Volksrepublik China
Zur um sich greifenden Krise in China - vor allem nach der Pleite des Immobilienriesen Evergrande, der anscheinend 300 Mrd. (!) Euro versenkt haben soll, wächst weltweit die Unruhe an den Märkten.

Und auch politisch-geostrategisch ist diese Entwicklung alles andere als gut, denn wenn es im Inneren nicht mehr richtig läuft (man denke auch an die Schuldenlasten im privaten Bereich, die hohen Arbeitslosenquoten, gerade unter jüngeren und vergleichsweise gut ausgebildeten Menschen, und die durchaus zunehmende Unzufriedenheit mit dem rigiden Kurs von Xi), neigen Diktaturen dazu, mit außenpolitischen Abenteuern von der Misere im Inneren abzulenken. D. h. je weiter die innere Krise Rotchinas um sich greift, desto wahrscheinlich könnte auch ein Konflikt um Taiwan werden.
Zitat:China-Krise: Das Ende der Hybris

Die wirtschaftliche Lage der Volksrepublik ist kritisch – auch, weil der Alleinherrscher Xi die Basis für den Aufstieg seines Landes zerstört. China wird zum Risiko für die Weltwirtschaft. [...]

Kollabierende Immobiliengiganten, Deflationstendenzen, Überschuldung im Privatsektor – lange nicht war die ökonomische Lage der Volksrepublik so labil wie derzeit. Auch wenn die Nachrichten vom Tod des chinesischen Wirtschaftsmodells übertrieben sind, besorgniserregend sind die Entwicklungen allemal. Das Problem: Niemand weiß die Dimension der aktuellen Krise wirklich einzuschätzen, was auch damit zusammenhängt, dass man den statistischen Daten aus China nicht so recht trauen kann. Auch deshalb nimmt die Nervosität an den Finanzmärkten zu. Was sich mit einer bestimmten Gewissheit schon jetzt sagen lässt: Die Zeiten, in denen das Pekinger Politbüro die Konjunktur fast nach Belieben steuern konnte, sind vorbei. [...]

Trotz aller Rückschläge – die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt trägt 2023 laut Prognose des Internationalen Währungsfonds immer noch ein Drittel zum globalen Wirtschaftswachstum bei. Man kann sich also leicht ausrechnen, was es bedeutet, sollte Chinas Wirtschaft tatsächlich kollabieren. [...]

Wie kritisch die Lage in China ist, davon zeugen gleich mehrere Entwicklungen. Dabei sind die Insolvenz des Immobiliengiganten Evergrande in den USA, die Schieflage des Wettbewerbers Country Garden oder des Finanzkonglomerats Zhongzhinur nur die sichtbarsten Zeichen der Krise. [...] Jetzt rächt sich, dass der chinesische Staat die Immobilienbranche über Jahrzehnte als planwirtschaftliches Instrument zur Feinsteuerung der Konjunktur missbrauchte. Der Sektor steht inzwischen für fast ein Viertel der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes und ist hoffnungslos aufgebläht. Die notwendige Stutzung des Sektors auf Normalmaß wird enorme Folgen für die Gesamtwirtschaft haben.

Schon jetzt zeigen sich überall Symptome dieser Korrektur: China muss inzwischen Dollars verkaufen, um seine Währung zu stützen. Die ausländischen Direktinvestitionen waren im zweiten Quartal so niedrig wie noch nie. [...] Die Schattenbanken, die jahrelang das kreditgetriebene Wachstum befeuerten, wanken. Die ersten Ratingagenturen erwägen öffentlich, die Kreditwürdigkeit des Landes herabzustufen. Die Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit, die zuletzt bei 20 Prozent gelegen hatte, veröffentlicht die Regierung vorsichtshalber gar nicht mehr. [...]

Xi handelt aus der Angst, dass die Volksrepublik das gleiche Schicksal erleiden könnte wie einst die Sowjetunion. Xi nimmt den Chinesen das bisschen Freiheit, die Deng Xiaoping ihnen in den 80er-Jahren gegeben hatte. Was der amtierende Herrscher mit absolutistischem Anspruch unterschätzt: Die Basis für den Aufstieg zur ökonomischen Supermacht waren die kapitalistischen Elemente und die Experimentierfreude, die Deng zuließ. Er beendete den Personenkult, dezentralisierte die Macht und führte an der Spitze der Partei die kollektive Führung ein. [...]

Am Ende stellt sich die Frage, was der Westen mehr zu fürchten hat: ein starkes oder ein schwaches China. Denn nicht selten neigen Diktatoren dazu, von inländischen Krisen abzulenken, indem sie außenpolitische Abenteuer eingehen. Oder anders ausgedrückt: Das Risiko einer Taiwan-Invasion wächst mit der Schwäche der Wirtschaft.
https://www.handelsblatt.com/meinung/kom...39618.html

Schneemann
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema

Gehe zu: