(Europa) Norwegische Streitkräfte
#56
@ Quintus

Zitat:Eine Bindung russischer Streitkräfte in dieser abgelegenen Ecke ist selbst für den Fall das es nicht um offenen Krieg kommt nützlich.

Eine Bindung im Frieden wird nur dann erzielt, wenn die Russen sich durch die norwegischen Verbände bedroht fühlen müssen - wofür sie tatsächlich, wie du schreibst, jederzeit "schlagbereit" sein müssen.
Allerdings wird Norwegen bei schwindenden Öleinnahmen den Teufel tun und seinen Wehretat durch die ständige Mobilhaltung seiner Armee verschwenden, bloß damit die Russen weniger Syrer, Georgier oder Ukrainer umbringen. Im Krisenfall hingegen könnte ein norwegischer Aufmarsch als Teil der NATO-Mobilisierung die Russen vielleicht von einem Angriff im Baltikum abbringen - so ähnlich wie die Österreichische Mobilmachung den Landkrieg in der Walachei 1853 beendet hat.

Zitat:Solche Streitkräfte müssen natürlich dergestalt vorgehalten werden, dass sie aus dem Stand heraus zuschlagen können. Damit entfällt auch zugleich jede Vorwarnzeit und den Russen bleibt nichts anderes übrig als ihre Verteidigungseinheiten bei erhöhtem finanziellen Aufwand auch ständig in Alarmbereitschaft zu halten (was sie finanziell ausblutet) oder das Risiko einzugehen überrrannt zu werden. Und es ist selbst heute eben keineswegs so, dass jede Angriffsvorbereitung automatisch entdeckt werden könnte. Aber selbst wenn: vor allem geht es ja um Truppenbindung.

Grundsätzlich eine prima Idee. Allerdings gilt auch umgekehrt: Streitkräfte so vorzuhalten, dass sie "aus dem Stand heraus zuschlagen können" kostet im Zweifel auch Norwegen sehr viel Geld. Zumal ja auch deine norwegischen Streitkräfte mal üben müssen, deine Mannschaften und Offiziere auf Urlaub oder zu Besprechungen nach Südnorwegen müssen und so weiter. Du kannst von drei Einheiten (Regimenter, Bataillone) vielleicht immer eine wirklich Einsatzbereit halten, der Rest braucht immer Vorlaufzeit, und wenn es nur zwei, drei Tage sind.

Zitat:Panzerdivisionen sind in diesem Gebiet ohnehin nicht die Art von Großkampfverband die man dort einsetzen sollte. Sinnvoller wären auf einzelnen Bataillonen aufbauende Kampfgruppen. Ein Vorbild könnten hier die russischen BTG sein, und entsprechende norwegische Brigaden analog strukturiert werden. Und das HQ sollte immer vorne sein, so etwas wie ein Friedens HQ sollte es nicht einmal geben.

Ob man das ganze jetzt Kampfgruppe nennt oder herkömmlicher Panzerdivision macht für die Stationierung noch nicht so furchtbar viel aus. Und ob du die Kommandostelle jetzt HQ nennst oder Stab ist auch recht egal. Das Kommando des norwegischen Heeres für Nordnorwegen ist aktuell in Tromso stationiert, unter anderem weil Tromso auch im Winter noch einigermaßen erträglich ist. Wir reden hier halt über die Arktis, und Stabsoffiziere sind Berufssoldaten - mit Familie und meist schon in einem etwas höheren Alter. Ob es einem gefällt oder nicht, aber deren Familien finden die russische Grenze im Winter vielleicht nicht so toll. Ganz zu schweigen davon, dass man, wenn man einen Krieg für möglich hält, besser möglichst wenig eigene Zivilisten in der Gegend haben sollte - schließlich existiert die Armee, um die Zivilbevölkerung zu schützen, nicht um sie in Gefahr zu bringen.

Zitat:Das haben die Hisbollah, die Georgier und Ukrainer auch geglaubt. Du verkennst hier einfach wie immens schwierig für einen Gegner eine wirklich schnelle Kriegsführung ist. Krieg mit sehr hoher Geschwindigkeit führt dazu, dass deine angedachten Abwehrmaßnahmen allein deshalb nicht greifen, weil sie ständig durch die hohe Handlungsgeschwindigkeit konterkariert werden.

Du predigst einen massiven mechanisierten Vorstoß der Norweger über zumindest nicht gerade ideales Terrain gegen einen Gegner, der genau diese Form des Kampfes über zig Jahre hinweg immer und immer wieder geübt hat und der wesentlich mehr Kampferfahrung hat als deine Norweger. Er ist technisch zumindest nicht entscheidend unterlegen und wenn du die erhoffte russische Kräftekonzentration erreichst vermutlich sogar zahlenmäßig überlegen.

Deine Idee ist typisch deutsch: Schnelle, schneidige Angriffsoperationen, das haben unsere Militärs schon seit dem 19. Jahrhundert geliebt. Das ganze kann gutgehen, sollte aber nicht der einzige Plan sein.

Nebenbei, was machst du eigentlich, wenn die Russen eher rüberkommen und auch mal Blitzkrieg spielen wollen? Wenn du deine Anlagen alle nach Vorne wirfst, sind sie ja z.B. auch von der ersten Minute an in Reichweite der russischen Artillerie.

Zitat:1 Das man damals dort nur Gebirgsjäger einsetzte heißt eben nicht, dass man heute dort keine Panzer einsetzen kann.

2 die Fähigkeiten von Kampfpanzern sind heute ganz andere (Reichweite, Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit etc)

3 die Infrastruktur der Region wurde immens verbessert und damit meine ich nicht unbedingt asphaltierte Straßen sondern vor allem die vielen Feld- und Forstwege (welche aus Gründen der Forstwirtschaft dort angelegt wurden).

Zu 1: Stimmt
Zu 2: Geschwindigkeit und Reichweite sind besser geworden, dafür sind die Teile auch schwerer. Du predigst doch selbst immer, dass die Leos nicht mehr überall durchkommen.
Zu 3: Wir reden hier trotz allen Fortschritten noch nicht gerade über die norddeutsche Tiefebene oder die irakische Wüste. Dein mechanisierter Vorstoß wird abseits der Straße jedenfalls um verdammt viele Seen herumkurven müssen.

Zitat:Lies den Artikel 5 lieber noch mal genauer. Ein Militärbündnis funktioniert nur, wenn es unter bestimmten Umständen in jedem Fall greift. Ein Militärbündnis ala Freiwillige nicht verpflichtende Teilnahme je nach Wunsch und Laune ist kein Militärbündnis.

"„Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten."

1.Die NATO ist kein Nibelungenbündis. Im Artikel 5 oben ist zum einen nur für den Fall eines Angriffs auf ein Mitgliedsland die Rede - was offensive Aktionen unter Mithilfe des ganzen Bündnisses theoretisch schon einmal ausschließt - zum anderen ist von Beistand die Rede und davon, dass die einzelnen Mitglieder die erforderlichen Maßnahmen treffen. Das bedeutet meiner Ansicht nach allerdings nicht, dass auch tatsächlich Gewalt verpflichtend und in großem Maßstab angewendet werden muss. Aus diesem Grunde hat die Regierung der BRD früher ja auch so viele NATO-Truppen als "Geiseln" zu uns geholt: Damit die anderen Staaten aufgrund ihrer direkt involvierten Soldaten auch militärisch hätten reagieren müssen, statt es mit einer Protestnote in Moskau zu belassen.

2. Ein Bündnisvertrag ist ein Stück Papier. Mit der Zahl der gebrochenen Bündnisse könntest du ganze Regalmeter füllen, und es ist jedes Mal eine schwerwiegende politische Entscheidung, ob ein Bündnisvertrag gehalten wird oder nicht. 1914 etwa hat Deutschland das Bündnis gehalten, Italien es gebrochen.

Zitat: Warum ist Norwegen der NATO beigetreten? Weil die Norweger wissen, dass Russland für sie eine Gefahr darstellt und sie allein gegen Russland nicht bestehen können. Warum sollte Norwegen kampflos kapitulieren nur weil "Deutsche" heute auf jede militärische Bedrohung mit fatalistischem Defätismus reagieren ?!

Die Lage ist ein wenig anders, als sie es 1949 war. Putin bekommt beim besten Willen nicht die ansatzweise die Bedrohlichkeit zusammen, die Stalin mit seiner kommunistischen Expansion damals aufbauen konnte. Wenn die norwegische Regierung sich im Zweifel zum Bündnis bekennt, so ist dies aller Ehren wert. Ich will absolut nicht, das Norwegen aus der NATO ausscheidet, keine Frage. Die Leute in Oslo aber werden sich im Zweifel schon die Frage stellen müssen, die 1939/1940 die französischen Soldaten hatten: Warum für Danzig sterben?


Zitat: Selbst wenn Norwegen neutral wäre - und seine Armee wäre schwach und handlungsunfähig - würde Russland das Land in einem ernsthaften Krieg mit hinein ziehen. Einfach weil es geostrategisch zwingend notwendig ist. Nur dass dann Norwegen halt ohne ernsthaften Widerstand von russischen Streitkräften zerstört und besetzt werden würde. Und Russland dann immer noch erhebliche Streiträfte für andere Fronten frei hätte die es bei einer ersnthaften Rüstung Norwegens im Norden festlegen müsste.

Warum sollte Russland Norwegen im Falle eines ernsten Krieges (gegen wen?) ohne Not überfallen, wenn es sich neutral oder doch zumindest nicht aggressiv benehmen sollte? Strategisch sehe ich jedenfalls keinen Grund. Weder ist man in Moskau, wie Deutschland 1940, auf Erzlieferungen angewiesen, noch würde eine schwache und handlungsunfähige Armee Norwegens die russische Nordflotte groß behindern.
1914 hat Russland die Norweger auch in Ruhe gelassen, und da war Norwegen genau das: Schwach und Handlungsunfähig.

Zu der Sache mit dem Atomkrieg:

Ein alles vernichtender Atomkrieg ist vielleicht bei einem heißen Krieg nicht zwangsläufig, allerdings existiert unsere Zivilisation nur, weil wir das die letzten 60 Jahre über dachten.

Natürlich ist nicht garantiert, dass die Russen bei einem heißen Konflikt Atomwaffen einsetzen.
Allerdings ist ein Großteil der russischen Zweitschlagwaffen in Murmansk beheimatet (strategische Boote der Nordflotte). Wenn du also diesen Hafen massiv angreifst, steigert das die Wahrscheinlichkeit eines russischen Atomschlages enorm, zumal die Befehlshaber von strategischen Raketeneinheiten durchaus den Befehl haben, bei drohender Zerstörung ihre Waffen sofort und ohne Rücksprache mit Vorgesetzen stellen einzusetzen.

Zitat:Norwegen fühlt sich so weit bedroht, dass es immer größere Teile seines Wehretat für die F-35 ausgibt. Der primäre Grund warum andere Teile der norwegischen Streitkräfte ausbluten sind die immensen Ausgaben für dieses (zwingend notwendige !) Kampfflugzeug-Programm. Ein einfaches Mittel um Norwegen militärisch insgesamt erheblich zu stärken wäre es daher, höchst einfach den Norwegern die F-35 zu einem "Vorzugspreis" zu überlassen womit Norwegen sofort die Mittel frei hätte um seine Bodenstreitkäfte Offensivfähig zu machen. F-35 unter Preis wären bereits ausreichend um dies zu erreichen - wenn man dieses Angebot direkt daran koppelt, dass Norwegen die freiwerdenden Mittel vertraglich gebunden in seine Offensivfähigkeiten, in Bodenstreitkräfte und Luftabwehr investiert.

Möglichst starke norwegische Streitkräfte sind im Interesse aller NATO Mitglieder und sollten daher von allen entsprechend gefördert werden, also insbesondere auch von Deutschland. Jede russische Einheit gleich ob Land oder Luft welche im hohen Norden durch die Norweger gebunden wird, ist ein Gewinn für die gesamte NATO.


Absolute Zustimmung.
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