11.02.2005, 13:32
Zitat:Rosige Zeiten für US-Rüstungsindustrie
Es ist alles halb so schlimm: Die Befürchtungen über schmerzhafte Kürzungen des US-Verteidigungsbudgets, die jüngst die Aktienkurse der führenden Rüstungskonzerne der USA unter Druck gesetzt hatten, haben sich als unbegründet erwiesen. Denn insgesamt sollen die Rüstungsausgaben in den nächsten Jahren weiter steigen.
je PORTLAND. Zwar soll bei einzelnen Waffensystemen gespart werden, weil sie zu teuer oder nach dem Ende des Kalten Krieges überflüssig sind. Aber gegen solche Entscheidungen haben sich die führenden US-Rüstungsschmieden doppelt abgesichert. Zum einen haben die Unternehmen nach den Konsolidierungswellen der vergangenen zwanzig Jahren ein so breites Produktportfolio, dass sie Streichungen bei einem Waffensystem meist mit erhöhter Nachfrage nach einem anderen kompensieren können.
Zum anderen gehört die Rüstungslobby zu den einflussreichsten in Washington - gegen sie sind Streichungen nur schwer durchzusetzen. Hinzu kommt: Die Konzerne haben die Produktion von Großwaffensystemen strategisch auf viele Bundesstaaten und Wahlkreise verteilt. Lockheed Martin etwa fertigt Teile des Kampfflugzeuges F/A-22 in 43 Bundesstaaten. Der für den Einsatz gegen sowjetische MIGs konzipierte Jet brauchte 20 Jahre vom Reißbrett bis zur Produktion. Er ist mit einem Stückpreis von fast 260 Mill. Dollar nicht nur das teuerste, sondern auch das überflüssigste Kriegsfluggerät der US-Geschichte.
Aber eine Streichung bedeutet den möglichen Verlust von Arbeitsplätzen in 43 Bundesstaaten, und weil das sofort heftigen politischen Widerstand provoziert, haben Großwaffensysteme neun Leben. Schon die im neuen Haushaltsentwurf von der Regierung ins Auge gefasste Reduzierung der F/A-22-Käufe um ein Drittel löste Proteste im Kongress aus, und Brancheninsider bezweifeln stark, dass Verteidigungsminister Donald Rumsfeld diese Pläne durchsetzen kann. Zudem stehen die Kürzungen frühestens in zwei Jahren an, bis dahin könne sich noch viel ändern.
Und selbst wenn sich Rumsfelds Sparkommissare durchsetzen, steht für den führenden US-Rüstungskonzern Lockheed Martin schon der nächste Großauftrag auf dem Plan: Die Anlauffinanzierung für die F-35, das einheitliche Kampfflugzeug für alle Waffengattungen der USA, ist im Budgetentwurf für 2006 gesichert. Mit rund 200 Mrd. Dollar Gesamtkosten über die Lebenszeit des F-35-Programms wird es das teuerste Waffensystem des Pentagon.
Lockheed Martin verteidigt ebenso wie die Konkurrenten Boeing, General Dynamics, Northrop Grumman und andere Waffenschmieden öffentlich vehement die Waffensysteme für das Militär der Vergangenheit, während sie sich gleichzeitig auf Rumsfelds Strategie einstellen, der eine hochmobile, elektronisch vernetzte und mit modernsten Waffen ausgerüstete High-Tech-Truppe schaffen will.
Marktführer Lockheed Martin, der im vergangenen Jahr mit 35,5 Mrd. Dollar Jahresumsatz einen Reingewinn von 1,27 Mrd. Dollar erzielte, verzeichnete die stärksten Wachstumsraten bei Gefechtsfeld-Elektronik und Informationssystemen für Militär und "Homeland Security", die Sicherung der Heimat. Boeing - seit der Fusion mit McDonnell Douglas die zweitgrößte Waffenschmiede der USA - hat unter anderem die Federführung bei den Future Combat Systems, einem milliarden-teuren Gefechtsfeld-Kommunikationssystem für die Armee.
Beobachter erwarten, dass die Bush-Regierung die große Linie im Verteidigungshaushalt - weniger Schiffe und Seeleute, dafür mehr Ledernacken und Spezialkommandos - energisch vertreten wird. Von der Absicht, nur vier statt sechs Kriegsschiffe bauen zu lassen, wären vor allem General Dynamics und die Nummer 3 der Branche, Northrop Grumman, betroffen. Aber beiden winken höhere Aufträge für unbemannte Flugkörper, Gefechtsfahrzeuge, Panzer und Lenkwaffen. Zusätzlich liefert bei General Dynamics auch die lange Not leidende Privatjet-Tochter Gulfstream wieder kräftige Gewinne ab.
Im Gegensatz zu den Rüstungskonglomeraten wären spezialisierte Hersteller wie Textron oder die Hubschraubertochter Sikorsky von United Technologies von Kürzungen stärker betroffen, sagt Richard Aboulafia, Luftfahrt- und Rüstungsexperte der Teal Group. Der Comanche-Kampfhubschrauber blieb bereits auf der Strecke, und jetzt wurdenauch die Mittel für die V-22 Osprey mit schwenkbaren Rotoren gestrichen. Zudem verlor Sikorsky einen 6,1 Mrd. Dollar schweren Auftrag für eine neue Flotte von Hubschraubern für das Weiße Haus an Lockheed Martin und die italienische Finmeccanica. Während Sikorsky jedoch auf zusätzliche Aufträge für den Black-Hawk-Hubschrauber hofft, würden die Pentagon-Streichungen bei der Textron-Tochter Bell Helicopter ein Loch reißen.
Milliarden fürs Militär
Mehr Geld: Der Haushaltsentwurf der Bush-Regierung für das Fiskaljahr 2006 stockt das Budget des Pentagon um 4,8 Prozent auf knapp 420 Mrd. Dollar auf. Irak-Krieg und Truppen in Afghanistan kosten zusätzlich mindestens 80 Mrd. Dollar. Bis 2011 soll das Budget auf über 502 Mrd. Dollar steigen.
Mehr Material: Die Ausgaben für Beschaffung und Militärforschung bewegen sich 2006 mit 78 und 69 Mrd. Dollar auf Vorjahreshöhe, sollen aber 2007 kräftig steigen. Die Ersatzbeschaffung von Waffen, Munition und Fahrzeugen für den Irak-Krieg verschlingt zusätzlich Milliarden. Analyst George Shapiro von Citigroup Smith Barney rechnet allein für 2005 mit zwölf bis 16 Mrd. Dollar.
Quelle: Handelsblatt.com