16.07.2025, 21:57
Die Überhöhung des Zerfall der Sowjetunion durch die Russen ist meiner Ansicht nach eine Folge der katastrophalen Jelzin-Ära (ich nenne das jetzt mal so) und wurde vom System Putin gezielt aufgegriffen und seit seiner Machtergreifung gezielt immer weiter geschürt. Der sich daraus ergebende Komplex ist daher meiner Meinung nach ein weitgehend künstlicher, von oben herbei geführter. Der gedankliche Fehler der Russen war und ist es hierbei, dass sie die Sowjetunion eben nicht als eine Völkerunion, sondern schon früher immer als ein russisches Imperium unter russischer Herrschaft verstanden haben (was du ja schlussendlich auch schreibst).
Dieser Verlust eines Imperiums wurde aber in den Jahren unmittelbar nach dem Auseinanderfallen der Sowjetunion eben nicht so empfunden wie heute, wo russische Truppen im Feld teilweise sogar sowjetische Flaggen statt russischer führen. Es gab also eine Veränderung in den letzten 20 Jahren diesbezüglich. Die Sowjetunion wurde in Russland (künstlich angeschürt) immer mehr überhöht, als russisches Reich (die russische Welt und die Sowjetunion wurden auch immer mehr gleichgesetzt, was historisch eben falsch ist), und zugleich damit ein immer größerer Wunsch nach der Rückkehr eines russischen Imperiums erzeugt, eine Erwartungshaltung die vor allem deshalb so fruchtbar wurde, weil die Russen sonst nichts haben, woraus sie innere Leere füllen können. Man weiß eigentlich wie negativ alles ist, wie gut es sein könnte, und somit baut man sich das eigene Ego, die eigene Persönlichkeit immer weitergehender auf geliehener nationaler Größe auf. Zwar ist man arm, besitzt nichts, ist korrupten kriminellen Strukturen ausgeliefert, aber immerhin ist man ja eine Weltmacht ersten Ranges und hat ein Imperium, dass man nur wieder mit einem Handstreich herstellen muss.
Es ist dieser psychologische Mechanismus, den eigenen Wert als Person von der russischen Militärmacht, dem von Russland beherrschten Imperium abzuleiten und das eigene Ego darauf zu begründen, welcher notwendig ist, um die Missstände in Russland überhaupt ertragen zu können, und welcher von der Mafia-Kamarilla im Kreml so geschickt aufgegriffen und zu den eigenen Gunsten manipuliert wurde.
Das Trauma ist also nur deshalb ein Trauma, weil die Russen statt sich der Missstände im eigenen Land anzunehmen ihre Fehler, ihr Versagen und ihre Unzulänglichkeiten mit diesem geliehenen Ego überkompensiert haben.
Die Ukraine greift nun dieses Ego mehr als alles andere an, denn die Kleinrussen waren für Russland immer nur eine beliebige Verfügungsmasse, ohne Wert, mit der man machen konnte was immer man wollte. Wenn selbst ein solcher "natürlicher, geborener, althergebrachter, traditioneller Untertan", der nie etwas anderes war und nie etwas anderes sein durfte und sollte, als ein Leibeigener des russischen Volkes eigenständig, stark und erfolgreich sein kann, so greift dies natürlich die geliehene Stärke des Russen mehr an als alles andere. Gerade eben deshalb verzeiht man den Ukrainern ihre Eigenständigkeit und Stärke nicht, weniger als jedem anderen.
Der vermeintliche Verrat an der russischen Welt durch die Ukrainer ist also in Wahrheit die Kränkung des geliehenen künstlichen Egos der Russen, welches sie nicht ertragen können, weil sie sonst nichts anderes haben aus dem sie Wert und Selbstwertgefühl beziehen.
Deshalb muss dieser Untertan in seine "natürliche Position" gezwungen oder vernichtet werden, anders kann es der Russe psychologisch nicht aushalten. Deshalb trifft es dein Begriff der Kränkungserfahrungen gar nicht so schlecht. Die von den Russen angenommene "natürliche Position" des Ukrainers als Leibeigener und Verfügungsmasse der Russen hat nun natürlich geschichtliche Hintergründe.
Das Gebiet welches die Ukraine heute beansprucht und welches heute völkerrechtlich als Ukraine anerkannt wird, ist durchaus ein künstliches Gebilde, dass erst in der Sowjetunion so geschaffen wurde, als man drei wesentliche Gebiete zusammen legte, die historisch gesehen vorher nie zusammen gehört haben. Die eigentliche Ukraine im Westen, welche immer stärker nach Polen, Litauen etc. ausgerichtet war denn nach Russland. Den Osten der heutigen Ukraine, der genuin russisch war, jedoch eine gewisse Sonderrolle durch die Kultur und die Herkunft von den Kosaken her hatte, sowie die Krim als nochmals davon getrennten Sonderfall. Darauf basierend ist es heute die Behauptung der Russen, die Ukraine in ihren aktuellen Grenzen sei nicht natürlich, sei falsch, müsse so beseitigt werden, weil sie aus drei verschiedenen Gebieten erst in der Sowjetunion so zusammen gesetzt wurde. Die damit einhergehende Schwächung der ethnischen Ukrainer in ihrem "Reststaat" würde dann diese zudem in eine Position versetzen, in welcher sie sich unterwerfen müssten, womit das eigene zerfallene Ego wiederhergestellt ist.
Aber um noch ein wenig bei der Geschichte zu bleiben und da ja explizit Chmelnyzkyj genannt hast. Dieser startete ja einen Aufstand der Kosaken, schlussendlich auch der Ukrainer gegen Polen. Da die Polen militärisch zu stark waren, bot er dem russischen Zaren an, den eigentlich de facto unabhängigen Kosakenstaat welchen er da geschaffen hatte der russischen Krone zu unterstellen. Damals gab es ja noch kein solches modernes ethnisches nationales Verständnis von Völkern und Staaten. Da Russland dies aber anfangs ablehnte (!), wandte er sich als nächstes an das Krim-Khanat (da haben wir sie wieder, die Krim) und konnte damit anfangs gegen die Polen durchhalten. Da dies aber langfristig zu einer Stärkung des Krim-Khanats führen musste, und damit etwaig die "Ukraine" an die Osmanen hätte fallen können, entschloß sich Russland nun doch zu handeln und nahm das Hetmanat in das Zarenreich auf - unter Gewährung weitreichender Autonomie.
Damit war schlussendlich die Ukraine als eigenständiger Staat entstanden, auch wenn sie damals noch nicht so hieß. Auch die Kleinrussen wurden bereits zu dieser Zeit greifbar. Dem Tod von Chmelnyzkyj folgte aber dann dass, was man heute in der Ukraine Руїна nennt, der rasche Zerfall der Eigenstaatlichkeit und der de facto Proto-Ukraine. Das Hetmanat (die Proto-Ukraine) versuchte Russen wie Polen gegeneinander auszuspielen um tatsächlich als eigener Staat auf die Füße zu kommen, und lief daher im folgenden mehrmals wieder zu den Polen über, oder verbündete sich mit den Krim-Tataren. So wurden die Russen beispielsweise von den Ukrainern und den mit ihnen verbündeten Krim-Tataren 1659 vernichtend geschlagen. Das ständige hin und her führte aber nicht zu einem eigenen Staat "Ukraine", sondern schlussendlich zum Zerfall des Hetmanats und dessen Aufteilung unter die benachbarten Großmächte. Schlussendlich wurde die Ukraine dann zwischen den Osmanen, Polen und Russland zerrieben, dies aber nicht durch eine fortwährende äußere Agression dieser Mächte per se, sondern aufgrund eigener massiver politischer Fehler und innerer Spaltung sowie ständig hin- und herschwankender unbeständiger Außenpolitik.
Die Dreiteilung von West- Ost- und Krim ist daher nicht zuletzt ein Resultat dieser Zeit des Ruins der frühen Ukraine.
Dessen ungeachtet ist die Ukraine entgegen aktueller russischer Darstellung eben nicht ohne weit zurückreichende Wurzeln und hatte durchaus einen Anfang als eigener Staat mit eigener Kultur und Sprache im Hetmanat, welches sich keineswegs nur auf die heutige Westukraine erstreckte. Beispielsweise flohen viele Ukrainer vor dem großen Polnisch-Osmanischen Krieg welcher die West-Ukraine verheerte in die Gebiete der Ost-Ukraine welche heute Russland beansprucht.
Und seit diesem Zeitpunkt waren die Kleinrussen nur noch eine vernachlässigbare Kleingruppe am Rande des russischen Imperiums, mit welcher man verfuhr wie es einem beliebte, die man aber darüber hinaus von russischer Seite aus nie ernst nahm und nie wirklich negativ sah.
Sowohl im späten Zarenreich als auch in der Sowjetunion war das Bild der Ukrainer ein völlig anderes, als dass was es heute in Russland ist ! Wenn man damals von der Ukraine sprach, hatten die Russen lauter positive, etwas verniedlichende und etwas altertümliche Bilder im Kopf. Kein Russe in der Sowjetunion sah die Ukrainer so wie man sie heute in Russland sieht. Und auch umgekehrt sah sich ein Gros der Menschen in der Ukraine durch die lange Zeit der russischen Vorherrschaft als Russen oder derart der russischen Welt zugehörig, dass man sich keine Trennung von dieser auch nur vorstellen konnte.
Dies wurde dann durch die letzten dreißig Jahre vollständig verändert. Selbst noch zur Zeit Jelzins war das Bild der Ukraine keineswegs negativ (in der russischen Bevölkerung) und ebenso umgekehrt das der Russen nicht negativ für die Ukrainer (wenn man von den üblichen Radikalen und Ultranationalisten auf beiden Seiten absieht).
Was aber seit der Unabhängigkeit der Ukraine durchwegs nur negativ war, war die russische Politik gegenüber den Ukrainern. Das war und ist immer noch eine dialektische Entwicklung gewesen, bei welcher russische politische Fehler und extremste Arroganz der Russen die Ukrainer immer mehr künstlich in eine Feindschaft trieben, worauf die Russen noch negativer in Bezug auf sie reagierten, worauf die russische Politik gegenüber der Ukraine immer noch negativer wurde usw. eine fortwährende Spirale.
Vor dreißig Jahren nannte kein Ukrainer die Russen Orks. Noch vor zehn Jahren tat man das nicht. Um mal nur diese eine Sache von dir aufzugreifen: Die Titulierung als Orks ist eine sehr junge Entwicklung, die erst mit dem Krieg und den Taten der Russen in der Ukraine aufkam. Das ist eine völlige Neuentwicklung die keinerlei historischen Kontext hat. Im übrigen werden keineswegs wahllos russische Schriftstücke zerstört, und auch nicht gegen alles Russische an sich gewütet wie das in Russland gerne falsch dargestellt wird.
Stattdessen haben es die Russen seit 2014 geschafft, dass selbst die ethnischen Russen in der Ukraine inzwischen mehrheitlich gegen Russland sind (wenn man die seit 2014 besetzten Ostgebiete abzieht, in welchen die Bevölkerung aber auch keine Wahl und keine Freiheit hat). Die Spaltung der Ukraine aufgrund der oben angerissenen historischen Entwicklung wurde durch die Taten der Russen überwunden, und heute ist die Ukraine tatsächlich so geeint wie seit den Zeiten des Hetmanats nicht mehr. Entsprechend beruft man sich auch sehr weitgehend auf dieses und auf das Kosakentum an sich.
Die ukrainischen Russen sehen sich heute inzwischen als Nachfahren bzw. in der Nachfolge der Kosaken, welche lieber frei als unter russischer Knute leben wollten etc. und postulieren damit eine bewusste Trennung von Russen unter der Gewaltherrschaft Moskaus und ihnen als freien Russen in der Tradition der Flüchtlinge welche lieber in die Steppe unter die Tataren zogen als sich dem Zaren zu beugen.
Und es ist sogar historisch korrekt, dass diejenigen welche in das Wilde Feld zogen um dort frei von Moskau zu sein, sowohl Ukrainer, als auch Russen waren, und sich beide dann dort zu einer Nation der Kosaken zusammen fanden (Saporoger Hetmanat). Faszinierenderweise gibt es nicht wenige ethnische Ukrainer, die sich heute wenn man sie nach ihrem ethnischen und kulturellen Bezug zu Russland fragt, als Freie Russen definieren. Im Gegensatz zu den Russen in der Russischen Föderation. Das ist exakt die gleiche historische Definition während des Hetmanats.
Die heutige Ukraine ist also schlussendlich wenn man es überspitzt so ausdrücken will: Das Freie Russland. Und viele Ukrainer sehen dies inzwischen so.
Und damit schließt sich der Kreis zum beleidigten Ego der Russen, deren Selbstwertgefühlt durch die Ukrainer angegriffen wird: denn die Mafia-Kamarilla des St. Petersburger Zirkels rund um den Botoxopa ist natürlich nicht davon angekränkelt, aufgrund von Selbstwertgefühlt usw. zu handeln, damit manipuliert man nur die eigene Bevölkerung. Was also stört den Botoxopa selbst an der Ukraine ?! Es ist eben dieser Gedanke eines freien Russland, als Alternativmodell zu seinem System. Wenn die Ukrainer beweisen würden, dass Russen frei, demokratisch und dabei auch noch erfolgreich sein können, so würde dieser Fakt als Beleg vor der eigenen Haustür die Macht des eigenen Systems in Frage stellen.
Die Ukraine muss daher aus Sicht des St. Petersburger Zirkels in jedem Fall vernichtet werden, und als mindestes so geschädigt werden, dass sie dauerhaft nicht erfolgreich ist und damit als mahnendes Beispiel für die Leibeigene Bevölkerung daheim herhalten kann, wohin es führt, als Russe frei sein zu wollen.
Es ist dieser Verbund aus den Notwendigkeiten des eigenen Machterhaltes und der Frage der Quellen des eigenne Selbstwertgefühles, welcher die Russen in diesem Krieg so verbissen die Vernichtung der Ukraine betreiben lässt.
Die Notwendigkeiten der Macht und die russische Psyche gehen hier perfekt Hand in Hand.
Sollte das Freie Russland aber überleben und erfolgreich sein, so wäre das System Putin damit in einer Art und Weise in Frage gestellt, dass dessen Überleben (wortwörtlich wie übertragen) fragwürdig würde.
Und wieder einmal steht die Ukraine wie schon in ihren Anfängen im Hetmanat der Saporoger Kosaken zwischen den Großmächten, und wird zwischen dereren Machtspielen zerrieben. Aber vielleicht mag es ja diesmal gelingen, einen anderen Weg für die russische Welt zu eröffnen (auch die Republik Novogord wäre ein solcher gewesen, aber das ist eine andere Geschichte).
Um beschließend Ilja Repin zu zitieren:
Niemand auf der ganzen Welt hat so tief die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gefühlt. (wie die Ukrainer)
Dieser Verlust eines Imperiums wurde aber in den Jahren unmittelbar nach dem Auseinanderfallen der Sowjetunion eben nicht so empfunden wie heute, wo russische Truppen im Feld teilweise sogar sowjetische Flaggen statt russischer führen. Es gab also eine Veränderung in den letzten 20 Jahren diesbezüglich. Die Sowjetunion wurde in Russland (künstlich angeschürt) immer mehr überhöht, als russisches Reich (die russische Welt und die Sowjetunion wurden auch immer mehr gleichgesetzt, was historisch eben falsch ist), und zugleich damit ein immer größerer Wunsch nach der Rückkehr eines russischen Imperiums erzeugt, eine Erwartungshaltung die vor allem deshalb so fruchtbar wurde, weil die Russen sonst nichts haben, woraus sie innere Leere füllen können. Man weiß eigentlich wie negativ alles ist, wie gut es sein könnte, und somit baut man sich das eigene Ego, die eigene Persönlichkeit immer weitergehender auf geliehener nationaler Größe auf. Zwar ist man arm, besitzt nichts, ist korrupten kriminellen Strukturen ausgeliefert, aber immerhin ist man ja eine Weltmacht ersten Ranges und hat ein Imperium, dass man nur wieder mit einem Handstreich herstellen muss.
Es ist dieser psychologische Mechanismus, den eigenen Wert als Person von der russischen Militärmacht, dem von Russland beherrschten Imperium abzuleiten und das eigene Ego darauf zu begründen, welcher notwendig ist, um die Missstände in Russland überhaupt ertragen zu können, und welcher von der Mafia-Kamarilla im Kreml so geschickt aufgegriffen und zu den eigenen Gunsten manipuliert wurde.
Das Trauma ist also nur deshalb ein Trauma, weil die Russen statt sich der Missstände im eigenen Land anzunehmen ihre Fehler, ihr Versagen und ihre Unzulänglichkeiten mit diesem geliehenen Ego überkompensiert haben.
Die Ukraine greift nun dieses Ego mehr als alles andere an, denn die Kleinrussen waren für Russland immer nur eine beliebige Verfügungsmasse, ohne Wert, mit der man machen konnte was immer man wollte. Wenn selbst ein solcher "natürlicher, geborener, althergebrachter, traditioneller Untertan", der nie etwas anderes war und nie etwas anderes sein durfte und sollte, als ein Leibeigener des russischen Volkes eigenständig, stark und erfolgreich sein kann, so greift dies natürlich die geliehene Stärke des Russen mehr an als alles andere. Gerade eben deshalb verzeiht man den Ukrainern ihre Eigenständigkeit und Stärke nicht, weniger als jedem anderen.
Der vermeintliche Verrat an der russischen Welt durch die Ukrainer ist also in Wahrheit die Kränkung des geliehenen künstlichen Egos der Russen, welches sie nicht ertragen können, weil sie sonst nichts anderes haben aus dem sie Wert und Selbstwertgefühl beziehen.
Deshalb muss dieser Untertan in seine "natürliche Position" gezwungen oder vernichtet werden, anders kann es der Russe psychologisch nicht aushalten. Deshalb trifft es dein Begriff der Kränkungserfahrungen gar nicht so schlecht. Die von den Russen angenommene "natürliche Position" des Ukrainers als Leibeigener und Verfügungsmasse der Russen hat nun natürlich geschichtliche Hintergründe.
Das Gebiet welches die Ukraine heute beansprucht und welches heute völkerrechtlich als Ukraine anerkannt wird, ist durchaus ein künstliches Gebilde, dass erst in der Sowjetunion so geschaffen wurde, als man drei wesentliche Gebiete zusammen legte, die historisch gesehen vorher nie zusammen gehört haben. Die eigentliche Ukraine im Westen, welche immer stärker nach Polen, Litauen etc. ausgerichtet war denn nach Russland. Den Osten der heutigen Ukraine, der genuin russisch war, jedoch eine gewisse Sonderrolle durch die Kultur und die Herkunft von den Kosaken her hatte, sowie die Krim als nochmals davon getrennten Sonderfall. Darauf basierend ist es heute die Behauptung der Russen, die Ukraine in ihren aktuellen Grenzen sei nicht natürlich, sei falsch, müsse so beseitigt werden, weil sie aus drei verschiedenen Gebieten erst in der Sowjetunion so zusammen gesetzt wurde. Die damit einhergehende Schwächung der ethnischen Ukrainer in ihrem "Reststaat" würde dann diese zudem in eine Position versetzen, in welcher sie sich unterwerfen müssten, womit das eigene zerfallene Ego wiederhergestellt ist.
Aber um noch ein wenig bei der Geschichte zu bleiben und da ja explizit Chmelnyzkyj genannt hast. Dieser startete ja einen Aufstand der Kosaken, schlussendlich auch der Ukrainer gegen Polen. Da die Polen militärisch zu stark waren, bot er dem russischen Zaren an, den eigentlich de facto unabhängigen Kosakenstaat welchen er da geschaffen hatte der russischen Krone zu unterstellen. Damals gab es ja noch kein solches modernes ethnisches nationales Verständnis von Völkern und Staaten. Da Russland dies aber anfangs ablehnte (!), wandte er sich als nächstes an das Krim-Khanat (da haben wir sie wieder, die Krim) und konnte damit anfangs gegen die Polen durchhalten. Da dies aber langfristig zu einer Stärkung des Krim-Khanats führen musste, und damit etwaig die "Ukraine" an die Osmanen hätte fallen können, entschloß sich Russland nun doch zu handeln und nahm das Hetmanat in das Zarenreich auf - unter Gewährung weitreichender Autonomie.
Damit war schlussendlich die Ukraine als eigenständiger Staat entstanden, auch wenn sie damals noch nicht so hieß. Auch die Kleinrussen wurden bereits zu dieser Zeit greifbar. Dem Tod von Chmelnyzkyj folgte aber dann dass, was man heute in der Ukraine Руїна nennt, der rasche Zerfall der Eigenstaatlichkeit und der de facto Proto-Ukraine. Das Hetmanat (die Proto-Ukraine) versuchte Russen wie Polen gegeneinander auszuspielen um tatsächlich als eigener Staat auf die Füße zu kommen, und lief daher im folgenden mehrmals wieder zu den Polen über, oder verbündete sich mit den Krim-Tataren. So wurden die Russen beispielsweise von den Ukrainern und den mit ihnen verbündeten Krim-Tataren 1659 vernichtend geschlagen. Das ständige hin und her führte aber nicht zu einem eigenen Staat "Ukraine", sondern schlussendlich zum Zerfall des Hetmanats und dessen Aufteilung unter die benachbarten Großmächte. Schlussendlich wurde die Ukraine dann zwischen den Osmanen, Polen und Russland zerrieben, dies aber nicht durch eine fortwährende äußere Agression dieser Mächte per se, sondern aufgrund eigener massiver politischer Fehler und innerer Spaltung sowie ständig hin- und herschwankender unbeständiger Außenpolitik.
Die Dreiteilung von West- Ost- und Krim ist daher nicht zuletzt ein Resultat dieser Zeit des Ruins der frühen Ukraine.
Dessen ungeachtet ist die Ukraine entgegen aktueller russischer Darstellung eben nicht ohne weit zurückreichende Wurzeln und hatte durchaus einen Anfang als eigener Staat mit eigener Kultur und Sprache im Hetmanat, welches sich keineswegs nur auf die heutige Westukraine erstreckte. Beispielsweise flohen viele Ukrainer vor dem großen Polnisch-Osmanischen Krieg welcher die West-Ukraine verheerte in die Gebiete der Ost-Ukraine welche heute Russland beansprucht.
Und seit diesem Zeitpunkt waren die Kleinrussen nur noch eine vernachlässigbare Kleingruppe am Rande des russischen Imperiums, mit welcher man verfuhr wie es einem beliebte, die man aber darüber hinaus von russischer Seite aus nie ernst nahm und nie wirklich negativ sah.
Sowohl im späten Zarenreich als auch in der Sowjetunion war das Bild der Ukrainer ein völlig anderes, als dass was es heute in Russland ist ! Wenn man damals von der Ukraine sprach, hatten die Russen lauter positive, etwas verniedlichende und etwas altertümliche Bilder im Kopf. Kein Russe in der Sowjetunion sah die Ukrainer so wie man sie heute in Russland sieht. Und auch umgekehrt sah sich ein Gros der Menschen in der Ukraine durch die lange Zeit der russischen Vorherrschaft als Russen oder derart der russischen Welt zugehörig, dass man sich keine Trennung von dieser auch nur vorstellen konnte.
Dies wurde dann durch die letzten dreißig Jahre vollständig verändert. Selbst noch zur Zeit Jelzins war das Bild der Ukraine keineswegs negativ (in der russischen Bevölkerung) und ebenso umgekehrt das der Russen nicht negativ für die Ukrainer (wenn man von den üblichen Radikalen und Ultranationalisten auf beiden Seiten absieht).
Was aber seit der Unabhängigkeit der Ukraine durchwegs nur negativ war, war die russische Politik gegenüber den Ukrainern. Das war und ist immer noch eine dialektische Entwicklung gewesen, bei welcher russische politische Fehler und extremste Arroganz der Russen die Ukrainer immer mehr künstlich in eine Feindschaft trieben, worauf die Russen noch negativer in Bezug auf sie reagierten, worauf die russische Politik gegenüber der Ukraine immer noch negativer wurde usw. eine fortwährende Spirale.
Vor dreißig Jahren nannte kein Ukrainer die Russen Orks. Noch vor zehn Jahren tat man das nicht. Um mal nur diese eine Sache von dir aufzugreifen: Die Titulierung als Orks ist eine sehr junge Entwicklung, die erst mit dem Krieg und den Taten der Russen in der Ukraine aufkam. Das ist eine völlige Neuentwicklung die keinerlei historischen Kontext hat. Im übrigen werden keineswegs wahllos russische Schriftstücke zerstört, und auch nicht gegen alles Russische an sich gewütet wie das in Russland gerne falsch dargestellt wird.
Stattdessen haben es die Russen seit 2014 geschafft, dass selbst die ethnischen Russen in der Ukraine inzwischen mehrheitlich gegen Russland sind (wenn man die seit 2014 besetzten Ostgebiete abzieht, in welchen die Bevölkerung aber auch keine Wahl und keine Freiheit hat). Die Spaltung der Ukraine aufgrund der oben angerissenen historischen Entwicklung wurde durch die Taten der Russen überwunden, und heute ist die Ukraine tatsächlich so geeint wie seit den Zeiten des Hetmanats nicht mehr. Entsprechend beruft man sich auch sehr weitgehend auf dieses und auf das Kosakentum an sich.
Die ukrainischen Russen sehen sich heute inzwischen als Nachfahren bzw. in der Nachfolge der Kosaken, welche lieber frei als unter russischer Knute leben wollten etc. und postulieren damit eine bewusste Trennung von Russen unter der Gewaltherrschaft Moskaus und ihnen als freien Russen in der Tradition der Flüchtlinge welche lieber in die Steppe unter die Tataren zogen als sich dem Zaren zu beugen.
Und es ist sogar historisch korrekt, dass diejenigen welche in das Wilde Feld zogen um dort frei von Moskau zu sein, sowohl Ukrainer, als auch Russen waren, und sich beide dann dort zu einer Nation der Kosaken zusammen fanden (Saporoger Hetmanat). Faszinierenderweise gibt es nicht wenige ethnische Ukrainer, die sich heute wenn man sie nach ihrem ethnischen und kulturellen Bezug zu Russland fragt, als Freie Russen definieren. Im Gegensatz zu den Russen in der Russischen Föderation. Das ist exakt die gleiche historische Definition während des Hetmanats.
Die heutige Ukraine ist also schlussendlich wenn man es überspitzt so ausdrücken will: Das Freie Russland. Und viele Ukrainer sehen dies inzwischen so.
Und damit schließt sich der Kreis zum beleidigten Ego der Russen, deren Selbstwertgefühlt durch die Ukrainer angegriffen wird: denn die Mafia-Kamarilla des St. Petersburger Zirkels rund um den Botoxopa ist natürlich nicht davon angekränkelt, aufgrund von Selbstwertgefühlt usw. zu handeln, damit manipuliert man nur die eigene Bevölkerung. Was also stört den Botoxopa selbst an der Ukraine ?! Es ist eben dieser Gedanke eines freien Russland, als Alternativmodell zu seinem System. Wenn die Ukrainer beweisen würden, dass Russen frei, demokratisch und dabei auch noch erfolgreich sein können, so würde dieser Fakt als Beleg vor der eigenen Haustür die Macht des eigenen Systems in Frage stellen.
Die Ukraine muss daher aus Sicht des St. Petersburger Zirkels in jedem Fall vernichtet werden, und als mindestes so geschädigt werden, dass sie dauerhaft nicht erfolgreich ist und damit als mahnendes Beispiel für die Leibeigene Bevölkerung daheim herhalten kann, wohin es führt, als Russe frei sein zu wollen.
Es ist dieser Verbund aus den Notwendigkeiten des eigenen Machterhaltes und der Frage der Quellen des eigenne Selbstwertgefühles, welcher die Russen in diesem Krieg so verbissen die Vernichtung der Ukraine betreiben lässt.
Die Notwendigkeiten der Macht und die russische Psyche gehen hier perfekt Hand in Hand.
Sollte das Freie Russland aber überleben und erfolgreich sein, so wäre das System Putin damit in einer Art und Weise in Frage gestellt, dass dessen Überleben (wortwörtlich wie übertragen) fragwürdig würde.
Und wieder einmal steht die Ukraine wie schon in ihren Anfängen im Hetmanat der Saporoger Kosaken zwischen den Großmächten, und wird zwischen dereren Machtspielen zerrieben. Aber vielleicht mag es ja diesmal gelingen, einen anderen Weg für die russische Welt zu eröffnen (auch die Republik Novogord wäre ein solcher gewesen, aber das ist eine andere Geschichte).
Um beschließend Ilja Repin zu zitieren:
Niemand auf der ganzen Welt hat so tief die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gefühlt. (wie die Ukrainer)