Droht ein Polexit?
#49
Broensen:

Zitat:Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit, Menschenrechte, persönliche Freiheit...
Helios hat es schon ganz gut getroffen: Die Werte der Aufklärung.

Wie Helios aber auch schon ausgeführt hat, können Demokratie und Meinungsfreiheit durchaus ganz andere Dinge hervorbringen als Menschenrechte und persönliche Freiheit. Und wie weit soll die persönliche Freiheit reichen, wo die Grenze sein? Die aus der Aufklärung resultierende Ideologie ist der Liberalismus, der aber im Kern an sich eine Anti-Ideologie Ideologie ist. Er wendet sich also als Ideologie ganz explizit gegen andere Auffassungen. Da solche anderen Auffassungen heute in Europa zu schwach geworden sind, sowohl qualitativ als auch quantiativ zu unbedeutend, hat sich meiner Auffassung nach der Liberalismus heute gewandelt. Er ist ebenfalls zu etwas neuem geworden, da nichts mehr übrig war wogegen er sich hätte wenden können. Deshalb wendete er sich im Prinzip gegen sich selbst und wurde zu dem was ich mit Postliberalismus bezeichne und diese Ideologie der Gegenwart vertritt eben nicht die Werte der Aufklärung, sondern sie zerstört diese.

Damit die Vernunft als universelle Urteilsinstanz überhaupt praktisch real funktionieren kann, ist eine vernunftorientiere Gesellschaft notwendig, deren Grundlage wiederum eine kritische Öffentlichkeit darstellt. Genau dieses Fundament einer aufgeklärten Gesellschaft wird aber hierzulande rasant erodiert. Und da diese Erosion eben nicht von anderen Ideologien herrührt, eben kein Produkt rechter oder linker oder islamischer Agitation ist, bedeutet dies dass sie aus sich selbst heraus entsteht, dass also der Liberalismus ohne Gegenwelt sich in eine negative Form seiner Selbst verwandelt hat und genau das selbst zerstört, was er vorher angestrebt hat. Weshalb wir eben nicht mehr in einer Gesellschaft der Aufklärung leben, in der Moderne also, sondern in einer Gesellschaft der Postmoderne, deren Ideologie des Postliberalismus gerade eben die Werte der Aufklärung vernichtet.

Beispielsweisei ist der aktuelle Rechtspopulismus daher keine Ursache für gesellschaftliche Spaltung oder ein Widerstand gegen die Werte der Aufklärung, sondern er ist nur ein Symptom, eine Folge der Spaltung und der Zersetzung der Werte der Aufklärung. Deren Ursache aber ist die Wandlung des Liberalismus selbst.

Das Heilsversprechen der Aufklärung ist daher gescheitert, das Projekt der Aufklärung daher unvollkommen und unbeendet zu einem Ende gekommen. Gerade die Rückbesinnung auf andere Europäische Strömungen könnte diese Fehlentwicklung beheben und daher sind solche Entwicklungen wie sie in Polen stattfinden gerade eben kein Schaden für die Aufklärung, sondern die einzige Chance dieses Projekt überhaupt noch wieder voran zu bringen. In einer dialektischen Entwicklung bedarf die Aufklärung eines Gegenmodells, dieses kann aber nur ein genuin europäisches Gegenmodell sein, da nur ein solches die dafür notwendigen geschichtlichen und kulturellen Wurzeln aufweist. Gerade deshalb waren Skeptizismus und Konservatismus als kritische Gegenbewegungen zur Aufklärung nicht zu deren Schaden, sondern ganz im Gegenteil wesentlich für die Fortführung und die richtige Entwicklung dieser Auffassung.

Aufklärung und eine durch Vernunft geleitete Gesellschaft kann es daher in einem völlig säkularen und areligiösen Staat nicht geben, da die Natur des Liberalismus ohne ausreichende Gegenmacht destruktiv wird und die Gesellschaft dann eben nicht mehr von Vernunft geleitet wird. Was exakt das ist, was wir aktuell über all im Westen TM beobachten.

Ottone:

Zitat:Manchmal wünschte ich mir, dass dieses Forum für eine Woche bestimmte Begriffe und Worte sperren könnte wie Verfall, Untergang, Verwahrlosung, zwingend, unausweichlich. Aber vielleicht liesse sich so etwas ja einmal als gemeinsames Experiment organisieren?

Das ist ein wirklich interessanter Gedanke.

Zitat:Es gibt einige Diskussionsteilnehmer, die sich eine Welt mit festeren Regeln und in Folge weniger Freiheiten wünschen.

Tatsächlich ist es so, dass die moralische Beliebigkeit der Gegenwart in dieser Bundesrepublik ein erhebliches Ausmaß an Unfreiheit erzeugt und dass diese Unfreiheit auch noch ständig zunimmt. Das erscheint auf den ersten Blick kontraintuitiv. Eine Welt mit festeren kulturellen und gesellschaftlichen Banden ist eine Welt mit mehr Freiheit. Stattdessen führt die Auflösung der Gesellschaft an sich zwingend zu einem Nanny-Staat der den Menschen die persönliche Freiheit zunehmend in einem Ausmaß beschneidet, dass früher nur in den totalitärsten Systemen so vorkam.

Zitat:Um das Christentum an sich geht es dabei weniger, mehr um konservative und klare Strukturen, die sich nicht verändern (selbst wenn sich die Welt ändert), und bei denen die Menschen eindeutig als Mitglied (drinnen) und Nichtmitglied (draussen) identifiziert und behandelt werden. Man widerspreche mir!

Es geht mir beispielsweise ganz klar und eindeutig darum, dass es eine klare Trennung von Drinnen und Draußen geben muss. Aus ganz schlichten praktischen Fragen der Funktionalität heraus. Eine solche Trennung bedingt auch Ungleichheit und Ungerechtigkeiten, zweifelsohne. Beides aber sind Grundvoraussetzungen für den Erfolg einer Gesellschaft. Und dieser Erfolg ist wesentlich, da man global gesehen in einem evolutionären Wettbewerb mit anderen Gesellschaft steht und zwischen den Gesellschaften der Welt Anarchie herrscht und eine Auslese in welcher die technologische wie kulturelle Evolution es zwingend erfordern diesen Wettbewerb als einen Kampf aktiv zu führen.

Aus dem Grund bin ich auch nicht uneingeschränkt für bloße konservative Positionen. Genau genommen ist die konservative Positione wie aramiso es ja auch schon geschrieben hat unhaltbar. Zweifelsohne muss man sich weiter entwickeln, muss man sich anpassen und man muss das bestehende Verändern. Die Frage ist daher nicht ob man Veränderung benötigt, sondern was für eine Veränderung die geeignetere ist, welche also den Umständen der Zukunft eher entspricht.

Und die Entwicklungen in Polen sind beispielsweise meiner Überzeugung nach eine bessere Anpassung, die geeignetere Veränderung im Vergleich als das was hierzulande an Veränderung stattfindet.
Die ach so moderne Wertegemeinschaft dieser Bundesrepublik und ihr Wertekanon sind nämlich in Wahrheit mehr Schein als Sein, sind bloße Behauptung aus Überheblichkeit heraus. Die Realität in Deutschland ist eine andere:

Zerstörte Familien, Scheidungsraten wie noch nie, immer weniger Beziehungen, immer weniger Kinder, immer mehr Kinderfeindlichkeit, immer mehr Kindeswohlgefährdung, Vereinsamung, massive Ausbreitung psychischer Krankheiten und Sexualstörungen, Verfall von Leistungsbereitschaft, sinkende wissenschaftliche Leistung, Verlust von Fleiß und Disziplin, Verlust von Vaterlandsliebe und Gottvertrauen, sinnfreies Einräumen von unfassbaren Vorteilen und Freiheiten für zutiefst fremde und feindlich gesinnte Kulturen und Ideologien, die Ausbreitung des Islam in dieser Bundesrepublik usw usw usf - ich weiß ! - eine Mehrheit wird nun sofort lauthals etwas von rechtem Gedankengut und wie ablehnenswert dieses sei und wie sehr dies der Aufklärung wiederspricht von sich geben.

Aber mal völlig befreit von moralisch-ethischen Überlegungen und mal ohne dass man solche Werte und Normen als Rechts oder Links einstuft: völlig frei also nur für sich, kann man solche Werte und Normen auch einfach mal nur unter der Frage der Nützlichkeit und der Frage der besseren Anpassung an die Umstände betrachten. Zweifelsohne sind die genannten Werte für den Erhalt eines Staates und für das Überleben einer Gesellschaft extrem nützlich. Und sind die gegenwertigen Werte für den Erhalt des Staates und das Überleben einer Gesellschaft schädlich.

Die praktischen realen Konsequenzen der aktuellen Fehlentwicklungen in West-Europa sind ja offen sichtbar und messbar. Wo sind deutsche Nobelpreise? Wo bahnbrechende deutsche Technologie? Wo sind gesunde Familien in denen Kinder behütet und sittsam aufwachsen? Wo ist unsere militärische Stärke hin? Man könnten endlos weiter so Fragen stellen. Stattdessen verbreitet sich immer mehr systeminhärente Korruption und zerfällt diese Gesellschaft in unversöhnlich einander gegenüber stehende Gruppen von zersplitterten Radikalen und wird gerade diese Entwicklung vom Staat auch noch in jeder Weise gefördert. Zweifelsohn: Teile und Herrsche, eine zersplitterte Nicht-Gesellschaft von lauter hedonistischen materialistischen Einzelkindern wird die Eliten nie mehr stürzen können und auch sonst wird es keine Veränderung mehr aus der von oben befohlenen und angestrebten mehr geben. Eine solche Gesellschaft ist aber sehr schlecht für die Herausforderungen der Zukunft aufgestellt, und dieser Weg führt einfach in die Brasilianisierung/Mexikanisierung Europas.

Wir zerstören uns selbst und berauben uns unserer Freiheit unter dem Deckmäntelchen vermeintlicher Freiheit und vermeintlicher Menschenrechte. Und während nordafrikanische Drogenbanden unser Land dann genau wie die Niederlande auch in einen Narkostaat verwandeln werden, und der Rechtsstaat für normale Bürger aufhört zu funktionieren wird man parallel dem durch Legalisierung von Drogen noch Vorschub leisten und zugleich den Minarett-Bau weiter fördern. Dies abzulehnen hat nichts mit Rechts oder Links zu tun, es ist ein Gebot der Vernunft es abzulehnen und es ist ein Gebot der Aufklärung es abzulehnen und eine aufgeklärte Gesellschaft sollte sich anders entwickeln, woraus man im Umkehrschluss nur schlussfolgern kann, dass diese Nicht-Gesellschaft der Bundesrepublik eben keine aufgeklärte Gesellschaft mehr ist.

Abgesehen davon werde ich nach diesem Eintrag tatsächlich mal eine Woche keines der von dir angeführten Wörter mehr verwenden.
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Droht ein Polexit? - von lime - 06.12.2020, 23:41
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