21.11.2004, 19:57
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Zitat:Sendung vom 14.11.2004 (SWR)
Thailand
Buddhisten gegen Muslime
Freitagsgebet an der Zentralmoschee von Pattani. Der Süden Thailands ist das Land der Moslems. Sie stellen die absolute Mehrheit hier. Doch unter den Thailändern insgesamt sind sie eine verschwindende Minderheit. Gleich neben der Moschee: der Markt. Fast alle Frauen gehen verschleiert. Man betont moslemische Identität. Die Südprovinzen hatte sich einst das expandierende Reich der Thais einverleibt. Quasi Kolonien. Das hat immer wieder zu Spannungen geführt. Aber jetzt explodiert die Gewalt.
Ein Strassenfeger wurde niedergeschossen, weil er für die Regierung arbeitet. Solche Bilder kommen fast täglich aus dem Süden. Im Krankenhaus von Pattani: Ein Polizist ist erschossen worden. Am nächsten Tag: Ein Student. Auch Moslems werden angegriffen, wenn sie mit der Regierung zusammenarbeiten. Und immer wieder Bomben.
Dabei weiss niemand, wer die Täter sind, es gibt keine ernstzunehmenden Bekennerschreiben. Allenfalls Flugblatter, die von Rache reden. Rache für Opfer von Regierungsgewalt. Buddha ist nicht so recht heimisch zwischen den Wiesen und Reisfeldern des Südens. Fast alle Thais sind Buddhisten, aber hier sind sie eine verschwindende Minderheit. Und immer wieder werden Mönche Opfer des rätselhaften Terrors. Darum sind ihre Tempel zu Heerlagern geworden: Soldaten zu ihrem Schutz.
Wahrend wir hier filmen, wird im Nachbarort ein Tempel angegriffen. "Den Militärschutz mögen wir nicht, aber es geht nicht anders", sagt der Abt Para Udomthamakani vom Lak Muang-Tempel. "Ich bin hier geboren, viele Freunde sind Moslems. Aber neuerdings wird es schwer, miteinander zu reden. Die jungen Moslems sind anders". Soldaten joggen auf der Pagode: So rückt der Buddhismus in die Nahe der Staatsgewalt.
In der Grenzstadt Tak Bai feuern Soldaten in eine Menge von Demonstranten. Die hatten die Freilassung von angeblichen Separatisten gefordert. Aus der Menge heraus sei geschossen worden, verteidigt sich das Militär. Sieben Demonstranten sind tot. Aber es kommt noch viel schlimmer. Man nimmt einige hundert Manner gefangen und verfrachtet sie auf Lastwagen: Übereinander gestapelt. Als die Wagen in Kasernen ankommen, findet man mehr und mehr Tote darin. Die Überlebenden berichten von Erstickten und Zerquetschten. Am Ende sind 78 Gefangene tot. Ein gewaltiger Skandal.
Premierminister Thaksin reist an den Ort des Geschehens. Aber nicht, um sich zu entschuldigen. Demonstrativ besucht er ein buddhistisches Kloster. Er plädiert für hartes Durchgreifen gegen Separatisten. Chermsak Pinthong von der oppositionellen Demokratischen Partei hat den Premier scharf kritisiert und Aufklarung der Todesfalle verlangt. Das aber, gibt er zu, ist gar nicht populär in Thailand. Populär ist Thaksin und seine harte Hand. "Thaksin schüttet Benzin ins Feuer", sagt Chermsak Pinthong, Senator der Demokratischen Partei. "Thaksin hat behauptet, die Moslems im Süden sprachen nicht einmal Thai. Das stimmt nicht, aber so ein Nationalismus macht ihn popular in den anderen Teilen des Landes. Er präsentiert sich als kraftvoll. Wie Präsident Bush."
Im Krankenhaus von Pattani liegen sie auf einer Station: Die Opfer von Terror und die Opfer von Militärgewalt. Eine Kommission aus Bangkok ist zu Besuch. Sie soll herausfinden, warum so viele Gefangene des Militärs umgekommen sind. "Auf mir lagen vier Gefangene. Keine Luft. In meinem Lastwagen gab es sieben Tote. Mit der Demonstration hatte ich gar nichts zu tun", sagt einer der Verletzten. Vor dem Krankenhaus demonstriert die buddhistische Bürgerschaft: Für das Militär. Sie macht Druck auf die unabhängige Untersuchungskommission: "Wir sind die Minderheit hier", ruft einer. "Täglich werden wir getötet."
Die Polarisierung geht weiter. An der zentralen Moschee von Pattani ist das Freitagsgebet zuende. Die Mehrheit der Moslems im Süden Thailands hat auch heute noch mit Separatismus und Terrorismus nichts im Sinn. Die Zentralregierung in Bangkok hat in der Vergangenheit einiges getan für die Moslemische Minderheit. Etwa Moscheen gebaut. "Ich bin froh dass wir Thailänder sind", sagt der Korangelehrte Haji Yakob Raimanee. "Hier haben wir Religionsfreiheit. Mehr als anderswo". Er spricht übrigens makelloses Thailändisch.
"Nein, nein, mit Religion haben die Unruhen nichts zu tun", sagt Athorn Benjasamai. "Nur mit Unbildung. Wir brauchen mehr Schulen und Berufsbildung. Dann hört das auf." Ein paar Kilometer weiter steht die kleine 400 Jahre alte Krue Se – Moschee. Sie wird gerade renoviert. Vor einen halben Jahr war sie Schauplatz einer Schiesserei zwischen Moslemischen Radikalen und dem Militär. Dabei starben 100 Menschen. Beklagt wurde schon damals: Übertriebener Gewalteinsatz der Regierungssoldaten. "Die Soldaten verstehen uns Moslems nicht", sagt der Vorbeter Mahason Matahe. "Sie kommen aus weit entfernten Provinzen. Es gibt keine Verständigung". Noch haben Islamistische Aktivisten keine Mehrheit unter den Moslems von Süd- Thailand. Aber Angst und Gewalt werfen die Region zunehmend aus der Balance.