Tausende Tote bei Seebeben in Südasien
#37
Die Augenzeugenberichte sind auch erschütternd, hier ein Beispiel (<!-- w --><a class="postlink" href="http://www.nzz.ch">www.nzz.ch</a><!-- w -->):

Überlebt hat Joseph S., der 51-jährige Grafiker aus Zürich, die Tsunami-Katastrophe eigentlich nur, weil er bei seiner Ankunft in Khao Lak, in der Provinz Phang Nga an der thailändischen Andamanen-Küste nördlich von Phuket, kurz vor Heiligabend alle «guten» Bungalows unmittelbar am Strand schon belegt vorfand. Zu seiner grossen Enttäuschung musste ausgerechnet er, ein Thailand-Veteran, der schon seit Jahren immer wieder hier Ferien gemacht hatte, sich mit einem 200 Meter weiter hinten gelegenen Bungalow begnügen. Obwohl ihm dort die Zufahrt zu einer Baustelle und ein weiteres, in einem dichten Palmenhain verborgenes Bungalow-Dörfchen sogar die Sicht aufs Meer verdeckten, genoss er am Sonntag auf dem Balkon seines Häuschens die Wärme und die tropischen Früchte des Frühstücks. Als er plötzlich ein Dröhnen «wie von einem anfliegenden Jumbo-Jet» vernahm, dachte Joseph vorerst an ein Manöver der Streitkräfte. Er hatte am Vorabend zwei weit vor dem Strand ankernde Patrouillen-Boote gesehen. Wie sich später herausstellte, hatten diese aber zum Sicherheitsaufgebot gehört, das den Lieblingsenkel des thailändischen Königs zu beschützen hatte, der dann während der Tsunami-Katastrophe beim Jet-Skiing ums Leben kam.

Mit Trümmern gespickte Wasserwand
Doch dann schwoll das Dröhnen immer mehr an, tönte eher wie 20 Jumbo-Jets, und dann, so Joseph weiter, «rannten plötzlich Leute laut schreiend in meine Richtung», und zugleich «erblickte ich auf der ganzen Breite des sichtbaren Horizontes eine auf mich zurasende Wasserwand», zwei Drittel so hoch wie die Kokospalmen und gespickt mit Trümmern von Bungalows, Palmenstämmen und zerfetzten Palmenkronen. Joseph erzählt: «Ich kann mich an gar keine Emotionen erinnern, noch nicht einmal an einen Schreck, das ging alles so schnell.» Doch statt nach Pass und Geld oder, für den Asthmakranken noch wichtiger, Medikamenten zu greifen, hatte er die Turnschuhe geschnappt - «als ob da noch Zeit gewesen wäre, diese anzuziehen» - und rannte hinter dem Bungalow eine etwa 20 Meter hohe Böschung hoch.

Die Flutwelle war da, noch bevor er sich richtig umdrehen konnte, doch sie erreichte Joseph ganz knapp nicht mehr. «Aber hinter mir war nun nur noch ein brodelnder Hexenkessel, ein Gemisch von trübem Wasser, Gebäudeteilen, Liegestuhl- Fragmenten, zerbrochenen Palmen und schreienden Menschen, das sich wieder Richtung Meer zurückbewegte, und dieses war jetzt plötzlich zu sehen, denn die Palmen und Bungalows waren einfach weggefegt.»

Mit drei anderen Touristen, die sich ebenfalls auf die Böschung hatten retten können, vermochte Joseph noch drei weitere Menschen aus den nun ins Meer zurückströmenden Fluten hochzuziehen: einen Mann mit Lähmungserscheinungen, offenkundiger Rückenverletzung und schweren Schürfungen, eine Italienerin mit grossen, klaffenden Fleischwunden am ganzen Körper sowie einen Kanadier mit grossflächigen Schürfungen und offenen Wunden am Kopf. Weil die gleich oberhalb der Böschung verlaufende Küstenstrasse der Provinz in anderen Abschnitten sehr viel tiefer verläuft, war sie offenbar an mehreren Stellen überschwemmt worden. Es dauerte mehrere Stunden, bis wieder Fahrzeuge zu verkehren begannen.

Überwältigende Hilfsbereitschaft

In dieser Zeit sahen Joseph und die anderen Überlebenden, wie nacheinander nochmals zwei wuchtige Flutwellen über den in ein Trümmerfeld verwandelten, vormals paradiesischen Strand hinweg tosten. Erstaunlicherweise, Joseph vermutet einen «Körperschock» als Ursache dafür, bluteten die drei Schwerverletzten in ihrer Obhut in dieser ganzen Wartezeit fast gar nicht aus ihren teilweise riesigen Wunden. Schliesslich brachte ein Taxifahrer die Gruppe zum 90 Kilometer entfernten Spital des Provinzhauptstädtchens und weigerte sich angesichts der offensichtlichen Notlage seiner Fahrgäste, jegliche Bezahlung für die Fahrt entgegenzunehmen.

Im Spital bekam Joseph, der ausser seinen Turnschuhen nur die Badehose und ein T-Shirt und sonst nichts von seiner gesamten Habe hatte retten können, von einem aus Singapur stammenden Geschäftsmann ein Hemd und Shorts spendiert. Bis zum Dienstag hielt er sich vorwiegend in dem kleinen Spital von Phang Nga auf, um die einheimischen Pfleger und Ärzte zu unterstützen. Vor allem versuchte er auch, für viele der teilweise entsetzlich zugerichteten Überlebenden herauszufinden, ob sich allenfalls auch deren Angehörige hatten retten können. Joseph sagt, er habe leider nicht einem einzigen von ihnen eine positive Nachricht überbringen können. Nach seinen Worten gibt es in der Region jetzt fünf Auffangstationen mit je 500 Verletzten, die untereinander Namenlisten austauschen. Laut Joseph überleben längst nicht alle der Eingelieferten.

Am meisten erschüttert hat ihn ein ganzer Krankenhaussaal, in dem sich nur Kinder in allen Altersstufen und aus den verschiedensten Herkunftsländern und mit unterschiedlich schweren Verletzungen befanden. Keines von den Ansprechbaren unter ihnen wusste, ob Eltern, Geschwister oder andere Angehörige noch am Leben waren. Als mehrerer Sprachen mächtiger Schweizer hat Joseph viel Zeit bei ihnen verbracht und erzählt: «Ich habe kein Kind schreien hören oder weinen sehen. Die stehen alle noch unter einem Schock, der sich wahrscheinlich erst lösen wird, wenn sie nach Hause gekommen sind.»
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