Der Zweite Burenkrieg
#4
Nelson:

Zitat:Allerdings waren die Buren mit ihrem damals bereits religiös sehr weit verbreiteten Apartheits-System (das man mehr oder weniger als Erfindung reformierter Pastoren betrachten darf - kein sonderlich netter Zug dieser mir sonst sehr sympathischen Konfession) und aufgrund ihrer Logistik nicht in der Lage, schwarze Arbeitskräfte in vergleichbarem Umfang einzusetzen - die Briten hingegen hatten zum Schluss nicht nur zehntausende Schwarze in der Logistik im Einsatz, sondern sogar schwarze Kampftruppen

Diese Einstellung gegenüber den Schwarzen war nicht nur bei den Buren vorherrschend. Tatsächlich dürften sich die Ansichten der Buren gegenüber den Schwarzen praktisch in keiner Weise von denen der Engländer unterschieden haben. Die Kriege der Briten gegen die Zulu hatten in England in dieser Zeit allgemein eine starke Ablehnung von Schwarzen in Südafrika verursacht. Die Mobilisierung schwarzer Arbeitskräfte durch die britische Armee (beispielsweise zur Errichtung von tausenden Meilen von Stacheldrahtverhauen) erfolgte daher nicht aus irgendwelchen positiven Einstellungen den Schwarzen gegenüber, sondern schlicht und einfach mit Zwang. Die Schwarzen wurden einfach zwangsrekrutiert und als Arbeitskräfte eingesetzt (größtenteils ohne Bezahlung) oder direkt aus den Konzentrationslagern heraus gezogen um sie arbeiten zu lassen.

Das die Briten mehr Schwarze heran ziehen konnten lag schlicht und einfach daran, dass sie größere Gebiete in dieser Region beherrschten und in diesen Gebieten viele Schwarze von den Engländern als Arbeitskräfte zwangsrequiriert werden konnten. Wie Pogu es ja schon ausführte haben aber auch die Buren Schwarze entsprechend als Zuarbeiter eingesetzt.

Schwarze Kampftruppen wiederum waren lediglich deshalb in den britischen Streitkräften stärker vertreten, weil in den Burengebieten zu dieser Zeit noch gar nicht so viele Schwarze lebten (nur ca. 50% der Bevölkerung waren Schwarze) und die Buren darüber hinaus im ständigen Kleinkrieg mit angrenzenden schwarzen Stämmen lagen, während die Briten sich mit genau diesen Stämmen gegen die Buren verbündeten. Beispielsweise führte der Dauerkonflitk zwischen den Buren und den Tswana nicht nur zur Schaffung des Protektorats Betschuanaland im Jahr 1885 sondern auch dazu, dass die Tswana den Briten Truppen gegen ihre alten Erzfeinde stellten. Während in den Burenstaaten nur 45% bis 50% der Bevölkerung Schwarze waren, war der Anteil von Schwarzen in Betschuanaland beispielsweise bei mehr als 90%.

Zitat:Aus britischer Sicht war die weitgehende "Passivität" der schwarzen Zivilbevölkerung (bzw. ihre mangelnde Mobilisierung durch die Buren) aber auch so schon ein Sieg.

Wie Pogu schon ausführte war die schwarze Bevölkerung in den Burenstaaten keineswegs einfach nur passiv. Ein Teil kämpfte aktiv auf Seiten der Buren - und zwar gerade eben deshalb, weil englische Glücksritter, Kriminelle und Herumtreiber welche im Rahmen des Gold- und Diamantenrausch dorthin kamen sich massiv an der schwarzen Bevölkerung vergriffen. Und wer nicht aktiv für die Buren war, der wurde einfach zur Arbeit gezwungen. Die Buren konnten beispielsweise nicht zuletzt deshalb so große Anteile ihrer weißen männlichen Bevölkerung in den Kampf senden, weil die Arbeiten daheim auf den Farmen von den Schwarzen weiter geführt wurden. Die Arbeit der Schwarzen auf den Feldern war daher sehr wohl kriegswesentlich. Darüber hinaus war die ethnische Zusammensetzung damals noch nicht so wie sie heute ist.

Und umgekehrt gelang es den Engländern eben auch Buren auf ihre Seite zu ziehen so dass zwischen 5000 und 6000 Buren für die Engländer kämpften. Der Kriegsbeitrag dieser Überläufer war erheblich. Wenn man überlegt dass damit jeder 5 burische Kämpfer auf Seiten der Engländer stand wird das sofort offensichtlich. Wurde aber schon damals von den Engländern so weit wie möglich herunter gespielt da man ja nicht öffentlich verkünden konnte, dass der Sieg ausgerechnet auch burischen Aufklärern zu verdanken war.

Zitat:Der Guerilla-Krieg war ja erst die zweite Phase des Burenkriegs - als eine offenere Kriegsführung bereits an der britischen materiellen Überlegenheit gescheitert war.

Der konventionelle Teil des Krieges scheiterte eben keineswegs primär an der materiellen Überlegenheit der Briten. Das rauchschwache Pulver und die hohe effektive Reichweite der burischen Schützen führten dazu, dass in dem Gelände dort die rein zahlenmässige Überlegenheit der Briten kaum zum tragen kam. Lord Roberts selbst beklagte sich mehrfach darüber und schrieb dazu, dass überlegene Mannzahlen durch das moderne Gewehr ausgeglichen werden könnten und es fragwürdig sei, ob bei Fortführung dieser Entwicklung Offensiven überhaupt noch möglich sein werden (interessante Vorwegnahme des 1 WK).

Die Buren scheiterten also nicht weil das Empire unüberwindliche Mittel gegen sie einsetzte, sondern weil Lord Roberts die Kampfweise änderte. Beispielsweise wurden frontale Durchbruchsversuche gegen burische Verteidigungsstellungen untersagt und diese stattdessen seitlich umgangen.

Zitat:Das eigentliche Nachschubproblem bestand hingegen von Anfang an - die Briten konnten frei und nach Belieben die Kräfte eines Weltreichs bündeln und heranführen, während die Buren mit dem arbeiten mussten, was eben zu Kriegsbeginn im Lande war oder vom Feind erobert werden konnte.

Ein Weltreich bindet aber auch immense Kräfte und daher hätten die Briten in keinster Weise noch mehr Truppen mobilisieren können. Sie waren bereits am Anschlag. Hätte man von Seiten der Briten die katastrophal schlechte (veraltete) Kampfweise welche man anfangs pflegte fortgeführt, hätte das Empire diesen Krieg in dem Sinne verlieren können, dass man zu einem Kompromissfrieden gefunden hätte. Den die Buren waren ja schon vor Kriegsbeginn durchaus zu Zugeständnissen bereit, beispielsweise das von den Briten geforderte Recht auf Einbürgerung und das Wahlrecht für Briten einzuräumen etc.

Darüber hinaus lebten sehr viele Buren ja auch außerhalb der Buren-Republiken (Kap-Buren) und es hätte leicht auch zum Aufstand derselben kommen können. An dieser Stelle sollte man vielleicht mal anmerken, dass der hier gerade behandelte Krieg genau genommen der zweite Burenkrieg ist. Den ersten Krieg gegen das Empire im Jahr 1880 f.f. hatten die Buren ja gewonnen und gerade daraus enstand ja erst die Situation welche dann zum zweiten Burenkrieg führte. Dieser war also keineswegs so determistisch wie du es hier darstellst.

Die Buren waren sehr wohl zu Kompromissen mit dem Empire bereit und sie waren auch dazu bereit britischen Firmen Zugang zu den Bodenschätzen zu gewähren und wären auch mit Selbstverwaltung unter nomineller britischer Oberherrschaft einverstanden gewesen. Wären die Niederlagen und drastischen Verluste so weiter gegangen (was so gekommen wäre wenn Lord Roberts nicht übernommen hätte), dann wäre der zweite Krieg sehr wahrscheinlich gar nicht unähnlich dem ersten ausgegangen.

Zitat:Die Buren haben sogar extrem lange durchgehalten. Gemessen daran, dass die Briten eigentlich optimale Bedingungen hatten - einen geographisch völlig isolierten, wirtschaftlich und zahlenmäßig hoffnungslos unterlegenen Feind,

Die Burenstaaten waren in Wahrheit vergleichsweise wohlhabend, ihre Ausrüstung aufgrund dessen auf dem neuesten Stand. Das isolierte Land bot auch diverse Vorteile, die Buren hatten die Innere Linie, sie waren weitgehend autark und gewöhnt daran ohne Nachschub oder mit großen Nachschubproblemen möglichst lange durchzuhalten. Die Lebensmittelversorgung war problemlos gesichert solange die Briten nicht in die Kerngebiete eindringen konnten. Da kaum Artillerie verwendet wurde und genügend Gewehre im Land waren und man Munition bei den Briten erbeuten konnte, hätte der Krieg so gesehen von burischer Seite lange weiter geführt werden können.

Und die zahlenmässige Überlegenheit wurde erst dann zum Vorteil, als die Briten sie dafür einsetzten burische Verbände mit einem Teil der Truppen zu binden, und mit den anderen Truppenteilen möglichst weiträumig um diese herum zu manövrieren. Erst als Lord Roberts aus dem recht weitgehend zum Stellungskrieg gewordenen Kampf wieder einen Bewegungskrieg machte und es den Briten dadurch gelang in die burischen Kerngebiet einzudringen begann sich das Blatt zu wenden.

Und wie schon beim ersten Burenkrieg hätte die britische Regierung mit den erheblichen Verlusten welche man dort erlitt und zugleich dem Angebot der Buren auf sehr günstige Konditionen zu Gunsten des Empire keineswegs diesen Krieg nach Belieben fortgeführt, zumal sich dieser durchaus auch in die britische Kap-Kolonie hätte ausweiten können (eine der Hauptsorgen Lord Roberts).

Die zahlenmässige Überlegenheit war daher in der konventionellen Phase nicht von der Bedeutung welche du ihr hier zuschreibst. Sie wurde erst mit dem Guerilla-Krieg relevant. In dieser Phase (dem Partisanenkampf) - da kann ich dir zustimmen, da wurde die zahlenmässige Überlegenheit einer der wesentlichsten Faktoren und ohne sie wäre das ganze Block-Haus (Stützpunkt) System gar nicht möglich gewesen.

Diese Dichotomie findet man sehr häufig in der Kriegsgeschichte und trotz aller heutigen Technologie auch noch heutzutage: dass man für den konventionellen Teil eigentlich viel weniger Truppen benötigt als man vorher denkt und dass man für den assymetrischen Teil danach eigentlich viel mehr Truppen benötigt als man vorher denkt (Musterbeispiel Irakkrieg). Und dass der Übergang die kritische Stelle ist.

Zitat:Immerhin wurden damit knapp die Hälfte der theoretisch verfügbaren Mannstärke von Oranje-Transvaal schon zu Beginn des Kampfes aus dem Spiel genommen.

Anbei: die Briten haben mehr als 100.000 Schwarze in die Konzentrationslager gesperrt. Primär junge wehrfähige Männer. Das war ein Gros des entsprechenden Bevölkerungs-Anteils in den Buren-Republiken. Wieviele davon umkamen ist nicht mal mehr klärbar da die Briten sich nicht die Mühe gaben tote Schwarze ernsthaft zu zählen.

Allein die Zahlen sind mehr als eindeutig: es gab 45 Concentration Camps für Buren und zusätzlich 64 Concentration Camps nur für Schwarze. In den Konzentrationslagern für Buren waren mehrheitlich Frauen und Kinder. Es kamen mindestens 26.000 Frauen und Kinder dort um. In den Konzentrationslagern für Schwarze waren mehrheitlich Männer. Die Zahl der Toten ist völlig unklar, geht aber vermutlich in die zehntausende. Nicht mal die Zahl der Schwarzen die in die Lager getrieben wurden ist wirklich bekannt. Man weiß von gesichert mindestens 107.000, es waren aber vermutlich noch deutlich mehr.
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Der Zweite Burenkrieg - von Quintus Fabius - 09.01.2021, 23:54
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