23.09.2025, 12:46
Lateinamerika: Wie Putin in Amerikas Hinterhof drängt
Aktualisiert am 23.09.2025, 11:23 Uhr
Aktualisiert am 23.09.2025, 11:23 Uhr
Zitat: Russland nutzt Waffen, Öl und Diplomatie, um in Lateinamerika wieder Fuß zu fassen. Das ist in den letzten Jahren gut gelungen – trotz Ukraine-Krieg und internationaler Ächtung. Die USA stehen deshalb in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft vor neuen Herausforderungen.DT und Wirtschaftskooperation? Wer träumt da so laut? Bei internationalen Wirtschaftsbeziehungen fällt DT doch nur das Wort "Zoll" ein !
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Es dürfte westliche Beobachter ... besorgen, dass es Moskau trotz Ukraine-Krieg und internationaler Ächtung zunehmend gelingt, mit einer Mischung aus gezielter Energie-Diplomatie und militärischer Kooperation seinen Einfluss in anderen lateinamerikanischen Staaten auszubauen. Für Gerhard Mangott, Politikwissenschaftler an der Universität Innsbruck, ist dies Teil einer größeren Strategie: Russland verschafft sich Einfluss in der traditionellen US-Hemisphäre und schwächt zugleich die Dominanz Washingtons. "Durch militärische Kooperationen und diplomatische Unterstützung autoritärer Systeme positioniert sich Russland als Alternative zum politischen Druck der USA", so Mangott im Gespräch mit unserer Redaktion. Die USA seien dadurch zu "ressourcenintensiven Gegenoperationen" gezwungen.
Energielieferungen als ökonomisches Druckmittel
Was das ökonomisch bedeutet, lässt sich vor allem an Brasilien ablesen. ....
Während beispielsweise Europa russisches Öl boykottiert, liefen brasilianische Häfen ab 2023 geradezu mit Tankern aus Russland über, die in ihren Bäuchen verhältnismäßig günstiges russisches Öl geladen haben. Für Brasilien, dessen Landwirtschaft und Transportindustrie massiv auf billigen Treibstoff angewiesen sind, ist das ein enormer Vorteil. Engpässe konnten abgefedert werden, die Preise in dem Land sind weitgehend stabil und die Inflation im Energiebereich unter Kontrolle gehalten werden. So etwas kommt auch bei der heimischen Bevölkerung gut an.
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Bolivien könnte zu Moskaus politischem Joker werden
Auch Bolivien steht im Fokus der russischen Energie- und Rohstoffdiplomatie. Das Land ist nicht nur ein Absatzmarkt für russischen Treibstoff, sondern zugleich auch Teil von Projekten im Lithiumabbau, also jenem strategischen Rohstoff, der für Batterien und moderne Technologien unverzichtbar ist. Gelingt es Moskau, sich hier dauerhaft Einfluss zu sichern – was stand heute noch nicht ausgemacht ist – hätte es einen geopolitischen Joker in der Hand und würde sich gleichzeitig unabhängiger von China machen.
Billige Energie ist aber längst nicht der einzige Köder, den Russland hinwirft, um sich in Lateinamerika auszubreiten. Forscher der National Defense University in Washington schätzen, dass Russland allein in den letzten zehn Jahren rund 2,3 Milliarden US-Dollar an Rüstungsgütern nach Lateinamerika exportiert hat: Kampfflugzeuge, Luftabwehrsysteme und Hubschrauber für Venezuela, die auch gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden, Panzer und Polizeiberater für Nicaragua oder Militärtechnik für Kuba. Für die Empfängerstaaten hat das einen zusätzlichen Reiz: Im Unterschied zu westlichen Partnern knüpft Moskau seine Lieferungen in der Regel nicht an die Einhaltung von Menschenrechtsstandards. Das macht diese Art der Kooperation insbesondere für autoritäre Staaten interessant.
Staaten sind für Jahrzehnte von Russland abhängig
Für Russland geht es dabei weniger um kurzfristige Einnahmen als um langfristige Pfadabhängigkeiten, also die Möglichkeit, sich für Jahrzehnte den Zugriff auf die beteiligten Länder zu sichern. Wo immer sich Russland engagiert, verkauft es nämlich meist komplette Sicherheitspakete, also nicht nur das Gerät, sondern auch Wartung, Ausbildung und Berater. Einmal abhängig, bleiben Länder wie Venezuela dann auf russische Unterstützung angewiesen. Selbst wenn der Westen liefern wollte, könnte Caracas nicht von einem Tag auf den anderen von russischer auf NATO-Technik umstellen.
Der wahrscheinlich wichtigste Nutzen für Russland ist jedoch die geopolitische Präsenz in unmittelbarer Nähe zu den USA. Ein Beispiel dafür ist Nicaragua, das nach Ansicht des Osteuropa-Experten Mangott "ein strategischer Brückenkopf in Lateinamerika" für Russland ist.
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Freihandel als Möglichkeit für Einflussnahme
Sorge bereitet Washington inzwischen auch Mexiko.
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Die USA reagieren auf die Aktivitäten Russlands in Lateinamerika mit einer Mischung aus diplomatischem, militärischem und ökonomischem Druck. In den letzten Jahren haben die Amerikaner etwa die Kooperation mit Guatemala, Panama und Kolumbien intensiviert. Kolumbien erhält seit Jahrzehnten umfangreiche Militär- und Polizeihilfe, Panama öffnete zuletzt erneut seine Häfen für US-Nutzung, und Guatemala arbeitet eng mit Washington beim Grenz- und Migrationsmanagement zusammen. Zudem hat auch die Präsenz von US-Streitkräften in der Region zugenommen.
Experten bezweifeln jedoch, dass ein Fokus auf reine Sicherheitszusammenarbeit ausreicht, um lateinamerikanische Staaten dauerhaft aus der russischen Einflusssphäre rauszuhalten oder gar wieder herauszulösen. Das Atlantic Council, eine einflussreiche US-Denkfabrik, kritisiert in einer umfangreichen Studie genau diesen Ansatz: Washington habe seine Kooperationen mit lateinamerikanischen Staaten zu lange auf Migration, Drogenbekämpfung oder Sicherheit verengt. Felder wie Handel, Investition und Zukunftstechnologie seien dagegen gezielt von Russland, und zunehmend auch von China, besetzt worden.
Die USA müssten deshalb demonstrieren, dass eine Partnerschaft mit ihnen nicht nur Sicherheit bringt, sondern auch Wohlstand. Das könne über Freihandelsabkommen mit Staaten gelingen, die sonst stärker in Richtung China oder Russland tendieren, über den erleichterten Zugang zu amerikanischem Kapital oder über Versorgungsgarantien bei internationalen Krisen.
Sollte den USA unter Donald Trump das nicht gelingen, droht die geopolitische Balance in Lateinamerika neu austariert zu werden – mit Folgen weit über die Karibik hinaus.