(Allgemein) Gesamtbild der deutschen Soldaten in Deutschland
#43
Zitat:Aber um mal beim Ansehen und der Zivilbevölkerung zu bleiben: die Bundeswehr wird von vielen auch nicht unbedingt als ein einzige Sache betrachtet. Beispielsweise lehnen die meisten in meiner Gegend die Bundeswehr insgesamt ab, lassen aber rein gar nichts auf die Gebirgsjäger kommen, die sind natürlich herausragend, über jeden Zweifel erhaben und es soll sich keiner erdreisten die schlecht zu reden. Aber die Bundeswehr selbst ?! Dreck.
Das sehe ich nicht so. Zunächst: Ja, das Symptom, dass man gerade z. B. die Gebirgstruppe als gerne etwas besonderes hervorhebt (und teils auch manche [notwendige] Kritik davor verblasst), man sich in falsch verstandenen oder verklärenden Traditionen verirrt, dies kann ich bestätigen. Es gibt leider immer noch teils die etwas geschönte und historisch schlicht unhaltbare, idealisierte Ansicht auf die Gebirgstruppe. Das konnte ich selbst erleben, übrigens nicht nur bei strammen Rechtsauslegern in der Politik, solche Töne kamen auch teils von der Union. (Ich war vor einigen Jahren mal bei einer Veranstaltung, wo Günther Beckstein sprach: Er nannte recht unverblümt die Gebirgstruppe eine Truppe mit "sauberer Reputation" - ein Blick in die Geschichtsbücher würde ihm da wohl weiterhelfen.) Als jemandem, der selbst bei der Gebirgstruppe war und der durchaus die Kameradschaft, die Ausbildung und die Vorgesetzten sehr positiv in Erinnerung hat - aber der ich mich gegen jede Art von Geschichtsklitterung und Verlogenheit wehre, gerade wenn es um historische Schönfärbereien geht -, standen mir damals innerlich die Haare zu Berge.

Und man findet diese verklärende Annahme auch bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung, gerade im Süden der Republik. Aber dass daraus abgeleitet werden kann, dass der gesamte "Rest" der Truppe irgendwie "Murks" oder "Dreck" wäre oder ein negatives Image habe, das habe ich nie gehört und kann ich so auch nicht bestätigen.
Zitat:Insgesamt gesehen sprechen die Bewerberzahlen meiner Ansicht nach eine klare Sprache. Trotz des Ukrainekrieges haben wir aktuell beispielsweise einen Rückgang bei den Bewerbern um mindestens 7% und es gelingt auch immer weniger diejenigen zu halten die wirklich gut sind. Es gelingt der Bundeswehr trotz des vermeintlich hohen Ansehens nicht mehr, die notwendigen Mengen an Nachwuchs zu generieren und nicht mehr das Personal sinnvoll zu bewirtschaften.

Das allein schon belegt meiner Ansicht nach ganz klar meine These, dass hinter diesem hohen Ansehen keinerlei gesellschaftliche Substanz steckt.
Anzunehmen, dass in einem Konflikt, wobei wir ja nicht mal direkt verwickelt sind, die Bewerberzahlen nach oben gehen, ist irrig. Das ist sogar völlig normal, dass wenn eine Bedrohungslage verortet wird, die Zahl an Rekruten eher rückläufig ist. Und wenn dann noch hinzu kommt, dass ja nicht das eigene Land, die Familie etc. direkt bedroht wird, sondern es ein Krieg in der Ferne wäre, dann wirst du wenige Leute finden, die begeistert zur Waffe greifen. Unabhängig davon gilt es aber zu betrachten, wie die Situation wäre, wenn das eigene Land direkt angegriffen werden würde. Man kann mit ziemlicher Sicherheit von ausgehen, dass dann die Zahl der Rekruten rapide ansteigen würde. (Genauso wie wohl aber auch die Zahl derjenigen ansteigen würde, die versuchen würden, sich dem Dienst zu entziehen - aber auch das wäre völlig normal.)

Der Krieg in der Ukraine ist für viele - ich lasse nun bewusst gewisse prorussische Haltungen der extremen Linken oder Rechten außen vor, sondern versuche eine Standardmeinung einzufangen - eine Art ferner Konflikt, eine Art von seltsamem, großem Balkankrieg wie in den 1990ern. Da will man seine Knochen eben nicht unbedingt hinhalten. Man könnte hier vielleicht noch fehlendes Wissen über die Zustände in Russland oder fehlendes geopolitisches Verständnis über bestimmte Zusammenhänge geltend machen, aber das würde den Normalbürger - und das nicht nur bei uns - vermutlich auch überfordern. Hiervon nun jedoch ableiten zu wollen, dass hinter einem hohen Ansehen keinerlei Substanz stehen würde, ist empirisch nicht wirklich nachweisbar. Noch weniger ist es nachweisbar, wenn man als Beleg versucht jenes Verhalten heranzuziehen, dass sich vor dem Hintergrund eines "fernen" oder wenig wirklich nachvollziehbaren Konfliktes abbilden lässt.

In den USA etwa haben die Streitkräfte traditionell ein recht gutes gesellschaftliches Standing, zumindest besser als bei uns. Aber als Vietnam vor der Türe stand, explodierte die Zahl der Klagen und auch Desertionen, obwohl die USA in keiner Weise direkt angegriffen wurden. Dass ging dann sogar so weit, dass Richter (!) bezweifelten, ob der Kongress, der nach der Verfassung sehr wohl ermächtigt ist, gewöhnliche Personen im Kriegsfall zum Militärdienst heranzuziehen, überhaupt das Recht besäße, diese Personen auch in Friedenszeiten einzuziehen bzw. für den Einsatz in einem "fernen", nicht mal offiziell erklärten Krieg heranzuziehen. Das sorgte sogar dann dafür, dass der Supreme Court dem Kongress dieses Recht abspenstig machen wollte.

Sicherlich mag die gesellschaftliche Polarisierung seinerzeit noch einmal ein anderes Niveau erreicht haben als derweilen bei uns (zumal die USA ja auch direkt in Vietnam involviert waren), aber Fakt ist eben, dass das Erklären eines (möglichen) Einsatzes in einem fernen, nicht das eigene Land direkt betreffenden Krieg in demokratischen und offenen Gesellschaft immens schwer ist und quasi überall auf Opposition stieß bzw. stößt und einen Rückgang des Interesses am Militärdienst generell mitbedingte. Davon lässt sich aber eben nicht ableiten, dass eine Bevölkerung wehrunwillig, unfähig oder feige oder desinteressiert an den eigenen Streitkräfte wäre bzw. nicht bereit wäre das eigene Land zu verteidigen.

Schneemann
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