Folgende Warnungen sind aufgetreten:
Warning [2] Undefined array key 0 - Line: 1670 - File: showthread.php PHP 8.4.8 (Linux)
File Line Function
/inc/class_error.php 157 errorHandler->error
/showthread.php 1670 errorHandler->error_callback
/showthread.php 916 buildtree




Die Entwicklung der Landwirtschaft und des Bauernstandes
#14
Eine hochinteressante Kultur die diesem von mir im obigen Beitrag beschriebenen Prinzip nicht entsprach ist die Trypillia Kultur (Cucuteni-Tripolje-Kultur) im Bereich der heutigen West-Ukraine, Moldaus und Nordrumäniens gewesen. Im ukrainischen Neolithikum wurde von Süden aus Griechenland kommend dort der Ackerbau eingeführt. Dies führte zu einer für sehr lange Zeit erstaunlich stabilen landwirtschaftlichen Kultur, in welcher sowohl die Bevölkerungszahlen explodierten, als auch immer größere Siedlungen errichtet wurden, dies allerdings so weit man es archäologisch sagen kann ohne jede staatliche Struktur und ohne gesellschaftliche Schichten. Es gab auch durchgehend keine wirkliche Spezialisierung, praktisch war jede Großfamilie weiterhin völlig autark und hielt alle Fähigkeiten vor.

Trotzdem bildeten sich gewaltige Siedlungen mit teilweise tausenden von Langhäusern, in welchen zehntausende von Menschen lebten. Auch Krankheiten scheinen dort lange Zeit kaum eine Rolle gespielt zu haben, die Ernährung war weitgehend vegetarisch, man hielt praktisch kaum oder gar kein Nutzvieh und ergänzte die Landwirtschaftlichen Produkte stattdessen durch viel Fisch und durch Fleisch von Wildtieren. Besonders auffällig ist, dass es anscheinend auch fast keinen Handel gab, aber durchaus etliches an Ein- und Auswanderung von Menschen in dieses Gebiet. Die Gesellschaft war extrem egalitär.

Die größten dieser Siedlungen entstanden noch vor den ersten Städten in Mesopotamien und waren vorübergehend die größten menschlichen Siedlungen der gesamten Welt. Schlussendlich - man muss es tatsächlich so sagen - waren das die ersten richtigen Städte. Aber ohne jede staatliche Struktur und ohne Eliten und ohne jede Art von Spezialisierung, verschiedenen Berufen etc. selbst der Kult war anscheinend primär jeweils Privatsache.

Auf dem Höhepunkt umfasste diese Kultur über 1 Millionen Menschen in diesem Gebiet, was im Kontext der damals sehr geringen Weltbevölkerung eine immense Menge darstellt.

Ein wesentlicher Grund für diesen Erfolg waren besonders gute klimatische Bedingungen, eine große Vielfalt an Agrarprodukten die angebaut wurden (die waren also weniger auf Korn spezialisiert, sondern bauten auch sonst sehr viele Pflanzen ein, einschließlich bereits jeder Menge Steinobst, Weintrauben, Bohnen, Erbsen usw. - und der besonders fruchtbare und dauerhaft hohe Erträge bringende Boden.

Besonders interessant ist nun die Frage des Unterganges dieser Kultur, welcher für die damaligen Verhältnisse relativ abrupt vor sich ging. Man nahm da schon alles mögliche an, von Seuchen (wäre naheliegend wegen der Masse an Menschen in Großsiedlungen, über Einfälle früher arischer Stämme, bis hin zu Klimaveränderungen und massiven Dürren). Aber keiner dieser Punkte überzeugt wirklich. Man fand Siedlungen und Gräber der Yamnaha welche anscheinend geraume Zeit in räumlicher Nähe friedlich koexistierten. Man fand keine Hinweise auf Seuchen - welche erst nach dem Untergang dieser Kultur massiv nach Europa schwappten (zusammen mit den Yamnaha). Dürren sind möglich, aber erklären an manchen Orten keineswegs den Zusammenbruch.

Was sich jedoch zum Ende hin beobachten lässt, ist eine deutliche Veränderung der Gesellschaft bzw. der gesellschaflichen Ordnung. Die Häuser veränderten sich, und von den Funden her kann man sagen, dass zum Ende dieser Kultur dort erste staatliche Strukturen und zentralistische Herrschaft entstanden. Der Grund waren vermutlich die Dürren, welche aber für sich allein nicht vernichtend gewesen wären. Die Krise der Landwirtschaft durch die Dürren führte also zu ersten proto-staatlichen Strukturen, zur Macht- und Vermögenskonzentration in den Händen weniger, zu gesellschaftlichen Schichten. Die Macht in den Großsiedlungen ging auf zentrale Institutionen über, und die Zahl der Funde von Waffen und von Skelleten mit Verletzungen nahm deutlich zu. Die Bevölkerung insgesamt verarmte, kleine Versammlungshäuser und mittelgroße Versammlungshäuser welche vorher vorherrschend gewesen waren verschwanden, stattdessen wurden wenige, zentral gelegene und sehr große Versammlungshäuser errichtet, die dann rasch immer größer wurden (und immer weniger). Und nicht lange danach wurden diese Siedlungen - man müsste von Proto-Städten sprechen - einfach aufgegeben, sie hörten einfach auf zu existieren.

Die Menschen "stimmten" mit den Füßen ab und gingen anscheinend einfach, wodurch die proto-staatlichen Strukturen einfach mit untergingen. Nach allem aber was man inzwischen weiß, scheinen es primär diese proto-staatlichen Strukturen gewesen zu sein, welche das Ende dieser Kultur und ihrer spezifischen Lebensweise herbei führten.

Ein Musterbeispiel für das Scheitern früher Proto-Staaten bzw. erster Staaten, weil die Menschen in dieser Zeit dann lieber wieder "Barbaren" wurden, in die Wildnis auswanderten oder sich zerstreuten, statt sich dem Staat zu unterwerfen, unter Verlust ihrer vorherigen Proto-Zivilisation.

Dürren erzeugten eine soziale Differenzierung, wobei die entstehenden Eliten sich auf Kosten der Mehrheit einen höheren Wohlstand sichern wollten. Dies führte aber dann zum Zusammenbruch der gesamten Kultur und dieser ersten "Großstädte". Trotz dieses Untergangs einer Kultur durch die Schaffung erster staatlicher Strukturen, ist die lange Lebensdauer dieser anscheinend ultrakonservativen und zugleich extrem egalitären Gesellschaft mehr als bemerkenswert, denn es gab diese Kultur um die 1600 Jahre lang.

Noch eine interessante Entwicklung zum Ende dieser Kultur hin ist der dann zugleich mit der sozialen Aufteilung aufkommende Handel, insbesondere mit Kupfer. Die längste Zeit dieser Kultur war kein Kupfer vorhanden, zum Ende aber hin begann ein intensiver Handel mit dem Kaukasus-Raum, wo Kupfer abgebaut wurde. Entsprechend tauchen dann dort in dieser Kultur zugleich mit der Stratifizierung zunehmend Kupfergegenstände auf, welche ebenfalls auf eine plötzlich rasant zunehmende Konzentration von Besitz in den Händen von immer weniger Personen annehmen lassen, bis dann daraus folgend diese Kultur in sich zusammen brach.

Und noch ein bemerkenswerter Umstand ist der Einfluss dieser Kultur auf die Schwarzerden in der Ukraine. Diese sind sehr stark von dieser Kultur geprägt und beeinflusst wurden, und so wurzelt heute noch die Landwirtschaft dort in Böden, welche diese Bauern über 1600 Jahre lang geprägt haben.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema

Gehe zu: