07.05.2005, 22:48
Zitat:pseunym posteteEin Ersatzdienstleistender, der seiner Dienststelle fernbleibt wird genau wie ein Fahenflüchtiger der BW bestraft. Und ein Arbeitsdienstler, oder ein Blitzmädchen wurden bei den Nazis, a.f.a.i.r.c. auch ähnlich bestraft wie ein damliger Deserteur der Wehrmacht. Ernste Gewissenskonflikte bei diesen "waffenlosen" Einheiten damals konnten aber durchaus auch auftreten und diese Gruppe von Deserteuren von der Verehrung auszuschliessen, fände selbst ich albern.
Zudem gäbe es ja heute dank der Kriegsdienstverweigerung eine legale Möglichkeit, sich zu entziehen. Das gab es damals nicht
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Vorab: Das Regime musste beendet werden, so schnell wie möglich. Jede Art von Widerstand passiver oder aktiver Natur, der auf dieses Ziel gerichtet war verdient Anerkennung. Auf niedriger Dienstgrad- / Arbeits -ebene mehr als auf hoher, denn Bildungsniveau, Lageüberblick und Vertantwortungsbewusstsein sollten oben weiter verbreitet sein als unten. Was leider weder damals noch heute immer so ist.
Nun, zusammenfassend auch an Thomas:
Zunächst unterstellt ihr in euren ersten Antworten latent ein kollektives Wissen und einen Überblick über die Lage auf der unteren Ebene der Wehrmacht und anderer Dienste, der unserem Wissen über die Taten des NS Systems nahekommt. Ihr unterschätzt zudem, in geradezu abwegiger Art und Weise, den Einfluss, den eine solche Entscheidung auf das funktionieren unseres, heutigen, "Systems" haben könnte. Denn eurer Aktivismus ist, leider, nicht nur rückwärtsgerichtetes Handeln, sondern wirkt, meiner Einschätzung nach rechtswirksam, in unserer Zeit genauso.
Hatte jemand dieses Wissen oder zumindest begründete Zweifel an dem was ihm gepredigt wurde und er desertierte deswegen - kein Problem.
Der Knackpunkt, weswegen ich auf Probleme einer, über Trauer hinausgehenden, Kollektivwürdigung ausnahmslos aller Deserteure hinwies ist folgender:
Auch heute könnte es passieren, dass meine Einheit auf einem Einsatz in eine ausweglose Lage kommt, in der es scheint als würden die Leute bloss noch verheizt und Vorgesetzte ihre Leute in den sicheren Tod schicken.
Kann ich dann heimgehen - weil mir alles sinnlose Utopie erscheint und mir mein Verstand sagt "das kann nicht richtig sein"? Nein, denn alle Grundrechte sind in Kraft und es gibt auch keine Konzentrationslager? Woher soll ich wissen, dass das, an dem ich hier beteiligt bin, nicht in einer ähnlichen Liga spielt? Woher soll ich, als kleines Rad im Getriebe, wissen, dass man in 2055 nicht sagt: "warum hat dieser Trottel bei der Sauerrei im Sudan mitgemacht?"
Ehrt man also Personen die sich, ohne mit einem, damals in anderen Armeen auch üblichen, Maß an "Unmenschlichkeit" konfrontiert worden zu sein (wie z.B. der Todestrafe für Fahnenflucht oder verlustreichste Einsätze), und sich ohne weitere Kenntnis der Verbrechen des Systems davonmachten - dann strickt ihr eine prima Indizienkette mit der auch heute jeder Wehr- und Ersatzdienstleistende und jeder Berufssoldat seinen Dienstposten, repressionsfrei und jederzeit verlassen könnte. Verankert ihr diese indirekte Legitimation auch gesetzlich - würde jede rechtliche Handhabe gegen unsere heutigen Deserteure vor Gericht illegal (vorausgesetzt man geht in die oberen Instanzen).
Denn das Argument, dass wir heute ja ein demokratischer und fortschrittlicher Rechtsstaat sind (der zum Wohle des Volkes/der Allgemeinheit agiert) und solche Vergleiche schon wegen diesem oder jenem neuen Gesetz nicht funktionieren, ist sehr, sehr fragwürdig. Hätten die Nazis nicht etwas ähnliches von sich behauptet? Vielleicht mit dem Zusatz, dass schwere Zeiten besondere Opfer/Belastungen für jeden einzelnen Volksgenossen/Bundesbürger bedeuten? Ach nein, sorry, den Satz hat einer unser Politiker erst vor einiger Zeit in einer Rede gebracht.
Deshalb benutzte ich den Begriff: "chronisches Gutmenschentum" - Ideen die, sicher in bester Absicht realisiert, in der heutigen Welt, mit den absehbaren Problemen, nur Schaden anrichten, solange sich nicht alle Staaten und andere militärisch agierende Organisationen GLEICHZEITIG ebenfalls dazu bekennen würden. Was, wie wir alle wissen, in unserer, oder einer der nächsten Generationen nicht passieren wird.
Aufarbeiten? Gerne! - aber bitte immer detailliert und fallspezifisch.