Meckern über Deutsch-französische Rüstungsprojekte
(21.11.2025, 07:23)muck schrieb: Hatte ich Dich also falsch verstanden?

Jein, mir geht es nicht um einen inneren Widerspruch, sondern generell darum, wie Anforderungen betrachtet werden. In meinen Augen ist die einzig sinnvolle Herangehensweise für eine Bewertung eine Einzelfallprüfung unter gleichen Voraussetzungen, eingebettet in einem jeweils größeren Kontext. Natürlich wird das subjektiv zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, aber in meinen Augen ist es bezeichnend, dass überall die Kritik gegenüber Anforderungen vorherrscht (und diese teilweise auch massiv überzogen ist), während hier die Anforderungen stets sakrosankt dargestellt werden. Wenn das auf dich nicht zutrifft, entschuldige bitte meine Formulierung, dann störe ich mich aber zumindest daran, dass die durch die Medien geisternden Anforderungen zumindest einfach hingenommen werden.

Zitat:Meine Aussage war, dass die in den Medien kreisenden Anforderungen Frankreichs und Deutschlands unvereinbar scheinen, oder zumindest dazu führen könnten, dass eine der beiden Seiten einen schlechten Kompromiss akzeptieren muss.

Da geht es dann in gewisser Hinsicht eher um eine Medienkritik, oder um die Frage, welcher Betrachtungsmaßstab angelegt werden muss. Denn diese grundsätzliche Diskussion über Anforderungen und Auslegungen haben wir ja beispielsweise bei Eurofighter und Rafale auch bereits, obwohl diese trotz ihrer unterschiedlichen Vorgaben und Konfigurationen in der Gesamtbetrachtung praktisch dann doch wesentlich näher beieinander und praktisch in vielerlei Hinsicht austauschbar sind. In den Diskussionen hier im Forum wird das noch viel deutlicher, die kompetenter, aber letztlich nach dem gleichen Schema ablaufen.

Zitat:Und was ist dann der Fall? In einem Satz: Was für ein Flugzeug will Frankreich, was für ein Flugzeug will Deutschland? Und warum wird seit Jahren über unterschiedliche Anforderungsprofile gestritten? Denn zumindest darauf werden wir uns doch einigen können.

Es wird gestritten, weil Forderungskataloge nach einer jeweils eigenen Metrik aufgestellt werden, und diese dann gegen die Forderungskataloge der Partner durchgesetzt werden müssen. Das können eklatante Unterschiede sein, dass kann sich aber auch um Banalitäten handeln. Da die wesentlichen Forderungen im HL CORD bereits vereinbart wurden und die ersten Entwicklungsphasen ermöglichten können die tatsächlichen Forderungskataloge nicht so weit auseinander liegen, dass sie grundsätzlich unvereinbar sind. Das bestätigen auch offizielle Aussagen, beispielsweise:

"Das neue Luftwaffensystem, das die Nachfolge von Rafale und Eurofighter antreten wird, muss ein Mehrzwecksystem sein, das dem Kontext des Jahres 2040 und der folgenden Jahrzehnte bis zu seinem Rückzug, wahrscheinlich um 2080, angepasst ist. Es besteht allgemein Einigkeit darüber, dass dieser Kontext durch eine stärkere Bedrohung des Luftraums durch unsere Luftraumgegner mittels "Anti-Access / Area Denial" (A2/AD)-Strategien gekennzeichnet sein wird, die mit Hilfe von Detektionssystemen (Breitbandradar) und Raketenabwehrsystemen (z.B. die russische S400 und ihre Nachfolger) umgesetzt werden, die äußerst wirksam sind. Dadurch wird es unmöglich, in den feindlichen Raum einzudringen, auch wenn die Beherrschung der dritten Dimension für jede militärische Aktion, auch vom Boden, von wesentlicher Bedeutung bleibt. Darüber hinaus muss das neue Kampfflugzeug in der Lage sein, sowohl die französische Atomwaffe als auch die von Deutschland implementierte NATO-Atomwaffe zu tragen, was sich auf seine noch zu spezifizierenden Eigenschaften auswirken wird.

Folgen für den zukünftigen Flugzeugträger

Größe und Gewicht des neuen Kampfflugzeugs haben Auswirkungen auf die Abmessungen des möglichen zukünftigen französischen Flugzeugträgers und auf die Größe der Raketen, die in Zukunft eingesetzt und entwickelt werden können. Derzeit hat die Rafale Marine eine Spannweite von 10,90 Metern, eine Länge von 15,27 Metern, ein Leergewicht von 10 Tonnen und ein Maximalgewicht von 24 Tonnen mit Bewaffnung. Der NGF wird aus mindestens drei Gründen schwerer sein: Er muss mehr Arbeitskräfte tragen können, er muss eine größere Flugreichweite haben, und seine Tarnung wird wahrscheinlich ein gewisses Volumen an Raketenbunkern erfordern. Zum Vergleich: Das amerikanische Stealth-Kampfflugzeug F22 hat eine Spannweite von 13,56 Metern, ist 18,9 Meter lang, wiegt unbeladen 20 Tonnen und voll beladen bis zu 35 Tonnen. Das in Le Bourget vorgestellte NGF-Modell war 18 Meter lang. Admiral Christophe Prazuck, Chef des Marinestabs, nannte bei seiner Anhörung im Senat am 23. Oktober 2019 ebenfalls ein Gewicht von etwa 30 Tonnen für den NGF und größere Abmessungen als die der Rafale, was einen Flugzeugträger impliziert, der viel größer und schwerer ist als der Charles de Gaulle. Die vorgesehene Größenordnung läge somit bei 70.000 Tonnen für einen Flugzeugträger von 280 bis 300 m Länge, gegenüber 42.000 Tonnen und 261 Metern für den derzeitigen Flugzeugträger."


Auszug aus dem Informationsbericht für den französischen Senat, Seite 11/12.

Konkrete Inhalte oder einzelne Leistungsforderungen sind mir natürlich nicht bekannt, selbst das HL CORD ist geheim und wurde nur in Auszügen veröffentlicht. Das und die nachfolgenden offiziellen Veröffentlichungen zeichnen aber ein Bild, dass die zuvor gemachten Aussagen stützt. Das was an Anforderungen durch die Öffentlichkeit geistert muss insofern immer etwas skeptisch betrachtet werden, sofern es über Grundsätzliches hinaus geht. Und selbst da kursieren offensichtliche Falschinformationen.

Zitat:Wieso? Das Letztere ist die Steigerung des Ersteren. Schon definitionsgemäß gehen die Technologien, die von der Black Box umfasst sind, nicht in Dein geistiges Eigentum über. Der Unterschied ist, dass meine Eigentumsrechte im ersten Fall nur rechtlich geschützt sind, ich im zweiten Fall aber Vorkehrungen getroffen habe (baulich, technisch, konzeptionell o.ä.), um Dich daran zu hindern, Dich über meine Rechte hinwegzusetzen (oder es in der Praxis zumindest sehr zu erschweren).

Bei der Frage des geistigen Eigentums haben die Partner vollen Zugriff auf eingebrauchte Technologie innerhalb der gemeinsamen Produktentwicklung, dürfen diese aber nicht außerhalb dieser Partnerschaft nutzen. Für mich ist das ein sehr deutlicher Unterschied zu einer tatsächlichen Black Box, die sich dem Zugriff der Projektpartner völlig entzieht. Und in der Diskussion um das FCAS waren das zwei unterschiedliche Aspekte. Die Streitpunkte über das geistige Eigentum wurde mit einer Lösung beigelegt, die jenen entspricht, die bei früheren Projekten zur Anwendung kam: das eingebrachte geistige Eigentum wird nicht vergemeinschaftet, das gemeinsam entwickelte geistige Eigentum schon. Innerhalb des Projekts besteht dafür völlige Offenheit über die einzelnen Komponenten.

Davon losgelöst und von dieser Regelung ausgenommen wurde bisher nur die Systemkomponenten für die nukleare Abschreckung, die tatsächlich eine Black Box darstellen, allerdings auch nur für die französischen Flugzeuge relevant sind und zum gemeinschaftlichen Muster lediglich entsprechende Schnittstellen benötigen. Und ja, für mich sind das zwei völlig unterschiedliche Baustellen.

Zitat:Das Problem bestand von Anfang an seitens Dassault, und ist offenbar noch immer nicht gelöst

Der von dir verlinkte Bericht (der übrigens auch auf deutsch verfügbar ist) aus dem Jahr 2020 beschreibt den von mir bereits erwähnten damaligen Dissens, der zum Teil ein Missverständnis war, und final zwischenzeitlich ausgeräumt wurde. Dazu beispielsweise:

Als Beispiel führte er das strategische Arbeitspaket zur Flugsteuerung an. „Es gibt keinen Chef, aber wir sind die Hauptstütze in diesem SCAF-Programm (so die französische Abkürzung) und als solche unserer Regierung gegenüber verantwortlich. Dassault muss die Hebel haben, um unsere Verantwortung sowie die Sicherstellung unseres geistigen Eigentums wahrzunehmen.” Trappier konkretisierte, dass damit keine französische „Black Box” gemeint sei, alle Teilnehmer und künftigen Nutzer werden Zugang zu allen „Boxen” haben. Ungeachtet dessen ist es aber der Konstrukteur beziehungsweise „Schöpfer”, welcher Eigentümer des geistigen Eigentums bleibt. „Wir haben 70 Jahre Erfahrung. Niemand kann mich zwingen, unser geistiges Eigentum zu verschenken”, so Trappier.

https://militaeraktuell.at/dassault-chef...twicklung/

Trappier war es auch, der damals exklusiv im Le Figaro ein Interview gegeben und erklärt hat, dass das Thema "Geistiges Eigentum" geklärt wäre und es keine Probleme mehr diesbezüglich gäbe. Für deine Behauptung, dass Trappier unmissverständlich das Gegenteil gesagt hat hätte ich gern ein Zitat, weil mir ein solches nicht bekannt ist, es aber dem mir bekannten Stand widerspricht. Ausschließen kann ich es nicht, der Mann redet (zu)viel und meint es manchmal auch anders (was er dann allerdings korrigiert), aber ohne Beleg ist es ein Widerspruch zu belegten Aussagen. Und nein, den Artikel von jemandem, der zwar omnipräsent ist, aber lediglich die Arbeit anderer ahnungslos agglomeriert und immer wieder "gut informierte Quellen" oder "Insider" anführt reicht mir definitiv nicht aus. Du hast an anderer Stelle solche Dampfplauderer kritisiert, du solltest es auch an dieser Stelle tun.

Zitat:Korrekt. Aber mein Argument ist und bleibt: Nehme ich zusätzliches Geld in die Hand, um Abhängigkeiten so weit wie möglich zu reduzieren, muss unterm Strich auch ein Minimum an Abhängigkeiten dabei herauskommen.

Ja, aber es gibt bisher kein Anzeichen dafür, dass das nicht der Fall wäre.

Zitat:Und mir ist aufrichtig unklar, was an dem Gedankengang falsch sein soll, dass 80% Dassault, ~20% Airbus und Indra für Deutschland mehr Abhängigkeiten bedeutet als die vereinbarten ~50% Dassault, ~50% Airbus und Indra. Würde FCAS denn signifikant billiger, falls Trappier sich durchsetzte und Dassault nahezu absolute Technologiehoheit bekommt? Dann könnte sich der Deal durchaus lohnen.

Zunächst einmal zu den Anteilen, es waren ursprünglich mal 50% Dassault und 50% Airbus am NGF. Durch die Hinzunahme von Spanien wurden daraus 33,3% Dassault und 66,6% Airbus. Dass dies schon kein gutes Konstrukt ist, wenn Dassault die Projektleitung haben soll, dürfte jedem Auffallen. Dieser Verteilung hat Dassault mit eben jenem Verweis auf die Projektleitung zugestimmt, ein Zustand, der mit Verweis auf die prozentualen Verhältnisse von Airbus immer wieder angegriffen wird. Ich weiß, dass hier gern Dassault als der Sündenbock für alle Probleme dargestellt wird (ohne Unterstellung, dass du das machst, aber auch deine Argumentation ist in meinen Augen eher einseitig), aber diese Situation ist hausgemacht und Airbus sowie die deutsche Seite, die Spanien aus guten Gründen als Projektpartner wollte, weil mit dem Land sehr viel Konsens besteht, tragen ein gutes Stück Schuld an den Problemen.
Und wie das NGF aussehen würde, wenn Trappier sich tatsächlich durchsetzt, steht etwas in den Sternen. Dazu habe ich mich hier erst vor ein paar Beiträgen geäußert, der vermutliche Wunsch von Dassault, ein maximal exportierbares Flugzeug, ist nur bedingt mit den französischen Forderungen vereinbar, die zwingend Hochtechnologie in allen Bereichen voraus setzen. Das von Dassault gewünschte Muster wäre vermutlich günstiger, einfach weil der Preis für den Export sehr relevant ist. Aber das ist Spekulation, genauso wie die Leistungsfähigkeit oder die Erfüllung einzelner Anforderungen.

Zitat:Das habe ich aber auch schon mehrmals betont, von mir aus könnte Dassault das Flugzeug alleine bauen, sofern nur am Ende wirklich genau die Maschine herauskommt, die die deutsche Luftwaffe fordert. Du wirst doch zumindest zugeben müssen, dass Trappiers Äußerungen ernste Zweifel zulassen, ob es am Ende so kommen wird?

Für mich ist das, was die deutsche Luftwaffe fordert, nicht maßgeblich. Ich sehe, was die deutsche Luftwaffe seit ihrer Gründung gefordert hat und was beschafft wurde, mit welchen Konsequenzen, und wie das zu einem guten Teil heute verklärt wird. Ich will jetzt hier nicht zu weit abschweifen, aber mein Ansatz ist ein ganz anderer: wenn wir uns statt am Eurofighter an der Rafale beteiligt hätten (wie es damals ja im Raum stand), unter französischer Leitung als Partner mit paritätischer Wertschöpfung, eigener Endmontage und nationaler Fortentwicklungsmöglichkeit, stünden wir ganzheitlich betrachtet wirklich schlechter da als aktuell? Oder noch besser, hätten wir bis vor der Erkenntnis, dass wir mehr tun müssen, schlechter dagestanden? Ich behaupte nein, und ich bin ebenso der Ansicht, dass dies für den NGF genauso gilt. Alle offiziellen französischen Aussagen zeichnen meiner Ansicht nach ein Bild, dass die wesentlichen Punkte für ein zukünftiges Kampfflugzeug (wie ich es mir für unsere Luftwaffe vorstelle) sowohl in der Einzelleistung als auch als Zentrum eines Kampfverbunds hinreichend berücksichtigt.

Was für mich nicht kalkulierbar ist, ist das, was Dassault als Idealvorstellung vorschwebt. Aufgrund eines Exportfokus befürchte ich, dass dies nur bedingt sinnvoll als einziges zukünftiges Kampfflugzeug sein könnte. Allerdings gilt diese Befürchtung dann eben nicht nur für die deutsche, sondern auch für die französische Luftwaffe.

Zitat:Das Flugzeug würde nicht die noch auszuentwickelnden Fähigkeiten bekommen, Bugfixes und Anpassungen an künftige Bedrohungen würden entfallen, und die Wartung bzw. Instandsetzung wäre nur unter größten Mühen zu bewerkstelligen (mutmaßlich auch nur in dem Umfang, in dem Ersatzteile beim Nutzer zur Verfügung stehen).

"Größte Mühen" bei der Wartung und Instandsetzung sind für mich nicht absehbar, der Ablauf in einer lokalen Cloud ist nicht anders als in einer globalen, es müssen halt die entsprechenden Vorkehrungen getroffen werden. Dazu gehört auch ein ausreichend großes Ersatzteillager. Wie bereits gesagt, ob sich das aufgrund der Strukturen lohnt oder nicht hängt von vielen Faktoren ab, da will ich keine Aussage zu treffen. Es ist aber möglich, zumindest wurde das immer plausibel so beschrieben.
Und was ersteres betrifft, logischerweise entfallen bei einer vollständigen Abnabelung vom Hersteller die von diesem entwickelten Verbesserungen. Das war aber schon immer und in jeder Konstellation so, und die einzige Frage ist, in welchem Rahmen eigenverantwortlich Anpassungen durchgeführt werden können. Ich befürchte, bei der Komplexität heutiger Systeme ist das so oder so nur bedingt ohne jegliche Herstellerunterstützung möglich. Am Betrieb selbst würde sich allerdings erstmal nichts ändern. Und wie gesagt, bei einem mitfinanzierten NGF sollte sich die Situation bei einer Beteiligung anders darstellen. Das gilt es im Zweifel natürlich richtig zu verhandeln.
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