16.07.2025, 19:23
@Quintus Fabius
Der Austritt der Ukraine bedeutete sozusagen den Todesstoß für die Sowjetunion. Die Sezession der baltischen Staaten konnte sie verkraften, nicht aber jene der Ukraine.
Mehr noch: Der Austritt der Ukraine und Untergang der Sowjetunion legte endgültig den Verlust an Prestige und Bedeutung von Russland offen. Vorher stand man an der Spitze einer großen Völkerfamilie, eines großen sozialen Experiments, einer bedeutenden Militärmacht, die den 2.Weltkrieg (mit)gewonnen hatte, deswegen auch die großen Militärparaden des Sieges über Deutschland...Man hat Russland gar mit der Sowjetunion gleichgesetzt, ganz ähnlich wie Preußen mit Deutschland.
Als dann dank der Ukraine die Sowjetunion zerfiel, wurden das marode sowjetische Erbe und der Bedeutungs- und Prestigeverlust von Russland endgültig offengelegt, einschließlich desolater, von kriminellen Elementen infiltrierter Streitkräfte. Nur der Sitz im UN-Sicherheitsrat und die Atomwaffen, immerhin auch ein Prestigeobjekt, blieben.
Man kann hier fragen, ob Putin - und andere - die Trennung von Russland und Ukraine nicht damals schon als einen "Verrat" erlebten. Für viele Russen war es sicher ein Stich ins Herz.
Wahrscheinlich war man mit Blick nach Deutschland auch froh, dass Russland selbst nicht wie einst Preußen und die DDR - beides ehemalige Verbündete - regelrecht vaporisierte.
Präsident Jelzin und weitere Separationsbestrebungen sowie terroristische Anschläge machten die Misere später auch nicht besser.
Übrigens: Wegen der Aufteilung der Schwarzmeerflotte tauchten schon unter Jelzin Kriegsdrohungen gegen die Ukraine auf.
Irgendwann war das Maß aus russischer Sicht voll.
Wahrscheinlich wollte man die Kleinrussen tatsächlich als Juniorpartner, aber aufgrund kultureller Unterschiede oder Ähnlichkeiten - Stichwort Hierarchieorientierung - hat es dann nie so recht funktioniert.
Man kann das mit einer Schultheatergruppe vergleichen, wo jeder den strahlenden Held spielen will, aber nicht den jüngeren Bruder, der lahm ist oder sich das Bein gebrochen hat.
Trotzdem muss man den russischen Außenminister Lawrow dafür bewundern, was er mit seinem Ministerium alles erreicht hat. Aber nun kommen wir zum zweiten Punkt: Ist schonmal wem aufgefallen, wie selten Lawrow noch auftritt? Dafür tritt um so häufiger Putins Pressesprecher Peskov auf. Mein Eindruck ist hier, dass Lawrow in einem internen Machtkampf unterlegen war und viele Befugnisse an Peskov verloren hat.
Dazu muss man wissen, das der Machtkreis um Putin wie die Drushina, also Gefolgschaft, eines Fürsten der Kiewer Rus' funktioniert. Der Fürst versammelt Personen, in denen er Potential erkennt oder benötigt, um sich und verteilt an diese dann Geld, Lob und Tadel ("Zum Chef, auf den Teppich!").
Ein weiterer Grund für das Versagen der russischen Außenpolitik ist, dass man diese auch international langsam abgewertet hat. Sehen wir hier doch mal nach Deutschland: Bundeskanzlerin Merkel zog immer mehr Kompetenzen ihres (inkompetenten) Außenministers Maas an, betrieb selbst Außenpolitik, und Baerbock war nur ein einziger Skandal. Auch in den USA ist ein Außenminister vom Status her nicht mehr dass, was er einmal war. Es gab also eine Veränderung in der außenpolitischen Kultur, den Russland mitgemacht hat.
Zitat:Diese Sichtweise deckt sich weitgehend mit jener der meisten Russen (und auch etlicher anderer Völker wie beispielsweise Serben etc). Sie lässt aber außer Acht, dass auch die russisch-sprachigen Bürger der Ukraine gespalten waren und sind. Und dass es umgekehrt in Russland viele Ukrainische-sprachige / ukrainisch-stämmige Russische Staatsangehörige gibt.Mir war bei meinem vorangegangenen Posting schon klar gewesen, dass es sich um eine Vereinfachung handelt.
Zitat:Es wäre für Russland ein leichtes gewesen, mit einer positiven Politik gegenüber ihren engsten Verwandten die Ukraine dauerhaft als treuen Verbündeten auf russischer Seite zu halten.Ich denke, dass der Bruch schon 1991, sogar bereits vorher, vorgezeichnet war und auch mit einem Trauma auf russischer Seite zu tun hat: Dem Untergang der Sowjetunion.
Der Austritt der Ukraine bedeutete sozusagen den Todesstoß für die Sowjetunion. Die Sezession der baltischen Staaten konnte sie verkraften, nicht aber jene der Ukraine.
Mehr noch: Der Austritt der Ukraine und Untergang der Sowjetunion legte endgültig den Verlust an Prestige und Bedeutung von Russland offen. Vorher stand man an der Spitze einer großen Völkerfamilie, eines großen sozialen Experiments, einer bedeutenden Militärmacht, die den 2.Weltkrieg (mit)gewonnen hatte, deswegen auch die großen Militärparaden des Sieges über Deutschland...Man hat Russland gar mit der Sowjetunion gleichgesetzt, ganz ähnlich wie Preußen mit Deutschland.
Als dann dank der Ukraine die Sowjetunion zerfiel, wurden das marode sowjetische Erbe und der Bedeutungs- und Prestigeverlust von Russland endgültig offengelegt, einschließlich desolater, von kriminellen Elementen infiltrierter Streitkräfte. Nur der Sitz im UN-Sicherheitsrat und die Atomwaffen, immerhin auch ein Prestigeobjekt, blieben.
Man kann hier fragen, ob Putin - und andere - die Trennung von Russland und Ukraine nicht damals schon als einen "Verrat" erlebten. Für viele Russen war es sicher ein Stich ins Herz.
Wahrscheinlich war man mit Blick nach Deutschland auch froh, dass Russland selbst nicht wie einst Preußen und die DDR - beides ehemalige Verbündete - regelrecht vaporisierte.
Präsident Jelzin und weitere Separationsbestrebungen sowie terroristische Anschläge machten die Misere später auch nicht besser.
Übrigens: Wegen der Aufteilung der Schwarzmeerflotte tauchten schon unter Jelzin Kriegsdrohungen gegen die Ukraine auf.
Zitat:Es gehörte also ein immenses Ausmaß an Inkompetenz dazu, die Ukraine in den Konflikt und dem folgend in den Krieg mit Russland zu treiben.Ich würde hier nicht von Inkompetenz, sondern Kränkungserfahrungen sprechen. Man stritt um die Aufteilung der Atomwaffen und Schwarzmeerflotte, die Krim, die Beziehung der Ukraine zur EU und NATO...
Irgendwann war das Maß aus russischer Sicht voll.
Zitat:Bis dahin, dass heute der Bruch dauerhaft und nicht mehr umkehrbar ist.Was, wenn es zu einem Bruch zwischen der EU und der Ukraine käme? Irgendwie sehe ich das kommen...("Die EU ist ja wie damals die Sowjetunion! Sagt und dauernd, wie wir sein und was wir zu tun haben!")
Zitat:Warum aber war das System Putin derart inkompetent in Bezug auf die Ukraine ?! Die Antwort liegt im Hochmut mit welchem Russen seit Jahrhunderten auf die Ukrainer herab geschaut haben. Die Kleinrussen wurden nie ernst genommen und man sah ihre "natürliche Position" immer als eine unter den Russen an, in welche sie sich zu fügen hätten.Hier spielt wohl auch der historische Erfolg von Russland eine Rolle. Nach dem Mongolensturm waren die Gebiete der Ukraine unter litauische Herrschaft geraten - übrigens weniger durch militärischen Druck sondern durch ein altes Rezept der Kiewer Rus: Heiratspolitik. Später hat man - etwa durch das Bündnis mit Bogdan Chmielniki - diese Gebiete wiedererlangt.
Wahrscheinlich wollte man die Kleinrussen tatsächlich als Juniorpartner, aber aufgrund kultureller Unterschiede oder Ähnlichkeiten - Stichwort Hierarchieorientierung - hat es dann nie so recht funktioniert.
Man kann das mit einer Schultheatergruppe vergleichen, wo jeder den strahlenden Held spielen will, aber nicht den jüngeren Bruder, der lahm ist oder sich das Bein gebrochen hat.
Zitat:Du schriebst hier von verschmähter Liebe: aber das trifft allenfalls für die Ukrainer zu.Wo ist da verschmähte Liebe seitens der Ukrainer? Steckt das in den ganzen Beleidigungen, die man den Russen vorsetzt, z.B. ihre Titulierung als "Orks"? Oder der Zerstörung von russischen Schriftstücken (wegen der ich die Ukrainer gerne mit den Taliban gleichsetze)?
Zitat:Wie grenzenlos inkompetent das System Putin im Umgang mit diesem Konflikt ist zeigt sich allein darin, dass Russland mit Trump ernsthaft die Chance gehabt hätte, die Krim als russisches Gebiet anerkannt zu kriegen. De facto hätte Russland einen Sieg aus diesem Krieg heraus holen können, mit Anerkennung der Krim als russischem Staatsgebiet selbst durch den Westen, einfach nur die sofortige Einstellung der Kampfhandlungen um damit Trumps Ego zu streichelnDas liegt einmal daran, dass auch das russische Außenministerium noch unter den Folgen des Zerfalls der Sowjetunion leidet. Zu Zeiten der Sowjetunion bot eine Tätigkeit im Außenministerium viel Anerkennung und den Zugriff auf westliche Luxusgüter, z.B. Coca Cola. Nach dem Zerfall der Sowjetunion sind dann gerade deshalb viele Mitarbeiter des Außenministeriums in die freie Wirtschaft gegangen - so konnte man schließlich Cola-Dosen und Luxus-Autos schiffsladungmäßig importieren und damit Gewinn machen. Im Außenministerium blieben die Abnicker zurück, denen man erst beibringen musste wie man einen Computer bedient.
Trotzdem muss man den russischen Außenminister Lawrow dafür bewundern, was er mit seinem Ministerium alles erreicht hat. Aber nun kommen wir zum zweiten Punkt: Ist schonmal wem aufgefallen, wie selten Lawrow noch auftritt? Dafür tritt um so häufiger Putins Pressesprecher Peskov auf. Mein Eindruck ist hier, dass Lawrow in einem internen Machtkampf unterlegen war und viele Befugnisse an Peskov verloren hat.
Dazu muss man wissen, das der Machtkreis um Putin wie die Drushina, also Gefolgschaft, eines Fürsten der Kiewer Rus' funktioniert. Der Fürst versammelt Personen, in denen er Potential erkennt oder benötigt, um sich und verteilt an diese dann Geld, Lob und Tadel ("Zum Chef, auf den Teppich!").
Ein weiterer Grund für das Versagen der russischen Außenpolitik ist, dass man diese auch international langsam abgewertet hat. Sehen wir hier doch mal nach Deutschland: Bundeskanzlerin Merkel zog immer mehr Kompetenzen ihres (inkompetenten) Außenministers Maas an, betrieb selbst Außenpolitik, und Baerbock war nur ein einziger Skandal. Auch in den USA ist ein Außenminister vom Status her nicht mehr dass, was er einmal war. Es gab also eine Veränderung in der außenpolitischen Kultur, den Russland mitgemacht hat.