12.06.2023, 20:11
Oberst Reisner:
Man mag seine Meinung deuten wie man denkt, aber v. a. im Bereich des CAS stimme ich ihm explizit zu. Dieser Angriff ist ein Anrennen mit durchaus hochwertigem Gerät gegen einen Feind, der trotz aller Moralschwächen Zeit hatte, sich vorzubereiten. Mit Minen, Artillerie und doch immer noch einer nicht zu unterschätzenden Mannstärke. Darüber hinaus waren die Russen in der Defensive nie zu unterschätzen. Ohne die Schlagkraft, die eine gut getimte CAS hier mit einbringen könnte - unter zumindest zeitweise temporärer Freikämpfung des Luftraumes -, wird das ein Ansturm unter erheblichen Verlusten. Und diese Brecheisen-Taktik können sich die Ukrainer nicht leisten angesichts des doch überschaubaren Bestandes an hochwertigem Gerät.
Schneemann
Zitat:Reisners Blick auf die Fronthttps://www.n-tv.de/politik/Fuer-die-Ukr...85276.html
"Für die Ukraine ist die Situation außerordentlich prekär"
Es sei zu früh, um jetzt schon zu beurteilen, ob die ukrainische Offensive erfolgreich sein wird, sagt Oberst Markus Reisner - das habe auch das Beispiel eines russischen Vorstoßes bei Wuhledar im Januar gezeigt. Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass in einer Offensive Verluste entstehen. "Ungewöhnlich ist aber, dass diese Verluste schon in der Gefechtsvorpostenlinie passieren; die schweren Verluste finden normalerweise erst in der ersten Verteidigungslinie statt." Der Oberst befürchtet, "dass die Ukraine bis zum NATO-Gipfel in Vilnius Erfolge vorweisen wollte, um die NATO-Staaten davon zu überzeugen, dass jetzt die nächsten Schritte nötig sind". [...]
Markus Reisner: In den letzten Tagen seit dem 4. Juni haben wir Vorstöße an mehreren Stellen gesehen - ein Grund dafür ist sicherlich, dass die ukrainischen Streitkräfte so lange wie möglich versuchen wollten, zu verschleiern, wo das Schwergewicht ihrer Offensive liegt. Allerdings hat sich bei diesen Vorstößen leider bereits gezeigt, dass es dort für die Ukrainer zu schweren Verlusten gekommen ist. Auf den Bildern, die in den sozialen Netzwerken kursieren, kann man erkennen, dass vor allem Spezialgerät ausgefallen ist, das eine hohe Bedeutung hat, wenn es darum geht, die Verteidigungsstellungen der Russen zu zerschlagen. Das ist schon ziemlich ernüchternd. [...]
Wo finden die Vorstöße statt?
Wir können die besetzten Gebiete grob in drei Räume einteilen: den Süden, also Cherson bis zum Dnipro-Knick bei Saporischschja. Dann den Zentralraum zwischen Melitopol und Mariupol. Und schließlich den Nordostraum mit Donezk und Luhansk bis hinauf nach Kupjansk. Aus jetziger Sicht lassen sich mehrere Stoßrichtungen erkennen. Das eine sind im Nordosten ukrainische Vorstöße bei Bachmut. Zentral gibt es Vorstöße nördlich von Mariupol - hier versucht man insgesamt, an drei Stellen gleichzeitig vorzustoßen. In den letzten 48 Stunden haben die Ukrainer nördlich von Mariupol auch kleinere Erfolge erzielt, sie konnten vier oder fünf Kilometer vorstoßen und drei Ortschaften einnehmen. [...]
Welche Art von Waffen bräuchte die Ukraine jetzt besonders?
Was wir hier sehen, ist ein D-Day ohne Luftwaffe, und das ist genau das Problem. Das Durchbrechen einer Verteidigungsstellung bedarf einer hohen Synchronisation und Vorbereitung. Wenn es der Ukraine nicht gelingt, bei ihrer Offensive in irgendeiner Art und Weise die Luftherrschaft zu erringen, und sei es durch mitfahrende Flugabwehrsysteme, damit die russische Luftwaffe hier nicht eingesetzt werden kann, dann wird es schwierig. Die Ukraine hat zwar den einen oder anderen spektakulären Angriff durchgeführt, zum Beispiel mit Langstreckenraketen vom Typ Storm Shadow, die von Su-24M-Bombern in die Tiefe abgefeuert wurden, hinter die Verteidigungslinien der Russen. Damit versuchen sie, ganz gezielt Logistikknotenpunkte und Gefechtsstände anzugreifen. Aber was fehlt, ist die unmittelbare Luftnahunterstützung vor Ort, die den Gegner unter Feuer nimmt, während die Minenräumtrupps durchbrechen. [...]
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu will bis 1. Juli die privaten Militärfirmen in die russische Armee eingliedern. Was ist von diesem Vorstoß zu halten - und was passiert, wenn Jewgeni Prigoschin das nicht mitmacht?
Ich bin nicht überzeugt davon, dass das, was wir hier sehen und hören, immer der Realität entspricht. Es kann gut sein, dass der öffentliche Streit zwischen Prigoschin und der Armee rings um die Kämpfe in Bachmut eine riesige Täuschung war, eine klassische Maskirowja - eine Maskerade in der Tradition der sowjetischen Armee, die verschleiern sollte, dass man längst dabei war, die Verteidigungsstellungen massiv auszubauen. Denn Prigoschin hat immer wieder Dinge gesagt, die sich als falsch herausgestellt haben. Während der Kämpfe in Bachmut beispielsweise hat er gesagt, seine Truppen hätten nicht genug Munition und nicht ausreichend Waffen. Tatsächlich hat er aber immer die besten Waffensysteme erhalten, etwa diesen verheerenden Mehrfachraketenwerfer vom Typ TOS-1. Und ganz grundsätzlich muss man bei diesem Streit sehen, dass Prigoschins Kritik nie auf Putin zielt, immer nur auf Schoigu oder den russischen Generalstabschef Waleri Gerassimow.
Man mag seine Meinung deuten wie man denkt, aber v. a. im Bereich des CAS stimme ich ihm explizit zu. Dieser Angriff ist ein Anrennen mit durchaus hochwertigem Gerät gegen einen Feind, der trotz aller Moralschwächen Zeit hatte, sich vorzubereiten. Mit Minen, Artillerie und doch immer noch einer nicht zu unterschätzenden Mannstärke. Darüber hinaus waren die Russen in der Defensive nie zu unterschätzen. Ohne die Schlagkraft, die eine gut getimte CAS hier mit einbringen könnte - unter zumindest zeitweise temporärer Freikämpfung des Luftraumes -, wird das ein Ansturm unter erheblichen Verlusten. Und diese Brecheisen-Taktik können sich die Ukrainer nicht leisten angesichts des doch überschaubaren Bestandes an hochwertigem Gerät.
Schneemann