Kulturen im Konflikt
Jetzt muss ich aber mal doch nachhaken. So einfach, wie sich das hier Turin macht, ist es nämlich mit dem Ideologiebegriff dann doch nicht (wenn man 3 Tage in einem relativ guten Blockseminar nur über diesen Begriff diskutiert inklusive der Lektüre zu Marx, Lukascs, Althusser, Freud, Nietzsche etc, wirkt das dann doch zu grob definiert).

Es gibt durchaus Unterschiede zwischen einem Weltbild und einer Ideologie und den flotten Spruch, dass alles Denken ideologisch sei, sollte man auch besser zweimal sich überlegen, denn dann entwertet man 1.) den Ideologiebegriff völlig und macht ihn praktisch Synonym mit einem erweiterten Kulturbegriff und gar dem der Lebenswelt. Begriffstechnisch und analytisch sehr fragwürdig. Zudem impliziert das, dass jeder in und mit seiner eigenen Ideologie lebt, aber dann aber zur Kommunikation eine interideologische Ebene voraussetzen würde. Denn, nimmt man Heidegger (Philosoph), so lebt jeder in seinem persönlichen Vorverständnis der Dinge. Und dann ist jeder gleichsam ideologisch und jedes Denken auch ideologisch, alles ist nur subjektiv und die Aussage: "Wien ist die Hauptstadt Österreichs. " genauso nur eine ideologische Aussage wie "Die Regierung muss Arbeitsplätze schaffen."
Ich hoffe, da wird niemand bestreiten wollen, dass bei diesen zwei Aussagen doch ein Unterschied besteht. Und dass beides als Akte und Expressionen des Denkens nicht gleichwertig sind hinsichtlich ihres Wertes als ideologische Aussage. Denn Turin, sagt man, dass alles Denken ideologisch ist, macht man alles nur zu einem radikal konstruktivistischen Einheitsbrei. Und das wundert mich dann bei bei einem Realisten wie dir so eine radikal konstruktivistische und idealistische Position zu sehen. So weit gehe ich nicht mal. Ideologie ist eine durch spezifische Denkstrukturen und Formen sich auszeichnende Lesart der Welt, die in sich geschlossen, sich gegen jede Irritation verschließt, Beharrungen ausbildet und eine nicht irritierbare Realität sui generis erzeugt, die von der intersubjektiv wahrnehmbaren Realität erheblich abweicht. Weltbild ist da ein Teil bzw. davon, aber Ideologie kann durchaus noch weiter in die gelebten Verhältnisse, noch weiter in die Alltagswelt der Lebenswelt hineingehen. Weltbild, ist dass die Linken immer siegen müssen. Ideologisch ist, wenn man immer nur VW fährt, weil man als Wolfsburger eben glaubt, dass diese die allerbsten Autos machen.

Was Azrail aber machen will, kan man beispielsweise bei Gramsci finden: Nämlich mit Institutionen wie Schulen ezc. den Leuten eine bestimmte spezifische Ideologie beizubringen. Und nein Turin, das muss nicht immer totalitär sein. Auch wir wurden über die Sozialisation in unserem System mit einer bestimmten dem System genehmen Ideologie ausgestattet. Dass nicht jedes Denken ideologisch ist, heißt nicht, dass nicht doch extrem viele Denkakte ideologisch angeleitet sind.
Also, natürlich kann man über die Staatsapparate, über Medien und Schule usw. bestimmte Werte und Sichtweisen extzrem fördern, dazu brauchst du nicht mal eine totalitäre Dikatur, dazu brauchst du nur Medienmacht, Einfluss und gute Marketingstrategen, denn Zwingen ist das eine, manipulieren das andere. Und mit dem zweiten fährt man heutzutage meistens eh besser.
Also, auf die schnelle hätte ich da auch keinen Masterplan, wie man über gezielte Sozialisation die kulturellen Gegebebheiten so modifizieren könnte, um den Menschen zu bessern. Aber heh, wüßte ich das im einzelnen, ich würde sicher das hier nicht schreiben, sondern diesen Plan gut verkaufen Wink. So einen Beratungserfolg wäre Goldwert wert. Wink
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Kulturen im Konflikt - von Erich - 05.05.2004, 21:27
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