23.06.2025, 14:29
(22.06.2025, 15:05)muck schrieb: Und wie es die Franzosen sehen, war Deutschland seit Ende des Kalten Krieges in Verteidigungsfragen kein guter Partner.In Bezug auf Rüstungsprojekte greift das mMn sogar noch deutlich tiefer, die Wurzeln davon gehen bis die Nachkriegszeit.
Frankreich legt seit dem Ende des Zweiten Krieges großen Wert auf Autonomie, dort wo sie möglich ist. Man könnte hier schon von einem allgemeinen politischen Grundsatz reden der das Handeln Frankreichs wie kein anderer Aspekt bestimmt. Der Staat sieht Autonomie nicht nur als „Bonus“ sondern fast schon als verpflichtend an um die eigenen Handlungsfähigkeit unabhängig von den Machtblöcken zu garantieren. Das wird einerseits historisch bedingt sein, andererseits wird es aber auch durch Frankreichs Wesen, seine Territorien und politischer Doktrin bedingt.
Und damit war Frankreich lange Zeit alleine in Europa. Die anderen großen militärischen und politischen Player in Europa wie Großbritannien und Westdeutschland haben sich stattdessen eher an den USA orientiert, man kann fast schon sagen, dass man sich auf der Transatlantischen Partnerschaft ausgeruht hat. Nicht was die eigenen Streitkräftekontingente betraf aber definitiv was Rüstungsforschung betraf. Ohne das politische Wohlwollen aus Washington wären die deutschen und britischen Streitkräfte der 50-90er schlicht nicht funktionsfähig gewesen, sind wir in einigen Feldern bis heute nicht.
Und was Frankreich daran vermutlich missfiel war die befürchtete politische Abhängigkeit die dadurch entstehen könnte. Ich bin fest davon überzeugt, dass Frankreich Europa relativ früh als eigenen Machtblock verstanden hat. Vielleicht weil Frankreich die bipolare Welt mit den USA und der Sowjetunion als Bedrohung für den eigenen Einfluss gesehen hat und mit einem eigenen Machtblock dagegenhalten wollte, vielleicht weil Frankreich generell einen europäischen Machtblock zum Vorteil aller schaffen wollte, vielleicht auch beides. Weniger als 10 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriege wurden bereits die ersten transeuropäischen Projekte auf den Weg gebracht, Frankreich mittendrin, teilweise sogar dabei die federführende Hand.
Und bereits da hat sich mMn abgezeichnet, dass Frankreich primär Mitglieder dieser Projekte war um ein „abdriften“ der europäischen Staaten hin zu den USA zu verhindern. Ich erinnere nur daran, dass Großbritanniens Mitgliedschaftsanträge in die ECSC 1961 und 1967 von Frankreich abgelehnt wurden, laut CDG weil Großbritannien in seinen Augen zunehmend zur „Hintertür“ für amerikanische Interessen in Europa geworden sei. Was tatsächlich auch gar nicht so weit hergeholt ist, wenn man sich die „Special Realtionship“ mal anguckt, gilt für die DAF genauso.
Und ich glaube das hat „Narben“ hinterlassen was heutige Zusammenarbeiten bei Rüstungsprojekten angeht. Teilweise vermutlich auch aufgrund des französischen Nationalstolzes, teilweise auch weil Frankreich mit vielen Warnungen recht behalten hat und sich die vernachlässigte Autonomie seitens GB und DE heute als durchaus problematisch erweist.
Bei jeder Unstimmigkeit in gemeinsamen Projekten wird nicht bloß französisches Ego hinter stehen sondern auch eine Art berechtigte Paranoia, europäische Projekte vor amerikanischen Einfluss zu schützen. Großbritannien leckt ja immer noch fleißig amerikanische Stiefel und wir hier in Deutschland tun so, als wäre unsere Partnerschaft mit den USA gleichberechtigt.
Das mag seitens Frankreichs teilweise berechtigt und teilweise unberechtigt sein, Fakt ist aber dass dieses Misstrauen existiert und wir uns auch nicht sonderlich viel Mühe gegeben haben, es aus dem Weg zu räumen.
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Klar kann man dann einfach sagen „Die Franzosen sind einfach nur eingebildet“ aber Frankreich hat eben Erfahrung was die autonome Entwicklung von Systemen angeht, teilweise auch mehr als wir, weil Sies müssen und historisch gesehen immer gemusst haben.
Das heißt mMn nicht, dass wir in Kooperationen mit Frankreich nur nach französischer Pfeife tanzen sollten oder unsere eigenen Anforderungen an Systeme fallen lassen sollten. Aber es heißt, dass eine solche Kooperation fragil ist und historisch gesehen schlechten Startbedingungen unterliegt. Das muss im Hinterkopf behalten werden wenn man solche Projekte bewertet und eigene Anforderungen stellt. Frankreich ist offensichtlich für Kooperationen offen aber Anforderungen die für uns vielleicht nebensächlich sind, können für Frankreich existenziell sein. Da muss man miteinander reden, die eigenen Interessen abwägen und sich auf die gegenseitigen Kerninteressen verständigen. Auch würde es vermutlich helfen, Projekte nicht als „Black Box“ zu betreiben sondern einmal zu Beginn ein paar Grundsätze des Projekts auslotet an die sich dann auch alle halten solange es keine existenziellen Gründe gibt diese zu ändern. Dass wir vielversprechende Kooperationen aufgrund von Kleinigkeiten im Sand verlaufen lassen und wir uns am Ende alle gegenseitig ankeifen, muss endlich aufhören. Kein europäischer Staat kann in der sich abzeichnenden multipolaren Welt alleine bestehen und unser amerikanischer Ziehvater ist gerade drauf und dran uns in die Pfanne zu hauen, wird Zeit, dass wir uns entsprechend verhalten…