16.12.2006, 23:54
Zitat:Shahab3 postetedem würde ich mich gar nicht versperren, aber voooorsicht - die EU und die Türkei verhandeln doch gar nicht über einen sofortigen Beitritt, sondern haben durchaus eine zeitliche Perspektive von mehreren Jahren vorgesehen. Das Problem ist, dass eine zu lange Zeit-Perspektive auch die moderaten Kräfte schwächt. Der Fundamentalismus greift (dank der kräftigen Förderung einer chaotisch agierenden Weltmacht und einer zunehmenden Frustration der Muslime) um sich - und wenn wir der Türkei die Türe zu lange und zu oft vor der Nase zuschlagen, dann ist irgendwann (und das kann sehr schnell sein) der "Wendepunkt" erreicht und überschritten. Dann kann es zu spät sein, und wir haben die Fundamentalisten und Al Quaida nicht nur vor dem Zaun, sondern im Vorgarten und im Haus.
.....Die EU ist derzeit einfach nicht bereit (politisch, wie wirtschaftlich) einen derart gewichtigen Brocken wie die TR aufzunehmen und zu integrieren.
Die pro-TR Argumente, die hier und in dieser Diskussion allgemein gebracht werden, sind durchaus stimmig. Dennoch scheint man diese Vorteile (aus den genannten Gründen) lieber erst in 15 Jahren ausschöpfen zu wollen. Und da schiebt man eben Argumente wie Zypern usw. vor um eine Legitimation für diese Politik zu erreichen, bzw letztendlich medial zu verkaufen.
Mit der Zeitperspektive "15 Jahre" kann man die Verhandlungen auch weiterführen, in allen Punkten, nur (zwischendurch) ein bisschen gemächlicher;
es ist sowieso klar - wenn denn in einigen Jahren die Gretchenfrage ansteht, dann ist die Türkei nicht mehr die Türkei von heute und die EU ist auch nicht mehr die EU von heute.
Ich meine, zunächst hat die EU - auch mit Rücksicht auf die demnächst in der Türkei anstehenden Wahlen - einige heisse Eisen aus dem Feuer geholt und "auf Eis gelegt", der Annäherungsprozesse darf aber auch im Interesse aller Beteiligten nicht zum Stillstand kommen. Insoweit müssen die Verhandlungen in den anderen Punkten weitergehen - und muss vor allem die Offenheit für Zypern hergestellt werden (auf beiden Seiten, auch das EU-Embargo von Nordzypern muss fallen).
Ansonsten hielte ich entsprechende Zwischenschritte für sinnvoll, also eine schrittweise Annäherung und Umsetzung der EU-Mitgliedschaft auch über den Zwischenschritt einer "privilegierten Partnerschaft" (Merkel) bis in zur Option einer Vollmitgliedschaft, wobei die nächsten Schritte jeweils von allen Beteiligten im Konsens erfolgen müssen - auch die Türkei muss die Möglichkeit haben, die Integration zu beenden; so wie ich die Situation sehe, wird die Zustimmung in der Türkei ohnehin immer niedriger. Ist das nicht ein Zeichen, dass auch die türkische Bevölkerung in manchen Punkten inzwischen überfordert ist und eine Verschnaufpause von den EU-Reformen braucht?
Im Übrigen - wir brauchen nicht auf den Umgang der Türken mit den Christen schimpfen; wenn ich mir das blamable Schauspiel um den Neubau einer Moschee in München anschaue, dann denke ich, dass auch wir in Europa gegenüber dem Islam mehr Offenheit und Toleranz brauchen, und zwar gaaanz dringend.
Auch wir müssen uns ändern, und zwar ganz egal, in welcher Art von Partnerschaft wir künftig mit den Türken zusammen leben wollen.