19.05.2025, 12:20
(06.05.2025, 20:13)Wladimir schrieb: ...Du willst also Europa zu einem losen Bündel von heterogenenen Nationalstaaten machen, die sich gegenseitig blockieren und stören und ansonsten zwischen den USA und Russland zum Spielball werden - aha.
Es besteht die "historische Chance", EU-Taugenixe kollektiv demokratisch in die Wüste zu schicken und mit Hilfe der Amerikaner und Russen die EU zurecht zu stutzen, d. h. auf elementare Aufgaben zu begrenzen.
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Mein Verständnis von Europa ist das Gegenteil davon.
Aber am Beispiel der Beziehung zwischen China und den USA wird deutlich, dass ein so handlungsunfähig paralysiertes Europa auch nicht im Interesse der USA liegt:
USA und Europa: In dieser Beziehung macht Donald Trump einen schweren strategischen Fehler meint ein Kommentator (Historiker) der Berliner Zeitung - BZ
(Kopie hier)
Zitat: ...es liegt also im ureigenen Interesse der USA, ein starkes Europa als Partner auf seiner Seite zu haben.
„Diese Leute wollen Europa in ein dauerhaftes Protektorat verwandeln. Das Problem: Wenn das jemals eine gute Idee war, dann ist sie bei einem jährlichen Defizit von zwei Billionen Dollar einfach nicht tragbar“, antwortete der US-Vizepräsident J.D. Vance einem User auf X, der ihn wegen seiner Aussagen zur Verteidigungsunfähigkeit Grönlands kritisierte. „In allen Kriegsspielen gegen China“, sagte Pete Hegseth vor seiner Bestätigung als Verteidigungsminister in einem Interview „verlieren wir jedes Mal (…) China baut eine Armee auf, die speziell darauf ausgerichtet ist, die USA zu besiegen (…) 15 (chinesische) Hyperschallraketen können in den ersten 20 Minuten eines Konflikts zehn Flugzeugträger ausschalten.“ Nimmt man all diese Aussagen zusammen und ordnet sie ein, dann lässt sich die Stimmung in Washington in einem Wort zusammenfassen: Angst.
Die Trump-Administration ist wahrscheinlich die erste seit Jahrzehnten, die sich der Verwundbarkeit der USA bewusst ist. Nach außen gibt man sich imperialistisch, nach innen weiß man um die eklatanten Schwächen, die ein großes Risiko darstellen. Die Zahlen geben Trump auch recht.
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Global betrachtet ist Asien heute der ökonomisch wichtigste Kontinent, wie er es vor dem 18. Jahrhundert immer gewesen ist. Für die USA ist Europa jedoch unersetzlich, wie Aaron Wess Mitchell, ehemaliger US-Staatssekretär für Europa und Eurasien im US-Außenministerium, und Professor Jakub Grygiel in einem Artikel schreiben.
Europa ist nicht nur der amerikanische Brückenkopf in den Nahen Osten, sondern der gesamten eurasischen Landmasse. Ohne Europa sind die USA lediglich eine Inselmacht, die von außen auf die Geschehnisse des Festlandes eingreifen kann – allerdings auch dann nur, wenn die Festlandmächte es ihnen in Eurasien erlauben. Mit Europa hingegen sind die USA auch eine Festlandmacht.
Die Mittel, die Europa den USA bietet, können alle asiatischen Verbündeten in Ostasien nicht bieten. Selbst wenn die USA all ihre ostasiatischen Verbündeten verlieren würden, hätten sie mit Europa in der Hand die Macht, China in Asien zu balancieren. Ohne Europa, aber mit den Verbündeten in Ostasien, wäre dies deutlich schwieriger, womöglich sogar unmöglich, schreiben die beiden Autoren. Europa ist also der beste Hebel, den die USA je hatte.
Im 19. Jahrhundert verzichtete das britische Empire stets auf eine Verankerung am Festland, da es glaubte, die expansiven Festlandmächte wie Frankreich, Deutschland oder Russland ohne Basis auf dem Festland balancieren zu können. Dieser Denkfehler hat Großbritannien unter anderem seinen imperialen Status gekostet. Die USA haben diesen Fehler nach 1945 nie gemacht.
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Alles andere würde bedeuten, die Europäer letztendlich als Partner zu verlieren und damit auf die westlichen Ufer des Atlantik zurück geworfen zu werden.
Ob das jetzt mit einem unabhängigen, aber nicht partnerschaftlich agierenden Europa passiert - oder aber mit einem Europa, das bestenfalls kraftlos und zersplitterter Spielball von anderen wäre, und schlechtestenfalls Anhängsel eines eurasischen Reiches unter einem neuen Dschingis Khan ist, kann dahin gestellt werden.
Und dass die Behandlung der Europäer schon in den ersten Regierungsmonaten der Trump-Ära falsch war, kommt inzwischen wohl auch "drüber" an.
Europa ist aufgewacht - und dabei, sich nicht mehr einseifen zu lassen sondern zu einem einheitlich agierenden, starken und unabhängigen Kontinent zu werden:
Zitat: Die USA hätten Europa nie so behandeln und demütigen dürfen, weil sie den eigenen Interessen damit am meisten geschadet haben. Die Verteidigung der Ukraine hat die USA gerade einmal fünf Prozent des Verteidigungsbudgets gekostet, was nichts ist, was einen Taiwan-Konflikt entschieden hätte. Dafür genossen die USA moralische Glaubwürdigkeit in Europa und man war sogar bereit, Washington in vielen Fragen der US-China-Beziehungen zu folgen. Die Aufrüstung Europas war zum Zeitpunkt des Überfalls auf die Ukraine bereits im Gange. Und Europa wäre früher oder später bereit gewesen, Russland konventionell abzuschrecken.
Es war ein strategischer Fehler Washingtons, Europa in Angst und Panik zu versetzen, indem man die Sicherheitsgarantien öffentlich hinterfragte. Einerseits wird der Ausbruch des Ukrainekonflikts von den politischen Eliten Europas immer noch maßgeblich so gesehen, dass die USA mehr als die Europäer dafür verantwortlich sind. Zum anderen lehrt die Geschichte, dass man seine strategisch wichtigsten Verbündeten im Krieg niemals im Stich lässt.
In Berlin interpretiert man die aktuelle US-Außenpolitik als Verrat, weil der Deal immer war, dass die USA Hegemonie über Europa genoss, solange sie auch Sicherheit bot. Mitten im Krieg rückt Washington rhetorisch von seinen Sicherheitsversprechen und wälzt die künftige Verteidigung der Ukraine an Europa ab. Man will die Hegemonie behalten, aber die Europäer die Rechnung dafür zahlen lassen. Das wird in Europa ohne Gegenleistung nicht funktionieren. Dafür ist dieser Kontinent viel zu widerspenstig.
Das Vertrauen, das sich die USA in Europa über Jahrzehnte erarbeitet hatten, ist in wenigen Monaten erschüttert worden. In Berlin und Paris wird man sich künftig bei jeder Anfrage aus Washington dreimal fragen, inwieweit sie den nationalen Interessen dient. Ein fataler Rückschlag für Washington, wenn man Europas Ressourcen für den Kampf um das Gleichgewicht in Asien mobilisieren will. Es gibt hier eine hilfreiche Analogie, die in Washington ein mahnendes Beispiel sein sollte. Außenpolitik ist nämlich weit menschlicher und komplexer, als es empirische Machtfaktoren darstellen. Staatsmänner kalkulieren die Machtfaktoren zweifellos ein, aber die Entscheidungen, die sie treffen, sind oft weit mehr Frage des Glaubens als des Wissens.
Für die USA wäre es der weiseste Schritt gewesen, sich an der Seite der Europäer, insbesondere Berlins, bis zum Ende am Ukrainekonflikt zu beteiligen – völlig unabhängig vom Ausgang. Selbst wenn sie ihn verlieren würden, würde zwar das Fingerzeigen, wer für die Misere verantwortlich ist, auf die USA zielen, aber sie würden weiterhin das Vertrauen genießen, ein verlässlicher Verbündeter zu sein, der sich Europa gegenüber verpflichtet fühlt. Das würde die USA materiell nicht mehr kosten, als es der heutige Vertrauensverlust der Europäer gegenüber Amerika tut, ohne Europa auf Distanz zu den USA zu bringen. Im Gegenzug würde sich Europa mehr auf den US-China-Kurs einlassen, als es künftig der Fall sein wird.
Die Ausgangslage der USA war von Beginn des Ukrainekonfliktes an nicht ideal, aber es gab keine bessere Option. Fokussierte man sich auf Asien, verliert man die Europäer. Fokussierte man sich auf Europa, verliert man die Ressourcen und den Fokus für Asien.
Der kostengünstige Mittelweg wäre gewesen, an Europas Seite zu bleiben, es zur Aufrüstung zu bewegen und gleichzeitig Europa im Gegenzug auf die Balancierung Chinas zu kalibrieren. Stattdessen stößt man alle Verbündeten vor den Kopf. Bei einer Veranstaltung der Münchner Sicherheitskonferenz in Washington rückte der US-Vizepräsident J.D. Vance davon ab, indem er sagte, dass die USA und Europa eine gemeinsame Zivilisation teilen. Der Schaden in den US-EU-Beziehungen ist aber längst angerichtet.
Eine Priorisierung Asiens wäre möglich gewesen, ohne die Europäer in Angst und Panik zu versetzen. Man hätte sie gleichzeitig als verlässliche Verbündete behalten sowie für eine US-Politik gegenüber China gewinnen können. Das wird sich nun weitaus schwieriger gestalten, wenn nicht sogar unmöglich werden. Die Lehre aus dem Krimkrieg am Beispiel Österreichs ist, seinem wichtigsten strategischen Verbündeten niemals den Rücken zu kehren, da dieser einem sonst den Rücken kehrt. Womöglich sogar dauerhaft.