20.11.2025, 09:20
(19.11.2025, 20:04)Quintus Fabius schrieb: WENN sich die Entwickle an harte Fakten halten und die Erfahrung der Benutzer verwenden, DANN können auch Personen ohne Gefechtserfahrung gute Waffen bauen. Genau das ist aber in der real existierenden deutschen Rüstungsindustrie oft nicht der Fall.
Sondern ganz im Gegenteil: praktische Einsatzerfahrung wird viel zu wenig beachtet. Denn die primäre Zielsetzung ist die Gewinnmaximierung und nichts anderes und die praktische Einsatzerfahrung steht dieser im Weg.
Und doch sind die Rückmeldungen von den Nutzern der deutschen Waffen, die an die Ukraine geliefert wurden (egal ob es sich um ältere Systeme oder Neuentwicklungen und -produktionen handelte) hinsichtlich der Kriegstauglichkeit und dem praktischen Nutzen tendenziell eher positiv. Du behauptest, die Zielsetzung der deutschen Rüstungsindustrie zu kennen, aber woher genau? Mit wem hast du da über was konkret gesprochen, um ein solches Urteil zu fällen? Diese Einseitigkeit und Pauschalität in deiner Betrachtung ist, gerade aufgrund von berechtigten Kritikpunkten, nicht nachvollziehbar und behindert eher das, was du zuvor eigentlich forderst: das halten an harte Fakten.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Echter Krieg ist in ganz großem Ausmaß Chaos, Zufall, Durcheinander. Die Seite, welche in diesem Chaos und mit diesem Chaos besser zurecht kommt, hat dadurch immense Vorteile. Man überlässt nicht zu viel dem Zufall, sondern der Krieg selbst wird durch ein zuviel an Zufall dominiert. Ganz von selbst, dass ist systeminhärent. Deshalb ist es so elementar, dass die Ukainer diese Ansätze als ihre Stärke gegen die Russen explorieren.
Historisch betrachtet (zumindest auf die Moderne bezogen, darüber hinaus fehlen mir die Kenntnisse) hat vor allem die Seite deutliche Vorteile, die das Chaos, den Zufall und das Durcheinander minimieren kann. Und das passiert in der heutigen Zeit ganz wesentlich auch durch jene, die vermeintlich keine Kriegserfahrungen haben, weil sie an der Front nicht Auge in Auge gegen den Feind kämpfen. Ohne moderne Kommunikationsmittel und -netzwerke, ohne Aufklärungsergebnisse aus der Ferne, ohne Unterstützung bei logistischen Aufgaben würde die Lage der Ukraine heute deutlich schlechter aussehen. Umgekehrt könnte die Situation besser sein, wenn hier ein höheres Niveau gerade auch abseits der oberen Ebenen durch die Truppe vor Ort erzielt werden könnte. Die Voraussetzungen sind dafür aber auch deshalb nicht gegeben, weil der notwendige Aufwand sowohl in technischer als auch organisatorischer Sicht eine Hürde darstellt, die nicht schnell aufgelöst werden kann. An dieser Problematik leiden beide Seiten und kämpfen daher einen Krieg anders, als er gekämpft werden könnte und würde, wenn es diese Hürde in der Form nicht gäbe. Das muss sowohl bei der Bewertung von Aussagen "von der Front" als auch bei den Analysen in der Nachbetrachtung stärker berücksichtigt werden, als das aktuell der Fall ist (vor allem auch massenmedial, dann gäbe es so manches Märchen nicht, aber das ist ein anderes Thema).
Zitat:Eine militärische Lehre daraus ist im Umkehrschluss, dass man die Zahl der verschiedenen Systeme, Kaliber, Bauteile, Motoren etc etc im Friedensbetrieb so klein wie möglich halten sollte, und alles so weitgehend wie möglich vereinheitlichen sollte, auch was Truppengattungen, Strukturen von Einheiten usw usw angeht.
Das war schon immer und wird wohl auch immer eine Unart sein, mit regelmäßigen Versuchen, sie zu beheben, während sie dann schleichend wieder Einzug hält.
Zitat:Es tut sich vor allem materiell etwas. Nicht schnell genug, aber vor allem materiell. Der wesentlichste Aspekt aber ist, dass Kriege von Menschen geführt werden, und dass stellt das Hauptproblem in dieser Bundeswehr und dieser Gesellschaft dar. Ausrüstung gewinnt keine Kriege. s sei denn die Asymetrie wäre derart extrem, dass der Sieg in jedem Fall errungen wird.
Auch das ist in der Einseitigkeit und Pauschalität falsch. Menschen und Ausrüstung sind im Krieg miteinander in einer Art und Weise verflochten, die sich nicht (mehr) auseinander dividieren lässt. Es braucht beides, in ausreichender Zahl und Qualität, und vor allem aufeinander abgestimmt. Ob es die vermeintliche Fixierung auf das Material tatsächlich gibt, ich habe da meine Zweifel und denke eher, es ist wesentlich schwieriger einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz beim Personal zu finden, der den Notwendigkeiten gerecht wird. Denn Maßnahmen gibt es doch einige, sie werden nur medial nicht so in den Fokus gestellt wie der neue Wunderpanzer oder die Superfregatte.
Zitat:Ein kleines Manöver braucht schon schier endlos bis es endlich ordnungsgemäß geplant und vorschriftsgemäß veranstaltet werden kann.
Ich kenne den Aufwand nicht, ich sehe aber sehr viele kleinere Übungen und Manöver bei uns in der Gegend. Und es wird immer mehr.
(20.11.2025, 05:08)muck schrieb: Absolut. Die Technikgläubigkeit ist ein ernstes Problem, aber vermutlich nicht mehr aus den Köpfen zu kriegen, schließlich ist das Phänomen keineswegs neu. In Deutschland liegen seine Anfänge schon hundert Jahre zurück, die Wehrmacht glaubte, Masse durch Klasse zu schlagen, und verrannte sich z.B. im Panzerbau völlig. Auch die NATO-Doktrinen bauten seit 1949 im Grunde darauf auf, mit besserer Technik die sowjetischen Massen zu schlagen.
Die Wehrmacht hat Masse durch Klasse geschlagen, und das gilt darüber hinaus auch für die Moderne schlechthin. Problematisch (aus der jeweiligen Perspektive) wurde es immer nur bei extremen Massenvorteilen des Gegners (die dort trotzdem zu horrenden Verlusten führten), oder wenn Masse und Klasse gleichzeitig erreicht wurden. Oder anders formuliert, wenn der technologische Vorteile die Masse nicht mehr Kompensieren konnte. Letzteres ist aber eine Binse. Technikgläubigkeit ist genauso Problematisch wie jede andere Form von Gläubigkeit, die nicht auf klaren Fakten und sinnvollen, strukturierten Einordnungen basiert. Und die zeigen, technische Überlegenheit ist elementar wichtig, nur muss diese auch gereift in einer adäquaten Masse zur Verfügung stehen. Wenn ich mit einer gelenkten, "intelligenten" Artilleriegranate die gleiche Wirkung erzielen kann wie mit 20 ungelenkten, "dummen" Granaten, dann ist das nur dann ein Vorteil, wenn der Aufwand für die Herstellung weniger als 20 mal so hoch ist - und ich die Leistung von 20 ungelenkten, "dummen" Granaten für jedes Ziel tatsächlich brauche. Mir scheint, dass ersteres durchaus erreicht werden kann und daher zum Beschaffungsargument wird, letzteres aber selten berücksichtig wird. Und das ist in meinen Augen in technischer Hinsicht eine wichtige Erkenntnis aus dem Ukrainekrieg: das Problem ist nicht der technologische Stand, das Problem ist die Konzentration von Wirkleistung und dadurch deren Verlust in der Fläche. Das mag artverwandt sein, erfordert aber ganz andere Ansätze zur Lösung. Und bei dieser kann Technik durchaus wieder helfen.
Zitat:Und da gibt mir eine Beobachtung zu denken, die viele Deutsche nicht werden hören wollen, auch in diesem Forum nicht: Das Verhalten der Menschen während der Pandemie. Das in mir ernste Zweifel am gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Bereitschaft, Lasten zu tragen, aufkommen lässt.
Ich sehe das genau umgekehrt, in meinen Augen hat die Pandemie gezeigt, wie Resilient die Gesellschaft sein kann. Eher war das Problem eine mediale Gleichmacherei, die in meinen Augen zu völlig falschen Eindrücken geführt hat, aber das Thema sollte hier nicht weiter vertieft werden, denn ansonsten kommt der von dir genannte "Schlaumeier" gleich um die Ecke und will inhaltlich genau das diskutieren, um was es hier gar nicht geht.
PS: Und ja, ich werde entsprechende Beiträge direkt und pauschal löschen, macht euch also gar nicht erst die Mühe.
