01.12.2025, 10:37
(30.11.2025, 23:31)Quintus Fabius schrieb: Das längere Verweilen über dem Einsatzraum reicht aber genau so wenig zur Differenzierung von anderen Systemen, denn auch andere Systeme können länger über dem Einsatzgebiet verweilen. In der Ukraine sind eine Menge Drohnen unterwegs die eine große Standzeit haben und dennoch keine Loitering Munitions sind. Sie werden nicht als solche bezeichnet und gesehen.
Mir fällt keine Munition ein, die bewusst darauf ausgelegt ist, länger als für die Bewältigung der Strecke zum Ziel in einem Einsatzraum zu verweilen, weder real noch konzeptionell, die soweit wesensfremd zu der Loitering Munition ist, dass eine eigene Bezeichnung gerechtfertigt wäre. Was auch daran liegt, dass Loitering Munition ein Sammelbegriff für verschiedenste Auslegungen ist (die ihrerseits zur Unterscheidung gekennzeichnet werden müssten). Für mich ist dieses Merkmal also eine ganz klare Definition, problematisch ist da eher die schwammige Nutzung des Begriffs "Drohne", mit dem inzwischen so ziemlich alles überall bezeichnnet werden kann (sofern unbemannt, wobei es mich nicht wundern würde, irgendwann von "bemannten Drohnen" zu lesen), auch wenn das fachsprachlich nicht richtig ist. Grundsätzlich sehe ich aber keinen Grund, warum eine hohe Standzeit von tatsächlichen Drohnen die Abgrenzung zur Loitering Munition erschweren soll, weil du deren Wesensmerkmal schon heraus gestellt hast: dauerhafte Wiederverwendbarkeit. Dementsprechend sind die FPV-Drohnen auch keine Drohnen, sondern Loitering Munition. Zwischenzeitlich wurde der Begriff "Kamikaze-Drohne" etabliert (oder zumindest versucht, diesen zu etablieren), was das eigentliche Dilemma der Einordnung nur verdeutlicht.
Zitat:Da du in diesem Kontext auf NLOS PALR verweist: die Unterschiede zwischen einer Spike NLOS und einer Loitering Munition sind kleiner als die zwischen einer UCAV und einer Loitering Munition.
Das stellst du einfach so in den Raum, ich sehe das nicht so. Mal abgesehen davon, dass UCAV und LM Überbegriffe sind, die eine Vielzahl von Auslegungen beinhalten, und eine PALR ein recht konkretes Konzept beschreibt, war und ist der Übergang zwischen UAS und LM schon immer fließend. Damit meine ich nicht LM, die bei fehlendem Ziel wieder verwendet werden kann und damit die Grenze aufweicht, sondern vor allem solche Systeme, wie wahlweise verwendet werden können und dafür ausgelegt werden. Auch die Herkunft vieler LM, die von UAS abgeleitet wurden, zeigt eher eine in Teilbereichen enge Verwandtschaft.
Zitat:Sie ist daher meinem Verständnis nach eine evolutionäre Weiterentwicklung entsprechender NLOS Raketen - und genau deshalb wurden diese Systeme ja auch Anfangs Loitering Missiles genannt.
Das englische "missile" hat zwei Bedeutungen, es kann auf deutsch mit "Flugkörper" (bspw. Cruise Missile, üblicherweise ja keine Rakete) oder "gelenkte Rakete" (als Gegensatz zu Rocket als ungelenkte Rakete) übersetzt werden. Üblicherweise wird das US-Projekt PARM (Persistant Anti-Radiation Missile) als Ursprung der LM genannt, auch andere frühe Systeme waren keine Raketen, so dass Loitering Missile eher den Flugkörper meint, nicht die Rakete. Daneben wurden (und werden) LM früh auch als Selbstmord- oder Kamikaze-Drohne bezeichnet, sofern sie aus dieser Entwicklungsrichtung stammen. Insofern ist deine Herleitung für mich nicht nachvollziehbar, allerdings zeigen die verschiedenen Bezeichnungen und Herkünfte mein Problem mit dem generellen Begriff auf, weil der in der aktuellen Nutzung eine zu heterogene Gruppe an Munition bezeichnet, deren einziges gemeinsames Merkmal zwar bezeichnend, aber letztlich nichtssagend ist.
Zitat:Wenn man nun zielsuchende Munition als Oberbegriff nimmt - unter welche Loitering Munition fallen, genau so wie NLOS PALR oder eben auch Artilleriegranaten mit Suchzünder usw. - womit ich absolut mitgehen würde, dann ist jede Loitering Munition eine zielsuchende Munition, aber nicht jede zielsuchende Munition eine Loitering Munition.
Wenn du es so strukturieren willst, wäre hierarchisch korrekt meines Erachtens:
- Munition
-- Gelenkte Munition
--- Loitering Munition
---- Zielsuchende Loitering Munition
Für das, was Broensen mit "geführter Munition" meint (zumindest so wie ich das verstehe) gibt es den etablierten Begriff der gelenkten Munition, in dem die zielsuchende Munition eine Untergruppe darstellt. Sie ist jene gelenkte Munition, die mit eigener Sensorik ein Ziel identifzieren oder ansteuern kann. Das synonym wäre "selbstgelenkt" und der Gegensatz innerhalb dieser Gruppe "ferngelenkt".
Mein Problem mit einer solchen Hierarchie ist, dass sie selbst auf der untersten Ebene kein konkretes Konzept beschreibt. Es wurde einfach nur ein weiterer Oberbegriff eingeführt um eine Gruppe von Systemen zu kennzeichnen, der allerdings keinerlei Aussagekraft oder Relevanz besitzt. Und das ist unerheblich davon, ob wir jetzt deine Hierarchie oder meine nehmen, LM ist darin nie so greifbar sein wie eine NLOS PALR, oder eine Artilleriegranate mit Suchzünder und kann daher nicht mit diesen auf einer Stufe stehen.
Zitat:Daher will ich einen neuen ganz anderen Vorschlag unterbreiten:
Verzögerungs-Munition
(...)
Das würde sich auch gut einreihen in Wörter wie Verzögerungs-Zünder u.ä.
Prinzipiell besser, nur gerade weil der Verzögerungszünder etwas anderes beschreibt halt auch wieder irreführend, weil es dann Verzögerungsmunition mit Verzögerungszünder gäbe, und "normale" Munition mit Verzögerungszünder, und Verzögerungsmunition mit "normalen" Zündern, und alles beschreibt etwas anderes. Zumal, wenn ich das jetzt nicht falsch in Erinnerung habe, auch gebremste Bomben oder Torpedos schon als "verzögernd" bezeichnet wurden.
Die Bundesregierung beschreibt LM wie folgt:
"Loitering Munition ist ein gelenkter Flugkörper, der in einem Einsatzraum nach Zielen am Boden sucht, dazu in unterschiedlichen Höhen, abhängig vom Einsatzprofil, verweilt und nach Freigabe durch einen Bediener oder eine Bedienerin ein (bewegliches) Punktziel mit hoher Präzision bekämpft."
siehe Deutscher Bundestag, Drucksache 20/10456, 22.02.2024
Das wäre die deutsche Perspektive, die bewusst das Thema Autonomie ausklammert, eine automatische Zielsuche aber impliziert.
