(Zweiter Weltkrieg) Imperiale Japanische Armee
#36
Der Boxer Aufstand

Die Niederlage der Qing-Dynastie gegen das aufstrebende Japanische Kaiserreich wurde wie schon weiter oben beschrieben von den Europäischen Mächten nicht als Zeichen der zunehmenden Stärke Japans, sondern primär als Symptom einer erheblichen Schwäche Chinas verstanden. In der Folge dessen nahmen die Übergriffe der Europäischen Mächte nach der Niederlage der Qing drastisch zu. Im Januar 1898 erhielt dann das deutsche Reich die Shandong Halbinsel für 99 Jahre überschrieben, zwei Monate später besetzten die Russen die Liaodong Halbinsel und russische Kriegsschiffe gingen in Dairen und Lüshun vor Anker, dass in Port Arthur umbenannt wurde. Noch im April des gleichen Jahres erzwang Großbritannien weitreichende Konzessionen und besetzte eine Marinebasis in Weihaiwei, während zugleich die Franzosen in Vietnam und Südchina ihren Einfluss ausweiteten. China wurde in einem bis dahin noch da gewesenen Ausmaß von den Europäern erschlossen und durchdrungen, was eine rasche und massive Abstoßungsreaktion der Chinesen gegen alle Ausländer zur Folge hatte.

Zwischen 1898 und 1900 breitete sich die Geheimgesellschaft der „Boxer“ in China aus und es kam zu immer mehr Übergriffen auf Europäer in China. Genau genommen handelte es sich bei den „Boxern“ um mehrere fremdenfeindliche und nationalistisch Han-Chinesische Geheimgesellschaften, welche sich dann gegen die „fremden Teufel“ zusammen schlossen bzw zum Zweck der Vertreibung der Ausländer kooperierten. Diese Geheimgesellschaften lehnten auch die Herrschaft der „ausländischen“ Mandschu ab, wurden aber trotzdem vom Qing Hof insgeheim gefördert und mit Geld und Waffen versehen. Schließlich ermordeten die Boxer den deutschen Botschafter in China und begannen das Quartier der Ausländer in Peking zu belagern, in denen sich die Botschaften, Konsulate und Gesandschaften der Europäischen Mächte befanden.

Dies veranlasste Großbritannien, dass Deutsche Reich, Italien, Russland, Frankreich und die USA Truppen nach China zu entsenden und diesem Bündnis schlossen sich die Japaner an. Der Vorfall fiel nun genau in den Höhepunkt der hektischen und extremen Aufrüstung und Modernisierung der japanischen Armee und die Führung der IJA sah in der Expedition eine gute Möglichkeit, ihre Rüstungen und Neuerungen in Doktrin und Taktik und Gefechtsbedingungen zu testen. Trotz der massiven Überlastung aufgrund der laufenden Umstellungen und ständigen Erhöhung der Zahl der Divisionen stellte die IJA ad hoc 300 Elitesoldaten für eine erste Expeditionsstreitmacht von insgesamt 2000 Mann zur Verfügung. Diese blieb jedoch bei ihrem Marsch von Tianjin nach Peking Anfang Juni an einer Brücke hängen, welche die Boxer besetzt hatten. Um die Brücke herum kam es nun zu massiven Kämpfen, bei denen die Expeditionsstreitmacht einige Verluste erlitt. Der Gros der Kämpfe wie der Verluste wurde dabei von den Japanern getragen, welche auch den folgenden Rückzug nach Tianjin deckten und die Nachhut gegen die zahlenmässig weit überlegenen Boxer bildeten. Die Führung der IJA kam aus diesen ersten Kämpfen zu der Schlussfolgerung, dass trotz der verhältnismäßig hohen japanischen Verluste die Aktion als Erfolg zu werten sei und die Funktionalität und Überlegenheit der neuen japanischen Doktrin und Ausrüstung damit erwiesen sei.

Nur drei Tage später verlegte der Generalstab der IJA 1300 Mann unter dem Kommando von Generalmajor Fukushima Yasumasa nach Nordchina um dort ein Vorauskommando für noch folgende größere Truppenverbände zu bilden. Yasumasu war zuvor der Direktor des Militärgeheimdienstes gewesen und wurde vom Generalstab nicht zuletzt auch wegen seiner hervorragenden Englischkenntnisse und seiner Weltläufigkeit ausgesucht worden. Am 5 Juli landete die japanische „Marine“infanterie bei Tianjin. Verstärkt wurde sie bei der Landung durch einige hundert Marinesoldaten der Sasebo Spezial Einheit, einer auf amphibische Operationen spezialisierten Einheit der IJN. Am 21 Juni erklärte dann die Qing Dynastie den Westmächten den Krieg.

Zu diesem Zeitpunkt war Großbritannien im Burenkrieg in Südafrika gebunden und fiel damit als Truppensteller weitgehend aus. Die Briten baten daher Japan um ausreichend Truppen für den Entsatz der ausländischen Botschaften in Peking und für die Niederwerfung der Qing Dynastie. Der Außenminister Japans, Aoki Shuzo und Yamagata, der zu diesem Zeitpunkt die Position eines Premierministers inne hatte agitierten dann massiv für eine möglichst große militärische Intervention in China, stießen dabei aber auf den erbitterten Widerstand eines Teils des Parlamentes, welches befürchtete, dass die IJA auf diese Weise noch mehr Macht und Geldmittel erlangen würde. Trotzdem wurde die 5 Division mobilisiert und bereits am 6 Juli in Richtung China in Bewegung gesetzt.

Da die Japaner als einzige Macht in Ostasien über ausreichend moderne Truppen verfügten, und die Briten in Südafrika gebunden waren, bot der britische Botschafter in Japan auf der Stelle eine Millionen Pfund für die rasche Entsendung der japanischen Truppen an. Am nächsten Tag schon verlegte die komplette 5 Division nach China. Damit stellte Japan den mit Abstand größten Teil der Alliierten Streitkräfte in China.

Die Festungsanlagen der Qing bei Tianjin wurden durch die Japaner am 14 Juli gestürmt und die Stadt selbst besetzt. Anfang August stießen die alliierten Truppen dann in Richtung Peking vor, dass sie bereits am 14 August erreichten. Von den insgesamt in China agierenden 30 000 Mann stellte Japan dabei insgesamt 13 000. Europäische Militärbeobachter vor Ort zeigten sich dabei vor allem von der extremen Aggressivität der japanischen Soldaten sehr beeindruckt, welche aber auch bei den Angriffen manchmal zu unnötigen Verlusten führte. Zudem hoben alle Augenzeugen des Geschehens die besonders hohe Disziplin der Japaner hervor. Diese wurde jedoch auch in besonderem Maße durch drakonische Strafmaßnahmen hergestellt. Die japanische Führung wollte durch ein besonders gutes diszipliniertes Auftreten ihrer Soldaten Ansehen vor den Europäischen Mächten erlangen und daher wurde von Anfang an allen Soldaten eingeschärft, unter keinen Umständen die japanische Nation durch Fehlverhalten zu entehren. Jede Form von Plünderung oder Übergriffen auf Zivilisten wurde untersagt, auf die Vergewaltigung chinesischer Frauen wurde als Strafe die sofortige Köpfung ohne vorherige Verhandlung durchgeführt. Auch und insbesondere in Bezug auf die Hygiene und medizinische Vorsorge im Feld wollte man ein Exempel statuieren und setzte hier ebenfalls im Verhältnis zur Zeit übertrieben wirkende Standards mit allen Mitteln durch. In der Folge dessen führte die IJA während der Boxer-Expedition die meisten Kämpfe, erlitt mit Abstand die höchsten Verluste und zeigte von allen beteiligten Streitkräften dass mit weitem Abstand beste Benehmen, insbesondere gegenüber der chinesischen Zivilbevölkerung. Ein scharfer Kontrast zu den Massakern am Ende des ersten chinesisch-japanischen Krieges wie auch zum späteren Auftreten der IJA in anderen Konflikten.

Trotz allen Bemühens der IJA, als Sinnbild für Disziplin und Modernität wahrgenommen zu werden, wurde auch nach der Boxer-Expedition die IJA von den europäischen Mächten nicht sonderlich ernst genommen, insbesondere von den Russen nicht. Die Boxer-Expedition hatte jedoch für die IJA weitreichende Folgen. Aufgrund des Friedensabkommens im September 1901 zwischen den Qing und den Alliierten wurde diesen gestattet, zwischen Tianjin und Peking Truppen dauerhaft zu stationieren, um auf diese Weise den Weg nach Peking zu sichern. Das japanische Kriegsministerium schuf darauf hin die sogenannte China Armee, die als improvisierte Einheit aus den Teileinheiten von mehreren verschiedenen Divisionen gebildet wurde, wobei diese jeweils nach einem Jahr mit anderen Teileinheiten rotierten. Eine weitere Folge der Boxer-Rebellion war, dass Russland seine Truppen in der Mandschurei nicht abzog, sondern seine militärischen Stellungen dort noch weiter ausbaute, was sich bereits ab 1902 zu einer massiven Gefahr für die japanische Präsenz in Korea entwickelte. Japan suchte darauf hin ab 1901 nach einem verlässlichen Bündnisspartner um den Rücken für die unausweichlich erscheinende Konfrontation mit Russland frei zu haben und fand diesen in Großbritannien. Die britischen Offiziere die während der Boxer-Expedition mit der IJA zu tun hatten, waren von den Japaner sehr beeindruckt gewesen. Die ausgesuchten, fließend englisch sprechenden Offiziere und die ohnehin anglophilen Angehörigen der japanischen Marine und der Sasebo Spezial Einheit knüpften hierbei etliche persönliche Kontakte und erschienen auch umgekehrt Großbritannien als die natürlichen Verbündeten in Ostasien. Großbritannien stand zu diesem Zeitpunkt in Ostasien zunehmend unter Druck. Die französischen und russsichen Marineeinheiten in Ostasien übertrafen ab 1902 die britische Flottenpräsenz dort. Das Flottenwettrenen mit dem deutschen Reich, dass zunehmende Ausgreifen Russlands in Zentralasien und China und die hohen Verluste im Burenkrieg führten schließlich 1902 zum Britisch-Japanischen Marinebündnis. Beide Seiten sicherten in diesem Vertrag zu, bei einem Krieg einer der beiden Seiten gegen eine andere Macht strikt neutral zu bleiben und für die jeweils andere Seite zu intervenieren, sollte eine dritte Macht sich in den Konflikt einmischen.
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