17.05.2025, 17:21
Zitat:Zumindest als Einzelfahrer gilt das auch für die gängigen Fregatten, ja.Hatten wir nicht schon im F125 die Anforderungen an Einzelfahrer ungefähr ausgelotet und festgestellt, dass ein gewisser Selbstschutz durchaus zu Einzelfahrten befähigt?
Zitat:Es geht immer darum, wie man die gestellte Herausforderung am effektivsten und effizientesten gelöst bekommt. Und da bevorzuge ich immer land- vor seegestützt.Darauf komm ich gleich noch zurück.
Zitat:Is, ein Argument, allerdings schließt eine fehlende NATO-Mitgliedschaft ja keine Einsätze außerhalb der Heimat aus. Aber es ist gut möglich, dass Finnland die Pohjanmaa (Die stärkste der diskutierten Klassen) durchaus für die Ostsee so gestaltet hat, das gestehe ich zu.Das stimmt auch, betrifft aber nicht die finnische Marine.
Finland verfügt über eine "Rapid Deployment Force" (RDF) die in den 90ern für den Einsatz im Rahmen von weltweiten UN Missionen aufgestellt wurde. Das ist eine Art mechanisierte Jägertruppe die zu Friedenssicherung und Krisenmanagement verlegt wird, unterhält hauptsächlich APCs und Lastwagen. Das ist aber wie gesagt eine Formation des Heeres, die Marine hingegen hat meines Wissens nach vor dem NATO Beitritt noch nie an einer internationalen Mission teilgenommen.
Zitat:Erstmal müssten diese ASCM-Stellungen ja überhaupt an die baltischen Küsten gelangen. Bis zum Kriegsausbruch können sie das nicht, weshalb Kaliningrad der einzig mögliche Küstenstandort ist. Und den kann man eben mMn einhegen, wenn man sich darauf vorbereitet und entsprechend ausrüstet.Du verkennst du mMn die Situation.
Erstmal ja, an "eroberten" Küstenstreifen müssen ASCM Stellungen natürlich erstmal aufgefahren werden. Da diese lastwagengestützt sind reden wir da zwar nur von Stunden bis diese Stellungen operabel sind aber prinzipiell gebe ich dir da erstmal recht.
Allerdings ist das für die anfängliche Bedrohungslage erstmal irrelevant. Wie ich bereits angesprochen hab benötigen die meisten russischen ASCMs (wie die meisten modernen ASCMs generell ach) keine "line-of-sight" um eingesetzt zu werden, ebenso keine "freie" Luftlinie bis zum Ziel. Seezielflugkörper können zuvor einprogrammierten Routen folgen und bekannte/vermutete Gefahren umfliegen, ebenfalls verfügen diese üblicherweise über RADALT und können nicht nur über dem offenen Wasser sondern auch über Land fliegen und somit im Inland gestartet werden.
Wenn wir jetzt mal die Kalibr als Beispiel nehmen sprechen wir von einer ASCM, die genau das kann. Je nach Quelle verfügt sie über 1.000-2.000km Reichweite (wir gehen mal von 1.000km aus). Wenn sie von Kotlin aus gestartet wird und den finnischen Meerbusen passiert und bei Hiiumaa nach südwesten dreht, kann die selbst Ziele vor Gotland treffen, solange sie unterwegs nicht abgefangen wird.
Zitat:So wie du: Durch Boden-Luft-Raketen. Nur halt nicht von Schiffen verschossen, sondern von mMn besser geeigneten Trägern, primär bodengebunden.So und jetzt kommen wir zu dem, worauf ich später eingehen wollte.
Ich würde sagen, wir gehen jetzt einfach mal ein Szenario durch um zu gucken ob deine Idee funktionieren kann. Wenn du Einwände bezüglich der Parameter hast, gerne sagen.
Kontext:
Hierfür nehmen wir das Modell an, dass du vorgeschlagen hast. Die Versorgung von (in diesem Beispiel) Finland geschieht über den Seeweg. Versorgungschiffe operieren in einem Korridor nahe der Schwedischen Küste um von Landbatterien gedeckt zu werden. Selbes gilt hier für die K130 die zusammen mit den Versorgungschiffen fährt und als eine Art "vorgelagerter" Aufklärungsposten fungiert, die Gefahren aufklären soll die dann von besagter Landbatterie bekämpft werden sollen.
Bei besagter Landbatterie handelt es sich in diesem Fall um eine schwedische Patriot Pac-2 GEM-T (die in Schweden zwar Auslaufmodell ist, aber der weitreichenste Lfk der Landes ist) mit einer Reichweite von 100km. Diese steht unmittelbar an der Küste, sagen wir mal 5km von der Wasserlinie entfernt.
Versorgungsschiff samt K130 operien hier 30km von der Küste entfernt, also insgesamt 35km von besagter Patriot Batterie entfernt.
Die Bedrohungslage hier stellt eine einzelne Kalibr ASCM dar. Diese wird von Kaliningrad aus gestartet mit dem Ziel, das Versorgungsschiff zu zerstören (Versorgungsschiff und K130 haben hier der Einfachheit halber die selbe geographische Position). Wenn das Szenario etwa vor Öland spielt, ist das eine Flugstrecke von rund 300km aber das ist jetzt nicht weiter relevant.
Ablauf:
Nachdem der "Konvoi" durch Russland aufgeklärt wurde, wird eine Kalibr in dessen Richtung gestartet. Dieser fliegt 20m über der Wasseroberfläche und hält seine Reisegeschwindigkeit von Mach 0.8 (wir rechnen hier mit 980 km/h weil ich in Mach nicht rechnen kann

Schweden verfügt über insgesamt 2x Saab 340 AEW&C von denen in diesem Szenario 1x im relevanten Bereich aktiv ist. Bei diesen Flugzeugen handelt es sich zwar um ein AWACS, aber um eins, das primär zur Aufklärung von Luftzielen (besonders Kampfflugzeugen und Bombern) dient. Zwar sind diese Flugzeuge auch in der Lage im gewissen Maße Bodenziele aufzuklären, allerdings stören die sich extrem mit Bodenclutter. Ein Schiff oder ein Raketenboot können diese Systeme durchaus aufklären und erkennen, einen tieffliegenden Seezielflugkörper hingegen werden diese Systeme mit Wellen oder Felsen verwechseln und sie dementsprechend nicht herausfiltern.
Deshalb gehen wir in diesem Szenario ebenfalls davon aus, dass der entsprechende Seezielflugkörper nicht vom AWACS erkannt wird.
Das TRS-4D der K130 ist in diesem Szenario aktiv. Die schwedischen Patriots verfügen nur über einen air search mode der gegen tieffiegende Lfk garantiert nicht zu gebrauchen ist.
Der Seezielflugkörper bewegt sich also mit Mach 0.8 richtung "Konvoi" und wird am Radarhorizont von der K130 aufgeklärt.
Laut dem tool "Radar Horizon Calculator" [https://www.omnicalculator.com/physics/radar-horizon] liegt dieser bei einer Aussenderhöhe von 25m (was für die K130 ungefähr hinhauen sollte) und der Flughöhe von 20m bei ziemlich genau 20.5km.
Heißt, der Seezielflugkörper wird auf eine Distanz von 20.5km vom TRS-4D der K130 aufgeklärt.
Die Kalibr hat in diesem Fall keinen separaten Booster für einen Mach 3 Sprint (jedenfalls behauptet Russland diesen Booster zu haben, gesehen wurde er noch nie), deshalb gehen wir weiter von Mach 0.8 bzw 980 km/h im Endanflug aus.
980 km/h = ~272 m/s, 20.5km Distanz bedeutete vom Aufklärungszeitpunkt bis zum Einschlag vergehen rund 75 Sekunden.
Die besagte Patriot Batterie versucht nun, den erkannten Seezielflugkörper abzufangen. Die Pac-2 GEM-T schafft soweit ich weiß Mach 3 (~3700 km/h sind 1027 m/s), von denen wir hier auch ausgehen. Beim Start ist sie natürlich langsamer weil sie erst bis Mach 3 kommen muss aber dafür habe ich keine Formel parat deswegen ignorieren wir das.
Der "Konvoi" befindet sich 30km von der Küste entfernt, die Patriot Batterie 5km, also liegen 35km zwischen "Konvoi" und Batterie. Der Seezielflugkörper wird auf eine Distanz von 20.5km entdeckt und liegt der Patriot Batterie genau gegenüber, Distanz zwischen Patriot Batterie und Kalibr somit 55.5km.
Um diese Distanz zurückzulegen benötigt die Pac 2 rund 54 Sekunden.
Da der Seezielflugkörper ja auch die Pac 2 "zukommt" und sich die Distanz somit verringert, ziehen wir hier 6 Sekunden (rund 6.2km) ab. Also beträgt die Flugzeit bis zum Intercept hier 48 Sekunden.
Wir sagen, dass der anfliegende Seezielflugkörper mindestens 3km vor dem Konvoi abgefangen werde muss, um beim Anflug keine der verbündeten Schiffe zu treffen. Von der Flugzeit des Seezielflugkörpers ziehen wir somit nun 3km (bzw 11 Sekunden) ab.
Das bedeutet, dass das potentielle Reaktionsfenster der Patriot Batterie nach Erkennung des Seezielflugkörpers ziemlich genau 16 Sekunden groß ist. Der Abfangversuch muss also innerhalb dieser 16 Sekunden vom Aufklärungszeitpunkt an erfolgen.
Einschätzung Meinerseits
Diese 16 Sekunden sind mMn vollkommen unrealistisch.
Die K130 und die landgestützte Patriot Batterie sind nicht in Echtzeit gekoppelt, bis Informationen zwischen den beiden ausgetauscht werden vergehen kostbare Sekunden. Radare benötigen üblicherweise ebenfalls einige Sekunden um ein Ziel zu klassifizieren, was den Zeitraum noch weiter einschränkt. Die Komponente Mensch wird hier auch wertvolle Sekunden kosten, alleine schon durch die vergleichsweise lange Reaktionszeit die ein Mensch im Gegensatz zu einem System hat. Dazu gehen die 16 Sekunden vom asboluten bestfall aus indem die Systeme korrekt und unverzüglich auf Input reagieren und keinerlei Verzögerungen durch lag oder ähnliches entsteht was, wie wir mit Roten Meer gesehen haben, unter Belastung durchaus vorkommen kann.
Dazu weiß ich ehrlich gesagt gar nicht, ob die Patriot Pac 2 ASCM überhaupt abfangen kann. Die ist ja eigentlich für was grundlegend anderes Gedacht und dahingehend optimiert.
Alles das sagt mir, dass eine solche Lösung nicht machbar ist. Dafür müssen zu viele Komponenten dieser Kill Chain reibungslos und zu 110% funktionieren und so funktionieren wie sie sollen und exakt dann wann sie sollen. Ich wäre nicht überrascht wenn ein solcher Abfangprozess nicht mal unter "Laborbedingungen" machbar wäre, alleine schon durch die Komponente Mensch.
Warum ist eine "schwere Korvette" hier mMn effektiver?
Grundsätzlich gesagt aufgrund von 2x inherenten Eigenschaften von schweren Korvetten:
- 1. - die räumliche Nähe zum Abfangort
- 2. - die automatisierte Reaktion
Die schwere Korvette hat hier im vergleich zu Landbatterien den Vorteil, dass sie direkt am Ort des Geschehens ist. Sie führt selber Lfk mittlerer Reichweite mit, somit wird die "Transitdistanz" zwischen Landbatterie und Konvoi gleich 0 was in sich bereits den großteil der Flugzeit spart. Die Patriot erhält nur ein einziges Abfangfenster während eine IRIS-T SLM bspw die ebenfalls Mach 3 fliegt, zwei Abfangfenster ermöglicht, was relevant ist wenn der erste scheitert oder mehrere Seezieflugkörper im Anflug sind. Karenz für RAM und MLG ohnehin.
Dazu sind die meisten modernen CMS dazu in der Lage, völlig autonom auf Bedrohungen zu reagieren und ohne jeglichen input der Besatzung Gegenmaßnahmen einzuleiten. Während ein Abfangversuch Zeit für die Erkennung des Ziels, den Informationstranfer und den Schussbefehl benötigt, gilt für ein automatisiertes CMS nur das erste der drei. Sobald das Ziel erkannt und klassifiziert wurde, kann es vollautomatisch bekämpft werden.
Dazu gilt hier der Vorteil, dass ein Abfangen per schwerer Korvette keine "Kill Chain" aus mehreren Komponenten in mehreren Dimensionen erfordert. Wie man so schön sagt "weniger bewegliche Teile bedeutet weniger potenzial zum kaputtgehen" und das gilt auch hier. Eine Kill Chain kann durch allerlei Sachen beeinträchtigt werden, bspw durch EW, Angriffe, begrenzte Rechenkapazitäten, selbst durch Wetter und natürlich sich selbst. Dahingehen hat die schwere Korvette sowieso weniger benötigte Komponenten, die sind alle durch die Bordsysteme geschützt (besonders gegen jamming und EW) und sie arbeiten alle auf der selben Software. Weniger "bewegliche Teile" eben.
Deshalb bin ich der Meinung, dass eine schwere Korvette hier nicht nur die bessere sondern die einzige realistische Lösung ist
