(Zweiter Weltkrieg) Imperiale Japanische Armee
#18
Die Satsuma Rebellion

Das Geschehen um diesen Aufstand und andere ähnliche Unruhen bildete die Grundlage für den Film The Last Samurai. Und selbst bei Wiki wird hier ein Bild transportiert, dass mit der Realität des damaligen Geschehens nur noch am Rande zu tun hat, nämlich das Bild des edlen Samurai der in Rüstung mit Lanze und Schwert gegen die modern mit Gewehren ausgerüstete Imperiale Japanische Armee in den Tod zieht weil er die Veränderung der Gesellschaft ablehnt. Die Wahrheit unterschied sich davon erheblich.

Die Aufstände gegen die neue Regierung zerfallen im Endeffekt in zwei Gruppen: 1 Aufstände von Samurai die aus dem Staatsdienst entlassen wurden, und damit mittellos wurden. Diese wandten sich nicht gegen die Verwestlichung, nicht gegen die moderne Kriegsführung, sondern waren eine zwingende Konsequenz daraus, dass die neue Regierung 1873 bereits die Zahlungen an die Samurai drastisch reduzierte und 1876 diese Zahlungen vollständig strich.

Damit entzog die Regierung um die 400 000 Samurai ihre bisherige Lebensgrundlage, und die meisten davon waren nicht in der Lage, durch andere Arbeit irgendwie zu Geld zu kommen. Die Folge waren Aufstände und massenweise Straßenkriminalität. Ein Teil der Samurai wurde dann aber aufgrund der Satsuma Rebellion erneut von der IJA rekrutiert, als Söldner. Diese Ex-Samurai sollten dann die Satsuma Rebellion zugunsten der neuen Regierung entscheiden, obwohl sie im Schnitt tatsächlich traditioneller kämpften als die Rebellen.

2 die größte und wichtigste der Rebellionen aber - die in Satsuma - wurde von oben gesteuert, Sie war eine reinrassige Revolution von oben ohne echte Basis und war eine Folge der internen Machtkämpfe in der neuen Regierung, in denen Saigo Takamori gegen Yamagata politisch unterlag - weshalb er aus der Regierung ausscheiden musste.

Am 24 Oktober 1873 verließ Saigo Takamori die Regierung. Zu diesem Zeitpunkt war er Minister und zugleich Befehlshaber der Kaiserlichen Garde, der Elite- und Kadereinheit der Imperialen Japanischen Armee, die zu einem beachtlichen Teil aus Samurai aus dem Lehen der Shimazu im Süden Japans bestand.

Am 25 Oktober richtete Saigo ein Schreiben an die in der Kaiserlichen Garde dienenden Samurai der Shimazu, die Garde zu verlassen und ihm nach Kyushu ins Exil zu folgen. Darauf hin verließen die meisten Samurai der Shimazu die Garde, und dies trotz einer Aufforderung der Shimazu in der Garde zu bleiben und sogar trotz eines Schreiben des Kaisers selbst mit der Bitte weiter in der Imperialen Japanischen Armee zu dienen.

Diese Soldaten (sic) bildeten den Kern des späteren Aufstands. Es handelte sich also gar nicht um Samurai wie wir sie uns vorstellen (Rüstung, Schwert), sondern um modern ausgebildete und modern bewaffnete Soldaten der Kaiserlichen Garde.

Während andere traditionellere Samurai diverse Aufstände und Unruhen vom Zaun brachen, beispielsweise der Aufstand des Eto Anfang 1874, nutzte Saigo Takamori die Ablenkung, um sich heimlich eine vergleichsweise modern ausgebildete und gut ausgerüstete Hausstreitmacht zu schaffen.

Zu dieser Zeit kam es auch zu einer ersten Militärexpedition der Imperialen Japanischen Armee außerhalb Japans, nämlich einem Angriff auf Taiwan. Damit versuchte Yamagata möglichst viele ehemalige Samurai die ihre Pfründe verloren hatten in einem Auslandseinsatz zu binden. Aufgrund innenpolitischer Intrigen erhielt jedoch der jüngere Bruder von Saigo Takamori dass Kommando über diese Expedition. Die harten Kämpfe auf Taiwan, die hohen Verluste und schwierigen Umstände und der Umstand, dass dafür primär Samurai aus dem Lehen der Shimazu mit ihrem Leben bezahlen mussten, trieben die Überlebenden des Feldzuges in die Arme von Saigo.

Nachdem die Regierung im März 1876 den Aufstand von Eto niedergeschlagen hatte, strich sie als Folge davon wie oben schon erwähnt alle Einkünfte der Samurai und verbot das Tragen von Schwertern in der Öffentlichkeit. Hintergrund für letztgenanntes waren diverse Mordanschläge auf Angehörige der neuen Regierung auf offener Straße mittels Schwertern. Die Folge war umgehend einer neuer Aufstand, diesmal unter Maebara, ebenfalls einem ehemaligen Mitglieder der Regierung.

Während des Krieges gegen das Shogunat hatte Maebara für die neue Regierung gekämpft, und wie andere Aufständische dieser Zeit verstand er sich als wahrer Anhänger des Kaisers, und seinen Aufstand als einen Kampf gegen die bösen neuen Berater desselben. Die Überlebenden der Aufstände wurden nach deren Niederschlagung dann oft durch Saigo Takamori nach Kyushu gelockt und dort für seine Armee rekrutiert.

Saigo trainierte dann seine Truppen in moderner Infanterietaktik, und schuf schon 1876 eine Reihe von privaten Militärakademien und Kadettenanstalten. Im September 1876 gründete er eine private Schule für Artilleriewissenschaften. Die Ausbilder kamen aus den Reihen der Kaiserlichen Gardeoffiziere, welche zusammen mit Saigo ihren Dienst quittiert hatten. Wie man also sieht, ist das Bild von schwertschwingenden Samurai extrem falsch.

Ende 1876 registrierten dann Yamagata und die neue Regierung, was da in Kyushu vor sich ging, und begannen einen Mordanschlag auf Saigo zu planen. Dieser Plot wurde an Saigo verraten und zwang diesen, frühzeitig loszuschlagen, früher als er es selbst geplant hatte. Seiner Ansicht nach waren seine Truppen zu diesem Zeitpunkt numerisch noch nicht ausreichend für einen sicheren Sieg, zudem fehlte es massiv an Munition und Nachschubgütern, so dass ein länger andauernder Abnutzungskrieg gegen die Imperiale Japanische Armee unmöglich war.

Am 15 Februar 1877 schlug Sagio mit etwas über 30 000 Mann zu. Diese waren ohne Ausnahme ehemalige Samurai, aber modern ausgebildet und durchgehend mit Feuerwaffen ausgestattet. Weitere 12 000 Mann blieben in Reserve. Ein interessanter Aspekt ist immer, dass die aufständischen als zahlenmäßig weit unterlegen dargestellt werden.

Selbst bei Wikipedia finden sich dazu völlig falsche Zahlen, und die Stärke der Imperialen Japanischen Armee wird umgekehrt weit übertrieben, indem hier diverse Träger und Handlanger welche die Truppen begleiteten einfach dazu gezählt werden. So wird in vielen Büchern und im Internet behauptet, die Imperiale Japanische Armee seit mit um die 100 000 Mann gegen nur wenige Samurai angetreten und diese hätten mit Schwertern gekämpft.

Tatsächlich aber betrug die Stärke der Imperialen Japanischen Armee bei Ausbruch der Kämpfe gerade mal um die 25 000 Mann! Aufgrund dieser numerischen Schwäche heuerte Yamagata massenweise die soeben erst aus dem Staatsdienst entlassenen Samurai an, in einer ersten Ad hoc Maßnahme Anfang 1877 bereits 13 000 Ex-Samurai. Diese hatten allerdings in großen Teilen keine ausreichende moderne Ausrüstung. Große Teile der Imperialen Japanischen Armee kämpften also mit veralteten Waffen gegen die moderner ausgerüsteten aber numerisch unterlegenen Truppen Saigos. Ein völlig anderers Bild als das, welches üblicherweise transportiert wird.

Aufgrund der sehr langen Anmarschwege, überdehnten Versorgungslinien und den daraus resultierenden Versorgungsschwierigkeiten heuerte die IJA zudem im Laufe des Konfliktes bis zu 90 000 Zivilisten als Träger und Arbeitskräfte an. Dadurch entstehen bis heute die falschen Zahlenverhältnisse was die Kombattanten angeht.

Der größte Teil der Kämpfe wurde von ungefähr 50 000 Mann der IJA gegen ungefähr 30 000 Mann von Saigo geführt, wobei die Ausrüstung der IJA in Teilen schlecht war. Umgekehrt hatte Saigo erhebliche Probleme mit dem Munitionsnachschub, da er über so gut wie keine eigenen Fertigungskapazitäten verfügte und keine ausreichenden Arsenale oder Lager hatte. Dieser Umstand sollte den Krieg entscheiden.

Saigos erstes Ziel war daher folgerichtig eine Festung in Kumamoto in der Hand der Regierungstruppen auf Kyushu, welche eines der größten Lager für Munition und Nachschubgüter aller Art diente. Diese wurde von 3800 Mann der IJA verteidigt, die allerdings über 2 Artilleriebatterien und massenweise Munition verfügen konnten. Kurz vor der Einschließung des Arsenal gelang es zudem noch um die 400 regierungstreuen Samurai aus den Reihen der Choshu, sich in die Festung durchzuschlagen und sich den Verteidigern anzuschließen.

Zur Ablenkung zündeten die Samurai die Stadt an, wobei das Feuer fast den gesamten Wohnraum vernichtete und damit den Truppen Saigos die Unterkünfte entzog. In der gleichen Nacht fing es an zu schneien. Das Feuer geriet dermaßen außer Kontrolle, dass es auf Teile des Arsenal übergriff und dort Lagerhäuser für Lebensmittel verbrannte. Zum Glück für die Verteidiger blieb die Munition von den Flammen verschont, aber sie hatten nun nichts mehr zu Essen.

Yamgata plante derweilen gleichzeitig eine amphibische Landung des Gros der IJA im Rücken von Saigos Truppen direkt in dessen Machtbasis in Kagoshima. Der Verlust der Lebensmittel und die strategische Bedeutung des Arsenal führten jedoch zu erbittertem Widerstand anderer Militärführer wie Angehöriger des kaiserlichen Hofes.

Der Oberbefehl von Yamagata wurde in Frage gestellt und als Kompromiss und zur Befriedung der Inneren Konflikte vom Kaiser der Prinz Arisugawa als nomineller Oberbefehlshaber eingesetzt. Die Shimazu selbst wandten sich gegen Saigo und die zum größten Teil aus ihrem Lehen stammenden Aufständischen und stellten der IJA ihre Artillerie und Schiffe zur Verfügung. Auf Druck der Shimazu wurde Generalleutnant Kuroda Kiyotaka mit dem Befehl über ungefähr die Hälfte der IJA betraut, während Yamagata selbst nach Kumamoto eilte um dort die Festung zu entsetzen.

Trotz des strategisch durchdachten Plans von Yamagata verliefen die weiteren Operationen chaotisch. Prinz Arisugawa hatte keinerlei militärische Erfahrung, trotzdem stieg ihm sein lediglich nominell gedachter Oberbefehl rasch zu Kopf und er mischte sich immer weiter gehend in das Geschehen ein.

Der erst wenige Monate zuvor gegründete Generalstab in Tokyo war nicht funktionsfähig und erteilte unsinnige Befehle, weshalb Yamagata gezwungen war, ein eignes unabhängiges Feldhauptquartier in Kyushu einzurichten. Der Munitionsverbrauch überstieg alle Erwartungen und das Arsenal in Osaka war rasch mit dem notwendigen Nachschub überfordert.

Als größtes Problem aber erwies sich die von der IJA zu diesem Zeitpunkt (1877!) praktizierte französische Ausbildung. Die französische Militärmission hatte sich primär auf taktische Fragen und die Ebene des Bataillon und darunter konzentriert. Es fehlte daher weitgehend an der Befähigung, größere Truppeneinheiten zu führen. Ohne gemeinsamen Stab und auf der Animositäten zwischen den Choshu und Shimazu operierten daher nach kürzester Zeit sowohl Yamagata als auch Kuroda ohne jede Koordination und völlig unabhängig voneinander.

Auf der operativen Ebene versagen die französischen Konzepte vollständig und Yamagata griff daher auf seine persönlichen Erfahrungen während des Boshin Krieges und davor zurück. Diese Erfahrung Yamagatas während der Satsuma Rebellion sollte dann erneut weitreichende Folgen für die IJA und Japan haben. Aufgrund des Versagens der Methoden der franzöischen Militärausbilder im Krieg, wandte sich der Gros der Offiziere der IJA von den Franzosen ab und suchte nach einem neuen Vorbild, dass nach der Satsuma Rebellion dann in Preußen gefunden wurde (nicht im Deutschen Reich, man beachte den Unterschied!)

Den genauen Verlauf der weiteren Kämpfe um Kyushu spare ich mir, und gehe daher nur noch auf ein kleines, Jahre später aber wesentliches Detail ein: ein gewisser Major Nogi Maresuke verlor in den Kämpfen um die Festung Kumamoto während eines chaotischen Gemetzels mitten in der Nacht und während strömenden Regens die Standarte seines Regimentes, die ihm vom Kaiser persönlich überreicht worden war. Dieser Verlust prägte im weiteren Nogis Charakter nachhaltig und ließ ihn trotz seines späteren Aufstiegs in der Militärhierarchie nie mehr los. Aufgrund dieses einen Ereignis sollen viele Jahre später tausende japanische Soldaten sinnlos sterben müssen.

Während der Kämpfe stellte Yamagata zudem fest, dass sich die ad hoc angeheuerten Samurai bei vielen Gelegenheiten trotz ihrer schlechten Ausrüstung besser schlugen als die eigentlichen Verbände der IJA. Zugleich erlitten diese Söldner auch die höchsten Verluste und trugen ganz allgemein einen Gros der Kämpfe. Das ganze führte bei Yamagata zu der Überzeugung, dass psychologische Faktoren im Krieg wichtiger seien, als materielle Faktoren und dass die traditionelle japanische Kriegerkultur solche Faktoren beinhalten würde.

Er kam daher zur Schlussfolgerung, dass man diese Faktoren aus dem bisherigen kulturellen Kontext heraus lösen müsste um sie dann in der IJA zu implementieren um dadurch die Kampfkraft der Wehrpflichtigen zu verstärken. Es ging Yamagata dabei ausdrücklich nicht um eine Übernahme der tatsächlichen Samurai Kultur, sondern nur bestimmter Werte dieser Kultur. Dafür schuf Yamagata nach der Rebellion ein bestimmtes Bild der Samurai in der IJA, dass mit der Realität nichts zu tun hatte und noch heute unser Bild verfälscht.

Diese Schlussfolgerungen Yamagatas waren jedoch in Wahrheit zweifelhaft. Den Ausschlag bei den Kämpfen gab nicht die Kampfmoral der ohne Rücksicht auf Verluste kämpfenden kaisertreuen Samurai, sondern die überlegene Versorgung der Truppen der IJA, der drastische Munitionsmangel der Truppen Saigos und vor allem die weit überlegene Artillerie der IJA Verbände. Insbesondere italienische Gebirgsartillerie erwies sich als besonders wirksam, da sie per Träger und Packpferden durch das gebirgige Hinterland Kyushus transportiert werden konnte.

Trotzdem nahm hier die Überhöhung bestimmter Werte der Samurai Kultur in der IJA ihren Anfang, wobei diese Werte in eine völlig neue Militärkultur eingebettet wurden, die mit der ursprünglichen Samurai Kultur gerade eben rein gar nichts mehr zu tun hatte.

Schließlich gelang es der IJA, Kumamoto zu befreien, die Truppen Saigos zu umgehen und unter hohen Verlusten zum Rückzug zu bringen. Während der energischen Verfolgung brach dessen Armee dann auseinander und schließlich beging Saigo Anfang Juni des gleichen Jahres Selbstmord. Einige seiner Anhänger setzten den Kampf jedoch noch bis September fort, und leisteten der IJA erbitterten Widerstand.

Interessantenerweise wurde Saigo im Jahr 1889 dann auf Betreiben von Yamagata rehabilitiert und als Held der Kämpfe gegen das Shogunat geehrt um im Dezember 1898 sogar eine Statue im Ueno Park aufgestellt. Während der Feierlichkeiten anlässlich der Aufstellung dieser Statue kam Yamagata persönlich, um Sagio seine Anerkennung auszusprechen.

Am Ende blieb als Erbe der Satsuma Rebellion die Überzeugung der Führer der IJA, dass die Kampfkraft ihrer Armee mehr von psychologischen Faktoren als materiellen Faktoren abhänge und dass man daher durch eine von oben implementierte neue Militärkultur diese psychologischen Faktoren verbessern müsse. Der erste (gedankliche) Schritt zu dem was die IJA dann im besonderen ausmachen sollte war damit getan.
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