin ich der Ansicht, dass gerade die beschriebenen Fähigkeiten das sind, was die osteuropäischen Staaten als Ergänzung ihrer Armeen benötigen. Es wurde hier ja schon von anderen berechtigt darauf hingewiesen, dass ich die Armeen der Osteuropäer zu sehr außen vor lasse. Das war nicht meine Intention. Wenn man davon ausgeht, dass die Polen beispielsweise starke schwere mechanisierte Verbände vorhalten, stellt sich die Frage womit genau wir diese Einheiten am besten unterstützen können. Wenn die Franzosen in der Sahel-Zone sehr erfolgreich ihre mittleren Kräfte einsetzen, stellt sich die Frage wie wir wiederum diese am besten unterstützen können.

Und in einem größeren Rahmen stellt sich zudem die Frage der strategischen Mobilität welche durch die von mir hier skizzierte Armee besser geleistet werden kann als durch konventionelle Streitkräfte. Noch darüber hinaus taugt die beschriebene Wehrstruktur insbesondere auch für die Niederkämpfung von bürgerkriegsartigen Unruhen im eigenen Land oder massenweisem Terrorismus.
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