EU vs. Großbritannien: Brexit und Folgen
#1
Ich denke, dass sich der sogenannte Brexit - nachdem beide Seiten sich zunächst bzw. nach der Abstimmung in Großbritannien ein wenig die Augen gerieben haben (fast so, als wenn es ein fernes, ja abstraktes Konstrukt sei) - allmählich in die harte Phase der Verhandlungen eintreten könnte. Sah es bislang so aus, als wenn die Trennung zumindest halbwegs gesittet und hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden wird, so lassen aktuelle Reden und Ankündigungen, von beiden Seiten, vermuten, dass die Trennung noch ziemlich heftig im Ton werden könnte. Dies ist sicher Grund genug, über das Thema einen eigenen Thread zu erstellen - auch weil es in der EG/EU-Geschichte ein ziemlich einmaliger Vorgang ist. Ich will nicht gleich einen Rosenkrieg skizzieren, aber ich denke, dass das Thema in der nächsten Zeit noch ziemlich spannend wird...

a) Hierzu (von Januar) eine Meldung über den Standpunkt der englischen Regierung:
Zitat:Mays Brexit-Pläne

Ich will, ich will, ich will

Theresa May wollte nett und hart sein zu den europäischen Freunden. Doch ihre Brexit-Rede zeigt vor allem eins: Die britische Premierministerin ist realitätsblind. [...]

Großbritannien werde nach dem Brexit fairer, vereinter und weltoffener, sagte die Premierministerin, ein sicheres, wohlhabendes, tolerantes, globales Land. Ein verlässlicher Partner, bereitwilliger Verbündeter, enger Freund. Unter der Welle an oberflächlichen Nettigkeiten kam vorne am Rednerpult im Lancaster House aber bald etwas Härteres zum Vorschein. Die steinerne Frau May. Sollte der Rest Europas nicht mitziehen und Großbritannien während der Brexit-Verhandlungen sogar bestrafen, sagte die Regierungschefin, dann habe das für alle ungute Folgen. Das war keine Versöhnungsansprache, sondern ein Katalog von Forderungen mit einer Prise Drohung. Viele ihrer Sätze begannen mit: Ich will. [...]

Theresa May möchte, dass Großbritannien aus dem Binnenmarkt austritt und sich nicht mehr den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs beugen muss. Sie will ein Freihandelsabkommen und weitaus weniger in den EU-Haushalt einzahlen als bisher. Und sie will mit einem Bein in der Zollunion stehen und mit dem anderen draußen, allerdings ohne zu sagen, wie diese Gymnastik vonstatten gehen soll. [...]
http://www.spiegel.de/politik/ausland/br...30413.html

b) Eine (aktuelle) Reaktion aus Deutschland, die nicht gerade auf einen Schmusekurs hinweist:
Zitat:Regierungserklärung zum Brexit

Merkels Warnung

Großbritanniens Wünsche sind nicht der Maßstab der Bundeskanzlerin – das hat Angela Merkel klargemacht. Sollte sich London noch immer Illusionen machen, könnten sie schon bald enttäuscht werden. [...] Denn dass die britischen Wünsche nicht mehr ihr Maßstab sind, das hat die Kanzlerin am Donnerstag im Bundestag klargemacht. Von nun an zählen vorrangig die Interessen der verbleibenden 27 Mitglieder, die sich bislang auffallend geschlossen zeigen (was nicht so oft vorkommt). [...]

Dass sich mit dem näher rückenden Beginn der Verhandlungen Zweifel an der Weitsicht dieser Entscheidung einschleichen, macht diese nicht rückgängig. Immerhin scheinen auch vielen Politikern in London Tragweite und Komplexität des Brexit zu dämmern. [...]

Sobald der Austritt vollzogen ist, wird das Vereinigte Königreich ein Drittstaat sein.
http://www.faz.net/aktuell/politik/inlan...90591.html

c) Und eine weitere (aktuelle) Reaktion aus Großbritannien:
Zitat:London blockiert EU-Haushaltsbeschluss

An diesem Samstag wollen die EU-Staaten ihre Leitlinien für die Brexit-Verhandlungen beschließen. Und schon gibt es den ersten Krach mit London: Die britische Regierung blockiert die Annahme der Überprüfung der EU-Finanzplanung – aus fadenscheinigen Gründen, wie es in EU-Kreisen heißt. [...]

In EU-Kreisen wurde die Blockade als „Vorgefecht" zu den Verhandlungen über die Austrittskosten im Zuge des Brexit eingestuft. Wie die F.A.S. weiter berichtet, beschwerte sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über das Vorgehen, als er Premierministerin Theresa May am Mittwoch zu einem Abendessen in London traf. Juncker machte deutlich, dass er unter diesen Umständen nicht bereit sei, vor der Unterhauswahl einen Termin für den Beginn der Brexit-Verhandlungen festzulegen. [...]

In Brüssel wird befürchtet, dass Theresa May auch nach der Parlamentswahl ihre Zustimmung zur geänderten Finanzplanung als Faustpfand in den Brexit-Verhandlungen einsetzen will.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/br...93127.html

d) Wie sieht es derweilen eigentlich in Frankreich, dem anderen Schwergewicht neben Deutschland, aus, wo Macron durchaus der nächste Präsident werden könnte? Wie ist hier der Standpunkt zum Brexit (ich beziehe mich hierbei auf Macron, nicht auf Le Pen, deren Ansichten klar sein dürften)?
Zitat:French presidential favourite Macron may drive hard bargain in Brexit talks

The current favourite to become president in the French election could spell bad news for the UK government in talks on Brexit should he win. If Emmanuel Macron succeeds in the second round on 7 May, which he is currently favourite to do, he is likely to drive a hard bargain in Brexit negotiations. [...]

In his election manifesto he described Brexit as a “crime” that will leave the UK facing “servitude”. The independent centrist favours a hard Brexit that would leave the UK outside of the single market, and has stressed the importance of “defending the integrity” of the EU’s intertwined freedoms of movement and trade.
https://www.theguardian.com/world/2017/a...exit-talks

So wie es sich also abzeichnet, könnten die Verhandlungen noch ziemlich spannend (und auch ruppig) werden.

Schneemann.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
EU vs. Großbritannien: Brexit und Folgen - von Schneemann - 29.04.2017, 10:39

Gehe zu: