31.07.2006, 17:56
Shahab3 schrieb:
gut, sicherlich hat es auch bspw. in Indonesien, dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land auf der Welt, heftige Proteste gegeben. Auch hat es elf Tote in Libyen gegeben und Ausschreitungen in Afghanistan. Aber ihren Anfang haben die Proteste in den Gebieten genommen, wo Syrien und der Iran einen größeren Einfluß hatten. Und dass diese Proteste erst so spät, ca. sechs Monate nach der Veröffentlichung der Karikaturen, plötzlich begannen, und dazu noch in einer heißen Phase während des Atomstreits, ist ein wenig komisch und wirkt gesteuert. Kann sein, dass ich mich irre, aber ich empfand es schon als arg "praktisch", dass die Proteste genau zu diesem Zeitpunkt losbrachen.
Aber:
Schneemann.
Zitat:Also ich halte die Demos und Gewaltausbrüche durchaus für authentisch.Ich auch. Ich denke schon, dass die Proteste ernst gemeint waren. Ich denke nur, dass sie, wenn sie ohne ausländischen Einfluß stattgefunden hätten, sich anders dargestellt hätten, d. h. ohne dieses Fahnentheater, und dass sie sich gegen andere Einrichtungen gerichtet hätten, bzw. die Angriffe nicht so geplant und konzentriert gewirkt hätten.
Zitat:Was Deinen Bezug zum iransichen Atomprogramm betrifft, so mag es richtig sein, dass das Thema zeitweilig in den Hintergrund tritt. Aber es lag nicht an den Iranern, dass es zu einer solchen Eskalation gekommen ist. Hätten die Israelis die Entführung ihrer Soldaten geschickt propagandistisch gegen Teheran ausschlachten wollen, hätten sie doch statt einen Krieg auszulösen, mit dem klagenden Finger richtung Teheran zeigen können. Aufgrund des ohnehin bestehenden Drucks durch das Atomprogramm, hätte sich der Iran vermutlich gar genötigt gesehen, vermittelnd auf die Hizbällah einzuwirken. Auch wenn das jetzt hochgradig spekulativ ist.Dies betrachte ich nun in der Tat als Spekulation. Sicherlich ist auch von meiner Seite aus einiges an Spekulation im Spiel, schließlich habe ich auch keine richtig stichfesten Beweise. Aber der Einfluß Teherans auf die Hisbollah, die Aufrüstung der Schiitenmiliz und die Connections über Syrien sind schon so deutlich zu erkennen, dass man den Persern eine Mitverantwortung an der Eskalation geben kann. Abgesehen davon denke ich nicht, dass es einen nachhaltigen Effekt auf die Spannungen vor Ort und auf den Iran gehabt hätte, wenn die Israelis die Entführung ihrer Soldaten an die große Glocke der internationalen Gemeinschaft gehängt hätten und versucht hätten, den Vorfall propagandistisch auszunutzen. Der Westen, bzw. Europa und die USA, hätten den Vorfall mit den üblichen Floskeln verdammt und die sofortige Freilassung verlangt, aber nicht wirklich was unternommen. Und die arabischen Staaten hätten vermutlich überhaupt nichts gesagt. Die Folge: Der Vorfall stände im Raum, es würde nichts geschehen, die Soldaten blieben verschleppt, die Israelis wären die Dummen und die Hisbollah würde merken/annehmen, dass Israel ein vermeintlicher Papiertiger ist, der nichts zur Rettung seiner entführten Soldaten tut. Und da man dies als Schwäche auslegen würde, würden solche Vorfälle wohl sogar zunehmen. Und mäßigend würde der Iran infolgedessen sicherlich nicht auf die Hisbollah einwirken. Im Gegenteil: Vermutlich würde man im Iran und bei der Hisbollah gar annehmen, dass diese Guerilla- und Entführungstaktik eine wirkungsvolle Option zur Schwächung Israels ist und man würde dieser Taktik (d. h. diesen Entführungen) einen höheren Stellenwert einräumen.
Zitat:Was den Karikaturenstreit angeht, so war die Sache wahrlich ein Geschenk für alle islamischen Bewegungen weltweit. Von Afrika bis Indonesien hat sich keine islamische Strömung, Partei, oder Regierung das nehmen lassen, daraus politischen Profit zu ziehen.Hmm,
gut, sicherlich hat es auch bspw. in Indonesien, dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land auf der Welt, heftige Proteste gegeben. Auch hat es elf Tote in Libyen gegeben und Ausschreitungen in Afghanistan. Aber ihren Anfang haben die Proteste in den Gebieten genommen, wo Syrien und der Iran einen größeren Einfluß hatten. Und dass diese Proteste erst so spät, ca. sechs Monate nach der Veröffentlichung der Karikaturen, plötzlich begannen, und dazu noch in einer heißen Phase während des Atomstreits, ist ein wenig komisch und wirkt gesteuert. Kann sein, dass ich mich irre, aber ich empfand es schon als arg "praktisch", dass die Proteste genau zu diesem Zeitpunkt losbrachen.
Zitat:Dennoch gab es auch hier keine übergeordnete Verschöwrung / Instanz, die diese Proteste derart weltumspannend organisiert hätte.Genau. Das sagte ich auch. Eine weltumspannende Verschwörung im Islam hatte ich auch nicht im Hintergrund gesehen. Dazu ist der Islam, bzw. sind die islamischen Länder, viel zu sehr untereinander zerstritten und es gibt zu viele unterschiedliche Strömungen.
Aber:
Zitat:Da hat jeder seine eigenen Leute, für seine eigenen Ziele mobilisiert. Davon abgesehen, dass man sich untereinander eh nicht riechen könnte und Du einem Ägypter, oder Saudi schwerlich klarmachen könntest, den Karikaturenstreit auszunutzen um vom Atomprogramm der schiitischen Iraner abzulenken.Genau das trifft es. Und mit der Formulierung, dass da "jeder seine eigenen Leute mobilisiert hätte für seine Ziele", könnte man eine Beschreibung der iranischen Politik abliefern. Der Iran ist nicht der Islam, aber der Iran hat ein Interesse daran zumindest eine regionale Großmacht zu werden und hat deshalb während dieses Atomstreits seine Figuren auf dem Schachbrett in Nahost und in Syrien bewegt und hätte sowohl den Karikaturenstreit anheizen als auch die jetzige Krise verschärfen können wollen. Und das wäre in seinem Interesse gewesen...
Schneemann.