20.11.2025, 05:08
(19.11.2025, 19:00)alphall31 schrieb: Nur interessiert es meist recht wenig was die Nutzer meinen .
Nach der Bedarfsmeldung ist für den Nutzer meistens Schluss . Danach entscheiden meistens Preise , beschaffungsbehörden , militärische Bürokraten , Politik und lobbyarbeit.
(19.11.2025, 20:04)Quintus Fabius schrieb: WENN sich die Entwickle an harte Fakten halten und die Erfahrung der Benutzer verwenden, DANN können auch Personen ohne Gefechtserfahrung gute Waffen bauen. Genau das ist aber in der real existierenden deutschen Rüstungsindustrie oft nicht der Fall.Auf beide Einwände die gleiche Antwort: Ihr tragt hier nur Eure Vorbehalte gegen die deutsche Rüstungsindustrie vor, um die ging es in dem Zitat aber nicht. Krotewytsch sagte doch sinngemäß, dass niemand, der nicht selbst im härtesten Gefecht gestanden hat, praxistaugliche Waffensysteme bauen kann. Das überzeugt mich einfach nicht, und ich habe Gegenbeispiele genannt.
Sondern ganz im Gegenteil: praktische Einsatzerfahrung wird viel zu wenig beachtet. Denn die primäre Zielsetzung ist die Gewinnmaximierung und nichts anderes und die praktische Einsatzerfahrung steht dieser im Weg.
(19.11.2025, 20:00)Quintus Fabius schrieb: Zunächst mal müsste man darüber reden, was mit miliitärischer Nahkampf überhaupt gemeint ist.Guter Einwand. Mehr weiter unten.
(19.11.2025, 20:00)Quintus Fabius schrieb: Die Wirkung dieser wenigen Einzelvideos auf die Gesamtpropaganda halte ich für völlig vernachlässigbar.Ich nicht.
Für beide Seiten ist dieser Krieg ein Medienkrieg. In beiden Ländern verfolgt die Bevölkerung des Kriegsgeschehen vor allem über semi-offizielle Kanäle wie den oben verlinkten. Das Video des Kampfes zwischen dem Ukrainer und dem Burjaten vor ein paar Monaten wurde allein auf Telegram (80% der Nutzer russisch) 45 Mio. mal angesehen.
(19.11.2025, 20:00)Quintus Fabius schrieb: Zudem kann man so etwas auch durch entsprechende Gegenpropaganda leicht aufhebenWie?
Propaganda zielt nicht immer auf die Gegenseite, sie zielt auch auf die eigenen Leute. Und die nehmen dergleichen positiv auf, zumal in einem solch erbittert geführten Krieg.
Ich wundere mich über Dich, weiter unten hebst Du doch die entscheidende Bedeutung von Moral selbst hervor.
(19.11.2025, 20:00)Quintus Fabius schrieb: solche Vorfälle lassen sich auch leicht vortäuschen.Das kommentiere ich jetzt einfach mal nicht, denn ohne entsprechende Hinweise ist das nur ein Strohmann.
(19.11.2025, 20:00)Quintus Fabius schrieb: Dem kann ich zustimmen, aber solche Situationen löst man mit der Feuerwaffe und nicht anders. Und jede Sondersituation, wo man in Nahkampfdistanz Ladehemmung etc. hat und dann trotzdem nicht tot ist sondern noch irgendwie ohne Feuerwaffe weiter kämpfen kann, ist dergestalt, dass jede Ausbildung für diese Einzelfälle einfach nur grundfalsch wäre, weil Zeitverschwendung. Das kriegen die richtigen ganz von selbst hin, und die anderen können mit der Ausbildungszeit die man hat nicht dahin gebracht werden. Der notwendige Gesamtaufwand um jeden Soldaten für einen solchen Ausnahmespezialfall zu qualifizieren steht einfach in keinerlei Verhältnis zum militärischen Mehrwert.Dann denkst Du meines Erachtens zu sehr in konventionellen Mustern. Eine sinnvolle militärische Nahkampfausbildung muss weder lange dauern noch braucht sie nur dem militärischen Nahkampf zu nützen. In der oben geschilderten Situation hat den Mann gerettet, dass er nicht aufgegeben und sofort die Distanz überbrückt hat. Solche Verhaltensmuster lassen sich trainieren, und sind auch in anderer Hinsicht förderlich.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Bei einer Armee im Friedensbetrieb macht es Sinn, so viele Soldaten so gut wie möglich und so breit wie möglich auszubilden. Wobei selbst bedeutende westliche Armeen wie die US Streitkräfte lauter Spezialistentum haben und dort auch nicht jeder für alles qualifiziert wird.Du übersiehst hier eines: EUMAM begann im Oktober 2022, da standen die Ukrainer noch nicht im Abnutzungskrieg. Die endgültige Erstarrung der Front und den Übergang zum Abnutzungskrieg haben wir erst ab dem Spätherbst 2023.
Bei einer Armee die in einem schon länger andauernden Abnutzungskrieg steht, ist dieses Ideal jedoch nicht aufrechterhaltbar. Es ist kein Fehler, dass die Fähigkeiten so heterogen verstreut sind, sondern dass ergibt sich zwingend aus der Sache. Es ist schlicht und einfach unmöglich, in so einem Abnutzungskrieg dieser Intensität das von dir angedachte durchschnittliche Niveau an Fähigkeiten aufrecht zu erhalten.
Und Du übersiehst noch etwas.
Ich habe gar nicht für irgendetwas plädiert, sondern ich habe darauf hingewiesen, dass beide Seiten, wörtlich, aneinander vorbeireden. Dass beide Seiten nicht die Perspektive der jeweils anderen berücksichtigen, und dass dabei Reibungsverluste entstehen, die Erkenntnisgewinn kosten.
Aus Perspektive der deutschen Bundeswehr ergab es mehr als Sinn, die für die geplante Sommeroffensive 2023 vorzuhaltenden Reserven möglichst umfassend auszubilden, auch als Fähigkeitsmultiplikatoren.
Und ja, dass dies dann unterlassen wurde, hat auch zu Problemen geführt. Du erinnerst Dich vielleicht an die anfängliche Kritik der Ukrainer an der PzH2000? Vieles davon war einfach auf Bedienungsfehler zurückzuführen.
An der ArtS sollte drei Monate ausgebildet werden, das war den Ukrainern zu lang, also hat man die Besatzungen in sechs bis neun Wochen durchgeschleust. Das heißt nicht, dass eine dreimonatige Ausbildung unabdingbar gewesen wäre, aber was hier zum Beispiel von ukrainischer Seite übersehen wurde, war, dass Waffensystem halt nicht gleich Waffensystem ist, und dass man die Ausbildung an einem deutschen Waffensystem zumindest im Kern an deutschen Doktrinen orientieren muss, denn dafür wurde sie gebaut.
Das würde deutschen Soldaten umgekehrt auch nicht anders ergehen.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Hier ging es aber nicht um Browdi.Ähem, doch, denn ich habe ein neues Fass aufgemacht, kein altes. Browdi war ein Beispiel dafür, dass auch Experten in ihrem jeweiligen Gebiet aus einer verengten Froschperspektive beurteilen.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Und da muss man konsternieren, dass die Politiker wie die Gesellschaft für einen modernen Krieg tatsächlich untauglich sind.Kein Widerspruch.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Die Beförderung durch Akklamation ist aktuell eine der allergrößten Stärken der Ukrainer.Nein, das ist sie nicht. Auf jeden Denys Prokopenko kommen drei andere, die horrende Verluste verursachen, weil sie Verantwortung übertragen bekamen, der sie nicht gewachsen waren.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Im übrigen ist nicht gesagt, dass ein Ausgebildeter Bataillonsführer im echten Einsatz tatsächlich ein Bataillon führen kann.Entschuldige, aber das ist ein doofes Gegenargument.
Nicht jeder, der Medizin studiert, wird ein guter Arzt, aber alle guten Ärzte haben Medizin studiert.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Der Wert von Ausbildung hat auch seine Grenzen. Und umgekehrt ist Praxiserfahrung und ein neuer komplett anderer Ansatz, frei von tradierten und eingedrillten Denkweisen oft sehr vorteilhaft. Ausbildung und Routine können ganz genau so ein Problem darstellen, bis dahin, dass sie gefährlich werden !Richtig, aber Du stellst hier fälschlicherweise den Extrem- als Normalfall dar, und ignorierst, worauf mein Argument abzielte: einen vermittelnden Ansatz. Es geht nicht darum, in Doktrinen zu verharren. Es gibt jedoch Dinge, die man nur tun kann, wenn man sie beigebracht bekommen hat. Nicht alles kann man sich selbst beibringen. Weiter im Folgenden:
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Darüber hinaus möchte ich zu bedenken geben, dass im Krieg Psychologie / Moral / ideelle Werte einen immensen Faktor darstellen. Der moralische Vorteil kann in vielen Fällen immens viel größer sein als etwaige Ausbildungs-Mängel.Kann. Muss aber nicht. Oft ist er es nicht.
Und selbst wenn der moralische Vorteil über den Graben der Ausbildungsmängel hinwegträgt, geht dies oftmals mit unnötigen Verlusten einher. Im Einzelfall mag das vernachlässigbar sein, in der Gesamtschau kann es den Sieg kosten.
Denke an die Territorialverteidigung von Kyiw während der Schlacht um die Stadt, die, in den Worten von Szczepan Twardoch, für die reguläre Armee und sich selbst eine größere Gefahr darstellte als für die Russen. Ihr Patriotismus und ihre hohe Moral konnte ihre Ausbildungsmängel nicht wettmachen.
Denke an die Waffen-SS, bei der aus ideologischen Gründen militärische Grundfertigkeiten wie Defensivtaktiken völlig vernachlässigt wurden, die deswegen horrende Verluste erlitt, und deren Einsatzwert (nicht zuletzt durch die Lobbyarbeit ihrer ehemaligen Angehörigen) lange unglaublich überschätzt wurde.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Gleiches Gegenargument: dass ist der Moral höchst förderlich, und stärkt die Disziplin, den Zusammenhalt, die Kampfbereitschaft und die Bereitschaft Opfer zu bringen. Ohne solche Eigenheiten wären die Ukrainer durch die Russen inzwischen zermalmt worden.Manchmal. Manchmal führt es aber auch zu Problemen, die hierzulande nicht gerne diskutiert werden. Kollektive Befehlsverweigerung. Tätliche Angriffe, in Einzelfällen auch Morde an Vorgesetzten. Nicht jeder ukrainische Soldat ist ein Freiwilliger. Gerade mit den Mobilisierten gibt es Probleme, die sich nicht lösen lassen, indem man den "flexiblen" Ansatz auf jeden Verband überträgt.
Vielleicht tue ich Dir Unrecht, aber mir scheint, dass Du unfreiwillig ein Beispiel lieferst für das Problem, das ich mit meinen (sicher ungenügenden) Mitteln anzusprechen versuche: Schlüssellochperspektive. Du extrapolierst die Zustände in einem Verband wie der 12. Spezialisierten Brigade Asow, wo die oben genannten Herangehensweisen gut funktionieren, auf die gesamte ukrainische Armee, und ignorierst zum Beispiel, wie die 155. Mechanisierte Brigade zerbröselte.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Das hat seinen Grund aber erneut vor allem auch in der Länge des Krieges, den Verlusten und schließlich auch in der extrem heterogenen Ausrüstung welche die Ukraine von überall her erhalten hat. Keine westliche Armee, insbesondere die Bundeswehr, käme aktuell mit einem solchen Durcheinander von Systemen überhaupt zurecht.Das täuscht.
Die Verbände sind ja deshalb so verschieden ausgerüstet, weil die gelieferte Ausrüstung derart breit gestreut und unterschiedlich ist.
Die Mehrzahl aller ukrainischen Bataillone wurde ohne ausländische Materialspenden ausgerüstet. Ein Teil der Handwaffen und Fahrzeuge, der Großteil der persönlichen Schutzausrüstung und des Handwaffenzubehörs, und praktisch alle Drohnen vor Juni 2025 wurden mit Spenden durch die Einheiten und Verbände selbst gekauft.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Eine militärische Lehre daraus ist im Umkehrschluss, dass man die Zahl der verschiedenen Systeme, Kaliber, Bauteile, Motoren etc etc im Friedensbetrieb so klein wie möglich halten sollte, und alles so weitgehend wie möglich vereinheitlichen sollte, auch was Truppengattungen, Strukturen von Einheiten usw usw angeht.Zustimmung.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Es tut sich vor allem materiell etwas. Nicht schnell genug, aber vor allem materiell. Der wesentlichste Aspekt aber ist, dass Kriege von Menschen geführt werden, und dass stellt das Hauptproblem in dieser Bundeswehr und dieser Gesellschaft dar. Ausrüstung gewinnt keine Kriege. s sei denn die Asymetrie wäre derart extrem, dass der Sieg in jedem Fall errungen wird.Absolut. Die Technikgläubigkeit ist ein ernstes Problem, aber vermutlich nicht mehr aus den Köpfen zu kriegen, schließlich ist das Phänomen keineswegs neu. In Deutschland liegen seine Anfänge schon hundert Jahre zurück, die Wehrmacht glaubte, Masse durch Klasse zu schlagen, und verrannte sich z.B. im Panzerbau völlig. Auch die NATO-Doktrinen bauten seit 1949 im Grunde darauf auf, mit besserer Technik die sowjetischen Massen zu schlagen.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Das Üben auf Truppenübungsplätze zu konzentrieren ist ohnehin ein Kardinalfehler der Bundeswehr. Übungen müssen stattdessen breit in der Fläche stattfinden, in realer Landschaft und nicht in der Übungsplatzkünstlichkeit. Das primäre Hindernis hierfür ist der Vorschriftenwildwuchs. Ein kleines Manöver braucht schon schier endlos bis es endlich ordnungsgemäß geplant und vorschriftsgemäß veranstaltet werden kann. Vorschriften aber gewinnen keine Kriege.Richtig, aber hier hast Du mich missverstanden. Freilaufende Übungen, von denen es gottlob seit 2022 wieder mehr gibt, sind extrem wichtig, um militärische Grundfertigkeiten und Taktiken zu erproben und zu trainieren. Du kannst aber nicht einfach in einer freilaufenden Übung Waffenwirkung üben.
(19.11.2025, 20:26)Quintus Fabius schrieb: Dem kann ich absolut zustimmen. Die mangelnde Anpassungsfähigkeit und mangelnde Anpassungsgeschwindigkeit sind eines der wesentlichsten Probleme. Dazu tritt noch die sozialkulturelle Kriegsunfähigkeit, weil die Sozialkultur dieser Gesellschaft für den Krieg wenig tauglich ist.Ja, allerdings würde ich nicht einmal auf den Krieg an sich einengen. Meiner Wahrnehmung nach sind besonders kriegerische Gesellschaften ziemlich schlecht darin, Kriege zu gewinnen—und ohnehin schlecht in allem anderen, was Gesellschaften noch ausmacht.
Was die Herausforderungen an die Gesellschaft als Solches anlangt, unterscheiden sich Kriege kaum (allenfalls in der Dauer) von Naturkatastrophen, Seuchen und Hungersnöten: Die Gesellschaft ist in ihrer (zumindest bisherigen) Existenz bedroht und muss nicht nur ihren Angehörigen Opfer abverlangen, sondern auch dafür Sorge tragen, dass der Nutzen dieser Opfer möglichst zielgerichtet in die richtigen Bahnen gelenkt wird.
Und da gibt mir eine Beobachtung zu denken, die viele Deutsche nicht werden hören wollen, auch in diesem Forum nicht: Das Verhalten der Menschen während der Pandemie. Das in mir ernste Zweifel am gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Bereitschaft, Lasten zu tragen, aufkommen lässt.
Und vermutlich scharrt schon jetzt irgendein Schlaumeier mit den Hufen und hat irgendeinen Artikel in petto, der "beweist", dass Masken oder Impfungen nicht nötig gewesen seien, und sich dadurch rückwirkend bestätigt fühlt. Aber darum geht es nicht. Im Frühjahr 2020 wusste das niemand, deswegen könnte auch eine sich später als unnütz erweisende Maßnahme anfänglich richtig gewesen sein. Und da liegt halt der Hase im Pfeffer:
Im Krieg wird die politische Führung den Mut aufbringen müssen, schwere Entscheidungen zu treffen, ohne alle Fakten zu kennen. Und die Bevölkerung wird diese Entscheidungen mittragen müssen, denn sonst kann man gleich aufgeben. Verteidigung ergibt nur im Kollektiv Sinn.
Mein einziger Hoffnungsschimmer in Bezug auf Deutschland ist, dass es nur Anhaltspunkte gibt, aber keine sicheren Hinweise, um vorherzusagen, wie sich eine Gesellschaft schlagen wird, wenn ihre Existenz wirklich bedroht ist. Die Ukraine ist das beste Beispiel dafür, aber beileibe nicht das einzige.
