Gestern, 17:25
@Schneemann
Die fachliche Einschätzung, dass der israelische Angriff völkerrechtswidrig war, beruht auf dem Umstand der nicht ergangenen Kriegserklärung. Eine formelle Kriegserklärung ist zwar unerheblich für die Frage, ob ein militärischer Gewaltakt völkerrechtskonform war. Doch wird durch ihr Fehlen das konkludente Verhalten beider Seiten zum Maßstab der rechtlichen Bewertung (vgl. Ipsen, Völkerrecht, C.H. Beck, München 2024).
Soll heißen: Gebraucht eine Seite gegen die andere militärische Gewalt, ohne formell den Krieg zu erklären, entsteht dadurch kein dauerhafter Kriegszustand, der bis zu einem formellen Friedensvertrag anhalten würde. Der Kriegszustand endet, wenn die militärische Gewalt endet und beide Seiten einander zumindest durch konkludentes Verhalten signalisieren, dass sie zumindest einstweilen keine Gewalt mehr gegeneinander anwenden werden. Aus Sicht des Rechts wird dadurch alles auf Anfang gesetzt.
Aus Sicht des Völkerrechts haben Iran und Israel in den letzten zwei Jahren nicht einen großen Krieg geführt, sondern mehrere kleine.
Denn die Friedenspflicht nach der Charta der Vereinten Nationen gilt immer und umfassend. Präventivgewalt ist nur gegen einen unmittelbar bevorstehenden Angriff zulässig. Und tatsächlich gesteht das Völkerrecht den Israelis das Recht zu, sozusagen nervöser sein zu dürfen als die Iraner, weil Israel ein vielfach kleineres Land mit einer wesentlich kleineren Bevölkerung und dadurch schneller zu vernichten ist.
Doch ist klar definierbar, was ein Präventivschlag ist. Das Völkerrecht erlaubt präventive Selbstverteidigung nur bei Gegenwärtigkeit einer militärischen Gefahr, und das bedeutet: Der Gegner kann jederzeit zuerst angreifen. Es bedeutet nicht: Der Gegner ist bald in der Lage, zuerst anzugreifen. Der israelische Angriff richtete sich aber gegen das iranische Atomprogramm und die militärische Führung des Landes.
Ich kann absolut verstehen, dass ein nuklear bewaffneter Iran nichts ist, was die Israelis riskieren wollen, und ich weine den getöteten Revolutionsgardisten keine Träne nach. Aber was Recht ist, muss nun mal Recht bleiben. Und zumindest aus völkerrechtlicher Sicht zieht das Argument halt nicht, dass Israel jetzt zuschlagen musste, weil die Gelegenheit taktisch und strategisch günstig gewesen sei, den Iran davon abzuhalten, seine Urananreicherung auf ein waffenfähiges Level zu bringen. Das ist nicht dasselbe wie eine Meldung des Mossad an Tel Aviv, dass die nuklear bestückte MRBM gerade auf den Startteller geschoben wird.
Dies gilt umso mehr, als Israel selbst über Atomwaffen verfügt und ein glaubwürdiges Abschreckungspotential gegen den Iran entfalten kann. Man könnte auch den Spieß umdrehen: Warum sollte es Israel nicht zumutbar sein, sich in der gleichen Situation zu befinden wie andere Atommächte gegenüber atomar bewaffneten Rivalen (z.B. Pakistan-Indien oder USA-UdSSR)? Die ekelhafte Rhetorik des Regimes in Teheran ändert daran nichts, auch andere Atommächte sind einander schon rhetorisch an die Gurgel gegangen.
Aus politischer und sogar psychologischer Sicht ist es verständlich, dass Israel nicht zuwarten wollte. Das endet aber nichts an der Rechtslage, die so eindeutig ist, dass kaum ein namhafter Völkerrechtler Israel derzeit verteidigt.
Ich bin gerne bereit, Diskussionen zu führen, ob das seit 1949 entwickelte Völkerrecht auf moderne Kriege überhaupt noch sinnvoll anwendbar ist. Und es bedarf keiner Diskussion, dass die Kritiker und Feinde Israels sich aus ordinärem Antisemitismus weigern, die Geschichte des jüdischen Volkes politisch in Rechnung zu stellen. Doch sind Politik und Recht zwei paar Schuhe. Und im Recht sollte gelten: Iustitia caeca est. Justitia ist blind und muss es sein, im Großen wie im Kleinen. Wenn einem Menschen übel mitgespielt wurde, gibt ihm das noch lange nicht das Recht, bei der nächsten subjektiven Bedrohungslage um sich zu schlagen; es mildert allenfalls seine Schuld.
Und für Völker sollte der gleiche Grundsatz gelten. Denn fast jedes Volk hat großes Leid erlitten.
Die fachliche Einschätzung, dass der israelische Angriff völkerrechtswidrig war, beruht auf dem Umstand der nicht ergangenen Kriegserklärung. Eine formelle Kriegserklärung ist zwar unerheblich für die Frage, ob ein militärischer Gewaltakt völkerrechtskonform war. Doch wird durch ihr Fehlen das konkludente Verhalten beider Seiten zum Maßstab der rechtlichen Bewertung (vgl. Ipsen, Völkerrecht, C.H. Beck, München 2024).
Soll heißen: Gebraucht eine Seite gegen die andere militärische Gewalt, ohne formell den Krieg zu erklären, entsteht dadurch kein dauerhafter Kriegszustand, der bis zu einem formellen Friedensvertrag anhalten würde. Der Kriegszustand endet, wenn die militärische Gewalt endet und beide Seiten einander zumindest durch konkludentes Verhalten signalisieren, dass sie zumindest einstweilen keine Gewalt mehr gegeneinander anwenden werden. Aus Sicht des Rechts wird dadurch alles auf Anfang gesetzt.
Aus Sicht des Völkerrechts haben Iran und Israel in den letzten zwei Jahren nicht einen großen Krieg geführt, sondern mehrere kleine.
Denn die Friedenspflicht nach der Charta der Vereinten Nationen gilt immer und umfassend. Präventivgewalt ist nur gegen einen unmittelbar bevorstehenden Angriff zulässig. Und tatsächlich gesteht das Völkerrecht den Israelis das Recht zu, sozusagen nervöser sein zu dürfen als die Iraner, weil Israel ein vielfach kleineres Land mit einer wesentlich kleineren Bevölkerung und dadurch schneller zu vernichten ist.
Doch ist klar definierbar, was ein Präventivschlag ist. Das Völkerrecht erlaubt präventive Selbstverteidigung nur bei Gegenwärtigkeit einer militärischen Gefahr, und das bedeutet: Der Gegner kann jederzeit zuerst angreifen. Es bedeutet nicht: Der Gegner ist bald in der Lage, zuerst anzugreifen. Der israelische Angriff richtete sich aber gegen das iranische Atomprogramm und die militärische Führung des Landes.
Ich kann absolut verstehen, dass ein nuklear bewaffneter Iran nichts ist, was die Israelis riskieren wollen, und ich weine den getöteten Revolutionsgardisten keine Träne nach. Aber was Recht ist, muss nun mal Recht bleiben. Und zumindest aus völkerrechtlicher Sicht zieht das Argument halt nicht, dass Israel jetzt zuschlagen musste, weil die Gelegenheit taktisch und strategisch günstig gewesen sei, den Iran davon abzuhalten, seine Urananreicherung auf ein waffenfähiges Level zu bringen. Das ist nicht dasselbe wie eine Meldung des Mossad an Tel Aviv, dass die nuklear bestückte MRBM gerade auf den Startteller geschoben wird.
Dies gilt umso mehr, als Israel selbst über Atomwaffen verfügt und ein glaubwürdiges Abschreckungspotential gegen den Iran entfalten kann. Man könnte auch den Spieß umdrehen: Warum sollte es Israel nicht zumutbar sein, sich in der gleichen Situation zu befinden wie andere Atommächte gegenüber atomar bewaffneten Rivalen (z.B. Pakistan-Indien oder USA-UdSSR)? Die ekelhafte Rhetorik des Regimes in Teheran ändert daran nichts, auch andere Atommächte sind einander schon rhetorisch an die Gurgel gegangen.
Aus politischer und sogar psychologischer Sicht ist es verständlich, dass Israel nicht zuwarten wollte. Das endet aber nichts an der Rechtslage, die so eindeutig ist, dass kaum ein namhafter Völkerrechtler Israel derzeit verteidigt.
Ich bin gerne bereit, Diskussionen zu führen, ob das seit 1949 entwickelte Völkerrecht auf moderne Kriege überhaupt noch sinnvoll anwendbar ist. Und es bedarf keiner Diskussion, dass die Kritiker und Feinde Israels sich aus ordinärem Antisemitismus weigern, die Geschichte des jüdischen Volkes politisch in Rechnung zu stellen. Doch sind Politik und Recht zwei paar Schuhe. Und im Recht sollte gelten: Iustitia caeca est. Justitia ist blind und muss es sein, im Großen wie im Kleinen. Wenn einem Menschen übel mitgespielt wurde, gibt ihm das noch lange nicht das Recht, bei der nächsten subjektiven Bedrohungslage um sich zu schlagen; es mildert allenfalls seine Schuld.
Und für Völker sollte der gleiche Grundsatz gelten. Denn fast jedes Volk hat großes Leid erlitten.