Vor 11 Stunden
Zu 1: ein Durchbruch der nicht sofort abgeriegelt werden kann, zwingt keineswegs in jedem Fall zum Zurückweichen. Man glaubt zwar heute im Westen TM, dass seien praktisch Axiome auf der taktischen Ebene, tatsächlich aber sind es nur Annahmen.
Die Idee, dass mechanisierte Kräfte "die Front aufrollen" basiert primär auf dem Gedanken, dass eine rasche Einkesselung eines Frontabschnittes gelingt und dadurch die dort stehenden feindlichen Einheiten keine oder keine ausreichende Versorgung mehr enthalten, womit ihre Kampfkraft in sich zusammen fällt, weil diese nicht logistisch aufrecht erhalten werden kann.
Dafür genügen im weiteren weder zwei bis drei Kompanie-Äquivalente wie du eingangs schreibst noch ein paar mechanisierte Regimenter. Damit dies substanzielle Effekte erzeugt, benötigt man deutlich mehr Kräfte. Wir sprechen hier dann von mehreren Divisions-Äquivalenten. Und auch diese müssen versorgt werden, und ich schrieb schon explizit, dass auf beiden Seiten die Logistik eines der primären Probleme darstellt. Mal abgesehen davon, dass beide Seiten nicht mehr über die ausreichende Anzahl von Divisions-Äquivalenten verfügen, welche dafür notwendig wäre. Das leitet über
Zu 2: Die Unterschiede zwischen den Alliierten im 2WK und der Ukraine heute sind derart gewaltig, dass ich darauf nicht mal eingehe. Das ist ein mMn sehr schräges Argument. Die Idee, dass die Ukraine während der Krieg in ihrem eigenen Land tobt in der Lage gewesen wäre, die dafür notwendigen Mengen an Truppen aufzubauen ist einfach völlig an der Realität vorbei. Und wie du es selbst richtig anführst, ist man nicht mal in der Lage, solche Truppen überhaupt ausreichend koordiniert einzusetzen, man ist schon mit ein paar Brigaden überfordert.
In diesem Kontext möchte ich noch explizit darauf verweisen, dass ich im Winter und Frühling 2023 explizit mehrfach geschrieben habe, dass die Ukrainer jetzt auf gar keinen Fall irgendwo in die Offensive gehen dürfen, weil man die sich zu dieser Zeit bildenden Verbände stattdessen weiter auffüllen und viel mehr trainieren müsste. Ich erinnere mich noch gut an unsere Diskussion zu dieser Zeit. Ich sagte explizit schon Monate vorher voraus, dass die Sommeroffensive der Ukrainer scheitern wird und scheitern muss und damit die Chance vertan wird, ausreichend große mechanisierte Einheiten zu bilden und so zu trainieren, dass man damit tatsächlich eine solche Offensive im Jahr 2024 oder besser noch 2025 durchführen kann. Stattdessen hat man diese sich gerade eben erst bildenden Verbände verschlissen.
Es hat also seine Gründe, warum die Ukrainer nicht in der Lage waren, eine ausreichend große mechanisierte Streitkraft aufzustellen. Um deinen 2WK Vergleich aufzugreifen: die Allierten benötigten unter Slim in Burma mehrere Jahre um eine Streitmacht aufzubauen und zu trainieren, mit welcher sie dann erst 1945 in die Offensvie gingen und die Japaner dort schlugen. Slim verstand, dass die strategische Defensive ausreichend lange sein muss und eine zu frühe Offensive in einem japanischen Sieg mündet.
Aber um noch weiter beim 2WK zu bleiben und damit
Zu 3: Das sind keine mythischen Reserven, sondern in der heutigen modernen Kriegsführung ist es normal, dass ein Gros der Soldaten nicht an der Front ist. Das war auch schon im 2WK so. Auch bei der Wehrmacht. Der Gros der Truppe war nicht an der Front. Nun sind das nicht unbedingt Kampfeinheiten, aber unter den Verhältnissen wie in der Ukraine wären diese Verbände durchaus auch als solche verwendbar. Um noch mal Slim und die Situation in Burma/Indien aufzugreifen: eine seiner ersten Maßnahmen war es, alle Nachschubtruppen und Frontfernen Verbände intensiv als Kampftruppe trainieren zu lassen. Dies war eine seiner vielen wesentlichen Maßnahmen, welche dort entscheidend die Japaner stoppte. Und auch in der Ukraine ist ein Gros der frontfernen Verbände durchaus infanteristisch verwendbar für das bescheidene Niveau welches dort herrscht.
Und ja, im Hinterland stehen genug Soldaten für mehrere Korps rum, auch wenn das für dich kontraintuitiv ist. Das war auch bei der Wehrmacht so und bei anderen modernen Armeen. Das ist eine folge der modernen technisierten Kriegsführung. Für bloßen Stellungskrieg, als Auffangverbände und gerade für die vom Niveau her degenerierte Kriegsführung in der Ukraine reichen diese Einheiten aber.
Dein Strohmannargument von Panzerarmeen ignoriere ich in diesem Kontext mal einfach, denn ich habe nirgends etwas von Panzerarmeen geschrieben.
Zu 4: Dazu sind diese mechanisierten Bataillone aber unter den Bedingungen in der Ukraine nicht in der Lage. Nehmen wir mal an, es gelänge ein echter Durchbruch, und ich kann nun seitlich in den rückwärtigen Raum der Front ausgreifend mit mehreren mechanisierten Bataillonen vordringen. Dann führt dies in der Ukraine nicht zwingend zum Kollaps der Front. Sondern zur höheren Wahrscheinlichkeit dazu, dass diese Bataillone dort ohne Versorgung stranden und ihrerseits ohne Versorgung da stehen und dadurch untergehen.
Im übrigen genügt es für eine solche Operation nicht, einfach nur einige mechanisierte Einheiten dorthin zu schieben, sondern diese müssen in der Offensive während der Bewegung ausreichend gegen den dann dort einsetzenden Drohnenhagel geschützt werden (!) und es müsste Infanterie zur Sicherung des Durchbruches und der seitlichen Bewegung und zur Flankensicherung nachgeschoben werden.
Diese Infanterie existiert dort so aber nicht mehr ! Und nur mechanisierte Verbände wären völlig unzureichend. Noch ein kurzer Punkt zum Drohnenhagel: auch wenn die Frontlinien dünn besetzt sind, so gibt es hinter der Front jede Menge Drohneneinheiten, die keineswegs abgenutzt sind. Die Ukrainer haben in jedem Frontabschnitt den eine Brigade hält (die üblicherweise mindestens 2 Drohnen Kompanien hat) zusätzlich mindestens 1 selbstständiges Drohnen-Bataillon. Im Fall eines Durchbruches würden aus benachbaren Frontabschnitten entsprechende Drohnen-Bataillone hinzugezogen werden.
Entsprechend würden deine Zitat Bataillone die da in den Hinterraum der verteidigenden Kompanien vorstoßen um dort Druck zu erzeugen innerhalb kürzester Zeit mit mehreren Drohnen-Bataillonen konfrontiert werden, gegen welche sie in der Offensive / in der Bewegung nicht ausreichend Schutzmöglichkeiten haben. Das Ergebnis wäre, dass diese Bataillone und zugleich deren Versorgung innerhalb kurzer Zeit von den Drohnen kampfunfähig gemacht würden. Und nein, damit meine ich keine FPV Drohnen. Das reicht von zielsuchender Munition bis hin zu Drohnen welche Minen verlegen usw.
Kurz und einfach: mechanisierte Großkampfverbände haben in der Ukraine in der Offensive / in der Bewegung nicht genügend Schutz gegen Drohnen, um im hinteren Raum eines Frontabschnittes ausreichend lange bestehen zu können damit der Druck für die dort verteidigenden Kompanien so groß wird, dass dies operative Effekte hätte.
Und ihnen fehlt die Infanterie, welche dafür ebenfalls notwendig wäre. Es fehlt also an Infanterie und an Luftraumverteidigung welche offensiv in der Bewegung einsetzbar ist. Und der dritte Aspekt ist die Frage der Luftunterstützung. Mechanisierte Kriegsführung in den Rücken des Gegners und Luftangriffe sind etwas, was eng zusammen gehört und was getrennt voneinander selbst im 2WK kaum funktionierte. Beide Seiten aber haben keine ausreichende Luftunterstützung und die Artillerie reicht nicht tief genug weil sie Abstand halten muss und die Drohnenverbände sind der Offensive von ihrer Leistungsfähigkeit her stark reduziert.
Damit fehlen: Infanterie (den mechanisierten Verbänden folgend und deren Erfolge absichernd - was übrigens im 2WK der Fall war, auch bei der Wehrmacht und heute einfach immer ignoriert wird) - eine ausreichende offensivfähige Luftverteidigung insbesondere gegen feindliche Drohnen und eine ausreichende Feuerunterstützung, insbesondere aus der Luft, womit die Feuerkraft der mechanisierten Verbände für sich allein zu gering ist.
Das gilt übrigens für beide Seiten ist ebenfalls ein Grund dafür, warum man immer langsamer wird, was perfekt überleitet zu deiner Bewertung:
der Ukrainischen Reaktionsgeschwindigkeit: es ist nicht möglich, in dem für eine Abriegelung notwendigen Abstand so schnell vorzugehen, wie du dir das vorstellst. Das würde zu unnötigen und sehr hohen Verlusten bei diesem Abriegelungsversuch führen und diesen damit in Frage stellen. Umgekehrt kann auch der Gegner nicht so schnell vorgehen, aus den gleichen Gründen.
Wie Stephen Biddle es in seinem Buch Military Power schon vor vielen Jahren dargelegt hat, führt die moderne Kriegsführung zwingend dazu, dass man sich stärker dislozieren muss und dass die Geschwindigkeit der eigenen Bewegung sinkt. Das ist ein Mechanismus, der völlig unabhängig von den Drohnen ist, und welchen der Panzerungeist der Führungsakademie naturgemäß einfach ignoriert.
Fazit: nur weil bestimmte tradierte überkommene Vorstellungen von mechanisierter Kriegsführung in der Theorie überzeugend klingen, bedeutet dies nicht, dass sie in der Realität überhaupt noch so anwendbar sind. Und es ist daher keine Verweigerungshaltung welche die Umstände erzeugt, es sind die Umstände, welche zwingende operative Notwendigkeiten produzieren.
Hätte man mal 2023 keine Offensive geführt, sondern substanzielle mechanisierte Kräfte aufgebaut, dann hätte man hier und heute eine entsprechende strategische Reserve mit welcher man tatsächlich signifikante Geländegewinne machen könnte, aber man ignorierte die Umstände und die strategischen Notwendigkeiten. Aber selbst wenn man solche Geländegewinne macht, was dann ?!
Womit wir wieder am Anfang ankommen: die Besetzung von Räumen ist nicht in jedem Fall sinnvoll, und gerade im Fall der Ukraine ein typischer soldatischer Gedankenfehler. Der Feind wird gezwungen Räume aufzugeben, und was dann ?! Was sollte dies konkret bringen ? Nehmen wir mal theoretisch an, die Ukrainer siegen glänzend an allen Fronten, und erobern alles zurück einschließlich der Krim - und was dann ? Der Krieg würde dann nicht aufhören, nur weil die Front jetzt nicht mehr in der Ukraine ist, sondern an der russischen Grenze (oder gar in Russland).
Diese Annahme, es gäbe auf der strategischen Ebene allgemeingültige Axiome ist bereits einer der wesentlichsten Grundfehler. Im Westen TM und vielen anderen Streitkräften sieht man nun im Besetzen von Räumen ein solches Axiom - der Krieg dient dem Besetzen von Räumen und das Besetzen führt zum Sieg, so die Annahme. Das kann so sein, ist aber oft nicht so. Und gerade in der Ukraine ist es völlig nachrangig.
Es ist das Glück der Ukraine, dass die Russen auch so denken, und krampfhaft und zwanghaft in Kategorien von besetzten Räumen denken, denn andernfalls könnte die Ukraine diesen Krieg bereits verloren haben.
Man muss schon die Idee an sich in Frage stellen, dass es im vorliegenden Fall das Ziel der Kriegsführung sein sollte, Räume zu besetzen. Allein dadurch wäre bereits einiges gewonnen.
Beschließend sollte man die aus dem Panzerungeist erwachsene Annahme in Frage stellen, dass Bewegungskrieg immer besser sei als ein Abnutzungskrieg (den du hier als Zermürbungskrieg bezeichnest). Es gibt viele Fälle in welchen ein Abnutzungskrieg sinnvoller und besser ist. Die spezifisch deutsche Idee, mit Manöverkriegsführung und Bewegung verlustarm und schnell siegen zu können lässt völlig außer Acht, dass dies zum einen in ganz vielen Fällen faktisch nicht möglich ist, zum anderen dass dies ganz genau so in der Niederlage münden kann und schlussendlich und darüber hinaus, dass der Abnutzungskrieg - wenn er sinnvoll und richtig geführt wird, in vielen Fällen gerade auf der strategischen Ebene bessere Resultate erzeugt.
Hätte die Ukraine die Truppen welche sie beispielsweise im Süden innerhalb mehrerer Monate auf gerade mal ungefähr 10 km verschlissen hat, dort nicht abgenutzt, so würde heute die Lage eine andere sein.
Um aber von dieser Betrachtung der militärisch-strategischen Ebene auf die der politisch-strategischen Ebene zu wechseln: es sollte nach mehreren Jahren des Krieges inzwischen offensichtlich sein, dass der Westen TM, die ach so lieben Partner der Ukraine gar nicht wollen, dass diese siegt. Womit sich jede Kommentierung der Leistung bzw. Nicht-Leistung der Ukrainer wegen Irrelevanz ohnehin erübrigt.
Die Idee, dass mechanisierte Kräfte "die Front aufrollen" basiert primär auf dem Gedanken, dass eine rasche Einkesselung eines Frontabschnittes gelingt und dadurch die dort stehenden feindlichen Einheiten keine oder keine ausreichende Versorgung mehr enthalten, womit ihre Kampfkraft in sich zusammen fällt, weil diese nicht logistisch aufrecht erhalten werden kann.
Dafür genügen im weiteren weder zwei bis drei Kompanie-Äquivalente wie du eingangs schreibst noch ein paar mechanisierte Regimenter. Damit dies substanzielle Effekte erzeugt, benötigt man deutlich mehr Kräfte. Wir sprechen hier dann von mehreren Divisions-Äquivalenten. Und auch diese müssen versorgt werden, und ich schrieb schon explizit, dass auf beiden Seiten die Logistik eines der primären Probleme darstellt. Mal abgesehen davon, dass beide Seiten nicht mehr über die ausreichende Anzahl von Divisions-Äquivalenten verfügen, welche dafür notwendig wäre. Das leitet über
Zu 2: Die Unterschiede zwischen den Alliierten im 2WK und der Ukraine heute sind derart gewaltig, dass ich darauf nicht mal eingehe. Das ist ein mMn sehr schräges Argument. Die Idee, dass die Ukraine während der Krieg in ihrem eigenen Land tobt in der Lage gewesen wäre, die dafür notwendigen Mengen an Truppen aufzubauen ist einfach völlig an der Realität vorbei. Und wie du es selbst richtig anführst, ist man nicht mal in der Lage, solche Truppen überhaupt ausreichend koordiniert einzusetzen, man ist schon mit ein paar Brigaden überfordert.
In diesem Kontext möchte ich noch explizit darauf verweisen, dass ich im Winter und Frühling 2023 explizit mehrfach geschrieben habe, dass die Ukrainer jetzt auf gar keinen Fall irgendwo in die Offensive gehen dürfen, weil man die sich zu dieser Zeit bildenden Verbände stattdessen weiter auffüllen und viel mehr trainieren müsste. Ich erinnere mich noch gut an unsere Diskussion zu dieser Zeit. Ich sagte explizit schon Monate vorher voraus, dass die Sommeroffensive der Ukrainer scheitern wird und scheitern muss und damit die Chance vertan wird, ausreichend große mechanisierte Einheiten zu bilden und so zu trainieren, dass man damit tatsächlich eine solche Offensive im Jahr 2024 oder besser noch 2025 durchführen kann. Stattdessen hat man diese sich gerade eben erst bildenden Verbände verschlissen.
Es hat also seine Gründe, warum die Ukrainer nicht in der Lage waren, eine ausreichend große mechanisierte Streitkraft aufzustellen. Um deinen 2WK Vergleich aufzugreifen: die Allierten benötigten unter Slim in Burma mehrere Jahre um eine Streitmacht aufzubauen und zu trainieren, mit welcher sie dann erst 1945 in die Offensvie gingen und die Japaner dort schlugen. Slim verstand, dass die strategische Defensive ausreichend lange sein muss und eine zu frühe Offensive in einem japanischen Sieg mündet.
Aber um noch weiter beim 2WK zu bleiben und damit
Zu 3: Das sind keine mythischen Reserven, sondern in der heutigen modernen Kriegsführung ist es normal, dass ein Gros der Soldaten nicht an der Front ist. Das war auch schon im 2WK so. Auch bei der Wehrmacht. Der Gros der Truppe war nicht an der Front. Nun sind das nicht unbedingt Kampfeinheiten, aber unter den Verhältnissen wie in der Ukraine wären diese Verbände durchaus auch als solche verwendbar. Um noch mal Slim und die Situation in Burma/Indien aufzugreifen: eine seiner ersten Maßnahmen war es, alle Nachschubtruppen und Frontfernen Verbände intensiv als Kampftruppe trainieren zu lassen. Dies war eine seiner vielen wesentlichen Maßnahmen, welche dort entscheidend die Japaner stoppte. Und auch in der Ukraine ist ein Gros der frontfernen Verbände durchaus infanteristisch verwendbar für das bescheidene Niveau welches dort herrscht.
Und ja, im Hinterland stehen genug Soldaten für mehrere Korps rum, auch wenn das für dich kontraintuitiv ist. Das war auch bei der Wehrmacht so und bei anderen modernen Armeen. Das ist eine folge der modernen technisierten Kriegsführung. Für bloßen Stellungskrieg, als Auffangverbände und gerade für die vom Niveau her degenerierte Kriegsführung in der Ukraine reichen diese Einheiten aber.
Dein Strohmannargument von Panzerarmeen ignoriere ich in diesem Kontext mal einfach, denn ich habe nirgends etwas von Panzerarmeen geschrieben.
Zu 4: Dazu sind diese mechanisierten Bataillone aber unter den Bedingungen in der Ukraine nicht in der Lage. Nehmen wir mal an, es gelänge ein echter Durchbruch, und ich kann nun seitlich in den rückwärtigen Raum der Front ausgreifend mit mehreren mechanisierten Bataillonen vordringen. Dann führt dies in der Ukraine nicht zwingend zum Kollaps der Front. Sondern zur höheren Wahrscheinlichkeit dazu, dass diese Bataillone dort ohne Versorgung stranden und ihrerseits ohne Versorgung da stehen und dadurch untergehen.
Im übrigen genügt es für eine solche Operation nicht, einfach nur einige mechanisierte Einheiten dorthin zu schieben, sondern diese müssen in der Offensive während der Bewegung ausreichend gegen den dann dort einsetzenden Drohnenhagel geschützt werden (!) und es müsste Infanterie zur Sicherung des Durchbruches und der seitlichen Bewegung und zur Flankensicherung nachgeschoben werden.
Diese Infanterie existiert dort so aber nicht mehr ! Und nur mechanisierte Verbände wären völlig unzureichend. Noch ein kurzer Punkt zum Drohnenhagel: auch wenn die Frontlinien dünn besetzt sind, so gibt es hinter der Front jede Menge Drohneneinheiten, die keineswegs abgenutzt sind. Die Ukrainer haben in jedem Frontabschnitt den eine Brigade hält (die üblicherweise mindestens 2 Drohnen Kompanien hat) zusätzlich mindestens 1 selbstständiges Drohnen-Bataillon. Im Fall eines Durchbruches würden aus benachbaren Frontabschnitten entsprechende Drohnen-Bataillone hinzugezogen werden.
Entsprechend würden deine Zitat Bataillone die da in den Hinterraum der verteidigenden Kompanien vorstoßen um dort Druck zu erzeugen innerhalb kürzester Zeit mit mehreren Drohnen-Bataillonen konfrontiert werden, gegen welche sie in der Offensive / in der Bewegung nicht ausreichend Schutzmöglichkeiten haben. Das Ergebnis wäre, dass diese Bataillone und zugleich deren Versorgung innerhalb kurzer Zeit von den Drohnen kampfunfähig gemacht würden. Und nein, damit meine ich keine FPV Drohnen. Das reicht von zielsuchender Munition bis hin zu Drohnen welche Minen verlegen usw.
Kurz und einfach: mechanisierte Großkampfverbände haben in der Ukraine in der Offensive / in der Bewegung nicht genügend Schutz gegen Drohnen, um im hinteren Raum eines Frontabschnittes ausreichend lange bestehen zu können damit der Druck für die dort verteidigenden Kompanien so groß wird, dass dies operative Effekte hätte.
Und ihnen fehlt die Infanterie, welche dafür ebenfalls notwendig wäre. Es fehlt also an Infanterie und an Luftraumverteidigung welche offensiv in der Bewegung einsetzbar ist. Und der dritte Aspekt ist die Frage der Luftunterstützung. Mechanisierte Kriegsführung in den Rücken des Gegners und Luftangriffe sind etwas, was eng zusammen gehört und was getrennt voneinander selbst im 2WK kaum funktionierte. Beide Seiten aber haben keine ausreichende Luftunterstützung und die Artillerie reicht nicht tief genug weil sie Abstand halten muss und die Drohnenverbände sind der Offensive von ihrer Leistungsfähigkeit her stark reduziert.
Damit fehlen: Infanterie (den mechanisierten Verbänden folgend und deren Erfolge absichernd - was übrigens im 2WK der Fall war, auch bei der Wehrmacht und heute einfach immer ignoriert wird) - eine ausreichende offensivfähige Luftverteidigung insbesondere gegen feindliche Drohnen und eine ausreichende Feuerunterstützung, insbesondere aus der Luft, womit die Feuerkraft der mechanisierten Verbände für sich allein zu gering ist.
Das gilt übrigens für beide Seiten ist ebenfalls ein Grund dafür, warum man immer langsamer wird, was perfekt überleitet zu deiner Bewertung:
der Ukrainischen Reaktionsgeschwindigkeit: es ist nicht möglich, in dem für eine Abriegelung notwendigen Abstand so schnell vorzugehen, wie du dir das vorstellst. Das würde zu unnötigen und sehr hohen Verlusten bei diesem Abriegelungsversuch führen und diesen damit in Frage stellen. Umgekehrt kann auch der Gegner nicht so schnell vorgehen, aus den gleichen Gründen.
Wie Stephen Biddle es in seinem Buch Military Power schon vor vielen Jahren dargelegt hat, führt die moderne Kriegsführung zwingend dazu, dass man sich stärker dislozieren muss und dass die Geschwindigkeit der eigenen Bewegung sinkt. Das ist ein Mechanismus, der völlig unabhängig von den Drohnen ist, und welchen der Panzerungeist der Führungsakademie naturgemäß einfach ignoriert.
Fazit: nur weil bestimmte tradierte überkommene Vorstellungen von mechanisierter Kriegsführung in der Theorie überzeugend klingen, bedeutet dies nicht, dass sie in der Realität überhaupt noch so anwendbar sind. Und es ist daher keine Verweigerungshaltung welche die Umstände erzeugt, es sind die Umstände, welche zwingende operative Notwendigkeiten produzieren.
Hätte man mal 2023 keine Offensive geführt, sondern substanzielle mechanisierte Kräfte aufgebaut, dann hätte man hier und heute eine entsprechende strategische Reserve mit welcher man tatsächlich signifikante Geländegewinne machen könnte, aber man ignorierte die Umstände und die strategischen Notwendigkeiten. Aber selbst wenn man solche Geländegewinne macht, was dann ?!
Womit wir wieder am Anfang ankommen: die Besetzung von Räumen ist nicht in jedem Fall sinnvoll, und gerade im Fall der Ukraine ein typischer soldatischer Gedankenfehler. Der Feind wird gezwungen Räume aufzugeben, und was dann ?! Was sollte dies konkret bringen ? Nehmen wir mal theoretisch an, die Ukrainer siegen glänzend an allen Fronten, und erobern alles zurück einschließlich der Krim - und was dann ? Der Krieg würde dann nicht aufhören, nur weil die Front jetzt nicht mehr in der Ukraine ist, sondern an der russischen Grenze (oder gar in Russland).
Diese Annahme, es gäbe auf der strategischen Ebene allgemeingültige Axiome ist bereits einer der wesentlichsten Grundfehler. Im Westen TM und vielen anderen Streitkräften sieht man nun im Besetzen von Räumen ein solches Axiom - der Krieg dient dem Besetzen von Räumen und das Besetzen führt zum Sieg, so die Annahme. Das kann so sein, ist aber oft nicht so. Und gerade in der Ukraine ist es völlig nachrangig.
Es ist das Glück der Ukraine, dass die Russen auch so denken, und krampfhaft und zwanghaft in Kategorien von besetzten Räumen denken, denn andernfalls könnte die Ukraine diesen Krieg bereits verloren haben.
Man muss schon die Idee an sich in Frage stellen, dass es im vorliegenden Fall das Ziel der Kriegsführung sein sollte, Räume zu besetzen. Allein dadurch wäre bereits einiges gewonnen.
Beschließend sollte man die aus dem Panzerungeist erwachsene Annahme in Frage stellen, dass Bewegungskrieg immer besser sei als ein Abnutzungskrieg (den du hier als Zermürbungskrieg bezeichnest). Es gibt viele Fälle in welchen ein Abnutzungskrieg sinnvoller und besser ist. Die spezifisch deutsche Idee, mit Manöverkriegsführung und Bewegung verlustarm und schnell siegen zu können lässt völlig außer Acht, dass dies zum einen in ganz vielen Fällen faktisch nicht möglich ist, zum anderen dass dies ganz genau so in der Niederlage münden kann und schlussendlich und darüber hinaus, dass der Abnutzungskrieg - wenn er sinnvoll und richtig geführt wird, in vielen Fällen gerade auf der strategischen Ebene bessere Resultate erzeugt.
Hätte die Ukraine die Truppen welche sie beispielsweise im Süden innerhalb mehrerer Monate auf gerade mal ungefähr 10 km verschlissen hat, dort nicht abgenutzt, so würde heute die Lage eine andere sein.
Um aber von dieser Betrachtung der militärisch-strategischen Ebene auf die der politisch-strategischen Ebene zu wechseln: es sollte nach mehreren Jahren des Krieges inzwischen offensichtlich sein, dass der Westen TM, die ach so lieben Partner der Ukraine gar nicht wollen, dass diese siegt. Womit sich jede Kommentierung der Leistung bzw. Nicht-Leistung der Ukrainer wegen Irrelevanz ohnehin erübrigt.