(Zweiter Weltkrieg) Imperiale Japanische Armee
#17
Yamagata

Fast ein ganzes Jahr lang konnte sich die neue Regierung nicht auf einen neuen Minister einigen, da auch Prinz Ninnaji von seinem Amt zurück trat. Im Sommer 1870 gelang es jedoch dann Yamagata Aritomo, sich wegen seiner im Bürgerkrieg zu allen Seiten geknüpften persönlichen Kontakte als neuer Minister durchzusetzen. Nach der Übernahme flutete Yamagata die Armee mit ihm gegenüber blind gehorsamen Offizieren aus den Reihen der Mori. Fast die Hälfte der Generalsränge entstammte nach kurzer Zeit bereits den Reihen dieser Adelsfamilie bzw deren Gefolgsleute. Konkurrenten aus anderen Familien wurden entweder auf Reisen ins Ausland geschickt um die moderne Kriegsführung zu studieren oder solange unter Druck gesetzt, bis sie resignierten und die Regierung verließen. Obwohl viele in der neuen Regierung befürchteten, Yamagata würde selbst nach der Macht greifen und wolle eine Art neuer Shogun werden, verkannten sie dabei jedoch den besonderen Charakter Yamagatas.

Die Entscheidung für Yamagata stellte aber erneut die Weichen für die weitere Entwicklung der IJA: Yamagata war wie Omura ein entschiedener Befürworter einer Wehrpflichtarmee und einer Kultur der allgemeinen Wehrpflicht in der Gesellschaft. Er wandte sich daher entschieden gegen die primär von den Landtruppen der Shimazu und Saigo Takamori getragene Ansicht, die zukünftige Armee Japans müsse eine professionelle Berufsarmee sein, die primär aus Samurai rekrutiert würde.

Im März 1871 stellten Yamagata und Kido zusammen dann eine neue Einheit als Kern- und Eliteverband der neuen Armee und als neue kaiserliche Leibwache zusammen. Die bisherige Leibwache des Kaisers ging dabei in der neuen Einheit auf. So entstand die Kaiserliche Garde, welche anfänglich aus 6200 Mann bestand und zugleich die Garnison von Tokyo bildete. Am 29 August 1871 wurden dann die bisherigen Lehen aufgelöst und die privaten Armeen der Adeligen verboten. Yamagata teilte darauf hin dass Land in 4 Militärbezirke ein, wobei jeder dieser Bezirke eine Garnison mit einer stehenden Truppe von zumindest 8000 Mann zu stellen hatte. Ab Dezember 1871 begann Yamagata ein großangelegtes Programm für Küstenbefestigungen und Küstenbatterien dass große Teile des Staatshaushaltes verbrauchte.

Aufgrund der in ganz Japan zu dieser Zeit ausbrechenden Unruhen, lokalen Aufstände und Konflikte führte Yamagata innerhalb der Armee eine eiserne Disziplin nach dem Vorbild seines Mentor und großen Vorbild Takasugi ein. 1873 gründete Yamagata die Toyama Infanterie Schule und nahm für die Ausbildung dort französische Militärberater in Dienst. Im Januar 1874 ging der Titel des Ministers wieder an einen Spross der Kaiserfamilie, während Yamagata als Stellvertretender Minister und Befehlshaber der Kaiserlichen Garde die Armee weiter beherrschte. Yamgata ließ für jeden Militärbezirk im weiteren Truppenübungsplätze und Schießanlagen auf den früheren Besitzungen des Shogun anlegen.

In Tokyo eröffnete Yamagata 1875 dann eine Schule für Technische Fragen in der eine umfangreiche Pionierausbildung entwickelt und in die Armee implementiert wurde. Zudem wurde massiv in den Ausbau eines möglichst hochwertigen Unteroffizierskorps investiert und die Militärakademie aus Yokohama ebenfalls nach Osaka verlegt. Die in Osaka noch von Omura gegründete Schule für militärische Wissenschaften wurde wiederum zur gleichen Zeit nach Tokyo umgesiedelt. Obwohl Yamagata selbst die Laufbahnen der Offiziere für Bauern und Kaufleute öffnen wollte, führte der Widerstand insbesondere Okubas dazu, dass von den ersten Jahrgängen nur ein Bruchteil nicht-adeliger Abstammung war.

Ein interessanter Aspekt dieser Zeit ist, dass noch 1875 die IJA ausschließlich sich auf französische Militärberater verließ und sehr weitgehend durch diese geprägt wurde. In vielen Texten steht nämlich fälschlicherweise, dass der Sieg des Deutschen Reiches über Frankreich in Japan dazu führte, dass sich die Japaner den Deutschen zuwandten und die Franzosen entließen. Dem war aber nicht so. Die frühe IJA übernahm stattdessen fast ausschließlich französische Taktiken und gab dafür die früher vor allem von den Mori verwendeten holländischen Taktiken auf. Ein Grund dafür war die Verbreitung der französischen Sprache gerade unter den Samurai und Offizieren welche noch zu Zeiten des Shogunats ja bereits durch französische Militärberater trainiert worden waren. Noch bis 1883 wurde daher in allen Militärschulen und Militärakademien in Japan als einzige Fremdsprache Französisch gesprochen und verwendet.

Noch bevor sich der Deutsche Einfluss in Japan durchzusetzen begann, wurden englische und insbesondere US-Amerikanischen Schriften in Japan verbreitet, welche aufgrund des US-Bürgerkrieges als besonders wertvoll galten.

Eine weitere interessante Person dieser Zeit ist Major Murata Tsuneyoshi, ein genialer Autoditakt, der auf Geheiß von Yamagata nach Europa gereist war, um dort moderne Schützenwaffen zu studieren. Nach seiner Rückkehr 1876 entwickelte er dann ein eigenes Gewehr, dass sogenannte Murata Gewehr, welches dann 1880 an alle japanischen Soldaten als erste eigene Standard Ordonnanz-Waffe ausgegeben wurde. Dieses ursprünglich Typ 13 Murata genannte Gewehr wurde im laufenden ständig verbessert und kampfwertgesteigert. Die ersten Versionen waren noch einschüssig, ab 1889 wurde jedoch bereits der erste eigene Repetierer mit dem Typ 22 Murata eingeführt.

Ab 1879 begannen die Japaner zudem in Osaka erst eigene moderne Artillerie herzustellen, mit italienischen Beratern und italienischer Technologie. Erst ab 1885 begann man dann die selbst hergestellten Kopien italienischer Geschütze langsam durch deutsche Importe zu ersetzen.

Ab Januar 1873 setzte Yamagata in ganz Japan ein neues Wehrpflicht-System nach französischem Vorbild durch. Der Wehrdienst wurde mit 7 Jahren festgelegt. 3 davon im aktiven Dienst und 4 weitere Jahre in der Reserve. Die Wehrpflichtigen setzten sich zu dieser Zeit primär aus den zweit- usw geborenen Söhnen zusammen, da erstgeborene Söhne meist vom Wehrdienst ausgenommen waren. Zudem konnte man sich vom Wehrdienst frei kaufen, ein Privileg dass auf Einfluss der Shimazu in die Wehrpflichtgesetze aufgenommen wurde. In der Kaiserlichen Garde dominierten dagegen ehemalige Samurai, und dort wurde nur ein Teil der Soldaten durch Wehrpflichtige gestellt.

Die neue Armee, insbesondere die Garnisonen wurden sehr rasch mit den im ganzen Land tobenden Aufständen und Unruhen konfrontiert. Beispielsweise führte die Aufhebung des Verbotes der christlichen Religion in dieser Zeit zu massiven Ausschreitungen, Massendemonstrationen und allgemeine Straßengewalt. Regelmäßig reichten die Wehrpflichtigen der IJA nicht im Ansatz aus, um der allgemeinen Gewalt Herr zu werden und so heuerte die Regierung dann oft ehemalige Samurai als Verstärkung an, um sie nach Niederschlagung der Unruhen sofort wieder zu entlassen.

Saigo Takamori zog sich zu dieser Zeit aus der Regierung zurück, und begann diese Veteranen des Bürgerkrieges um sich zu sammeln. Da die Armee mit den extremen und ständigen Reformen und den allgegenwärtigen Unruhen ohnehin schon über alle Maßen überfordert war, merkte niemand, wie zunehmend militärische Macht sich in den Händen des ehemaligen Generals und Führer der Landtruppen der Shimazu versammelte.
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