01.12.2025, 15:36
Zitat:Eine - vernichtende - Kritik an Europas "Stärke"Vernichtend nicht unbedingt, aber er legt den Finger durchaus dahin wo es weh tut.
(paywall)
Dahingehend teile ich seine Einschätzung
Zitat:Die EU leidet unter drei gefährlichen Schwächen:Letztendlich ist kein europäischer Staat mehr eine Großmacht im Geiste des frühen 20. Jhr.Wir Europäer müssen an diesen Schwächen arbeiten, und zwar dringend.
- Wir bündeln unsere Kräfte nicht dort, wo es nötig – und möglich – wäre. Die Macht in Europa ist so zersplittert, dass wir eine allzu leichte Beute sind. Ganz im Gegensatz zu Russland übrigens, das durch extreme Machtkonzentration eine geopolitische Rolle spielt, die weit jenseits seiner ökonomischen Möglichkeiten liegt.
- Die EU setzt falsche Prioritäten. Die großen Umverteilungsprojekte – Regionaler Zusammenhalt, Landwirtschaft – bringen wenig. Anders als der einheitliche Markt, der allerdings unvollendet bleibt, was Europa unnötigerweise zurückhält.
- Es fehlt immer noch eine Vision, eine gemeinsame Erzählung darüber, was dieses Europa eigentlich ist, was es sein will und wie es in seiner Endausbaustufe aussehen soll. Das schafft unnötige Unsicherheit.
Das ist eine Frage der Selbstbehauptung in einer Welt neoimperialer Megamächte.
Sofern man hier plant, kein Vasall der heutigen Großmächte zu werden, führt an einem europäischen Machtblock kein Weg dran vorbei. Und dafür brauch es zunächst einmal ein geschlossenes Auftreten sowie ein gemeinsames Leitbild.
Genau deshalb unterstützen einige Großmächte ja genau die politischen Demagogen in Europa, die dem entgegenwirken wollen. Witzigerweise selber bewegt auf Basis der nationalen Stärke und Unabhängigkeit, also das, was sich ohne einen europäischen Machtblock defacto nicht erreichen lässt.
Interessant auch dieser Ansatz:
Zitat:Wenn man die EU am Reißbrett neu entwerfen könnte, wäre die Gemeinschaftsebene für europäische öffentliche Güter zuständig, zuallererst für Verteidigung und überhaupt den Schutz der Außengrenzen. Dann für die einheitliche Geld- und Währungspolitik. Dann für Handelspolitik und Wettbewerbskontrolle, [...]Guter Gedanke, jedoch kann ich die Föderalisten in der Ferne schon schimpfen hören. Solange Hans und Franz die Möglichkeit haben, europäische Gemeinschaftsprojekte durch ihre Sonderwünsche zu entgleisen, wird daraus nie was.
Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, bräuchte es einen deutlich größeren EU-Haushalt, der aus gemeinsamen Steuern (und wenn nötig Schulden) finanziert und vom Europäischen Parlament verantwortet wird. Dieser Haushalt würde nicht mehr zuvorderst Gelder zwischen Mitgliedstaaten umverteilen, die die Regierungen zur Verfügung stellen. Vielmehr würde er Projekte von gemeinsamem Mehrwert aus eigenen Einnahmequellen finanzieren. In diese Richtung gehen die Vorschläge einer Kommission unter Leitung des italienischen Ökonomen und früheren EU-Kommissars Mario Monti. Der entsprechende Report erschien vor neun (!) Jahren.
Das müsste zuerst geändert werden, bevor man auch nur daran denkt. Anders gesagt, nationales Recht muss (Abgesehen von jeweiligen verfassungstechnischen Grundsätzen) dem EU-Recht konsequent untergeordnet werden. Und sei es mit Hilfe der Brechstange.
Weshalb ich es bspw auch für nötig erachte, den europäischen und auch deutschen Föderalismus soweit wie möglich zentralisieren. Der Mehrwert dieses Systems geht gen 0, verkompliziert und verlangsamt aber jeglichen "überregionalen" Prozess bis ins unermessliche. Und meistens auch noch völlig ergebnislos, abgesehen von Jahren an Verspätung.
Zitat:Für die Verteidigung, gewissermaßen das höchste öffentliche Gut, sind zuvorderst die Mitgliedstaaten zuständig. 2024 haben sie umgerechnet knapp 370 Milliarden US-Dollar fürs Militär ausgegeben. Das ist etwa doppelt so viel wie Russland, wie aus Zahlen des schwedischen Konfliktforschungsinstituts SIPRI hervorgeht. Doch all die Gelder könnten effizienter verausgabt werden, wenn sie komplett vergemeinschaftet wären. Immerhin, es gibt Schritte in Richtung gemeinsamer Beschaffung und Vereinheitlichung der Waffensysteme. Aber bis zu einer echten Verteidigungsunion ist es noch ein weiter Weg.Ob hier ein gesamteuropäischer Verteidigungshaushalt sinnvoll ist, wage ich aufgrund der jeweiligen nationalen Unterschiede doch zu bezweifeln.
Aber eine gesamteuropäische Verteidigungsinstitution in der Entwicklung, Beschaffung und Verwaltung von Rüstungsprojekten, Hard- und Software sowie die strategischen Konzepte und Führung der europäischen Streitkräfte zentralisiert und unterhalten wären, wäre mMn absolut sinnvoll.
So würden Kooperationen vereinfacht und vertieft werden, gemeinsame Entwicklungs- und Produktstandards geschaffen werden, was die Interoperabilität der jeweiligen Systeme erhöht, sowie Ressourcen effizient genutzt werden um den größtmöglichen Output in Entwicklung und Produktion zu ermöglichen.
Gleichzeitig böte sich hiermit die Möglichkeit einer Art "failsafe" falls Unternehmen oder Staaten versuchen querzuschießen und die europäische Integrität zu untergraben, bspw in Bezug auf Ungarn, Polen und jüngst auch uns.
Man stelle sich ein FCAS vor, verwaltet und organisiert von einer Europäischen Verteidigungsinstitution, indem weder Dassault, noch Airbus, noch Trappier, noch Hartpunkt auch nur ein Wörtchen zu melden hätten... ein Traum würde wahr werden

Oder sonstige europäische Rüstungsprojekte die letztendlich daran gescheitert sind, dass irgendein Hampelmann der Meinung war, der Mittelfinger gegenüber dem eigenen Verbündeten habe Priorität vor den Feinden im Osten und Westen.
