08.12.2025, 14:29
(08.12.2025, 14:14)Nightwatch schrieb: Bleiben wir im Sinne des Threads bei EU vs USA.der nominelle Vergleich sagt nichts zum realen Wert (Kaufpreis bzw Kaufkraft) des BIP pro Kopf.
Das GDP per Capita liegt in den USA bei über 89.000 US-$. Für die EU als ganzes liegt der Durchschnitt bei gut 46.000 US-$. Es fehlt nicht mehr viel und der durchschnittliche Amerikaner ist doppelt so Reich die der durchschnittliche EU-Bürger.
Das BIP pro Kopf von Deutschland (60.000 US-$) liegt dabei auf dem Niveau der ärmsten (!) US Bundesstaaten, Mississippi und West Virginia. Die Ungleichheit zwischen den Nationalstaaten ist in der EU übrigens wesentlich breiter als zwischen den Bundesstaaten in den USA.
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Die Frage ist insofern ob wir die Lücke im BIP (die übrigens ein Phänomen der letzten Jahrzehnte ist!) wieder schließen oder den noch bestehenden Reichtum gerechter verteilen wollen.
Zitat:Weil die Kaufkraft in verschiedenen Volkswirtschaften und damit in zwei Währungsräumen stark voneinander abweichen kann, reicht für die Vergleichbarkeit eine einfache Messung des BIP zu aktuellen Wechselkursen nicht aus, sie würde ein um Wechselkursschwankungen verzerrtes BIP Maß abbilden.
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D.h. wir wollen in der Lage sein, die wirtschaftlichen Kennzahlen verschiedener Länder und eben verschiedener Währungen miteinander zu vergleichen. Denn um das Volkseinkommen verschiedener Länder sinnvoll miteinander in Relation zu stellen, reicht es nicht aus, die volkswirtschaftliche Gesamtleistung einfach nur in eine andere Währung umzurechnen und in ihr auszudrücken. Damit würden nämlich die unterschiedlichen Kaufkraftniveaus in den Ländern unter den Tisch fallen.
Dem Ansatz der Kaufkraftparität liegt zugrunde, dass der nominale Vergleich zweier Einkommen in zwei verschiedenen Ländern nichts darüber aussagt, wie viel man sich von diesen Einkommen leisten kann, d.h.: Wie hoch die dazugehörige Kaufkraft ist. Diese hat wiederum etwas mit dem Preisniveau in den jeweiligen Ländern zu tun.
Schon die massive Abwertung des US-Dollars gegenüber dem Euro (die übrigens ein Phänomen der letzten Jahrzehnte ist) ist ein Indiz dafür, dass der reine "Zahlenvergleich" irreführend wird.
Der US-Dollar hat hat heute nur noch 17% der Kaufkraft von 1971. Der Rest ist im Orkus verschwunden (Zitat).
Zitat:Wer im Jahre 1971 100 US-Dollar unter seinem Kopfkissen versteckt hat, um sie heute wieder hervorzuholen, hätte Sie lieber 1971 auf den Kopf gehauen oder noch besser Gold dafür gekauft. Im Jahre 1971 waren 100 US-Dollar deutlich mehr wert als heute, denn wer heute 100 US-Dollar in den Händen hält, kann damit nur noch so viel damit anstellen wie jemand im Jahre 1971 mit 17 US-Dollar.Der US-$ hat damit auch deutlich massiver an Wert (Kaufkraft) verloren als der Euro.
[Bild: https://www.hartmut-naujok.de/files/graf...erlust.jpg]
(08.12.2025, 14:14)Nightwatch schrieb: Wenn wir uns für die gerechtere Verteilung entschließen werden die Wohlstandschaffenden Entwicklungen (weiterhin) außerhalb der EU stattfinden. Wir werden uns dann schon in ein bis zwei Jahrzehnten erstaunt die Augen reiben wie futuristisch das Leben in den diversen Wachstumsregionen der Welt (beileibe nicht nur USA) sein wird, während wir bei uns nur einen schleichenden und bleiernen Niedergang mit aber immerhin üppigen Renten- und Bürgergeldzahlungen erleben.nein, das ist ein Trugschluss. Wirtschaftswachstum kommt von Nachfrage. Und einige wenige Reiche können bei Weitem nicht so viel nachfragen wie eine Gesellschaft mit einer gesunden Mittelschicht und auch in den niedrigen Einkommensschichten ausreichender Kaufkraft.
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Etwas primitiv, aber einprägsam:
auch ein Reicher kann nur ein Schnitzel essen, und auch wenn er das mit Gold bepudert - deshalb werden nicht mehr Schnitzel verkauft. Aber mehr Schnitzel werden von den Bauern produziert und verkauft, wenn sich auch die Ärmeren ein Schnitzel leisten können. Dann steigt die "Schnitzelnachfrage" entsprechend an, was zu mehr Wirtschaftswachstum bei den Schweinezüchtern führt.
(08.12.2025, 14:14)Nightwatch schrieb: Du hast ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verlinkt. Wir können an dieser Stelle nicht über die deutsche Justiz diskutieren.das habe ich auch nicht vor. Ich wollte an diesem Beispiel nur zeigen, dass es ein unterschiedliches Werteverständnis dies- und jenseits des Atlantiks gibt, dass es übergriffig ist, die Vorstellungen eines Teils der US-Gesellschaft von Europa einzufordern, und das habe ich in dem Beitrag auch deutlich gemacht.
