27.08.2024, 05:49
Zitat:Die Führung ist jeweils existentiell abhängig von amerikanischer Gnade. Das impliziert eine Israel-freundliche Außenpolitik, sonst kommen sie nicht an die Macht, oder Fallen eben speziell dadurch in westliche Ungnade (siehe Mursi, Gaddafi, Assad, Saddam) oder ihnen wird das Leben so schwer gemacht, dass es schwierig wird (Iran, Libanon). Außer der Türkei und Iran besitzen die Staaten des mittleren Ostens so etwas wie eine eigenständige Außenpolitik nicht. Das ist das Vorgehen und die westliche Strategie im Mittleren Osten, diese Regierung maximal kompatibel und abhängig zu halten.Das ist eine der gängigen und weit verbreiteten Verschwörungstheorien innerhalb der muslimischen Welt, wonach man auf Gedeih und Verderb und über sinistre Kanäle und Einflussnahmen von den westlichen Mächten abhängig sei. Aber es ist eine "geschickte Denke", denn man kann die Schuld am eigenen Versagen, die eigenen Schicksale, das eigene Elend und die eigenen korrupten Regime an die Verantwortung anderer Adressen verlagern. Früher waren es die eigenen Potentaten, die sich stritten, dann waren es die Kolonialmächte und heute sind es eben die USA oder die Israelis.
Was man dabei aber nicht merkt, ist, dass man sich selbst entmündigt. Denn man ist nie für sich selbst verantwortlich, sondern man kann die Unbilden immer anderen zuschieben. Und an diese Denke knüpfen durchaus geschickt viele Gruppierungen und Systeme, die sich eine muslimische Erneuerung bzw. einen "politischen Islam" auf die Fahnen schreiben, an - dabei betreiben sie erneut eben nur eine Verklärung.
Und nebenbei: Die genannten Bsp. von "Führern" sind ziemlich deplatziert, wenn es um die vom Westen ja ach so armen unterdrückten Massen der nahöstlichen Hemisphäre geht, da die Annahme, die Probleme rührten daher, dass diese Staatschefs eben Ärger haben, weil sie keine israelfreundliche Politik betrieben hätten, so ziemlich alle lokalen Begebenheit netterweise ausblendet. Wer denkt daran, dass Assad einer kleinen Gruppe vorsteht, die vielleicht 13% der Bevölkerung ausmacht und dass wiederum genau die, die in ihm Bürgerkrieg wiederum bekämpften, dem von dir genannten Mursi geistig nahestehen? Und wer denkt daran, dass die Kurden des Nordirak und die Schiiten des Südirak jubelten, als Saddam 2003 stürzte, als die GIs einmarschierten? Wer denkt daran, dass Gaddafi einem überschaubaren tribalistischen Völkchen vorstand und den Rest des Landes von der Politik fernhielt? Wer denkt daran, dass der Libanon ein fragiles, aber durchaus ausbalanciertes Gebilde war, ehe v. a. die PLO ihn destabilisierte und die Syrer ihn als Spielfeld benutzten? Und der Iran? Ernsthaft? Soll ich ehrlich gesagt schon wieder wiederholen, wie sich die Führung dort nach 1979 bewusst entschlossen hat, einen Konflikt mit den USA und den Israelis herbeizuzüchten?
Aber natürlich - alles Mu'amara, die große Verschwörung, der böse Westen...
Schneemann