31.10.2006, 20:57
@ All
Meines Erachtens kann man diesen Gordischen Knoten, den Afghanistan darstellt, weder mit einer grundlegenden These a la Heinsohn behandeln, noch allein mit der Betonung religiös-ideologischer oder aber allein mit der Behandlung sozialer Aspekte. Für mein Geschmack haben da alle Teilnehmer hier einen zu rigiden und etwas zu festgefahrenen Standpunkt. Die Rigidität und Radikalität vieler Talibananhänger beispielsweise ist nunmal eben keine Gottesgabe oder von jeher durch Gebut festgelegt. Dahinter stehen diverse soziale, politische und wirtschaftliche Zusammenhnge. In diesem Kontext kann man sicher auch Heinsohns These in eingeschränkter Weise miteinbeziehen. Allein erklärt solch eine These selten etwas, es ist immer eine Frage des Wirkzusammenhangs.
Hinsichtlich der westlichen Strategie sei auch noch folgendes vermerkt: Wie schon angesprochen: Allein nur wirtschaftliche Interessen und Überlegungen reichen nie aus, vorallem haben auch die weitergehende notwendige Bedingungen, um erfüllt werden zu können: Wirtschaftliche Interessen können langfristig nur in einem einigermaßen stabilen Umfeld auch ihre gewünschten Resultate erreichen. Die Pipelines werden weder im Irak, noch in Afghanistan lange stehen bleiben und ökonomisch effizient und rentabel betrieben werden können, wenn beständig weiterhin Kämpfe und Anschläge deren Betrieb stören. Die gesellschaftliche Lage ist daher genauso wichtig wie die bloße Erreichung von Kontrolle um jene wirtschaftlichen Interessen umzusetzen. Denn ohne die Gesamtlage wird auch nunmal nichts in der Wirtschaft. Außerdem ist es de facto nicht in unserem Interesse wenn irgendwo auf der Welt die Lage aus dem Ruder läuft: In Afghanistan konnten sich unter den Taliban Al-Quaida organisieren, wer weiß was noch alles von dort gekommen wäre. Man kann eben nicht einfach so unterscheiden zwischen den wirtschaftlichen Interessen von Enron oder sonst wem und weitergehenden Überlegungen. Es bestehen da deutliche Kontradiktionen, aber genauso auch deutliche Überschneidungen. Es ist letztlich im Interesse von niemanden, dass die Taliban wieder in Afghanistan herrschen: weder für uns, noch die Afghanen selbst, noch für die Stabilität in der Region. Über die möglichen Implikationen für Pakistan schweige ich mich mal jetzt in dem Thread aus bei der derzeitigen instabilen Lage dort. Und jeder weiß, welche Waffen Pakistan besitzt. Von daher wird Weltpolitik eben nicht nur allein über die Bilanzen von Enorn oder Lockheed Martin gemacht, zumal die in den meisten Fällen sowieso schön gerechnet werden, das amerik. Bilanzierungsrecht ist da ziemlich kulant im Vergleich zu Europa. Das aber nur am Rande. Wichtig ist, dass einzelne Motive nicht einfach so herausgegriffen werden sollten, sondern sie immer im Zusammenhang gesehen werden sollten: Afghanistan ist mehr nur als ein Transitland für Öl. Da steckt nochg mehr dahinter. Wenn es nur einfach plum um das Öl an sich oder dessen Transit gehen würde, dann hätte man genauso gut Saddam nach dem 2. Golfkrieg sich wieder domestizieren können. Das ist alles komplexer.
Genauso muss man auch viel stärker die Zusammenhänge bedenken bei der verfehlten Afghanistanpolitik.
Selbst der britische Kommandeur der ISAF-Truppen, General Richards, sah ein, dass das Engagement der Allianz in Afghanistan einfach an dem Willen krankt, entsprechende Mittel einzusetzen. Zu wenig Geld für die Wiederaufbauteams, zu wenige Soldaten, zu viele Einsatzbeschränkungen. Ein halbherziger Einsatz mit halbherzigen Ergebnissen.
Des weiteren: Die Taliban und ihre Ideologie kommen aus den pakistanischen Madrassen des Grenzgebietes und entstanden Anfang der 90er Jahre in Reaktion auf das Chaos, das in Afghanistan nach dem Abzug der Sowjets bestand. Ihre Freunde sitzen primär in Pakistan.
Und natürlich sind viele Paschtunen überzeugte Talibananhänger, die man nicht umdrehen kann. Aber wie überall gibt es nunmal überzeugte Eiferer, die nichts und niemand von ihrem Glauben abbringen können. Aber andererseits gibt es auch immer Mitläufer, die ihren Glauben nur oberflächlich in sich aufgesogen haben und unter gewissen Umständen zumindest neutralisiert werden können. Und auch nicht jeder Paschtune ist zwangsläufig ein Paschtune. Das sind keine unverbrüchlichen Zwangsläufigkeiten, zumal die Brutalität der Taliban ihnen schnell ihre Sympathien gekostet hatten.
Es geht nicht darum, die 10 oder 20% fest überzeugte Talibananhänger zu bekehren, sondern es geht darum, die Mehrzahl der Leute zu einem irgendwann mal friedlichen Leben zu bewegen. Und da geht es eben darum, nicht alle zu gewinnen, sondenr die Mehrzahl. Es gab schon Übereinkommen mit afghanischen Stammesführern, dass bei Abzug der NATO-Truppen sie selbst für Ruhe und Ordnung im Süden sorgen würden.
Die Taliban sind wie ein Krake, der sich in das kranke, schwache Gewebe Afghanistan frißt. Den Kraken selbst kann man nicht tilgen, nur das Gewebe abwehrhäfiger machen. Dazu gehören eben Hilfen, Infrasturukturhilfen und genügend Geld um die Selbsthilfe anlaufen zu lassen.
Meines Erachtens kann man diesen Gordischen Knoten, den Afghanistan darstellt, weder mit einer grundlegenden These a la Heinsohn behandeln, noch allein mit der Betonung religiös-ideologischer oder aber allein mit der Behandlung sozialer Aspekte. Für mein Geschmack haben da alle Teilnehmer hier einen zu rigiden und etwas zu festgefahrenen Standpunkt. Die Rigidität und Radikalität vieler Talibananhänger beispielsweise ist nunmal eben keine Gottesgabe oder von jeher durch Gebut festgelegt. Dahinter stehen diverse soziale, politische und wirtschaftliche Zusammenhnge. In diesem Kontext kann man sicher auch Heinsohns These in eingeschränkter Weise miteinbeziehen. Allein erklärt solch eine These selten etwas, es ist immer eine Frage des Wirkzusammenhangs.
Hinsichtlich der westlichen Strategie sei auch noch folgendes vermerkt: Wie schon angesprochen: Allein nur wirtschaftliche Interessen und Überlegungen reichen nie aus, vorallem haben auch die weitergehende notwendige Bedingungen, um erfüllt werden zu können: Wirtschaftliche Interessen können langfristig nur in einem einigermaßen stabilen Umfeld auch ihre gewünschten Resultate erreichen. Die Pipelines werden weder im Irak, noch in Afghanistan lange stehen bleiben und ökonomisch effizient und rentabel betrieben werden können, wenn beständig weiterhin Kämpfe und Anschläge deren Betrieb stören. Die gesellschaftliche Lage ist daher genauso wichtig wie die bloße Erreichung von Kontrolle um jene wirtschaftlichen Interessen umzusetzen. Denn ohne die Gesamtlage wird auch nunmal nichts in der Wirtschaft. Außerdem ist es de facto nicht in unserem Interesse wenn irgendwo auf der Welt die Lage aus dem Ruder läuft: In Afghanistan konnten sich unter den Taliban Al-Quaida organisieren, wer weiß was noch alles von dort gekommen wäre. Man kann eben nicht einfach so unterscheiden zwischen den wirtschaftlichen Interessen von Enron oder sonst wem und weitergehenden Überlegungen. Es bestehen da deutliche Kontradiktionen, aber genauso auch deutliche Überschneidungen. Es ist letztlich im Interesse von niemanden, dass die Taliban wieder in Afghanistan herrschen: weder für uns, noch die Afghanen selbst, noch für die Stabilität in der Region. Über die möglichen Implikationen für Pakistan schweige ich mich mal jetzt in dem Thread aus bei der derzeitigen instabilen Lage dort. Und jeder weiß, welche Waffen Pakistan besitzt. Von daher wird Weltpolitik eben nicht nur allein über die Bilanzen von Enorn oder Lockheed Martin gemacht, zumal die in den meisten Fällen sowieso schön gerechnet werden, das amerik. Bilanzierungsrecht ist da ziemlich kulant im Vergleich zu Europa. Das aber nur am Rande. Wichtig ist, dass einzelne Motive nicht einfach so herausgegriffen werden sollten, sondern sie immer im Zusammenhang gesehen werden sollten: Afghanistan ist mehr nur als ein Transitland für Öl. Da steckt nochg mehr dahinter. Wenn es nur einfach plum um das Öl an sich oder dessen Transit gehen würde, dann hätte man genauso gut Saddam nach dem 2. Golfkrieg sich wieder domestizieren können. Das ist alles komplexer.
Genauso muss man auch viel stärker die Zusammenhänge bedenken bei der verfehlten Afghanistanpolitik.
Zitat:Sicherlich richtig. Nur stellt sich da die Frage nach Ursache und Wirkung. Also herrschen die Taliban im Südosten weil keine Hilfslieferungen ankommen, oder kommen keine Hilfslieferungen an weil die Taliban dort herrschen? Ich denke letzteres ist vor allem der Fall. Und was die Präsenz der Taliban in dieser Region betrifft so ist die Nähe zu Pakistan nicht ganz zufällig. In Saudi-Arabien und Pakistan sitzen die ideologischen Vordenker und Geldgeber. Dort sitzt ihr Rückzugsgebiet. Dort ist ihr "zuhause".Die erste Frage nach Ursache und Wirkung ist meines Erachtens letztlich völlig irrelevant. Sowohl deine Sicht, als auch Laras Sicht sind korrekt, denn die Zurechnung von Ursache und Wirkung ist letztlich eine rein subjektive Zuweisung je nach Sicht. In Wahrheit sind beide Faktoren in ihrer Wirkung zirkulär, bedingen sich gegenseitig und verstärken sich mit dem weiteren Fortschreiten des Prozesses. Es bringt nunmal nicht zu fragen, was zuerst da war, Henne oder Ei.
Selbst der britische Kommandeur der ISAF-Truppen, General Richards, sah ein, dass das Engagement der Allianz in Afghanistan einfach an dem Willen krankt, entsprechende Mittel einzusetzen. Zu wenig Geld für die Wiederaufbauteams, zu wenige Soldaten, zu viele Einsatzbeschränkungen. Ein halbherziger Einsatz mit halbherzigen Ergebnissen.
Des weiteren: Die Taliban und ihre Ideologie kommen aus den pakistanischen Madrassen des Grenzgebietes und entstanden Anfang der 90er Jahre in Reaktion auf das Chaos, das in Afghanistan nach dem Abzug der Sowjets bestand. Ihre Freunde sitzen primär in Pakistan.
Und natürlich sind viele Paschtunen überzeugte Talibananhänger, die man nicht umdrehen kann. Aber wie überall gibt es nunmal überzeugte Eiferer, die nichts und niemand von ihrem Glauben abbringen können. Aber andererseits gibt es auch immer Mitläufer, die ihren Glauben nur oberflächlich in sich aufgesogen haben und unter gewissen Umständen zumindest neutralisiert werden können. Und auch nicht jeder Paschtune ist zwangsläufig ein Paschtune. Das sind keine unverbrüchlichen Zwangsläufigkeiten, zumal die Brutalität der Taliban ihnen schnell ihre Sympathien gekostet hatten.
Es geht nicht darum, die 10 oder 20% fest überzeugte Talibananhänger zu bekehren, sondern es geht darum, die Mehrzahl der Leute zu einem irgendwann mal friedlichen Leben zu bewegen. Und da geht es eben darum, nicht alle zu gewinnen, sondenr die Mehrzahl. Es gab schon Übereinkommen mit afghanischen Stammesführern, dass bei Abzug der NATO-Truppen sie selbst für Ruhe und Ordnung im Süden sorgen würden.
Die Taliban sind wie ein Krake, der sich in das kranke, schwache Gewebe Afghanistan frißt. Den Kraken selbst kann man nicht tilgen, nur das Gewebe abwehrhäfiger machen. Dazu gehören eben Hilfen, Infrasturukturhilfen und genügend Geld um die Selbsthilfe anlaufen zu lassen.