(Land) Regiments- vs. Bataillonsstruktur
#36
Allgemein:

Was wenige wissen ist, dass es in der russischen Armee eine Art weitere Zwischenstufe zwischen Offizieren und Unteroffizieren gab und bedingt auch noch gibt. Eine eigene Gruppe de facto niedrigrangiger Offiziere, gesondert von den sonstigen Offizieren. Davon gab es in der späten Sowjetunion eine sehr große Anzahl und sie übernahmen in der russischen Armee in weiten Teilen de facto die Aufgaben des Unteroffizierskorps.

Bei der Militärreform der russischen Armee wurde diese eigene Halb-Offizierskaste dann massiv aufgelöst, davon ist kaum noch etwas übrig. Der Plan war diese komplett abzulösen und ihre Aufgaben vollständig auf Unteroffizierskorps und die richtigen Offiziere aufzuteilen. Man hielt (folgerichtig) eine vierte spezielle Laufbahn zwischen Offizieren und Unteroffizieren für überflüssig, sonst hätte man ja eben Offiziere, Halb-Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften gehabt.

Nur: dass man dann nachdem man diese Gruppe weitgehend zerschlagen hat plötzlich die Reform hinwarf und eben kein Unteroffizierskorps aufbaute. Damit wurde dieser Bereich eben noch weiter degradiert.

Es gab damals während der Reform auch den Vorschlag, diese Halboffiziersgruppe unter Verzicht auf ein Unteroffizierskorps noch auszubauen und anstelle eines solchen zu verwenden. Ein Argument der Militärreformer war, dass der bessere Sold dieser Gruppe dann fähigere Bewerber anziehen würde und man so sogar ein im Vergleich mit anderen Streitkräften de facto fähigeres "Unteroffizierskorps" hätte. Und dass es ja keine Rolle spielt wie man das ganze nennt und was für Dienstgrade das sind, vorausgesetzt die eigentliche Funktion wird erfüllt.

Diese noch sinnvollere Reform wurde jedoch gleich zu Beginn massiv blockiert und schlußendlich unisono vom regulären Offizierskorps abgelehnt und sabotiert (wie auch sonst vieles andere was die Pfründe der Offiziere auch nur ansatzweise bedrohen könnte, beispielsweise den Aufbau von ausreichend Reserveoffizieren oder die Verwendung von Studenten in der Reserve etc.

In Bezug auf das eigentliche Thema stellt sich in diesem Kontext die Frage, ob eine Regiments- oder eine Bataillonsstruktur besser für die Führbarkeit im modernen Krieg geeignet ist.

Wobei dann hier sofort die Frage zu stellen ist, was genau ein Regiment sein soll. Denn: ein klassisches Regiment besteht ja gerade eben aus mehreren Bataillonen !

Das was man heute so ein Regiment nennt, hat mit dem was es früher mal war nur noch wenig oder gar nichts mehr zu tun. Bei der Bundeswehr sind Regimenter im Endeffekt nur verstärkte Bataillone die ein paar Kompanien mehr haben. Früher aber erreichten Regimenter als Truppengattungsreine Verbände teilweise die Größe heutiger Brigaden. Da bestand dann eine Division aus vier Regimentern (Karree-Division) oder aus drei Regimentern (Triangulare Divisioin).

Solche klassischen richtigen Regimenter können wir also de facto mal gleich außen vor lassen, denn dann stellt sich die Frage Regiment oder Bataillon überhaupt gar nicht, ist das Regiment ja dann die übergeordnete Ebene des Bataillons.

Heutige Regimenter (in der Bundeswehr) bestehen aus mehr Kompanien, haben also mehr Untereinheiten. Dafür ist der Regimentsstab etwas größer.

Nehmen wir zum Vergleich mal ein heutiges Fallschirmjäger-Regiment vs ein Fallschirmjäger-Bataillon.

26. Regiment: 1 Stabs-/Versorungskompanie, 2 EGB Kompanien, 3 FSJäger Kompanien, 1 schwere Kompanie, weitere logistische Elemente (Kompanieäquivalent), Ergänzungstruppenteil (Kompanieäquivalent) (die Ausbildungskompanie lasse ich mal weg). Man kommt so auf 9 Kompanie-Äquivalente im Einsatz, also 9 dem Regimentsstab unterstellte Untereinheiten.

263. Bataillon (2015 aufgelöst): 1 Stabs-/Versorungskompanie, 1 EGB Kompanie, 2 FSJäger Kompanien, 1 schwere Kompanie, sonstige Elemente (Kompanieäquivalent). Man kommt so auf 6 Kompanie-Äquivalente, also 6 dem Bataillonstab unterstellte Einheiten.

Wenn wir also 18 Kompanie-Äquivalente haben, dann kann man diese folglich in 2 Regimenter oder in 3 Bataillone gliedern. An der Zahl der Kompanien ändert sich dabei nichts. Man spart sich aber bei einer Gliederung in Regimenter einen Bataillonsstab. Andererseits sind weniger Untereinheiten deutlich besser führbar als mehr Untereinheiten und 9 unterstellte Elemente sind eigentlich zuviel.

Damit das also funktioniert, bedarf es spezifischer Umstände und eines sehr hohen Könnens sowohl der Regimentsführung als auch insbesondere der Kompanieführer. Ob man diese Qualität dann überhaupt im Kampfeinsatz so aufrecht erhalten kann ist fragwürdig.

Von der Frage der Führbarkeit her sind daher auf den ersten Blick Bataillone deutlich besser, entsprechend gliedert man die Brigaden heute auch in solche.

Andererseits ist das Regiment ja eigentlich kein wirkliches Regiment im bisherigen klassichen Sinne, sondern ein mit zusätzlichen Kompanien versehenes Bataillon. Nun könnte man wiederum daran gehen diese Kompanien deutlich größer zu machen, um so die Anzahl der Kompanien per Regiment zu verringern. Dann hätte das Regiment die gleiche Zahl von Untereinheiten wie das kleinere Bataillon usw.

Das wurde beispielsweise in der kaiserlich japanischen Armee in bestimmten Verbänden so gemacht, um die Führbarkeit der sehr mannstarken Bataillone zu verbessern.

Beispielsweise:

"Regiment neu": 1 Stabs-Aufklärungskompanie (verstärkt), 4 FSJäger Kompanien (verstärkt), 1 Versorgungs-Kompanie (verstärkt)

Schon hat man nur noch 6 Elemente. Entsprechend müsste man dann aber auch in den Kompanien wiederum größere Züge vorsehen, und damit diese wiederum (nach unten wird dies immer relevanter!) im Gefecht führbar bleiben dort mehr Führungselemente.

Insgesamt betrachtet kann man daher mit einer solchen Struktur in Wahrheit keine Führungs-Elemente einsparen ! man verschiebt sich lediglich entweder nach oben oder nach unten. Man hat also entweder mehr Offiziere und mehr Stabseinheiten und Stabsangehörige (konventionelle Bataillonsstruktur), oder mehr Unteroffiziere und Gruppenführer etc auf den unteren Ebenen ("Regiments" Struktur).

Für den eigentlichen Kampf, für die taktische Ebene halte ich einen Schwerpunkt bei den Führern im unteren Bereich für besser. Also mehr Unteroffiziere, und deshalb die Regimentsstruktur für überlegen. Und ihre Führbarkeit weiter oben könnte man wie erklärt verbessern.

Wenn dem aber so ist, warum setzt sich dass dann nicht von selbst durch? Der Grund ist höchst einfach: das bedeutet weniger Offiziere, weniger Karriere für diese, weniger Möglichkeiten für das Offizierskorps. Entsprechend haben die Offiziere ein hohes Interesse daran dass der Schwerpunkt in der Führung woanders, nämlich oben bei ihnen liegt, aus selbstischen Gründen.

Wenn dem nicht aktiv entgegen gesteuert wird, erzeugt nicht zuletzt dies den allseits bekannten Wasserkopf. Diesem könnte man aber durch andere Strukturen entgegen wirken, wenn man dies wirklich wollte.

Was aber vor allem anderen dazu benötigt würde ist ein möglichst starkes, möglichst befähigtes Unteroffizierskorps. Auch mit einer deutlich besseren Bezahlung der Unteroffiziere, höheren Anforderungen an diese und einer besseren und weitergehenden Ausbildung für diese. Ein weitergehender Motivator könnte und sollte die Möglichkeit sein, durch bewiesene Leistung im Kampfeinsatz dann auch ohne die sonst geforderten schulischen und universitären Leistungen in den Offiziersstand aufzusteigen. Diese Aufwärtsmobilität ist heute viel zu gering, sie herzustellen könnte aber zusammen mit anderen Strukturen die Leistung insgesamt deutlich erhöhen.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Regiments- vs. Bataillonsstruktur - von 26er - 21.04.2021, 10:27
RE: Regiments- vs. Bataillonsstruktur - von Quintus Fabius - 25.04.2022, 19:42

Gehe zu: